Reparatour Marokko 2004
Mittwoch, 4. August

Irgendwann, als Seegang aufkam, erwachte ich wieder. Das Auto schlingerte und stampfte. Ich erkannte die Gegend. Wir waren auf dem Weg nach Genua. "Ist das ein besonderer Trick?", fragte ich Almut. "Was?" "Daß Du die Kurven erst so spät einleitest." "Nein... tu ich das?" "Naja, kann ja sein, daß Du das Neigungsverhalten des 200D testen willst." "Nein, eigentlich nicht." Es fühlte sich einfach Maschinenhaft an. Kurve. Lenkrad präzis und zackig in die entsprechende Position gerissen. Halten, halten. Kurve aus. Zack - wieder auf Nullstellung. Da heißt es immer, Fraueen seien so feinfühlige Wesen. "Sanft. Jetzt langsam einleiten. Einleiten heißt, leicht vom Gas, dann Lenkrad langsam - mit Gefühl. Das ist das, was Du nicht kennst. Jetzt wieder leicht auf das Gas gehen und langsam wieder in Nullstellung. Hast den Unterschied gemerkt?" "Das muß ich jetzt ein wenig üben."

Später fragte sie mich, ob mein Auto auch soviel Spiel in der Lenkung hätte. "Dieses Auto hier hat kein Spiel..." "Achso. Ich meine immer, ich müßte mich mehr auf das Geradeausfahren konzentrieren, als bei anderen Autos." Und wieder kam mein "Hä?" "Ja! Ich fahre die Kurve und dann schau ich mir die Gegend an. Wenn ich wieder auf die Straße sehe, dann merke ich, daß ich völlig schepps stehe." Der Gedankenablauf muß irgendwie so ähnlich sein. Gegend ansehen, Lenkrad geradehalten. Kurve Fahren (Zack - Zack). Wieder Gegend ansehen. Lage prüfen. Alles streng nach einem Mathematisch festgelegtem Schema. Bestimmt läuft vor ihr die Welt ab, wie bei dem Typen, der in Matrix vor den Rechnern sitzt. Eine von denen die glaubt, daß man immer gerade fährt, wenn man nur das Lenkrad gerade hält. Auch wenn es viele nicht bewußt wahrnehmen, auch bei der Geradeausfahrt muß immer ausgeglichen werden, um das Auto gerade zu halten. Lenkrad auf Nullstellung festbinden klappt nur in den Zeichentrickfilmen. Nur machen sich die meisten Leute keine Gedanken darum. Almut schon, denn in ihrer Welt ist alles mathematisch genau zu erfassen. Ihre Bäume würden aussehen wie Laternenmasten. Kerzengerade, für alles existiert eine genaue Formel und für alles gibt es Regeln. Wenn man diese beherrscht, dann klappt alles perfekt. Es ist ihr nicht begreiflich zu machen, daß die ganze Welt ein einziges Chaos ist, und daß es sinnlos ist, allem eine mathematisch genau definierte Formel aufpressen zu wollen. Völliger Quatsch und da werden wir uns nie einig werden. Ein Auto muß man mit Gefühl fahren, wenn man das nicht kann, dann wird man über kurz oder lang im Straßengraben hängen. Aber auch das läßt sich ein paar mal machen. Den physikalischen Gesetzen muß man sich nun mal unterwerfen. Man kann sie nicht verändern oder mit ihnen diskutieren, denn wir haben sie nicht gemacht. Man muß sie - und das ist das schöne daran - nicht mal verstehen. Insofern man ein Gefühl dafür entwickelt. Wenn man das Gesetz zur Maxime erhebt, aber es nicht schafft, es vollständig zu begreifen, dann befindet man sich auf dem Holzweg. Almut ist Arabist, kein Physiker, und doch fährt sie besser Auto als so mancher Physiker, der genau sagen kann, was für Kräfte wie wirken und wie man sie steuern könnte. Aber das Wissen allein reicht nun mal nicht, sonst würden sie nicht in dunklen Labors und in Hörsälen vor sich hinkleckern, sondern wären in der Formel Eins und würden richtiges Geld verdienen. Aber die Herren Intellektuellen waren schon immer weltfremder als Marsbewohner.

Sonnenaufgang in Genua.

Ich war zwar nicht müde, anber ausgeschlafen war ich auch nicht. In Genova fuhren wir lange Zeit in die Verkehrte Richtung. Ich hatte keine Ahnung, welche Stadt wir als nächstes ansteuern sollten. Ist alles schon zu lange her. Veintimiglia kam mir zwar bekannt vor, aber ob wir dort hinmußten, das wußte ich nicht. Tatsache aber war, daß wir umkehren mußten, denn das Meer befand sich zu unserer Rechten. Falsch. Es gehört auf die andere Seite. Nachdem wir also das Meer umpositioniert hatten, fuhren wir die ganze Strecke zurück. Es war schon morgen und die Norditaliener begaben sich so langsam auf den Weg in die Arbeit. Die Straßen wurden immer voller. Ich hielt ab und zu bei einem Zeitungsstand, um eine Karte zu besorgen, aber die hatten nichts Brauchbares. Ich startete auf Spanisch, der Verkäufer antwortete in Englisch. Man kann sich verständigen. Doch es lohnte sich nicht, eine Karte zu kaufen. Ich sah immer nur nach dem nächsten größeren Ort und suchte dann die passenden Schildern. Joe fand sie meistens. Das nächste Anlaufziel war Savona oder sowas Krankes. Keine Ahnung. Nizza oder San Remo waren nicht angeschrieben. Ich fuhr wieder eine Weile, bis wir auf der Autobahn waren und irgendwann gab ich das Steuer wieder an Joe ab.

