Gemütlich zur Agency. Dort erledigten wir weitere Schreibereien. Hier unterschreiben, dort unterschreiben, dann warten. Das übliche. Allerdings erstaunlich schnell, denn kurz darauf ging es zum Zollager und als ich dort ankam, war ich gerade rechtzeitig da, um das Auto aus dem Container zu fahren. Ein Handlanger bat mich um den Schlüssel. Ich hielt ihm den Schlüssel hin, er nahm ihn, sah mich ganz irritiert an, als ich nicht losließ. "Der Schlüssel kommt gleich mit Fahrer. Praktisch, was?", sagte ich und grinste ihn an. "Ich fahre das Auto aus dem Container", erklärte er. "Negativ", sagte ich, und ging, ohne auf Widerworte zu warten in den Container. Es kamen auch keine Widerworte. Was sollte er denn machen? Diskutieren? Sinnlos. Ich hatte mehr Zeit als er. Als ich die Kisten, die sich hinter und auf dem Kofferraum befanden, eigenhändig einzeln aus dem Container trug, war er wieder versöhnt. Immerhin hätte er sich eigentlich damit plagen müssen. Aber ich wollte das lieber selbst machen.
Hier noch im Container. Alle Scheiben ganz, von Außen keine Transportschäden feststellbar... |
Es war punkt 11:30 Uhr. Ich schloß das Auto auf, ließ mich auf den Sitz fallen, machte die Tür zu, glühte vor und ließ den Motor an. Dann schloß ich die Augen und atmete auf. "En casa - Mercedes-Benz", ging mir erneut durch den Kopf. Nun konnte nicht mehr viel schiefgehen. Es würde höchstens noch einen Tag dauern, bis der Benz befreit und ich somit wieder frei war. Hier könnte man im Zweifelsfall einfach abhauen. Zwischen hier und der Straße befanden sich keine nennenswerten Hindernisse. Und die Leute machten mir nicht den Eindruck, als daß sie drauf aus wären, Schwierigkeiten zu machen. Und selbst wenn - irgendwie war ich der Überzeugung, daß ich es hier mit Anfängern zu tun haben würde. Es sah einfach alles zu zivilisiert aus. Ich genoß es erst mal, wieder in meinem geliebten Daimerl zu sitzen. Draußen im Container verbreitete sich langsam ein blauer Dunst. Die Klimaanlage war leider kaputt, daher begann der Geruch verbrannten Diesels sich auch im Innenraum breitzumachen. Draußen gab mir ein Typ das Zeichen, endlich aus dem Container zu fahren. Ich öffnete das Fenster und atmete tief ein. Riecht nach der großen weiten Welt...
Ich zog den Knopf, der die Feststellbremse löste und fuhr an. Der Benz setzte sich langsam in Bewegung - etwas schwerfällig. Als die Hinterräder über das auf den Containerboden genagelte Holz fuhr, hob sich das Auto auf der Backbordseite kaum. Seltsam. Auch lag es überhaupt so seltsam niedrig. Platt war der Reifen nicht, aber Luft hatte er auch keine mehr. Die Wahrheit lag, wie immer in der Mitte. In der Halle stellte ich fest: Der hintere linke Reifen hatte viel, der vordere linke nur wenig Luft verloren. Aber das war nicht schlimm. Beim Zustand dieser Bereifung mußte man froh sein, wenn sie überhaupt noch Luft halten. Erstmal raus aus der Kiste. Ich fuhr in die Halle, stellte das Auto dann da ab, wo man es mir befahl, und ging dann ins Büro, um die Zollpapiere zu erledigen. Nun ging es um die Zulassung. Das ging eigentlich relativ schnell, alles, zumal ein älterer Zollmitarbeiter ohne Uniform sich als sehr hilfreich erwies. Keine Stunde war vergangen, da hatte ich schon alle Papiere.
