Reparatour Marokko 2004
Dienstag, 3. August

Den letzten Abend verbrachten wir im Thing, dann fuhren wir heim in den besoldschen Garten, um auf Almut und Joe zu warten. Wir saßen da in der uralten Runde, "die alte Schale nur liegt fern, geblieben ist uns doch der Kern, und den laßt fest uns halten..." Die Runde löste sich wieder einmal auf, es wurde zu Bett gegangen. Ich hatte noch Hunger, kramte mir Frühlingsrollen aus der Gefriertruhe und warf sie in den Ofen. Zwölf Minuten, hieß es auf der Packung. Ich stellte den Countdown am Handy und versumpfte vor dem Computer. Als es dann schon leicht verbrannt roch ging ich doch hinauf in die Küche, um festzustellen, daß ich nun statt der erwarteten Frühlingsrollen Briketts hatte. Ich verlasse mich auf die Technik, und sie tut ihren Job, aber wenn man den Countdown auf 12 stellt, muß man sich vergewissern, daß man Minuten meinte. Ich hatte ihn auf 12 Stunden gestellt. Aber da sonst nichts da war, aß ich fluchend meine pechrabenschwarzen Rollen. Es war schon drei in der Früh, da zeigten sich Almut und ihr Bruder vor dem Eßzimmerfenster. Sie entschuldigte sich für die Verspätung - was natürlich Blödsinn war, denn was Verspätung heißt, das würde ich ihnen am nächsten Tag zweifellos zeigen. Wir saßen noch am Tisch und tranken das letzte Bier, dann besichtigten wir den Daimler. "Das ist ja ein 200er, kein 240er", stellte ich überrascht fest. Da stand er. Blau, groß, eine Zuverlässigkeit ausstrahlend, wie es nur ein echter Daimler tun kann. Ihm fehlte der Stern. Daß sowas überhaupt nach Erfindung des Maschinengewehrs noch möglich ist, das geht mir nicht in den Kopf. Was ist das hier nur für ein krankes Drecksland? Nach der Besichtigung und der Feststellung, daß wir ohne Stern nicht fahren können, gingen wir zu Bett. Präziser: Ich ging zu Wohnzimmer-Couch, Almut und Joe gingen zu Garten. Ich mußte noch mein Tinchen in Kalifornien anrufen. Natürlich nicht daheim, sondern an der Bar im Löwen, wo sie jetzt stand und mein Bier an fremde Leute ausschenkte.

Den alten Benz in seinem Lauf
Hält weder TÜV noch Steuer auf.

Nach einigen Stunden Schlaf begann ich, mich fertigzumachen. Da stand einiges auf dem Plan. Pakete mußten weggebracht, ich mußte eingekleidet, es mußte gepackt, ein Stern mußte gekauft, meiner Nachbarin Rechner konfiguriert werden - das hatte ich ihr noch versprochen am Abend zuvor. Es zog sich alles wieder hin. Genau wie damals vor vier Jahren, als es zum ersten Male nach Marokko ging - exakt genau so. Erstaunlich. Der größte Zufall war wohl der, daß ich um kurz nach acht Uhr abends vom Supermarkt heimfuhr und in dem gleichen Augenblick kam Carlos Freund vorbeigefahren, sah den alten Benz und hielt an. Diesen Typen sah ich zuletzt am 21. August 2000, als wir nach Marokko fuhren. Damals waren genau dieselben Personen in der Einfahrt. Meine Eltern, meine Schwester, meine Nachbarin und Carlos, der damals wie heute durch Zufall vorbeifuhr. Dejavu... Und wieder zogen wir los, diesmal mit dem gleichen Ziel, etwas weniger schwermütig, als damals, was wohl zum einen daran lag, daß es diesmal wieder einer der gewohnten Round-Trips war und zum anderen, daß meine Eltern mir heute zu sehr auf die Nerven gegangen waren mit ihrem Versuch, das, was sie erziehungstehnisch seit 1974 versäumt haben, an einem Tag nachholen zu wollen. Egal. Ich dachte zurück an die Zeiten, als mein Auto noch so jungfräulich war und gerade die Langstreckenfahrten für sich entdeckte. Das waren auch Zeiten. Und stünde ich nur wieder am Anfang... Ich würde alles ganz genau so machen, wie ich es tat.

