Reparatour Marokko 2004
Montag, 9. August

Das Auto mußte in die Werkstatt gebracht werden und da weder Joe noch ich kein Arabisch und erstrecht kein Französisch konnten, mußten sie in der Früh mit uns mitkommen.
Wir fuhren also zur Werkstatt, handelten den Preis aus mit dem Werkstattchef persönlich, fuhren das Auto rückwärts hinein und ließen die Jungs loslegen. "Das Auto muß durch die deutsche Inspektion, daß mir hier ja nicht geschlampt wird, Ihr Weihnachtsmänner, sonst werd ich mit Euch strafexerzieren, bis Euch der Arsch mit Grundeis geht. Verstanden?" So ungefähr erklärten wir ihnen, was Sache ist. Joe und ich würden den Tag mehr oder weniger in der Werkstatt verbringen und den Kollegen auf die Finger schauen. Mit Ines und Almut gingen wir noch frühstücken, dann begleiteten wir diebeiden zur Abfahrt. Ob sie nun mit dem Bus fuhren oder mit dem Taxi, das haben wir nicht mitbekommen.

Taxisammelplatz neben dem BahnhofTaxisammelplatz vor dem BahnhofAls wir wieder an der Werkstatt angekommen waren, dachten wir uns, daß es vielleicht gar nicht so blöd wäre, die beiden Anlasser, die im Innenraum lagen, loszuwerden. Wir begaben uns zum Taxisammelplatz, stellten uns hin und bemühten uns, recht gelehrt auszusehen. Bald schon kam der eine oder andere, fragte nach, ob wir ein Taxi bräuchten. Nein, ich brauche jemanden, der Englisch oder Spanisch kann. Es kamen auch mehrere, aber irgendwie verstand mich doch keiner. Wir zogen weiter, denn der nächste Taxisammelplatz ist gleich vor dem Bahnhof. Wieder stellten wir uns hin und sahen hin und her. Da sahen wir einen Blinden die Straße überqueren. Recht unbeholfen. Als er dann am Platz ankam, sprang ein junger Bursche auf und begleitete den Blinden ein gutes Stück in die Richtung, in die er wohl hinwollte. Das ist etwas, was ich in Industrieländern nie gesehen habe. Dort ist man nur um die richtige Wortwahl bemüht, aber das war es auch schon. Denen irgendwie zu helfen, das überläßt man dem Staat oder den Barmherzigen Schwestern. Aber wehe man nennt einen Krüppel Krüppel, dann geht das Gefauche und Gekeife los.
Noch während wir dem zusahen, kam ein Einheimischer, Glatze, helle Augen - wohl ein Berbernachkomme - zeigte auf einen weinroten 123er und sagte auf Englisch: "Wenn Sie das Auto kaufen wollen, ich verkaufe es ihnen." Was wir nun damit anfangen sollten, das wußte er wohl selber nicht. Aber ich erklärte ihm, daß ich nichts kaufen wollte, sondern verkaufen, und zwar zwei Anlasser. Er rief die Taxler herbei, die auch ankamen. Wo ich die denn hätte. "In der Werkstatt." Ich soll die doch einfach herbringen, dann können sich die Jungs die Anlasser ansehen und man würde schon ins Geschäft kommen. "OK, ich komm morgen oder übermorgen hier vorbei." Er ging wieder, die Taxler gingen auch teilweise, andere kamen hinzu. Ein Taxler meinte, er könnte mit uns zur Werkstatt fahren um sich die Anlasser anzusehen. Wir stiegen in den 123er ein. Als wir gerade abfahren wollten, kam noch einer hinzu. Er sprach Deutsch. Wir erklärten den Weg, der Taxler fuhr. Vor der Werkstatt hielt er an, ich sprang hinein, holte die Anlasser und legte sie auf den Kofferraum des Taxis. "Wieviel wollt ihr haben?", fragte der, der Deutsch konnte. "1000 Dirham für beide." Er übersetzte. Der Taxler lehnte ganz entschieden ab. "Wieviel zahlt er denn?" wollte ich wissen. Sie debattierten auf Arabisch. "Höchstens 400." "Pro Stück?" "Nein, für beide natürlich." "Schau mal, das sind echte Bosch-Anlasser. Qualität Made in Germany. Passend für den 123er und den Strichachter." Wieder auf Arabisch zum Taxler, während ich mit Joe sprach. "OK, was ist Euer Preis?", fragte er mich wieder. "800?" Der Taxler lehnte ab. Zu teuer. Er stieg ein und startete den Motor. Ich nahm die Anlasser wieder, und wir wollten schon in die Werkstatt gehen. "Können wir immer noch morgen verkaufen, wenn wir sie nicht woanders loswerden..." Der Typ auf dem Beifahrersitz meldete sich nochmal zu Wort. "Wie sieht es aus mit 600?" Ich sah Joe an. 60 Euro. Viel ist es nicht, aber... was soll's. "650?" "Jetzt komm, 600 ist schon OK." Er stieg wieder aus, der Taxler saß hinter dem Steuer. Ich hielt den Anlasser fest, als er ihn mir abnehmen wollte. "Wo sind die 600 Dirham?", wollte ich wissen. "Kommen Sie, Sie brauchen keine Angst haben, ich war in Deutschland." "Eben", dachte ich mir, aber als er zum Geldbeutel griff, da ließ ich den Anlasser los. Er gab mir die 600 Dirham, bedankte sich und wollte fahren. Joe brachte mich auf die Idee, nachzufragen, ob sie uns zum McDonald's mitnehmen konnten. Der Typ debattierte wieder mit dem Taxler, dann sagte er "Steigen Sie ein..."