In der Abfertigungshalle. Nichts war beschädigt, und außer ein wenig Luft in zwei Pneus fehlte auch nichts. |
Ich warf als erstes den Kompressor an und pumpte die Reifen wieder voll, womit der Daimler wieder Fahrbereit war. Doch bevor das Auto hinausdurfte, mußte es durchsucht werden. Das konnte jedoch nicht jetzt geschehen, weil keiner da war, der sich dafür zuständig fühlte. Ich fuhr mit dem Taxi in die Stadt - was soll ich im Zollager, wenn hier keiner was tut? Mit dem Taxifahrer unterhielt ich mich, während er durch eine sehr noble Einkaufsstraße fuhr. Für die brauchte man wohl einen bestimmten Permit, denn er hielt einem Uniformierten an der Einfahrt einen Zettel hin, woraufhin ihn der Uniformierte passieren ließ. Da wollte ich allerdings nicht sein. Lieber in ein Lokal, wo man die Portionen nicht mit der Lupe suchen muß, und die trotzdem bezahlbar sind. Also fuhren wir wieder hinaus. Ich ging in ein einfaches Restaurant und aß etwas, spazierte etwas unmotiviert durch das Viertel und nach etwa anderthalb Stunden beschloß ich, wieder zum Zollager zu gehen. Ich hielt ein Taxi an, und wir fuhren wieder zum Zollager zurück. Und wieder fuhren wir durch die Einkaufsstraße.
Ich mußte gar nicht lange warten, da kam dann auch schon ein Neger angelaufen mit einem Stapel Papieren, fragte nach mir und bat mich, zum Auto mitzukommen. Die Durchsuchung des Fahrzeugs war relativ normal, was mich sehr verwunderte, war seine Fragerei. Die glich mehr einem Verhör und hatte mit dem Auto recht wenig zu tun, sondern mit mir. Woher und wohin, das war in Ordnung, das fragt ja jeder irgendwann. Aber der Fragte weiter und immer kam der Hinweis, daß ich mich kooperativ verhalten sollte. Das irritierte mich am meisten. Er hatte schon mal keine Uniform an, das war das nächste. Was will denn der Idiot überhaupt? Wo ich das Geld für das Reisen herhätte. "Das hab ich einfach..." Er wurde ungemütlich und sagte: "Das hier kann sehr lange dauern, wenn Sie sich nicht kooperativ verhalten." Das beeindruckte mich nun nicht wirklich. "Sie sollen das Auto durchsuchen, nicht mein Leben. Tut mir Leid, daß ich Ihnen ihren Job erklären muß. Das ist doch so eine Art Job, was Sie da machen, oder?" Er war genervt. "Ja. Das ist meine Arbeit. Und was ist ihre Arbeit?" "Ich sagte doch schon, es geht sie nichts an. Wieso muß ich überhaupt eine Arbeit haben?" "Jeder Mensch braucht eine Arbeit, das ist nun einmal so", kam er mir recht gescheit. "Das stimmt nicht. Ich lebe ganz gut ohne Arbeit und bin überhaupt nicht scharf darauf. Aber wenn Sie ihre Arbeit so lieben, dann machen Sie sie doch endlich. Ist das Auto nun durchsucht?" "Ja, das Auto ist durchsucht, aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Woher haben sie das Geld, wenn Sie keine Arbeit haben?" Das war mir nun zu blöd und ich wurde frech. "Ich brauch keine Arbeit, weil mein Vater eine gescheite Arbeit hat - und nicht so einen Schwachsinn da, den Sie Arbeit nennen. Das ist doch für Arme..." Nun hatte ich ihn persönlich angegriffen und er meinte, er würde mich nicht gehen lassen, wenn ich nicht kooperierte. Dieser genetische Sondermüll war für die Autodurchsuchung zuständig und für sonst nichts. Ich hatte ihm keine Auskunft zu erteilen. Nun tat ich es aber trotzdem. Er wollte wissen, was mein Herr Papa arbeitete, und ich erzählte es ihm. Pflanzenschutzmittel, Gentechnik, alles noch viel wichtiger und viel Bunter, als es in Wirklichkeit war, und beschloß meinen Vortrag mit den Worten: The envy of the have-nots." Er beschimpfte mich als arroganter Europäer und ich gab ihm den guten Rat, auf seinen Baum zurückzugehen, dann ging er. Der ältere Herr, der einen Teil des Gespräches mitbekommen hatte, sagte. "Hast vollkommen Recht. Der Idiot hat überhaupt nichts zu melden. Der ist nicht von der Einwanderung, sondern vom Zoll." Dachte ich mir und stellte fest: "Aber wohl nicht so wichtig, daß man ihm eine Uniform verpaßt, oder?" Der Durchsuchungs-Neger kam dann eine Weile später wieder, brachte mir einen Zettel, der bestätigte, daß das Auto durchsucht war. "Buen trabajo! Pero todavia es trabajo!", sagte ich, hielt beide Daumen hoch. Sollte soviel heißen wie: "Das ist das Eklige an der Arbeit, nicht wahr? Egal wie gut sie ist - sie ist immer schlecht..." Er verzog sich wortlos, aber man merkte ihm an, daß er wütend war. Gut so. In Zukunft: Auto durchsuchen, Maul halten, dann braucht er sich nicht ärgern.