Als ich wieder erwachte fuhren wir gerade über die Autobahn. Almut fuhr. Die Schilder und die Namen die sie trugen waren ausgesprochen ekelhaft. "Wie lange sind wir schon bei den Frazocken?" "Eine Stunde, vielleicht." Das hieß, daß es wohl den ganzen Tag so weitergehen würde. Abgesehen von den Schlachtfeldern und von der Côte d'Azur sollten sie alles sprengen. Alles durcheinander, keine Wegweiser, und lauter Franzosen. Als wir einmal an einer Raststätte anhielten, ging ich hinein und bestellte ein Baguette mit Schinken und Käse. Natürlich völlig überteuert, aber was soll's. Ich fragte sie, auf Spanisch, ob sie es warm machen könnte. Sie verstand mich nicht, oder tat zumindest so. Dann probierte ich es auf Englich. Das Wort Hot kennt nun wirklich jeder Vollidiot auf dieser Erde - außer, er ist Franzose, natürlich. "Tut mir Leid, hier in Frankreich spricht man Französisch." Was geht mir sowas auf den Zeiger! Wären die deutschen nicht 1940 einmarschiert, dann hätten sie heute noch kein elektrisches Licht. Und es ist ja nicht so, daß sie im Ausland zumindest Englisch reden würden. Die können ja gar nichts, außer ihrem schwulen "Trötrö", absolut nichts - deshalb trifft man sie auch nur in den Kackländern, denn nur dort wird heute noch französisch gesprochen - auch wenn die Franzosen an und für sich selbst dort nicht gerne gesehen werden. Eigentlich mag die ja keiner - was überhaupt nicht verwunderlich ist. Englisch, Spanisch, Deutsch - das sind die Sprachen Europas. Französisch ist, wie sie so schön sagen passée. Gehört in den Schweinestall. Ich rief Almut herbei. "Kannst Du dieser blöden Franzockenschlampe bitte klarmachen, daß ich das Baguette warm will?" Daß es auch noch das falsche Baguette war, das störte mich weniger. Ich sage ja, die können nichts. Wunderbar. Ich konnte mich mal wieder aufregen. Das macht wach. Diese Bagasch möchte am liebsten haben, daß die ganze Welt Französisch spräche. Doch dafür sind sie zu waschlappig. Da hilft es nichts, nur im Salonwagen in der Kompiänn zu sitzen und zu flennen. Oder darauf zu hoffen, daß die Amis kommen und ihnen helfen, denn auch die können kein Französisch. Immer aufs Maul kriegen und sich dann noch aufführen wie die einzige Kolonialmacht auf Erden. Ich muß mir von Almut einen Satz auf Arabisch und Französisch beibringen lassen: "He, Franzos', Faulpelz! Das hier ist Marokko. Hier spricht man Arabisch. Wenn Du zu blöd dazu bist, dann geh Jauche pumpen." Nur fraglich, ob sie das macht. Die hat einfach keinen Sportsgeist. Vielleicht erklärt sich ja Ines bereit...

Das ging ganz Frankreich lang so. Ich erging mich in Haßtiraden auf unsere Erz- und Erbfeinde. Nicht notwendig - zugegeben. Aber wenn es doch soviel Spaß macht. Und sie leisten dem ja auch Vorschub, weil sie so bescheuert sind, wie nur Franzosen sein können. Die sollten sich an ihren ehemaligen Kolonien ein Beispiel nehmen. Die sind von der geistigen Entwicklung her den Franzosen um Jahrzehnte voraus. Jetzt müssen sie nur noch das Französisch boykottieren, dann ist schon mal ein großer Schritt getan. Alle Baraber sollten nach Frankreich stürmen und arabisch als Amtssprache installieren, so daß den Franzosen nichts anderes übrigbliebe, als eindlich auch mal eine Sprache zu erlernen. Können bloß froh sein, daß die Römer hier waren. Die können ja kein H aussprechen. Wie perverst ist denn das, bitte?

