In der Nacht hat es nicht geregnet und die Temperatur war richtig
angenehm. Nur eine dumme Grille hat sich in der Nacht unter das Moskitonetz
geschlichen und fing an zu lärmen. Das hab ich ihr gründlich ausgetrieben.
Nichts gegen Grillengezirpe, aber wenn die Quelle genau neben meinem Ohr sitzt,
dann hört sich das eher furchterregend als romantisch an.
Der LKW-Fahrer weckte mich tatsächlich um halb Acht.
Duschen gab es auch, kosteten 5 Peso, also 50 Cent. Sehr appetitlich sah es
da nicht aus, denn irgendein Idiot hat gemeint, seinen Müll in die Dusche
kippen zu müssen. Man hätte glatt meinen können, in Deutschland
zu sein. Als ich den Müll in den dafür vorgesehenen Eimer tue fällt
mir da eine Zeichnung in die Hände. Ich erkannte sie genau, das war die,
die ich für die Klappe der Rezeption im Eclipse angefertigt hatte. Damit
hatte ich den "Idioten" ausfindig gemacht, es kann niemand anderes
gewesen sein, als José. Der hatte wohl die Kühlbox "saubergemacht".
Ich sagte nichts.
Gegen 8:30 Uhr waren wir Abfahrbereit. "Let's hit the road..." Es
ging auf die nächste Stadt zu, das war Veracruz.
Wir waren mal wieder die Letzten, alle LKW waren schon gefahren. |
Wir fuhren weiter auf die Autobahn, die sich nach etwa 50 km in
eine Landstraße verwandelte. Generalrichtung war Veracruz. Das war billiger
und es sollte eigentlich auch nicht langsamer sein, ich konnte eh nicht schneller
fahren als 80, denn die rechte Gelenkwelle war immer noch provisorisch gerichtet.
Die neue liegt seit Dezember 2001 im Kofferraum und wartet auf ihren Marschbefehl.
Nach etwa zwei Stunden gemütlicher Fahrt führte die Straße direkt
in eine Militärkontrolle. Wieder aussteigen, denn wieder war eine Durchsuchung
angesagt. "Jaja, kein Problem, sind schon an die fünf mal durchsucht
worden..." Er fragte nach dem Woher und dem wohin, ich antwortete höflich
und man ließ uns bald weiterfahren. Irgendwo hier mußten wir die
Grenze zwischen Tabasco und Veracruz passiert haben. Eine Stunde später
wieder Militärcheckpoint. Ich stellte den Motor ab, stieg aus, winkte ab,
als man mir die Prozedur erklären wollte. Mit Plastikkarten kamen sie da
an, um ihr Tun zu rechtfertigen. "Guter Mann, ich gehe davon aus, daß
das Ihr Job ist und daß sie das nicht zum Spaß machen, ich hab hier
nichts zu verstecken, suchen Sie, solang sie wollen, Sie sind mir keine Rechenschaft
schuldig." Er bedankte sich für das Vertrauen, das eigentlich keines
war, sondern nur ein Versuch, das ganze zu beschleunigen und sah selbst ziemlich
schnell, daß von mir nicht wirklich eine Gefahr für die innere Sicherheit
ausgeht. "Wo kommst Du denn her?", fragte mich der Chef. "Aus
Deutschland..." Er zeigte auf das Auto und sagte, daß das Auto auch
so aussähe, als wäre es von Deutschland hergefahren. "Ja, das
Auto hab ich auch mitgebracht. Was ist schon ein Mann ohne Auto, nicht wahr?"