Aber hier schienen die Idioten nicht auszugehen. Es hatte sich schon eine Schlange gebildet. Die nächsten zwei kamen an und erklärten, daß sie nun das Auto waschen würden. "Negativ. Wegtreten. Ich fahre jetzt." Da meinte der Alte allerdings, daß das sein muß, da es Vorschrift sei. "Was?", fragte ich erstaunt, "Das Autowaschen?" Da kam Idiot Nr. 2 mit seinem Hilfsidioten dazwischen und erklärte, daß es sich um eine Desinfektion handele. Und dafür würde ich eine Plakette erhalten, und könnte mir dadurch alle künftigen Desinfektionen in Zentralamerika sparen. Und das alles für nur 32 US$. "Schön, dann reicht es ja, wenn ich durch so eine Wanne fahre, oder nicht?" Nein, das ginge nicht. Das gesamte Auto müsse gewaschen werden. "Scheiß Zoll. Nur dazu da, um Schwierigkeiten zu machen. Aber sonst zu nichts zu gebrauchen." Da sagte der Alte: "No. No lo veas así. In Deinem Land sind die Regeln und Gesetze vom Zoll viel strikter." "Das stimmt, mein Herr, das ist nur einer der Gründe, warum ich aus dieser Drecksrepublik ausgewandert bin. Aber nur weil der deutsche Zoll noch beschissener ist, als der panamesische, heißt es nicht, daß mir die Komödie hier gefallen muß. Das wäre so, als würde man einen großen Unterschied zwischen Katzenscheiße und Hundescheiße machen... Mein AUto wird jedenfalls nicht gewaschen. Desinfizieren, meinetwegen, aber bezahlen werde ich dafür nicht." Dann darf das Auto das Hafengelände nicht verlassen. So. Nun waren wir soweit...
Wäre eine Almut hier, würden wir uns ins Auto setzen und vor das Tor fahren, und solange dort stehenbleiben, bis es ihnen zu blöd würde, jedesmal drauf aufpassen zu müssen, daß ich mich nicht an einen LKW hinhänge, der zum Hafen hinausfuhr. Die Autopapiere hatte ich ja nun alle. Aber Almut war nun mal nicht da. "Also gut, sagte ich. Aber das Auto ist hinterher sauber - und zwar richtig sauber!" Ich fuhr hinaus, sie holten Eimer und Spüli, wuschen das Auto, schütteten dann das Waschwasser an die Räder - also alles in allem sehr dilettantisch. Bald merkten sie, warum allein meine Ohren mich davon abhielten, im Kreis zu grinsen.
Hilfsidiot beim 'Autowaschen' (In Deutschland würde man sagen, er 'pritschelt'). |
Als sie nämlich am Kofferraum ankamen, stellten sie fest, daß dieses angetrocknete Speiseöl sehr schwer abzukriegen war. Sie gaben schnell auf. Sie sprühten noch irgendein Spray in den Innenraum und kamen dann zum abkassieren. Der Alte war auch wieder da. Ohne auf die Forderung von Idiot Nr. 2 einzugehen, erklärte ich dem Alten: "Sehen Sie. Genau das meine ich mit Komödie. Was haben die beiden jetzt gemacht? Das Auto naß. Wenn dieses Auto überhaupt mit verseuchten Pflanzen oder was auch immer in Berührung gekommen ist, dann doch am Unterboden. Der hat bei dieser sogenannten 'Putzaktion' keinen einzigen Tropfen Wasser abgekriegt. Fazit: Das Auto ist weder sauber, geschweige denn desinfiziert." Idiot Nr.2 meint dazu nur: "Aber dafür müßten wir es auf die Bühne heben um es von unten zu waschen." So ein Depp! "Du scheinst mir einen Universitätsabschluß zu haben. Aber Du warst doch derjenige, der unbedingt das Auto desinfizieren wollte, oder? Frage an alle Anwesenden: Ist diese Auto desinfiziert?" "Wir haben doch gar keine Bühne..." Ich unterbrach: "Psssst! Pst! Ich stelle die Frage noch einfacher, ich will auch eine einfache Antwort: Ist dieses Auto sauber?", fragte ich erneut und deutete auf den Benz, der etwa zehn Meter weit weg stand. "Sauberer geht es nicht", sagte der Hilfsidiot. "Also gut", wandte ich mich an den Alten, "sehen Sie? Das Auto ist weder sauber, noch desinfiziert. Dennoch kleben auf der Windschutzscheibe Aufkleber, die besagen, daß es desinfiziert ist. Gesetz hin oder her, auf die Interpretation der Gesetze kommt es an. Hier wird einfach nur willkürlich irgendein Vorwand gesucht, um mir das Geld aus der Tasche zu ziehen." Natürlich wollten sie