Nun
fehlt die Zeit, Berichte zu schreiben. Das meinte Eikka, als er sagte, "I
don't like the velocity of life in the US". Es ist einfach schneller, das
Leben hier und man wird unweigerlich erfaßt - entweder man hält mit
oder man bleibt auf der Strecke. Das ist Kapitalismus. Daher gehe ich dazu über,
es bei Wochenberichten zu belassen.
Los Angeles soll ja so gefährlich sein, heißt es immer und überall.
Ich hatte eigentlich so etwas wie São Paulo erwartet, bevor ich herkam,
aber es sind zwei Welten. Und ich werde das Gefühl nicht los, daß
meine Suche hier langsam zum Ende kommt. Es ist nur noch die Feieinstellung
notwendig. Es gibt einfach nichts, worüber ich mich noch beschweren könnte.
Das Wetter ist perfekt: Nicht zu kalt, nicht zu warm, man braucht weder Heizung
noch Klimaanlage. Regen gibt es um diese Jahreszeit sogut wie keinen. Autoersatzteile
für Mercedes gibt es mehr als genug und ziemlich günstig. Übrigens
bekommt man hier erstklassig erhaltene 123er für kleines Geld.
In diesem Land fand ich alles, was ich mir eigentlich von Südafrika versprochen
hatte. Diese Gegend der USA scheint die positiven Eigenschaften der zivilisierten
Welt und der sogenannten dritten Welt zu vereinen. Man wird hier im allgemeinen
nicht belästigt und sehr höflich und zuvorkommend behandelt. Man kann
aussehen wie man will, keiner schreit einem "Bin Laden" nach, und
von der Paranoia, die das Land seit dem 11. September erfasst haben soll, merke
ich hier überhaupt nichts. Und selbst meine Befürchtung, daß
man gesteinigt würde, wenn man keine Ami-Flagge am Auto hat, sah ich nicht
bestätigt. Haben hier die wenigsten. Auch hört man oft kritische Töne,
was die Politik angeht und man kann auch mal sagen, daß derjenige, der
ständig austeilt, sich nicht zu wundern braucht, wenn die anderen auch
mal einen Treffer landen. "Freedom of speech", was man in Deutschland
nur zu kennen glaubt, ist hier an der Tagesordnung.
Mit der Polizei habe ich persönlich bisher nicht eine schlechte Erfahrung
gemacht, insofern kann ich auch das Gerücht nicht bestätigen, wenn
man Amerika als Polizeistaat bezeichnet. Die wollen nicht mal Papiere sehen,
man drängt sie ihnen förmlich auf.
Natürlich ist das hier auch kein Paradies, es gibt auch gravierende Nachteile.
Am Schlimmsten sind wohl der Cigarettenpreise. Mindestens so teuer wie in Deutschland.
Aber das Diesel ist sehr billig und gleicht das sehr gut aus.
Man sieht auch hier, wie in Mexiko, in Peru und sonstwo allerorten Leute, bei
denen der amerikanische Traum bitter in die Hose ging. Aber es gehört dazu,
sonst wäre es wohl das Land, in dem Milch und Honig fließen, was
viele sicher glauben. Aber Milch und Honig fließen hier nur für die,
die auch etwas dafür tun. Sei es durch Arbeit, sei es durch eine neue Idee,
sei es durch Politik, durch Glück oder was auch immer.
