Der 9. November war und ist für uns Deutsche ein schicksalsschweres und geschichtsträchtiges Datum. Zumindest seit 1918. Und wenn man genau hinsieht, ist damit selten etwas Gutes verbunden gewesen. Wenn etwas schieflaufen konnte, dann war das dafür genau das richtige Datum. Ich fuhr gerade von der Arbeit zurück über den Silverlake Boulevard. Wenn man auf dieser Straße fährt und sich dem Glendale Boulevard nähert kommt ein kleiner Anstieg, normalerweise tuckelt man den gemütlich hinauf, aber an diesem Tag hatte ich es eilig. In letzter Zeit habe ich es Mittwochs, Samstags und Sonntags immer recht eilig, in die Schenke zu kommen. Burgen mit hohen Mauern und Zinnen...
Jedenfalls wollte ich heute eben nicht mit 40 Sachen den Berg hochkriechen, daher schaltete ich vom dritten in den zweiten hinunter, etwas rüpelhaft. Der Diesel heulte auf und plötzlich tat das Auto so, als wäre der Klimakompressor angelaufen. Aber es ist Winter, es war abends und ich hatte keine Klima an. Blick auf den Klimaschalter bestätigte: Klimaanlage ist aus. Komisch. Was mag das wohl gewesen sein? Dann der Geruch von verbrannter Maschinerie. Gummi, Stahl, ab und zu ein Quietschen und ein Schlagen. Ich hielt an. Der Geruch war ein Gemisch aus Bremsbelag und verbranntem Gummi. Ein Blick unter der Haube ergab nichts. Der Diesel lief fein, ich konnte das Problem nicht lokalisieren. "Na, gut", sagte ich zu mir und zum Daimler, "wenn ich nichts seh, dann ist auch nichts kaputt." Ich stieg ein und fuhr weiter. Es war so, als wäre nichts gewesen. Ich stellte das Auto auf dem gewohnten Parkplatz ab und ging in den Toten Löwen. Nach ein paar Franziskanern sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich hoffte einfach darauf, daß ich alles nur geträumt hatte und daß am nächsten Morgen alles wieder wie gewohnt laufen würde.
Leider ging mein frommer Wunsch nicht in Erfüllung. Auf dem Weg von Silverlake
nach Hollywood ratterte und schepperte es bedenklich. Das konnte nur die Gelenkwelle
sein. Als ich bei Wolfgang ankam legte ich mich unters Auto. Ich sah mir die
rechte Gelenkwelle an. Die hatte ich zuletzt hundert Kilometer nach Campinas
notdürftig instandgesetzt, sprich, einen Reifenschlauch drumherumgebunden
und mit Öl gefüllt. Von dem Reifenschlauch waren nur noch Reste vorhanden.
Die neue Gelenkwelle liegt schon seit bald zwei Jahren im Kofferraum und wartet
auf ihren Einbau. Als ich schon aufatmen wollte und gerade dabei war, unter
dem Auto hervorzukriechen, warf ich noch einen Blick auf die andere Gelengwelle.
Aus der tropfte nur so das Öl. Kruzefix!. Das war die Gute...beide Gelenkwellen
also im Eimer. Wir mußten ins Valley, da fährt man etwa eine Stunde
und wir mußten getrennt fahren, da ich noch Zeug besorgen mußte.
Mit ratternden und scheppernden Wellen fuhr ich also hin über den 101er
Highway. Und immer dieses entnervende, unregelmäßige und am ganzen
Körper spürbare Schlagen. Ich wartete nur darauf, daß es einen
großen Schlag tat und ich mit dem letzten Schwung auf den Standstreifen
rollte. Eine Kunst, denn man kann hier nicht die ganz rechte Spur benutzen,
denn sonst nimmt man plötzlich unwillkürlich eine Ausfahrt und hier
wird - vernünftigerweise - auch rechts überholt. Und in einem 200D
wird man sowieso immer nur überholt. Aber die Wellen hielten. "Made
in Germany!"
Am Abend traf ich mich mit Frank im Löwen. Das Auto mußte zum Mechaniker.
Ich habe mir gar nicht erst die Mühe gemacht, nach einem zu suchen. Frank
hatte das gleiche Auto und er hatte einen guten Mechaniker, namentlich Manuel,
der auch Clint Eastwood's Mechaniker war, was nicht unbedingt gegen ihn spricht.
Vielleicht spricht das gegen seine Preise, aber nach denen habe ich gar nicht
erst gefragt. Ich rief ihn an und erklärte ihm, daß er mein Auto
wieder instandsetzen müsse, aber da ich nun ein vielbeschäftigter
Mensch bin, hätte ich nie Zeit, auch am Wochenende nicht. Ich sollte das
Auto hinstellen und den Schlüssel einwerfen.
So taten wir es dann auch. Frank fuhr voraus und ich hinterher. Als wir bei
"Manni" ankamen, wunderte sich Frank, warum ganz Pasadena plötzlich
nach verbrannt riecht. "Kein Wunder, daß wir in L.A. soviel Smog
haben..." Es war höchste Zeit. Das Auto war zuletzt im August 2000
bei der Inspektion gewesen und ist seitdem eigentlich nur geschunden worden,
keine Straßen, keine Ersatzteile, zwei Jahre lang hat es brav den ganzen
Zirkus in den Fufuländern da unten mitgemacht ohne auch nur einmal zu klagen.
Jetzt wurde es Zeit, das hat er sich verdient, laß kosten.