Standesgemäß zu McDonald's.

Sie fuhren uns tatsächlich umsonst zu McDonald's. Das war für den Taxler jedenfalls ein gutes Geschäft. Schlecht war es für uns auch nicht. Die Anlasser hatten nichts gekostet, die Reisekasse war für einen Tag mindestens entlastet und für die Ersatzteilversorgung der 123er wurde auch was getan. Die müssen am Rollen gehalten werden, koste es was es wolle.

Bei McDonald's entdeckte ich einen sogenannten "Le 280 Grammes". Gleich ausprobieren. Hinterher kam ich zum Schluß, daß der auch in Amerika eingeführt werden sollte. Ab und zu mal bei McDonald's etwas gescheites zu Essen, das hat auch was. Gelder sind ja nun vorhanden, und man will ja nicht den Einheimischen das Gemüse wegfressen, das angeblich so gesund sein soll, weil es grün ist. Weiß übrigens nicht, wer diesen Unsinn in die Welt gesetzt hat. Wenn man grün im Gesicht ist, dann ist einem meistens brutal übel, wenn man grün hinter den Ohren ist, dann wird es teuer. Aber grünes Zeug fressen soll gesund sein? Für Esel, vielleicht. Der anständige, zivilisierte Mensch ißt Fleisch, am besten ein wenig roh. Mir fällt immer wieder auf, daß diese eingegemüsten Körner-, Blätter- und Wurzelfresser zumeist ausgesprochen hypersensible, krankheitsanfällige Krisperle sind, die gleich jeder kleine Luftzug mit einer Wucht umhaut, daß man meinen könnte, dejenige hätte sich mit Mohammed Ali angelegt. Es gibt wohl Ausnahmen darunter, die Bekannteste wohl Onkel Adolf, der hierzulande übrigens sowas wie ein Pop-Star ist, aber die meisten Bio-Queens und -Kings funktionieren nicht so richtig.

Ähnlich wie in Deutschland, ist auch in Marokko bei McDonnalds die Amtssprache der Angestellten Arabisch. Als Zweitprache vergewaltigt das Französisch das Ohr des Kunden, während in Deutschland das Türkische den Kehlkopf des Angestellten vergewaltigt. Da hat McDonald's Deutschland also eindeutig die Nase vorn. Doch - ganz anders als in Deutschland - trifft man hier ab und zu hinter der Theke sogar jemanden, der Englisch und manchmal sogar Deutsch spricht.
Ein Angestelltenaustausch scheint Sinnvoll. So könnten die Systemgastronomen aus Deutschland einen Monat in Marokko ihrer gewohnten Tätigkeit nachgehen und etwas Deutsch lernen, während die aus Marokko in Deutschland ihr Türkisch aufpolieren würden. Wie man das Französisch aus den Köpfen bekommt, das weiß ich nicht. Es ist wirklich ekelhaft, nur weil man weiß ist, gleich auf Französisch angeredet zu werden. Mit den Manieren haben die Marokkaner nicht so viel am Hut. Ich spreche sie doch auch nicht mit bambaraisch-suahelischen Knacklauten an.

