Es war das übliche, man steht in der prallen Sonne, macht, was man zu tun hat, bemüht sich, möglichst über nichts nachzudenken und läßt sich nicht weiter stören. Irgendwann am Nachmittag kam Wolfs Sohn und sagt ihm was auf Englisch. Ich habe nur Mercedes herausgehört. Komisch. Wolfgang ging auch schnell ins Haus. "Cops?", fragte ich nach. "Yes..." Mist. "Ich steh doch nicht im Parkverbot, das gilt erst am Mittwoch, heut ist Montag", denk ich leis für mich und geh vor die Haustür. Da stand auch schon ein Officer vom Los Angeles Police Department, kurz LAPD. Hat sicher schon jeder mal im Fernsehen gesehen, die sehen in Echt genauso aus. Er unterhielt sich gerade mit Wolfgang, der auf mich zeigte. "What's up? Mein Auto? Soll ich es wegfahren?" Nein, das sei nicht nötig, ich solle nur mal kurz hierbleiben. "Was ist mit meinem Auto?" Er antwortete ruhig und höflich: "Kein Sorge, Sir, das Auto ist noch da und heil..." Da kam mir der Verdacht. "Ist es wegen der Kanister?" Ja. "Die sind leer, schon seit Monaten..." Er nickte und meinte: "I believe you. Warten Sie bitte einfach nur einen Moment hier." Ich tat dies. Er bat mich um meine Papiere und diese wurden nun überprüft. Das dauerte etwa 10 Minuten. Ich sah in Richtung Auto. Ich konnte es nicht direkt sehen, aber dafür sah ich einen Polizeiwagen quer über die Seitenstraße geparkt. Die hatten die Straße gesperrt. Wolfgang ging hin und sah nach. Er hatte seinen zweijährigen Sohn im Arm, der immer nur auf des Officer Pistole zeigte und "Big gun" sagte. "Die haben die andere Kreuzung auch gesperrt, die ganze Straße", stellte Wolf grinsend fest. Dann sah ich auf die Highland. Zur Orientierung: Wir befinden uns mitten in Hollywood, es gibt einige größere Durchgangsstraßen. In Ost - West Richtung den Hollywood, den Sunset, den Santa Monica, die Melrose, den Beverly und den Wilshire. In Nord Süd Fairfax, La Brea, Highland und Vine, nur, um die größeren zu nennen. Als Wolfgang sagte, daß die Seitenstraße gesperrt war, wunderte ich mich, warum es auf dem Highland so ruhig war. Hier fahren Tag und nach ununterbrochen die Autos. Ich sah zur Ampel vor und sah Polizeiautos. "Alter, was ist denn da vorne los. Unfall?" Dann sah ich in die andere Richtung. Alle Kreuzungen, soweit das Auge reichte, gesperrt. Man sah nur die schwarzweißen Polizeiautos. Ich fragte den Officer, ob da was Größeres passiert sei. Er sah mich an mit einem leichten Ausdruck der Verwirrung, woraufhin ich meinte: "Das ist nicht Ihr Ernst..?" Doch, es war sein Ernst, da hatte ich wohl was angerichtet. "Sir, ich schreib Reiseberichte, dürfte ich wohl ein Photo machen?" "In a second..." Wolf fragte, ob er ins Haus hinein dürfte. Der Officer meinte, das ginge nicht. Damit konnte nun Wolfgang nichts anfangen und die beiden gerieten aneinander. Der Officer bat mich erst um den Autoschlüssel und dann, ihn zu begleiten. Ich ging also mit. Er hielt auf halbem Wege und hieß mich das gleiche tun. Dann rief er einen Kollegen. Als der herangekommen war, zeigte der Officer auf mich und meinte zu seinem Kollegen "Search him." Der andere, ein riesen Neger übernahm das Kommando über mich. "Umdrehen, Hände hinter den Kopf." Ich drehte mich um, nahm die Hände hinter den Kopf. Dann sagte er