Montag. Es gab viel zu erledigen. Ich zog alleine los, Gabi blieb am Hotel. Als erstes besorgte ich zwei Telephonkarten. Ich rief als erstes beim Agenten an und fragte nach, wie ich vorzugehen hatte. Von ihm wollte ich auch wissen, wo genau der Container war. Schließlich wollte ich dabeisein, wenn das Auto aus dem Container befreit würde. Das zuständige Büro war in Manzanillo. Der Container war wieder woanders. Ich fuhr zum Agenten, von dort wurden wir zum Büro gefahren. Der Agent ging hinein, ich hinterher. Bald schon hatten wir - wer hätte es gedacht? - die ersten Schwierigkeiten. Zwar hatte ich die B/L, aber die der Leute, denen das andere Zeug im Container gehörte, die war nicht auffindbar. Weil nicht alle Bills of Lading dawaren, konnte der Container nicht geöffnet werden. "Schöne Scheiße!", kommentierte ich das Ganze.
Kurz darauf fuhr ich mit dem Agenten wieder zurück. Im Zentrum ließ man mich hinaus, in der Nähe des Hotels. Als ich um die Ecke bog, kamen mir drei nicht sehr vertrauenswürdige Typen entgegen. Jeder hatte eine Machete in der Hand. Ich tat so, als wollte ich eh über die Straße gehen und ging auf die andere Seite. Zwar war lebhafter Verkehr, aber ich mußte nicht stehenbleiben. Nach Geld sah ich ohnehin nicht aus, daher hatte ich keine Bedenken, daß sie sich die Mühe machen würden, mir zu folgen. Vielleicht waren es auch nur drei friedliche Typen, die ihre Macheten zum Schleifen bringen wollten. Aber ich behaupte ein Gespür dafür zu haben, wenn etwas nicht stimmt. Und an dem Bild stimmte irgendwas nicht. Ich ging ins Hotel, sah von dort zum Fenster hinaus. "Alter, da spazieren mir grad drei Typen mit der Machete über den Weg...", teilte ich überflüssiger- und sinnloserweise Gabi mit. Ihre Antwort lautete: "Hallo! Panama! Nicht mehr Kolumbien!", und zwar in einem Ton, als wäre ich einer der Behinderten aus dem Heim, in dem sie arbeitet. "Ach, stimmt. Mei, bin ich dumm", dachte ich mir, sagte aber nichts weiter. Was soll man auch dazu sagen?
"Was ist mit dem Auto? Hast Du es?", fragte Gabi. "Natürlich nicht. Das kann auch noch dauern. Stell Dich einmal drauf ein, daß wir hier eine Woche herumhängen..." "Eine Woche?", fragte sie überrascht und gleichzeitig genervt. "Mindestens." Zwar ging ich davon aus, daß es weitaus weniger als eine Woche dauern würde, aber besser ich bereite sie darauf vor, daß es ewig dauert, dann gibt es nur einmal Geschrei und nicht ständig. Geschrei und schlechte Laune - auf Dauer sehr anstrengend. Und ich hasse nichts so sehr wie sinnlose Anstrengung die mich betreffen.
Aus dem Hotel mußten wir aus, da die nur für eine Nacht ein Zimmer hatten. Wir suchten ein anderes Hotel aus dem Reiseführer und zogen um. Ein Anruf ergab, daß die B/L der anderen immer noch nicht da war. Da ging also nichts voran. Stellungskrieg an der Hafenfront. Nach altem deutschen Brauch beschloß ich, eine zweite Front zu eröffnen, und zwar beim Zoll. Vielleicht ließ sich ja dort etwas erledigen. Dazu mußte ich zum Zollager und da ich es nicht eilig hatte, nahm ich den Bus. Das ist auch ein Erlebnis für sich. Ich ging zum Terminal, suchte mir den entsprechenden Bus heraus, kaufte eine Karte und nahm Platz. Die Karre sah aus wie aus den Fünfzigern, war bunt wie ein Zeisig, trug die Aufschrift "Más kool que el carajo", und war innen ziemlich abgeschuttelt. Vom Fahrer keine Spur. Als dann auch noch ein Typ hereinkam, der alle Insassen katechisieren wollte und zum Glauben an Gott aufrief und uns versicherte, daß Jesus jeden einzelnen von uns sehr lieb hätte und uns alle unsere Sünden verzeihen würde, da wußte ich, daß ich im falschen Film war. Was sollte das denn nun? Womit hatte ich das verdient? Als wäre es nicht schon schlimm genug, daß ich mein Auto nicht hatte. Ich mußte an 'Das Boot' denken: "Der macht einen ganz panne mit seinem religiösen Scheißdreck! Wenn es nach dem ginge könnten wir den ganzen Tag auf der Erde kriechen und Choräle labern."