Er zeigte auf meine Klamotten und fragte, ob ich beim Militär sei. "Oh,
no, Señor, in meinem Land gibt es kein Militär. Die Deutschen müssen
ihre G3 Euch Mexikanern überlassen, weil sie damit nichts anzufangen wissen",
dabei zeigte ich auf den Soldaten, der etwa drei Schritte weiter im Schatten
stand, ein G3 vor der Brust hielt und sich bemühte, möglichst pflichtbewußt
dreinzuschauen. "Woher weißt Du, daß das ein G3 ist, wenn Du
nicht beim Militär bist?" "Das sieht man. Und ich weiß
das, weil ich eben nicht beim Militär war." Da dreht er sich
zum anderen um und meint: "Und uns erzählen sie, die Deutschen hätten
im zweiten Weltkrieg die beste Armee gehabt...", dreht sich zu mir und
meint: "...dann stimmt das alles gar nicht?" Ich winke ab, "Schon,
aber wer hat denn am Ende gewonnen? Und der Zweite Weltkrieg ist nun doch ein
paar Jahre her und seitdem hat sich einiges geändert. Unter anderem eben
auch, daß man die Armee abgeschafft hat. Und stattdessen haben wir jetzt
eine Escuela Federal de Bailarinas..." ich versuche ihm das zu verdeutlichen,
indem ich eine Ballerina nachmachte, was mir nicht ansatzweise gelang, aber
dennoch oder gerade deswegen unter den Soldaten für brüllendes Gelächter
sorgte. Als Dank für die kleine Einlage gab man uns die Papiere zurück
und winkte uns weiter und verzichtete auf die Durchsuchung. So soll es doch
sein. Und ich war sehr erfreut darüber, daß es nicht gestimmt hat,
was uns so viele erzählt hatten, nämlich, daß die Autoritäten
hier sehr korrupt seien. Bisher keinerlei Probleme, nirgendwo.
Ich folgte den Wegweisern nach Coatzacoalcos. Was eigentlich idiotisch war,
aber auf den Schildern stand nur das Kaff, das auf unserem Weg lag. Irgendwo
vorher sollte man eigentlich nach Minatitlan gewiesen werden, aber den Wegweiser
haben wir entweder übersehen, oder er war nicht da. Plötzlich befanden
wir uns in Coatzacoalcos. Wir fuhren über eine Brücke, die an die
in Porco Alegre erinnerte. Ab und zu wir diese hochgezogen damit Schiffe passieren
können, was dann bestimmt auch hier zu endlosen Staus führt. Zum Glück
war sie zu, ich hätte mich sonst etwas geärgert, denn wären wir
direkt nach Minatitlan gefahren, wären wir an keine solche Brücke
gekommen. Als ich dann durch die Stadt fuhr, den Schildern nach Minatitlan folgend,
pfiff mich ein Verkehrspolizist rechts ran. Er begrüßte uns höflich,
bat um die Papiere, die ich ihm gleich herausgab, und machte mich darauf aufmerksam,
daß mein Auto zu sehr qualmen würde, und daß das ein Verstoß
sei. Geht das schon wieder los? Lang hat's ja gedauert... Also, dann wollen
wir mal wieder. "Echt?", sagt ich betont erstaunt, stieg aus, trat
aufs Gas und sah nach hinten. Alles normal, eher zu wenig Qualm. "Nein,
Señor, das ist ein Diesel, die qualmen etwas mehr als Benzinautos."
Das sei aber nicht alles. Die Windschutzscheibe hätte einen Sprung. "Ja,
ich versuch auch schon seit Cancún eine neue zu kriegen, aber das ist
unmöglich, weil das Auto hier sogut wie nicht existiert." Da stimmte
er mir auch zu. Dann ging er zum Kofferraum und zeigte dort auf die Dulle, die
der Baum hinterlassen hatte. Das sei auch verboten. "Wie? Ich hab hier
Autos gesehen, die sahen viel schlimmer aus, das beeinträchtigt nicht die
Verkehrssicherheit." Es entspann sich der sinnlose Dialog, der jedesmal
anders und doch wieder gleich verläuft: "Aber es ist verboten",
sagt dann der Bulle. "Die Dulle hab ich schon seit Jahren, ich bin mit
dieser Dulle und mit der kaputten Windschutzscheibe in das Land gefahren, sie
können aus den Papieren ersehen, daß das Auto inspiziert und für
in Ordnung befunden wurde, ich darf hier damit so fahren, da ich so ins Land
kam, wenn an dem Auto was zu beanstanden ist, dann sagen die mir das an der
Grenze und nicht erst 1.000 Kilometer später. Sonst komm ich nämlich
das nächste mal mit einem Panzer und was machen sie dann?" Er kramt
ein Buch raus um mir zu Zeigen, daß sein Tun rechtens ist, was es nicht
ist, sondern nur wieder einer dieser dummen Versuche, an anderer Leute Geld
zu kommen. In dem Buch steht nichts anderes drin, daß die Papiere von
Autos, die nicht in Ordnung sind, eingezogen werden dürfen. "Schön,
sag ich, da das Auto aber in Ordnung ist, können sie mir die Papiere also
wieder aushändigen." Ich halte ihm die Hand hin, aber er gibt mir
die Papiere nicht. Nur meinen Führerschein und meinen Fahrzeugschein, den
gibt er mir wieder, das Zollpapier, also die Fahrerlaubnis für Mexiko,
die behält er und sagt: "Das war an der Grenze, das ist ein anderer
Staat. Hier sind Sie in Veracruz, da sind die Gesetze anders." Blöder
Hund. "Und dann zahl ich hier die Strafe und an der nächten Ecke steht
der nächste und dort gelten wieder andere Gesetze. Der sagt dann, daß
mein Auto braun ist und daß das dort verboten sei, oder wie?" "Nein",
sagt er, "das wird mit Sicherheit keiner tun". Ich halt ihm noch hin,
daß ich mich alle Gesetze von allen Staaten Mexikos kennen kann und daß
man mir das ja an der Grenze zwischen Tabasco und Veracruz hätte sagen
können, da wurde ich zweimal kontrolliert, aber es war alles in Ordnung."
