23. bis 30. November 2003
Immer noch wartete ich auf die Bezahlung, war Autolos und wurde grimmiger und
grimmiger. So ein autoloses Dasein ist definitiv nichts für mich, ich hasse
es, nicht zumindest die Option zu haben, jederzeit mich in die Kanzel schwingen
zu können. So lange mußte ich noch nie auf das Auto verzichten seit
dem Unfall 1995. Und es stand fertig in der Werkstatt, mußte nur abgeholt
werden und der Preis von Tausend Dollar war auch völlig in Ordnung, nur
waren die eben nicht da. Zum Kotzen.
Aber eines schönen Tages hatte ich den Check dann doch in der Hand. Am
26. morgens holte mich Frank ab und wir fuhren zu Manuel. Endlich! Da stand
er schon , mein brauner Hrnisch, mein Haus, mein Hab und mein Gut, mein Ein
und Alles und noch viel mehr. Und sah mich böse an, was ich auch verstehen
konnte.
Als erstes ging ich zu Manuel und ließ mir die alten Teile zeigen. Sahen
ziemlich desolat aus:
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Radlager links |
Radlager rechts |
Gelenkwelle rechts |
Die Gelenkwelle, besser gesagt, die Manschette, war schon seit Jahren kaputt.
Die letzte afrikanische Reparatur hatte ich kurz nach Campinas vorgenommen,
als soie wieder einmal zu klackern anfing. Nun hatte sie ausgedient und ich
hatte leider nicht die Zeit, ihr ein anständiges Begräbnis in der
Wüste zu bereiten.
Als ich dann mich ins Auto setzte, den Motor anwarf und losfuhr war ich selig.
Ich war wieder ganz, das Auto lief, der Diesel brummt, die Sonne scheint, die
Vöglein zwitschern, mitten im November. Nun, das Konto war zwar immer noch
leer, aber who gives a shit, solange nur der Diesel läuft. "Klingt
die Musik der Motoren, geben wir nichts verloren..." Es geht wieder voran,
das eherne Hämmern des Diesels läßt einem frische Kraft durch
die Adern fließen, es richtet auf und treibt voran zu großen Taten,
zu Ehre, Mut und Pflicht...
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Am Hofe des "European Car Specialist"
in Pasadena. Wieso "european", das weiß wohl nur er. Es
sollte "german" heißen. Nur Autos mit Stil. |
Genug des Pathos, es wurde gefrühstückt und dann frisch ans Werk.
Mit einem breiten Grinsen stand ich dann am Einsatzort, hörte mir an, was
für ein Mist schon wieder am Gehen war, aber es berührte mich nicht
wirklich. "Kriegen wir hin, Herr Kaleu", nur den Mut nicht verlieren.
Der Mittwochabend wird im Toten Löwen verbracht. Es war einfach eine Wonne,
wieder im eigenen Auto über den Highway zu rumpeln und Heimzufahren, ich
fühlte mich wie Neugeboren. Als ich Zuhause ankam, faßte ich den
Entschluß, daß ich diesem Gefühl auch optisch Ausdruck verleihen
mußte, zumal es hieß, daß ich mir wenigstens zu Thanksgivin
den Bart stutzen sollte, weil mir auf der Straße die Freaks schon zuwinken,
weil sie wohl meinen, ich sei einer von ihnen. Haarschneider, Staubsauger und
frisch ans Werk. Bart ab, Loden runter, daß man sich wieder fühlt
wie ein Mensch, der Zuhause ist.
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Nun kann ich hoffen, daß sie mich einziehen,
an die Front schicken und mir hinterher die Papiere geben - vielleicht klappt's
ja, man soll nichts unversucht lassen. |
Tags darauf fiel eines der schönsten amerikanischen Feste. Thanksgiving,
zu Deutsch "Erntedankfest", zu frühreren Zeiten oft gefeiert,
heutzutage in Vergessenheit geraten. Ich war bei den Eltern von Wolfgangs Frau
eingeladen - Frank hatte mir gesagt, daß man zusehen muß, zu Thanksgivin
irgendwo eingeladen zu sein. Das klappte ohne mein Zutun - sehr selten in Amerika.
Ich hatte schon seit Jahren keinen Trathahn mehr gegessen und er schmeckte auch
ganz ausgezeichnet bis zu dem Zeitpunkt, da Wolfgang sein Weinglas umfuchtelte
und der Inhalt sich genau die einzige Soßenschüssel ergoß.
Wenigstens konnte ich mich darüber freuen, daß es diesmal nicht ich
gewesen war. Es war eine dreiviertelstündige Fahrt bis Huntington Beach.
Nun konnte man ja wieder fahren ohne rücksicht auf die Gelenkwelle, also
fuhr ich natürlich Vollast. Allerdings fing das ganze Auto schon bei 110
km/h dermaßen häßlich zu vibrieren an, daß ich doch lieber
mit 80 weiterfuhr. Nun war es ander Zeit für einen neuen Satz Reifen, statt
dauernd nur einen gebrauchten nachzukaufen, wenn einer den Geist endgültig
aufgab. Aber auch nachdem alle heimfuhren, einschließlich mir, war mir
noch nicht danach, heimzufahren. Ich blieb einfach auf dem 101er und fuhr.
Wir fahren und fahren und singen
Im Herzen die bitterste Noth
Die Sehnsucht will uns bezwingen
Doch wir fahren die Sehnsucht tot
Als ich daheim ankam fehlte Hans. Ich dachte, er wäre schon schlafen gegangen,
aber als ich gerade den Rechner hochfahre, kommt er zur Haustür hinein
und flucht wie ein Landsknecht. "Kruzefix, das schlimmste, was mir passieren
hätt' können, ist mir jetzt passiert." Auto... "Ja... jetzt
is mer's Auto verreckt. God damned!" Au, wie ich das nur nachempfinden
kann. Aber es war der Motor...
Und in meiner stillen, vornehmen Art schaffte ich es zu guter letzt, es mir
mit so ziemlich allen Bedienungen im Mad Lion zu verscherzen. Das kommt davon,
wenn man nett sein will. Man hört damit auf "Schlampe" zu sagen,
wenn man Frau meint, also sagt man nicht "He, Bitch! Beer!", wie es
sich gehört, sondern betont höflich: "My young fair lady, would
you be so sweet, as to give me a glass of Franziskaner?" Aber keine Frau
will, daß man nett zu ihr ist, ich weiß gar nicht, warum ich mir
das habe einreden lassen, das hat jedenfalls früher besser geklappt. Die
Behandlung des Weibes nach alter Landsknechtweise, seit Jahrhunderten bewährt,
muß ich wieder erlernen, so geht das nicht weiter.
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So einen giftigen Blick hab ich mein' Lebtag
nicht von einer Frau eingefangen. Seitdem sitze ich immer brav im Eck, um
nicht mit einem Küchenmesser natternhaft und weibisch, also hinterrücks
erdolcht zu werden. |