Kapitalismus, meiner Meinung nach eine besondere Form des Darwinismus. |
Es ist kein Land für alte Leute, auch wenn es eine Altersvorsorge gibt,
auch nicht für Behinderte, obwohl die völlig überrepräsentiert
sind, wenn es ums Parken geht. Geistig behinderte findet man meistens unter
den Pennern. Die haben keine Chance, wenn sie niemanden haben, der für
sie sorgen kann und will, so, wie hier keiner eine Chance hat, der einfach nichts
tun will. Das Land gibt einem eine Fülle von Möglichkeiten, man muß
sie aber selbst zu nutzen wissen. Es läßt einem sozusagen die Tür
offen, durchgehen muß man selber. Es ist nicht, wie in Deutschland, wo
übermäßig Begabte gebremst und Arbeitsunwillige gefördert
werden, um ein Gleichgewicht herzustellen. Wenn man gerne mit dem McDonald's-Becher
an der Ampel stehen und betteln will, kann man das tun. Von mir hat schon in
Afrika niemand etwas bekommen, denn wenn man da anfängt, dann wird man
arm, und wieso soll man dem hier was geben und den 20 anderen nicht? Aber wenn
hier einer dransteht, der über zwei Hände verfügt und einfach
nur zu blöd ist, für sein Geld etwas zu tun - Möglichkeiten gibt
es überall - dann soll er da stehen bleiben, bis er schwarz beziehungsweise
weiß wird. Und ich rede hier von den Leuten, die was tun können und
nicht von denen auf dem Bild, das zufälligerweise einen Block vom Home
Depot aufgenommen ist, wo sich jeder hinstellt, der sich ein paar Dollars verdienen
kann und auch will. Wenn man seine 2000 Dollar im Monat haben möchte,
kann man sich die mit Leichtigkeit verdienen, indem man irgendeine idiotische
Arbeit verrichtet und wenn man sich eine Million verdienen will, dann geht das
auch, es ist nur schwieriger, sonst würde es jeder tun. Amerika wird nicht
umsonst "das Land der unbegrenzten Möglichkeiten" genannt. Verstanden
habe ich das nie, bis ich es selbst mit eigenen Augen sah.
Am 16. ereilte mich ein eMail meines Vaters. Seine Brieftasche wurde am Münchener
Flughafen aus dem Auto entwendet. Wenn man 50 Jahre lang sich weigert, das Auto
abzusperren, dann muß das irgendwann passieren. Da stand ich dann da und
checkte meine Finanzen. Knappe 100 US$. Jetzt wurde es interessant. Das war
mir schon einmal passiert, in Brasilien. Plötzlich ergab mein Kassensturz
umgerechnet 5 DM. Dann sah ich mich erst etwas blöd um, fragte mich, ob
ich mir dafür Orangen oder Cola kaufen sollte und entschied mich dann für
die Orangen. Aber dort war es anders. Dort hatte ich zu Essen und ein Dach über
dem Kopf, im Notfall noch Verwandte, die man angratteln konnte. Soweit kam es
allerdings nicht, weil ich das Haus dann doch vermietete. In Brasilien kam ich
außerdem mit 40 Dollar im Monat bestens aus. Der Daimler fuhr mit Salatöl,
das es an jeder Frittenbude umsonst gab, Essen gibt es überall in Hülle
und Fülle und das auch noch hochqualitativ, ohne BSE, so brauchte das Geld
eigentlich nur für Cigaretten.
Hier in den USA hatten meine Eltern kein Haus, weil mein Vater konsequent jedes
Angebot, das er aus den USA bekam ausschlug, hier hatte ich keine Verwandten
und hier gibt es rein gar nichts umsonst. Nichts. Alles kostet Geld, denn alles
dreht sich um Geld. Und nun mußte etwas geschehen, denn jetzt fehlte die
Rückversicherung in Form von Pappas Visa-Karte. Nun konnte ich es drehen
und wenden, wie ich mochte, ich glaubte, Onkel Sam deutlich sagen zu hören:
"Vogel, friß oder stirb, setze Dich durch oder werde vernichtet,
erhalte Dir Dein Leben, oder gib es für andere..." Natürlich
ist das übertrieben, nicht wörtlich zu nehmen, aber im Grunde verhält
es sich doch so. Man kann es auch weniger kraß ausdrücken: "Es
beherrscht der Obulus seit jeher unsern Globulus, mit andern Worten: Der Planet
sich primär um das Eine dreht. ( EAV, "Geld oder Leben" )"
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