Die Woche begann mit einem Feiertag. "Labour Day", sagen sie dazu.
"Tag der nationalen Arbeit" hieß er mal bei uns, jetzt heißt
er nur noch "Tag der Arbeit", aber wird, wie in jedem anderen Land
auch, am 1. Mai gefeiert. Die Amis müssen den natürlich vier Montae
später, am 1. September abhalten, wo jeder normale Christ eines anderen
Ereignisses gedenkt, aber ich will mich da nicht zu sehr vertiefen.
Eben an diesem Labour Day ruft ein alter Kamerad aus goldenen Schulzeiten an.
Er sei in Detroit angekommen. Nach der ersten Minute war ich auch schon im Bilde.
Er war seit zwei oder drei Tagen in den USA und hatte schon ein Bankkonto und
einen Vertrag für ein Mobiltelephon. "Wie hast denn das geschafft?"
Einfach hingehen und machen. "Ohne Social Security Number? Unmöglich..."
Aber ich hörte doch, daß es möglich war. Ich muß dieses
"Unmöglich" endlich loswerden, das scheint man in diesem Land
wirklich nicht zu brauchen. Wir verabredeten uns für irgendwann in Detroit.
Besser wäre zwar Kalifornien, aber wir werden sehen. Das sind die Studierten,
bei denen klappt alles immer einfacher. Und ein Dialog, wie er nur unter alten
Stephanern stattfinden kann:
"Weißt, was ich für eine Fakultät hab?"
"Nö."
"Geschichte. Weißt mit welchem Thema es morgen losgeht?"
"Nö."
"Holocaust. Weißt, wie mein Dozent heißt?"
"Nö."
"Aaron Sauerteig. Weißt, wer in Lederhosen, Haferlschuh' und Seitenscheitel
kommt?"
"Ja."
Man sitzt im Auto bei laufender Klima unter der sengenden Sonne Kaliforniens
und die alten Schultage werden wieder lebendig, "gleich einer alten, halbverklungnen
Sage". Was waren das für großartige Zeiten! Jung, unbeschwert
"und statt Latein nur Flausen im Kopf". Was gäb ich nicht alles
darum, noch einmal 17 sein dürfen... "Ach, daß es doch wie damals
wär, doch kommt die gute Zeit nicht wieder her..." Doch kaum aufgelegt,
reißt man sich los und richtet den Blick wieder nach vorn. Wie mag es
weitergehen?
Am nächsten Tag sollten Aufnahmen stattfinden, allerdings geht das nicht,
wenn das Wetter nicht mitspielt, daher fuhren wir zu Festo, um Nachschub an
Werkzeug zu holen. Nicht mit dem brachialen Scout V8, sondern mit dem alten
200D, der dem Scout gegenüber nur den einen einzigen Vorteil hat: Er läuft
immer. So dieselten wir nach Santa Barbara und Wolf sah einige Male aus
dem Fenster, um sich zu vergewissern, ob wir uns auch vom Fleck bewegten. "Keine
Panik. Angekommen sind wir bis jetzt immer. Darfst nur nicht Fragen wann..."
Das komplette Video gibt es hier... |
Die Dreharbeiten fanden am nächsten Tag statt und ich durfte zuschauen,
denn auch wenn die Leute das als Arbeit bezeichnen, viel war nicht zu tun. Hauptsächlich
war ich damit beschäftigt, die Aussicht zu genießen
Am Ende der Woche ging ich dann etwas früher in den Feierabend. "Ich
schau mal, ob ich ein Konto aufmachen kann." "Das geht nicht."
Ich fuhr heim nach Silverlake und nahm mir vor, mich an Franks Gebot zu halten:
So lange an verschiedenen Stellen Probieren, bis es mal klappt. Irgendjemand
macht einen Fehler und der ist meine Chance. Ich ging gleich zur nächsten
Bank, da waren zwei. Die Bank of America und die Citibank. Die von der Citibank
sind mir damals in Brasilien blöd gekommen, also ging ich zur Bank of America.
"Guten Nachmittag, ich hätte gerne ein Konto." Er fragte mich,
ob ich mich zweifach ausweisen könnte. "Sir, jawohl. Hier Paß,
hier Führerschein..." Ich kramte den alten rosaroten Lappen heraus,
das war das erste mal, seit ich 2000 in Augsburg losfuhr, daß ich ihn
brauchte. Er verschwand mit beiden Papieren, kam dann wieder und bat mich nach
nebenan. "Das wird doch nicht gleich beim ersten mal klappen, oder?"