Wir fuhren also endlich los, diesmal mit satten zehn Stunden Verspätung, statt, wie damals, nur derer sieben. Aber wenn man unverspätet losfährt, dann steht die Fahrt unter einem schlechten Omen, denn das heißt, daß schon am Beginn irgendetwas gewaltig schiefgelaufen sein muß. Ein Besold ist nicht pünktlich. Nirgends. Außerdem ist es wirklich gänzlich gleichgültig, wann wir letztenendes loskommen. Wir kommen an. Diesmal hatten wir aber eine bessere Vorbereitung getroffen. Ich hatte mir beispielsweise die Zeit genommen, die Mischung aus Heizöl, Diesel, Salatöl, Terpentin, Benzin, Altöl und aller sonst noch aufzufindenden öligen Stoffe, die seit Jahren in der Garage in Heizöltanks vor sich hingammelt, in den Tank des Daimlers zu schütten. So fuhren wir also diesmal mit einem vollen Tank los. Das sah man allein schon am Zustand der Ausfahrt. So hatte diese schon seit Jahren wohl nicht mehr ausgesehen. Damals hatte ich es vergessen, das Zeug umzufüllen. Die Folge war, daß wir mit einem leeren Tank losfuhren und erstmal in Landsberg anhalten mußten um zu Tanken und um eine Karte zu kaufen. Wobei wir schon wieder bei der nächsten Sache wären: Eine Karte hatten wir diesmal genausowenig dabei. Und diesmal konnten wir uns auch keine kaufen, da wir ja nicht in Landsberg tanken mußten. "Keine Sorge, ich hab alles im Griff", tat ich es ab, "wir fahren einfach dem Stern nach."
Konnte ja nicht so schwer sein. Doch ich verließ mich auf meinen Verstand, der mir sagte, daß das Auto die Strecke schon mal gefahren sei und es sie schon wieder finden würde. Und genau da lag wohl der Haken: Das hier war nicht mein Auto. Es fühlte sich genau so an, fuhr so, wie meines vor Jahren, nämlich leise, sanft und Weich, sah auch - gerade bei Nacht - genauso aus, doch es kannte nun mal die Strecke nicht. Es hatte auch weder ein schweizer noch ein österreichisches Pickerl. Und schon da begannen die Probleme. Das einzige Telephon an Bord war mein amerikanisches Handy. Sehr zuverlässig und sehr teuer. Benno von Bregenz aus angerufen:
"Servus!"
"Servus. Und? Wo seids?"
"Ich glaub in Bregenz... wie geht's'n weiter?"
"Sankt Margerethen heißt der Grenzübergang, dann in Richtung Chur. Danach entweder Gotthard oder Bernardino."
"Danke, servus."
Das war ja einfach. Ich gab dies gleich weiter, zog dann den LapTop heraus und begann den Reisebericht. Irgendwo in der Schweiz der erste Fahrerwechsel. Ich saß wieder in der Kanzel. "Mensch, das ist ja wie daheim." Ich fuhr die nächsten paar Stunden. An einer Raststätte hielt ich an, um eine Vignette zu kaufen, doch die Raststätte hatte leider geschlossen und an der Ausfahrt standen drei Polizisten. Ich fragte diese, ob es hier irgendo Straßenkarten gäbe, aber die waren sich einige, daß die erst am nächsten Morgen käuflich erworben werden konnten. Ich schlug noch eine Weile die Zeit tot, bis sie sich entfernt hatten und wir fuhren dann weiter durch die Nacht. Wir düsten den Gotthard-Paß hinauf und dort irgendwo war auch schon wieder Ablösung. Ich war einfach nicht ausgeschlafen und mußte das Versäumte in Raten nachholen. Da blecht man immer drauf. Ich weiß nicht, wie oft wir uns abwechselten, aber sogar Almut mußte herangezogen werden. Alle paar Stunden anhalten und abwechseln. Das gab es früher nie. Ich fuhr. Punkt. Aber ausgeschlafen muß man sein, sonst klappt es nicht.

Es klappte auch sonst nicht viel. Als ich irgendwann in der Nacht mal wieder aufwachte und nach dem Standort fragte, hieß es, wir fuhren auf den Gotthard zu. "Hä?" Irgendwie waren wir falsch abgebogen und wieder da gelandet, wo wir vor anderthalb Stunden schon waren. Auf dieser Raststätte ließen wir die 40 Liter Plörre, die auf dem Dach waren in den Tank.

Heut ging es an Bord
Dann fuhren wir fort
Lustig, heut' ist heut'
Nun füllet den Tank
Mit köstlichem Trank
Fahrers Lust und Freud'

Einen Holländer, der auch an der Raststätte war, bat ich um Karteneinblick, den er mir auch gewährte. Um nach Genua zu kommen, mußten wir über Mailand fahren. Mailand bezeichnete ich noch vor Stunden als "völlig falsche Richtung", weshalb Joe wohl bei der Abzweigung in die andere Richtung abgebogen war. Völliger Blödsinn, wieder mal. Aber was soll's. Es ging weiter. Ich fuhr eine Weile, dann übernahm Almut wieder und ich schlief.


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