Im Bus zum Zollager. |
Ganz sicher kriegt er keine Provision, falls es ihm gelingt, jemanden zu bekehren. Vielleicht sollte er sich an Unternehmen wenden und deren Produkte predigen. Wenn's klappt gibt's immerhin Geld dafür. Aber dieses Affiliate-Programm war ganz sicher das schlechteste auf dem Markt, auch wenn es nach 2000 Jahren immer noch genügend Dumme gibt, die darauf hereinfallen. Der Apostel stieg dann aus und ging in den nächsten Bus, um sein Produkt dort zu verkaufen. Dafür kam nun der Fahrer. Ob ihm der Jesusjünger wohl Geld bezahlt hatte, damit er sich verspätet? Zuzutrauen wärs ihm. Bevor der Fahrer den Motor anließ, sorgte er für Beschallung. Aus zwei riesigen, und im Gegensatz zum restlichen Bus relativ neu aussehenden Lautsprechern, plärrte nun eine akustischer Sondermüll, der stark an den erinnerte, der von MTV für den genetischen Sondermüll bereitgestellt wird. Allerdings eine Mischung aus nordamerikanischem Ghetto-Englisch und Spanisch. Zum Glück fehlten die Bilder von epileptischen Affen, die es üblicherweise gratis dazugibt.
Der Bus fuhr los. Ich stieg eine halbe Stunde später beim Zollager aus. Der Bus fuhr weiter, den Lärm hörte man noch länger als den kräftigen Diesel. Nicht gut. "Diese Ruhe!", dachte ich mir. Na, dann wollen wir mal.
Hinein ins Lager, dann warf ich mehr oder weniger mit allen mir zur Verfügung stehenden Papieren um mich und fragte mich durch, bis sich jemand fand, der sich für mich zuständig fühlte. "Wie? Firma? Nein. Bin nur ein Tourist, der gerne sein Auto wieder haben will. Das ist im Container. Aber ich dachte, ich kann vielleicht schon mal den Papierkrieg mit dem Zoll erledigen." Die für mich zuständige Sachbearbeiterin zeigte sich sehr engagiert.
Im Zollager. Hier irgendwo würde der Container eintreffen. Nur wann? |
Die Zollpapiere konnten sogar, soweit es möglich war, wider erwarten erldigt werden. Wer hätte das gedacht? Natürlich konnte der Teil nicht erledigt werden, für den das Auto benötigt wurde. Da beißt sich nun die Katze in den Schwanz. Weiter kam ich nicht. Und auf die Versicherung, daß das Auto morgen aus dem Container genommen werden konnte, vertraute ich lieber nicht, auch wenn die Frau einen sehr sicheren und vor allem kompetenten Eindruck machte. Ungewöhnlich für Lateinamerika.
Das Lager an sich macht auch keinen schlechten Eindruck, allerdings war die Lage etwas unschön. Es lag mitten in der Pampa und war von allen Seiten mit hohem Gras oder Busch zugewachsen. Ein halb verrotteter Zaun umgab es zum Teil, und ein Graben, durch den eine seltsam zähflüssige graubraune Brühe lief, trennte den Zaun von der Straße.
Das Zollager in Manzanillo. |
Zurück fuhr ich mit dem Taxi. Wer weiß, ob und wann an dieser Haltestelle wieder so ein rollender Faschingsverein vorbeikam. Doch ich fuhr nicht direkt zum Hotel, sondern ließ mich an einem Internetcafé in der Nähe absetzen. Ich hatte noch ein wenig Geld, da wollte ich mich ein paar meiner eMails ausdrucken und im Hotel in Ruhe durchlesen. Aber ich beschloß, sie gleich dort zu beantworten. Irgendwie mag ich es nicht, wenn ich beim Schreiben privater eMails überwacht werde...
Abends gingen wir erneut in das selbe Internetcafé. Danach kauften wir im Supermarkt die notwendigen Utensilien ein, um halbwegs anständige Wurstsemmeln herzustellen. Es gelang, dank Gabi. Auf die Idee hätten wir auch schon früher kommen können.
Bislang konnte ich nichts Schlechtes über Panama sagen. Natürlich würde sich mein Urteil ändern, wenn das mit dem Auto nicht so klappen sollte, aber momentan sah es weitaus besser aus als erwartet.