nur Geld, alles andere waren nur vorgeschobene Gründe. "Wieviel denn?", fragte ich. "32 UD$, wie vorhin schon gesagt", erklärte Idiot Nr. 2. "Und darf ich nochmal fragen für was?", fragte ich und hielt ihm mein Ohr hin, während ich dem Alten ein Zeichen zum Zuhören gab. "Für's Autowaschen." Ich nickte. Ich war auch ganz demonstrativ damit einverstanden: "Kriegt Ihr - sobald ihr damit fertig seid", sagte ich. "Wir sind fertig. Schon alles erledigt." Ich schüttelte den Kopf, hielt Daumen und Zeigefinger auf das linke bzw. rechte Auge und sagte, ohne aufzublicken: "Du kleiner Delinquent. Haben wir nicht vorhin gemeinsam festgestellt, daß das Auto nicht sauber ist, und erstrecht nicht desinfiziert? Also: Ich bezahle Dich, wenn das Auto sauber ist. Und dieses Pflanzenöl ist hartnäckig, das weiß ich aus Erfahrung, also solltet Ihr anfangen zu schrubben, ansonsten steht Ihr noch am Abend hier. Von mir bekommt ihr das Geld erst, wenn die Karre glänzet, wie am ersten Tag."
Hauptidiot beim Versprühen eines Sprays. Vermutlich H2O mit Treibgas. Vielleicht aber auch irgendein Insektenspray. Wirkung: Es sieht wichtig aus. Mehr aber nicht. |
Da war er gleich beleidigt, rief seinen Hilfsidioten zu Hilfe und sagte zu ihm: "Der meint, wir sind Betrüger", sagte er zu ihm, schon fast weinerlich. "Nein. Das sage ich nicht. Ich nehm's zurück. Richtig muß es heißen: 'Ihr wärt gerne Betrüger, seid aber zu blöd dazu'", korrigierte ich mich, "Der Räuber auf der Straße hält mir die Knarre ins Gesicht und sagt, ich soll ihm mein Geld geben. Gegenleistung: keine. Bei Euch ist es genauso, nur habt ihr keine Knarre. Aber auch hier: Gegenleistung: keine. Wenn ihr mir einen guten (ich redete schon gar nicht mehr von vernünftig) Grund nennen könnt, warum ich bezahlen soll, dann bezahle ich." Das konnten sie nicht. Sie wiederholten nur gebetsmühlenartig, was sie schon die ganze Zeit sagten: Für's Autowaschen. Der Alte hatte sich mittlerweile entfernt, deshalb sagte ich zu den beiden Trotteln: "Seht ihr? Deswegen schaut es in Eurem bekackten Drecksland auch so beschissen aus. Und das wird sich nie ändern, solange es solche Pendejos gibt wie Euch, die meinen, sie kämen ans schnelle Geld, indem sie Leute betrügen. Entweder Ihr macht Eure Arbeit richtig, dann könnt ihr Geld verlangen, oder Ihr verpißt Euch. Sucht Euch irgendeine Ampel und bittet die Leute um Geld." Da mir nicht ganz klar war, ob das eine offizielle oder halboffizielle Angelegenheit war, ging ich nochmal hinein ins Lager, zu meinem Sachbearbeiter. "Sag mal, was wollen die Idioten da draußen mit ihrer Desinfiziererei eigentlich. Ist das offiziell oder sind die hier nur auf dem Gelände geduldet, damit sie sich ein paar Kröten verdienen?" Er versicherte mir, es sei eine offizielle Angelegenheit. "Und wo zahle ich? Hier oder bei denen da draußen?" Ich könnte gleich bei ihm bezahlen, meinte er. Aber irgendwie schienen mir die beiden Arbeitsweisen nicht kompatibel. Auf der einen Seite alles völlig korrekt, auf der anderen die typische Schlampere, und das Gefühl, abgezogen zu werden. Ich legte ihm Gabis Kreditkarte hin, während ich mich über diese beiden Gauner da draußen ausließ. Und siehe da: Ich wußte doch, es stimmte etwas nicht. Die konnte er nicht annehmen. Aber sie nahmen Karte, das stand fest, und die Geräte waren auch an fast jedem Tisch zu sehen. "Also gut. Leider habe ich gar kein Bargeld..." Aber er meinte, er könne mich nicht fahren lassen, wenn ich nicht bezahle. Ich hätte jetzt Bock aufzustehen, in den Hof zu gehen, und unser Zelt aufzubauen. Das war eine Situation, die man hätte aussitzen können. Aber nicht auf dieser Fahrt. Ich gab ihm 30 US$ in Bar - war ja nicht mein Geld. Dann stand ich auf und ging zum Auto. Von den beiden anderen fehlte jede Spur. Ich stieg ins Auto und fuhr durch das Tor, das mir ein HiWi öffnete, ohne nach irgendeinem Papier zu fragen.