wieder irgendwas, was ich nicht verstand. Der Officer meinte, er solle langsam sprechen. "Er ist Deutscher, versteht Dich schon, aber sprich Englisch. Und langsam." Ich dachte schon, es sei Einbildung, aber die amerikanischen Neger sprechen wirklich einen Kauderwelsch, den kein vernünftiger Mensch versteht. Er wiederholte langsam: "Die Finger hinter dem Kopf verschränken, Sir." Ich folgte den Anweisungen. Er fand natürlich nichts, aber die Kamera wurde erst mal beschlagnahmt. "Clean", meldete er dann. "OK, Sir, würden sie bitte mitkommen, während ich ihr Auto durchsuche?" Ich ging mit und als wir ums Eck gingen waren da noch etwa 20 Uniformierte. Die Seitenstraße, auf der ich noch ein paar Stunden vorher Mühe hatte, eine Parklücke zu finden war leer. Er bat mich stehen zu bleiben, während er zum Auto ging. Eine hübsche Polizistin brachte mir meine Kamera wieder und bat um Entschuldigung für den ganzen Trubel. Sie erklärte mir dann, daß sie mir nun erklären würde, was da gerade abging. Also: Irgendwer hat das Auto gesehen und die Polizei alarmiert. Da sie mit dem Kennzeichen nichts anfangen konnten, haben sie sicherheitshalber die Bomb Squad, also das Entschärfungskommando herbeigeholt. Auch Hubschrauber seien im Einsatz. Ich stand schließlich mitten im Judenviertel von Hollywood und denen muß das ja wirklich vorkommen wie daheim. Außerdem jährt sich bald der 11. September zum zweiten Male, da ist man manchmal etwas aufgeregt. Aber sie bedankten sich noch, daß ich so brav mitgearbeitet habe und entschuldigten sich nochmals für die Belästigung. Was für ein Unterschied zu der uniformierten Seuche in Deutschland, bei deren Anblick mich das Gefühl überkommt, einfach alles von mir werfen und ihnen mit bloßen Händen an die Kehle springen zu müssen. Hier war es anders. Kein dummes Getue, keine Wichtigmacherei, sie gehen das durch, was sie machen sollen und alle immer höflich und zuvorkommend - solange man selbst auch höflich ist. Sie machte mich noch darauf aufmerksam, daß die VIN von einem Aufkleber verdeckt sei. "Die was?" "Die Vehicle Identification Number, Sir, die konnte ich nicht lesen, weil da ein Aufkleber davor ist." Das mußte ich sehen. Wir gingen zum Auto und sie zeigte auf die rechte untere Ecke der Windschutzscheibe. Da war ein Aufkleber, den mir der peruanische Zoll da hingeklebt hatte. "Dahinter ist die VIN, aber die konnte ich nicht lesen." Ich klärte sie auf: "Das haben wir in Deutschland nicht. Die ist woanders." Ich öffnete die Haube und zeigte auf die Plakette neben dem Schnapperl. "Da steht es ja. VIN. Mensch, ich lern ja heute einen Haufen neuer Sachen...", meinte sie. "Oft werden Sie es ja nicht brauchen. Aber schauen's, ich wußte nicht, daß da VIN steht... so lern auch ich etwas, was ich vermutlich nie wieder brauche." Der Officer von vorhin meinte noch, daß in dem einen Kanister was drinsei. "Muß Wasser sein, hab die Kanister schon lange nicht mehr gebraucht. Als ich wieder zurückgehen wollte, wollten noch etwa fünf Polizisten wissen, was das soll mit den Kanistern. Ich gab mein Interview ab. "That makes sense..." Nochmal entschuldigten sich alle für die ganze Aufregung. Strafe mußte ich keine bezahlen. Dafür bekam ich eine Visitenkarte des Diensthabenden.