Ich setzte mifch, wie befohlen an den Tisch zu einem Fräulein, das sich
meiner Papiere Annahm. Sie füllte die Anträge aus. Sie fragte und
ich antwortete brav: "Name? Mittelname? Nachname? Adresse? Geburtstag?
Geburtsort? Nationalität? Social Security Number?" "Ähm..."
Da stockte dann der ansonsten zackige Dialog." "Sir? Social Security
Number?!" "Fuck. OK. I don't have any..." Sie machte weiter.
"Ist OK, sie brauchen keine. Nur, daß sie halt dann kein Limit bekommen."
Damit konnte ich gerade noch leben. Und siehe da, es hat geklappt. Von wegen
"geht nicht". Es geht alles. Hier geht alles. Und das liebe
ich an diesem Land, es klappt einfach alles, was man anpackt - solange man es
eben anpackt. Es fällt einem nicht zu, das gewiß nicht, im Gegenteil.
Wenn man erwartet, daß einem etwas zufällt, dann ist man in Europa
besser dran. Aber wenn man sich etwas erarbeiten möchte, dann ist man hier
goldrichtig.
Wo Mauern fallen
Bau'n sich andre vor uns auf
Doch sie weichen alle
Unserm Siegeslauf...
Von dem Erfolg bei Bank of America ermutigt, fuhr ich stracks zur Social Security,
gleich weiter, nur nicht rasten. Ich überlegte mir tausende von Ausreden,
denn auch wenn man es nicht glauben mag, es läuft hier so, wie in lateinamerika.
Eine bessere Fassade, es funktioniert hier wesentlich mehr als dort, aber im
Prinzip, läuft es genauso wie dort. Es fehlen einfach diese Schablonen,
wie man sie aus Deutschland kennt, diese von praxisfremden Beamten in düsteren
Hinterzimmern der Amtsstuben ausgeklügelten, man möchte fast sagen
ersonnenen Vorschriften, von denen sich kein Jota rauben läßt. Klar
gibt es auch hier Vorschriften, aber man hat das Gefühl, daß es einfach
nicht so genau geht. Meine Aufgabe ist es, zu ertasten, wo sich ein schwacher
Punkt auftut und dann anfangen, diesen Schwachpunkt so lange zu bearbeiten,
bis er nachgibt. So habe es mehr ooder weniger alle die gemacht, die hier nicht
geboren wurden und doch hier leben. Das sind viele. Doch noch mehr gibt es,
die hier ankommen, gerne bleiben möchten, aber bald sehen, daß es
nun mal nicht reicht, einmal über den Walk of Fame zu schlendern, um entdeckt
zu werden. Die sagen dann "das geht nicht", oder "das ist unmöglich"
und gehen dann wieder. Dieses Land ist nicht die unangefochtene Weltmacht, weil
der Zufall es so wollte, sondern deswegen, weil es sich das beste aus aller
Welt zusammenkauft, in dem es den Leuten, die ihm nützen die Möglichkeiten
der Entfaltung bietet, die sie in Indien oder in Deutschland eben nicht haben.
Ich glaube, es war Schwanitz, der schrieb, daß richtige Genies meist nach
Amerika gehen und dann dort auch bleiben. Ich hielt das immer für Absurd,
aber nun weiß ich, daß das nicht aus der Luft gegriffen war. Es
stimmt einfach. So, den Genies schicken sie die Greencard frei Haus, das heißt
dann "Alien with extraordinaire capabilities" oder so ähnlich.
Unsereins bekommt sowas nicht, aber er bekommt die Möglichkeit, sich seine
Greencard zu erkämpfen. Es ist nicht leicht, denn das andere Problem, das
Amerika hat, ist die tatsache, daß es eben eine Nation und kein Club ist.
Hätten sie hier nur die importierten Genies und ein paar Dumme, dann wären
sie fein raus. Das Problem sind einfach die Leute, die hier geboren werden.
Die sind da und müssen versorgt werden und als ob das nicht genug wäre,
kommen noch die hinzu, die illegal hier einwandern, vom großen Glück
träumen, es aber falsch anpacken.
Also, aber nun zurück: Ich fand die Social Security und ging hinein. Leider
teilte mir der Security-Typ mit, daß das Amt geschlossen hatte. Gut. Ging
ich halt wieder. Man kann nicht alles haben. Aber es ist ja nicht aller Tage
Abend.
...was man hier übrigens ziemlich häufig sieht. Ich weiß ja nicht, wie es in anderen Staaten, bei den sogenannten "Rednecks" und "Hill-Billies", aussieht., aber in Kalifornien ist G.W.Bush genauso unbeliebt wie überall. Zumindest kenne ich fanatische Buschjünger nur aus Erzählungen. |
Vorige Woche | Zum Anfang | Nächste Woche |