Er stimmte mir zwar zu, daß ich die Gesetze gar nicht kennen könnte,
bedauerte dies, blieb aber dabei. "Es sind drei Verstöße",
sagt er, "da müssen Sie erst die Strafe zahlen, dazu gehen wir aufs
Kommissariat, dann können sie das Papier wieder haben." Ich lehne
dankend ab, "Nein, Señor. Wieso Strafe? Strafe zahlt man, wenn man
etwas falsch gemacht hat. Ich habe nichts falsch gemacht, wieso soll ich also
Strafe zahlen?" Es zieht sich wieder mal hin. Es ist immer am besten, wenn
man die Sprache gar nicht erst spricht, in den französisch sprechenden
Ländern war das so einfach... Nett lächeln, nichts verstehen, bis
sie genervt aufgeben. Er war wieder dran: "Nein, Sie Haben natürlich
nichts falsch gemacht, ich bestrafe ja auch nicht Sie, sondern das Auto."
Da mußte ich dann doch beinahe laut lachen. "Entschuldigen Sie, Señor,
das Auto, das kann nicht denken, das wissen wir beide, folglich kann es auch
nichts falsch machen. Wenn Sie anderer Meinung sind, dann soll das Auto auch
die Strafe zahlen, nicht ich..." Er ging los zu seinem Auto und forderte
mich auf, mitzukommen. "Wohin denn?", fragt' ich recht blöd.
"Zum Kommissariat, um die Strafe zu bezahlen." Da wurde ich etwas
ernster. "Entschuldigen Sie mein schlechtes Spanisch, Señor, ich
sagte bereits, daß ich keine Strafe zahlen werde." Er kam wieder
zurück. "Doch, Sie werden zahlen, sonst werd ich sie nämlich
dazu zwingen." Nun reichte es aber. "Zwingen wollen Sie mich? Gut.
Dazu müssen Sie mich verhaften...", ich hielt ihm beide Hände
hin, "...wenn Sie mich verhaften, dann habe ich nach mexikanischem Bundesrecht
das Recht, meine Botschaft zu verständigen, Bundesrecht geht vor Länderrecht,
auch in Mexiko. Sie werden doch nichts Illegales tun und mir das verweigern?
Legen Sie mir bitte Handschellen an..." Er schaut etwas verstört.
"Welche Botschaft?" Ich halte ihm immer noch meine Hände hin.
"Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Mexiko-City." "Wir
sind aber in Veracruz", sagt er trotzig. "Gut, umso besser",
sag ich, "in Veracruz gibt es ein Konsulat, das tut es auch und ist sogar
noch näher". Er gab mir die Papiere, "richten Sie die Scheibe".
"Si, Señor, das werd ich gleich als erstes machen, sobald ich eine
finde. Schönen Tag noch." Weiter geht's... immer diese Wegelagerer,
das nervt irgendwann.