Vor dem Hafen, Eintrag ins KTB: "753683, 15.50 Auto bereit und alles fertig." Alles in allem hatte es doch sehr gut geklappt. Das Auto war schon auf der Straße, die Gabi aber noch nicht im Auto, das bedeutete, ich durfte Beethoven hören, ohne daß sofort lautstarker Protest einsetzte. Die Eroica schien mir gerade passend. Ich hatte es nicht eilig, Gabi abzuholen, also fuhr ich noch solange durch Colón, bis die Symphonie vorbei war, und fuhr erst dann vor das Hotel.
Gabi saß mit dem gesamten Gepäck in der Rezeption. Ich selbst hatte schon gegessen, aber Gabi nicht. Sie konnte nicht allein bis an die Streßenecke gehen und sich was zu Essen holen. Das ging nicht, wegen der großen Gefahr! So hielt ich vor einem Lokal, damit sie sich etwas zu essen holen konnte. Um 17:15 Uhr fuhren wir los nach Panama-City. Der Himmel zog sich immer mehr zu, und auf halbem Weg zur Hauptstadt öffnete er seine Schleusen. Die Wischer arbeiteten auf höchster Stufe. Nach wenigen Minuten war von den Aufklebern der Desinfektion, die uns angeblich in den kommenden Ländern die Desinfektion ersparen sollten, nicht mehr die geringste Spur vorhanden. Der Regen war zwar heftig, dauerte aber nicht lange. Es wurde sogar noch einmal kurz relativ hell, während wir fuhren.
Es ging weiter in Richtung Mexiko. Nun war Panama an der Reihe. |
Nun, da die Welt wieder in Ordnung war, hatte ich Zeit, meine Gedanken zu sammeln. Und die gingen nach Südamerika. Nun gab es kein Zurück mehr. Irgendwie fühlte ich mich seltsam. Als ob eine Panzertüre hinter einem verschlossen wurde, und man nun in einem Dunklen Raum stünde. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde. In Südamerika hatte ich Bekannte und Verwandte, dort konnte ich mich relativ frei bewegen. Aber wie würde es hier werden. Das ist ein enger Schlauch, der sich langsam verbreitert, ich kenne hier niemanden, außer dem verrückten Finnen. Was, wenn hier nichts weitergeht? Wie komme ich dann wieder zurück? Lauter Fragen, auf die ich keine Antwort wußte. Aber solang der Diesel lief, war mir nicht bange...
Der Daimler stimmte mich zuversichtlich, die Anwesenheit einer Almut hätte sogar eine gewisse Aufbruchstimmung auslösen können. Was soll's... Sie würde jetzt in stoischer Ruhe feststellen: "Das kann man nicht ändern." Konnte man auch nicht. Und darüberhinaus war es schwachsinnig, Gedanken daran zu verschwenden, was wäre, wenn hätte. Da ärgert man sich bloß. Hätte ich nur mal im Lotto gewonnen, wäre ich jetzt nicht in dieser Situation...