Tags darauf ruft mich Manni an. Eine Gelenkwelle kostet 220 Dollar. Lächerlicher
Preis, da war das Porto für die andere, die ich noch im Kofferraum hatte
ja fast teurer. Aber er fragte mich, wie lange denn die Radlager schon nicht
mehr gewechselt worden seien. "Radlager? hab ich noch nie gewechselt. Hat
der sowas überhaupt?" "Normalerweise ja. Dein Auto schon seit
vielen Jahren nicht mehr. Die Aufnahmen sind völlig zerstört, ich
kann da keine neuen Radlager draufmachen, da werden wir neue..." "Ja,
ich will's gar nicht wissen, mach einfach, was Du für richtig hältst."
"Ich heb Dir die Teile auf, dann kannst Du sie mal ansehen."
Er war wirklich schnell. Der Endpreis beläuft sich auf 1.100 US$. Umgelegt
bedeutet das knappe 30 Dollar Werkstattkosten pro Monat, denn das Auto war schon
seit 39 Monaten nicht mehr unplanmäßig in der Werkstatt gewesen,
von Kleinigkeiten abgesehen, ohne deren Reparatur es aber trotzdem gefahren
wäre und auch abgesehen von solchen Ereignissen, wenn z.B. ein Baum auf
das Auto fällt, wofür schließlich das Auto nichts kann. Werkstattaufenthalt
heißt, daß man während dieser Zeit eben nicht über das
Auto verfügen kann. Wenn man selber darunter liegt, zählt das nicht
als Werkstattaufenthalt. Der Preis störte mich nicht, was mich störte,
ist daß ich das Geld einfach momentan nicht auf dem Konto verfügbar
hatte.
Aber in diesen Tagen traf mein erstes offizielles amerikanisches Papier ein:
California Driver License |
Leider muß er zwar umgetauscht werden, weil das Datum richtig rum geschrieben
worden ist. Man ist ja in Amerika und in Amerika schreibt man das Datum halt
nun mal falsch, erst den Monat, dann den Tag und dann das Jahr - ich könnte,
wenn ich mich anstrenge, eine noch idiotischere Methode erfinden, ein Datum
zu Papier zu bringen, aber dazu bin ich zu beschäftigt. Hias hatte seinen
Führerschein einfach umschreiben lassen und dafür 13 Dollar bezahlt.
Ich habe meinen machen müssen, daür bin ich einen Dollar billiger
weggekommen. Und - das ist das Wichtigste - nun bin ich wieder stolzer Besitzer
eines Führerscheines. Ganz legal und offiziell erworben und auchn in Deutschland
gültig. Nach vier Jahren ohne offizielle Fahrerlaubnis, nur noch das deutsche
Papier zum Herzeigen wurde es auch hier Zeit, daß mal Nägel mit Köpfen
gemacht wurden. Und der Führerschein ist hier gleichzeitig Personalausweis.
Und so muß ein Papier nach dem anderen erkämpft werden. Jeder sagte,
es sei unmöglich, es ginge nicht, es könne gar nicht gehen. Der Arnold
will das per Gesetz verbieten, es fahren zuviel Illegale Auto und blablabla.
Der Führerschein ist da und das ganz offiziell. "Geht nicht gibt's
nicht", so stand es in meinem Lehrbetrieb. Und es geht doch, man muß
es nur wirklich wollen. Den Führerschein zu kriegen war einfach, mit dem
Visum sieht die Sache anders aus, aber nach wie vor gilt: It's up to you.
Leider konnte ich den Führerschein nicht gleich ausprobieren, denn das
Auto war zwar fertig, die Operation erfolgreich, aber irgendjemand muß
die Zeche ja bezahlen und wenn die Checks ausbleiben, dann geht das schwer.
Langsam kommt man sich vor, wie in der russischen Armee. Seit Wochen keinen
Lohn. Das ist ein Teufelskreis, ich werde nicht bezahlt, weil die mProduktion
zu sehr mit Dreharbeiten beschäftigt ist, dadurch kann ich den Mechaniker
nicht bezahlen, er kann seinem Kind keine Gitarre kaufen, dadurch wird das Kind
kriminell und überfällt den Regisseur, der dann kein Geld mehr hat,
um mich zu bezahlen oder weil er mit einer Kugel im Kopf auf dem Friedhof liegt
und schon geht der Zirkus von vorne los. Aber was will man tun? Aussitzen heißt
die Devise. Ich bekam das erklärt, wie es in Amerika läuft. Mal wundert
man sich wieviel Geld man auf dem Konto hat, und plötzlich ist wieder alles
weg, bevor man richtig begriffen hat, wie es passiert ist. So geht es mir laufend.
In Deutschland war das anders, da war permanente Miese angesagt, aber wenn
mal Geld auf dem Konto war, dann blieb es da auch eine Weile, es schmolz viel
langsamer. Und als ich das Auto zum Mechaniker brachte, war auch noch genug
da. Wo ist es hin? Kein' Ordnung, keine Buchhaltung, manche Sachen ändern
sich nie. Als erstes müßte wohl eine Buchhaltermatz eingestellt werden,
aber dazu braucht man vorher Papiere, um die zu kriegen muß man aber beweisen,
daß man jemanden einstellen könnte. Der nächste Teufelskreis.
High income, high expense, so läuft es momentan, mit anderen Worten:
So steht es hinter der Bar geschrieben, hab mich immer gefragt, was das soll. |
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