Kommentar: R/O eines verdächtigen Fahrzeugs wegen R/O von Bombendrohung. Festgenommen und Fahrzeug durchsucht. |
Der Officer gab mir noch die Hand, entschuldigte und bedankte sich und meint:
"At least you have your story..." Ich entschuldigte mich und bedankte
mich meinerseits und alle gingen fröhlich und zufrieden heim, die Highland
war wieder erfüllt von Motorenlärm, die auserwählten Nachbarn
konnten ruhig schlafen, keiner würde in die Luft fliegen, und alles war
wieder, als wäre nichts geschehen. War ja auch nichts geschehen und irgendwo
versteh ich es auch, daß da gewisse Orientalen Angst bekommen, beim Anblick
meines Autos. Es erinnert zweifellos stark an Palästina. Aber eigentlich
wissen wir alle, daß echte Terroristen nicht aussehen wie Terroristen
und wenn einer wirklich was sprengen wollte, dann hätte er es schohn längst
getan. Aber was soll's. Ende gut, alles gut.
Ich ging wieder zum Auto um nachzusehen, ob alles wieder an seinem Platz sei
und da roch es nach Alkohol. Da war wohl in einem der Kanister doch noch etwas
dringewesen von dem Zeug, was ich zum Kochen verwendete. Ist eigentlich im Fast-Food-Land
nicht mehr nötig. Wann muß man da schon kochen? Aber zu schade um
wegzukippen...
Der Officer hatte leider den Expander der Kühlbox nicht wieder so befestigt,
wie er vorher angebracht war. Am nächsten Tag verabschiedete sich also
die Kühlbox auf dem Freeway. Ich hörte ein Poltern auf dem Kofferraumdeckel
und anschließend konnte ich verfolgen, wie eine rote Kühlbox quer
über alle fünf Lanes sprang und die Autos etwas irritiert reagierten.
Als die Box über die mittlere Spur sprang - ich verfolgte alles genau im
Außenspiegel - heftete sich mein Blick auf das Auto der Highway-Patrol,
dessen Weg die Kühlbox gerade gekreuzt hatte. "Verdammte Scheisse...",
fluchte ich in der Kanzel. Das Herz steigerte seine Frequenz. Ich dachte, es
sei tot, aber mit der rechten Dosis Adrenalin scheint es zu laufen. Sie kamen
näher, überholten mich. Ich verstand gar nichts, normalerweise halten
die einen immer von hinten an. Plätzlich zogen sie etwa 10 Meter vor mir
auf meine Spur, hielten aber nicht, sondern fuhren noch über die rechte
Spur und dann auf die Ausfahrt zu. Aufatmen. Ob ich es in der Aufregung überhaupt
geschafft hätte, ihnen zu erklären, daß der Officer schuld war
und nicht ich, das weiß ich nicht. Hauptsache keinen Ärger mit den
Brüdern.
Im großen und ganzen eine sehr erfolgreiche Woche. Nicht nur, weil irgendwann
die VISA eingetrudelt kam. Aber nicht die von Pappi, sondern meine eigene, aus
meiner Hände Arbeit. Hat was. Zwar muß die vom alten Herrn auch noch
her, aber nur noch als Rückversicherung und um sie an der Grenze herzuzeigen,
aber die Zeiten, da ich sie wirklich benötigte sind vorerst mal vorbei.
Mir wurde so oft gesagt: "Bleib erst mal ein paar Wochen und Monate hier,
dann wirst Du langsam merken, was sich hinter der strahlenden Fassade verbirgt
und erkennen, daß das hier kein Paradies ist." Nun, vorerst gefällt
es mir hier immer besser. Das einzige, was mir ein wenig Sorgen bereitet ist
der immer näherrückende Ausreisetermin. 27. September. Irgendwas muß
ich mir da einfallen lassen. Entweder man geht zur INS und verlängert,
oder man reist aus und wieder ein. Auf keinen Fall sollte man überziehen,
denn dann ist man gefangen. Dann muß man hier bleiben, oder man reist
aus und kann nicht mehr zurück. Toronto oder Tijuana, das ist hier die
Frage. Man kann halt nicht immer so, wie man möchte.
Exakt so hat meiner auch mal ausgesehen. Lang
ist's her... Und so ein kalifornisches Kennzeichen muß auch noch her. |
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