Bis Panama-City war es nicht weit. Etwa 50 oder 60 Kilometer. Es zog sich aber hin, denn die Autobahn war an mehreren Stellen unterbrochen. Etwa so wie die A96 Lindau - München. Wir kamen nach Einbruch der Dunkelheit in der Hauptstadt an. Die Skyline sah ganz ansprechend aus. Wir fuhren in die Stadt hinein, unterhielten uns und sahen uns vom Auto aus die Hauptstadt dieses Landes an. Die Engste Stelle an diesem Kontinent, die den Atlantik im Norden vom Pazifik im Süden trennt.
Panama-City von Westen aus betrachtet. |
Wir fuhren ohne Konzept durch die Hauptstadt, Gabis Aufgabe war es, die Straße zu finden, die uns weiter nach Westen bringen sollte. Das tat sie dann schließlich auch. In der Nähe der Küste bogen wir links auf die "Via Panamericana". Ob die nur so hieß, oder ob wir tatsächlich wieder auf der Panam waren wußten wir nicht. Etwas weiter westlich verlief der berühmte Panama-Kanal. Über den fuhren wir nach einer Weile. Leider war es Nacht, viel sahen wir nicht davon. Und die passende Musik durfte auch nicht eingelegt werden. "Im Sturmgebraus tönt das Fanal: Rüber, rüber, über den Kanal!"
Weiter ging es durch die dunkle Nacht in Richtung Westen. Das nächste ausgeschilderte Ziel hieß David. Blöder Name für ein Kaff. In Panama gab es für uns nicht viel zu sehen. Wir mußten unbedingt ganz schnell nach Costa Rica. Nicht, daß jemand das Meer leerpumpt und Gabi nicht mehr zum Tauchen kam. Es schien auf jede Sekunde anzukommen. Die Fahrt selbst verlief ohne besondere Vorkommnisse. So wenige, daß ich bald schon mit dem Schlaf zu kämpfen hatte. Ein paar Minuten vor Zehn fuhr ich an einer kleinen Straße von der Panamericana ab. Es läßt sich schlecht Definieren, was das war. Es standen kleine Häuser herum, aber auch kleine Äcker. Sowas wie eine große Kleingartenanlage? Keine Ahnung. Ich stellte den Benz auf einem Stück Wiese, neben einem Acker, unter einem kleinen Apfelbaum ab. Zähneputzen, Bett aufbauen, das alles dauert seine Zeit. Gabi schlief schon auf der Rückbank und ich lag auf den Blechen. Ich kruschtelte gerade nach meinen Zigarretten, da stand plötzlich eine Schrulle neben dem Auto und fing mächtig an zu kreischen. "Sieh zu, daß Du weiterkommst, Du hast nier nichts zu suchen! Was willst Du überhaupt hier?" Warum müssen so unangenehme Weiber auch immer so widerlich häßlich sein. Wenn sie wenigstens nach etwas aussehen würden, wäre man als Mann schon weitaus toleranter, was so kreischanfälle angeht. Ich zog mir meine Stiefel an, sprang vom Dach und parkte das Auto um. Nun war zwar kein Baum mehr da, aber das war mir egal. Ich war müde und wollte schlafen.
Einige Minuten später - ich hatte es mir gerade wieder gemütlich gemacht - kam ein Auto und hielt vor dem Bug des Daimlers an. Hat man denn hier überhaupt keine Ruhe? Was wollen die von mir? Ich mach doch nicht mal Lärm! Aus dem Auto stieg ein älterer Typ aus. Ich richtete mich auf meinen Blechen auf. "Good evening", sagte er. Akzentfreies American English. "Gut ievning!", antwortete ich. Er fragte, ob ich aus Deutschland sei. Ich bestätigte. Er hatte das am Kennzeichen erkannt. Er stellte sich vor: Er hieß Ernest, war um die 70 und vor vielen Jahren in Deutschland. Er lud mich ein, zu sich nach Hause zu kommen und dort zu übernachten. Aber ich lehnte dankend ab. Erstens hatte ich noch Gabi im Auto, zweitens hatte ich es mir nun schon gemütlich gemacht. Wir könnten hier gerne stehenbleiben, sagte er, und zum Frühstück morgen waren wir auch herzlich eingeladen. Diese Einladung nahm ich an. Und er meinte noch, wir sollten die meckernde Alte von Gegenüber einfach wegschicken, wenn sie wiederkäme. Das hier sei nicht ihr Grundstück. Ich bedankte mich.