Wir hielten weiter auf Catemaco zu. Das ist irgendein weltberühmtes Hexendorf
in der Nähe von San Andres, von dem ich noch nie in meinem Leben etwas
gehört hatte. Um halb vier waren wir dann dort. Schon am Anfang standen
da scharenweise die arbeitslosen Touristenführer, jeder wedelte wichtig
mit der Karte, die er um den Hals hängen hatte und die ihn wohl als Touristenführer
ausweisen sollte. Der erste kam ans Fenster und fing an zu erklären. Und
ich erklärte ihm in seine erklärung hinein, daß ich kein Geld
hätte, wenn er uns also umsonst zeigen wollte, wo es lang geht, gerne,
bezahlen tu ich nichts. Dann schoß er sich auf José ein. Es lief
darauf hinaus, daß er uns mit dem Fahrrad vorausfuhr um uns den Weg zum
Restaurant zu zeigen. José hieß mich hinterherfahren. "Gut..."
Dann, als wir am Restaurant angekommen waren, kam er zu mir wartete er natürlich
auf seine Belohnung. Ich gab ihm die Hand, bedankte mich und sagte ihm: "Darf
ich vorstellen, das ist José aus Acapulco. Das ist der Mann mit dem Geld,
ich bin nur sein Fahrer. José mußte unbedingt zu einem dieser Hexer
und ich begnügte mich damit, ein Schnitzel im Restaurant zu essen.
Pause in Coatzacoalcos. |
Um fünf vor Fünf, als wir wieder fahren wollten, fiel José
noch ein, daß er baden wollte. "Fünf Minuten?" Kein Problem.
Natürlich meinte er damit anderthalb Stunden und ich schraubte den Sitz
zurück und schlief. Doch er kam schon um dreiviertel Sechs wieder, ich
hatte mich da leicht vertan. Dann fuhren wir aber wirklich weiter in Richtung
Veracruz. Wir schafften es sogar noch vor Sonnenuntergang dort hin. Veracruz
ist eine saubere Stadt, kann man gar nichts sagen. Ich fühlte mich ziemlich
fit und fuhr noch einige Stunden. Dabei versuchte ich José seinen unsinnigen
Hund auszureden, natürlich erfolglos.
Fahrt durch Veracruz. |
Wir kamen dann, schon Spät in der Nacht an einem Campingplatz
an, der vier Dollar pro Auto haben wollte. Da blieben wir. Ich stellte das Auto
möglichst nah an den Strand. Ganz konnte ich nicht hin, weil ein kleiner
Wall mich daran hinderte. War sowas wie ein Deich oder so. Keine Ahnung. Ich
legte mich auf die Bleche, José zog es vor, am Strand zu schlafen. Der
Himmel war wunderschön, die Sterne klar, der Mond sichelförmig. Fern
im Osten stehen dunkle Wolken... Der Rauch der soeben angesteckten Cigarette
zog wolkenwärts, als wäre der Regen gerade dabei von uns wegzufliegen.
Außerdem haben wir mal bei Herrn Eglseer in Erdkunde gelernt, daß
in der Nacht der Wind vom Land zum Meer weht, also kein Problem. Ich schnippte
die Cigarette weg und schlief ein.
Mitten in der Nacht wachte ich wieder auf, weil mir dicke Regentropfen ins Gesicht
klatschten. "Verdammt!" Ich sprang auf mit meinem Bettzeug und flüchtete
unter eine Palmwedelhütte, die da stand. Der Himmel öffnete wieder
seine Schleusen, vom Dach der Hütte liefen wahre Wasserfälle, aber
das Dach selbst schien dicht zu sein. Als ich mich gerade wieder zur Ruhe gebettet
hatte, durchfuhr es mich wie ein Blitz. Das Fenster... Das fehlt doch! Ich rannte
los, zum Auto, das etwa 100 Meter entfernt stand. Das Gras war mittlerweile
zum Sumpf geworden, ich war auch nach den ersten zehn Schritten klatschnaß.
Egal. Ich holte unter dem klatschnassen Fahrersitz die Mülltüte hervor,
die in den letzten drei Monaten als Fenster gedient hatte, darüber das
Handtuch und zu die Tür. Dann ging ich wieder zurück, nur legte ich
mich nicht in den Schlafsack, sondern oben drauf, zum trocknen. Das klappte
auch halbwegs, auch wenn es etwas kalt war.
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