"Kommts, Leut, jetzt fahren wir auf die Autobahn. Ich habe keinen Bock mehr auf diesen Dreck. Ich will hier möglichst schnell raus, nach Spanien, wo die Leute wieder normal sind und wie Menschen sprechen - nicht wie Affen. Kriegt man ja 'nen Ohrenkrebs." Eine Kultursprache soll das sein, heißt es. Möglich. Man muß nur die richtige Pilzkultur heraussuchen, auf die das zutrifft. Vielleicht Fußpilz, keine Ahnung - damit werde ich mich auch dann nicht beschäftigen, wenn ich in meinem Leben absolut gar nichts mehr zu tun haben sollte.
Es fing auch noch an, heftig zu regnen. Zu pissen, wie man in der Umgangssprache sagt. Und es war auch klar, daß das auf französischer Seite passieren mußte, denn mir würde spontan auch nichts besseres einfallen, als auf Frankreich zu pissen.
Die Tortur war bald beendet, denn wir fuhren über die Autobahn nach Spanien hinein. Die Schilder waren wieder verständlich, alles war wieder halbwegs zivilisiert. Als wir an der Tankstelle anhielten, konnte man sich normal mit den Leuten unterhalten. Zwar lispelten sie alle etwas stark, aber einen Sprachfehler kann jeder haben. Das ist nicht schlimm. Wir fuhren über Barcelona nach Mardid. Es wurde langsam Nacht. Wieder einen Fahrerwechsel vorgenommen und ich schlief auf dem Beifahrersitz ein. Ich weiß nicht, wieviele Stunden ich schlief, aber als ich wieder erwachte, war alles Still, das Auto stand, auf dem Fahrersitz saß Jovi mit einem Hemd um den Kopf gewickelt. Vermutlich ruhte er sich aus. Ich sah mich um und entdeckte ein Autobahnrestaurant genau hinter uns, in das ich dann auch hineinging. Stracks zu den Resteräumen. Gerade steh ich gemütlich am Waschbecken, wasche mir die Haare, da platzt ein Kellner herein: "He, Compañero, hast Du denn noch nie gehört, daß man erst mal 'Gute Stunde' ('Buena hora') sagt, wenn man irgendwo hineinkommt. Ich dachte, es ist ein Überfall! Bist Du beim Militär?" Der Casus macht mich lachen. "Nein, also den Ausdruck 'Gute Stunde' hab ich wahrlich noch nie gehört, geschweige denn gebraucht. Aber es klingt witzig und ich werde ihn mir merken. Geht auch 'Buenas Noches'?" "Ja, das geht auch", meint er. "Also gut", ich nahm Haltung an. "Buenas Noches!!!", schmetterte ich ihm freudig entgegen, "Bitte vielmals um Verzeihung, aber ich habe den Herrn Kellner beim hereinkommen nicht wahrgenommen." "Ich stand da hinten im Eck und habe den Tisch geputzt. Und plötzlich stürmt ein offensichtlich Verrückter in Militäruniform quer durch den Laden und erschrickt mich fast zu Tode! Es ist fast vier Uhr in der Nacht." "Das war nicht meine Absicht." Da ging er zufrieden hinaus. "Ach, ja", schrie ich ihm hinterher, "und beim Militär bin ich auch nie gewesen. Die wollten mich nicht. In Deutschland nehmen sie nur Schwule..." Als ich fertig war mit Haarewaschen, ging ich an die Bar. "Buenas Noches. Was gibt es denn hier Gutes?" "Alles ist gut..." "Gibt es so eine Milch mit Kakao darinnen?" "Ja, kann ich machen." "Ja, dann tu das mal her." "Kalt oder warm?" "Warm, natürlich. Und gibt es auch etwas mit Brot, Schinken und Käse?" "Ja, gibt es auch." "Gut, dann tu das auch hier zu mir." Ich aß alles auf, bestellte noch eine kalte Cola. Er brachte sie. "Ist das hier kalt?" "Mal sehen, ob ich für meinen deutschen Freund eine noch kältere finden kann." Er nahm die Cola wieder, verschwand in der Kücke und brachte eine, die wirklich kalt war. Ich faßte sie an. "Na, geht doch." Man muß nur reden mit den Leuten. "Wehe Du beschwerst Dich, wenn sie gefroren ist." Nein, die ist perfekt. Sehr fein. Was macht denn das alles zusammen?" "Hm. Moment, laß mich rechnen... Macht 6,50." "Da. Sind meine letzten Euros. Der Rest ist für Dich." Ich ging hinaus, kehrte dann wieder um. "Hast Du was vergessen?" "Ja: Buena Hora!" Er wünschte mir noch eine gute Fahrt.

Ich ging zurück zum Auto, übernahm und weiter ging es. Wir hielten noch einmal an, um das Radio endlich einzubauen. Ohne Radio zu fahren ist wirklich niemandem zu empfehlen. Das ganze dauerte etwa 15 bis 20 Minuten. Natürlich wurde der Wechsler nich wie vorgesehen irgendwo angeschraubt, sondern lediglich auf den Wäschekorb auf der Rückbank gelegt. Auch das Radio wurde nicht fest eingebaut. Ich hatte es mir kurz vor der Abfahrt von Benno geliehen, denn es hatte einen CD-Wechsler. Musik war auf der Fettplatte und einen Brenner hat das Notebook auch.


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