Der McDonald's in Fez.

Wir latschten wieder zur Werkstatt zurück um die Arbeit zu überwachen. Vor unserem 123er war ein 124er aufgebockt. Der 123er hat unten an den Türen eine Zierleiste, die noch über die Türschwelle reicht. Die ist nicht nur zur Zierde gedacht, sondern dafür, daß die Madame beim Aussteigen nicht den Straßenkot mit ihrem Kleid vom Auto wegputzt. Beim Strichachter gibt es das nicht - logisch. Ist ja auch der Vorgänger. Aber warum das beim 124er fehlt und erstrecht beim 210er - das ist nicht logisch, denn es sind die Nachfolger. "Ich dachte, gerade auf solche Sachen würden sie noch mehr achten, als auf technische Details", sagte Joe. Doch er lag falsch. Die Herren von Mercedes können stolz auf ihre Autos sein, wenn sie den Blick in die Vergangenheit richten, sollten sich aber schämen, wenn sie die Gegenwart besehen. Schuld daran ist niemand, denn die Autos konnten nach dem 123er nur noch schlechter werden.

Gerade, als ich mich darüber ausließ, kam ein Marokkaner in die Werkstatt. Er konnte Englisch und wir waren uns sofort einig, daß die alten Mercedesse einfach unschlagbar sind. Er selbst fuhr einen 300SD, amerikanische Ausführung des 126ers. Er war sehr zufrieden damit und wir waren uns auch darin einig, daß die neuen Mercedesse nichts können. Mittlerweile konnte ich dazu ja einiges beitragen, dadurch, daß ich den Fehler beging, meinem Vater einen 210er anzudrehen. Das zweite Getriebe innerhalb von 13 Monaten. So ein Dreck! Und dann noch diese Finanzberater bei Mercedes, die mir damals immer erzählten, was sich alles bei meinem schönen 123er nicht lohnt. Ich, jedenfalls habe nach 800.000 Kilometern immer noch das erste Getriebe drin, während bei dem 210er meines Vaters das erste mit 150.000 und das zweite bei 240.000 verreckt sind. Wäre da nicht die verdammte Steuer. Nun kann ich wieder losziehen und jemanden finden, der blöd genug ist, einen guten 124er 300TD gegen diesen Dreck von einem 290TDT einzutauschen.

Der Marokkaner hieß Hassan und ließ sich gerade gegenüber einen neuen Anlasser einbauen. Eine M-Klasse war auch da, mit deutschem Ausfuhrkennzeichen. Hatte irgendein Wehwehchen, wahrscheinlich war der Fahrer über einen Kieselstein gefahren und nun ist die Achse verzogen. Ich gebe dem Auto zwei Jahre, bevor es auf dem Schrott landet. Hier besteht die Konkurrenz aus alltagstauglichen Vollmetalldaimlern made in Germany, nicht aus Plastikkärren aus Taiwan, die noch schneller auseinanderbrechen und in der gelben Tonne landen, wie in den USA oder in Europa.

Vor der WerkstattIn der WerkstattUnsere Werkstatt schien gute Arbeit zu leisten. Die beiden Stoßstangenträger waren abgefault und mußten ersetzt werden. Ich konnte mich nur nicht hinreichend verständlich machen. Ich wollte ihm sagen, daß er einen Schlurfi losschicken soll, um die Teile zu besorgen. Das ist meines Erachtens das beste. Geht man als Europäer hin, dann langen sie zu. Es ist auf jeden Fall billiger, einen Einheimischen loszuschicken und denn dafür zu entlohnen. Außerdem habe ich, seit ich aus Amerika zurückbin, sowieso die Angewohnheit mitgebracht, für alles einen Schlurfi zu mieten. Ist hier auch nicht unbekannt. Hassan schickte den Schlurfi der Werkstatt, die seinen Anlasser reparierte los, als mir die Kippen ausgingen. Ines konnte ich immerhin davon überzeugen, daß das das einzige Prinzip, nach dem was funktionieren kann. Betteln ist nicht. Tu was und Du wirst bezahlt, jeder ist zufrieden. Wenn man demjenigen nur Geld gibt, aus noch so edlen Beweggründen, tut man niemandem einen Gefallen, sich selbst nicht, und ihm auch nicht. Hingegen, wenn derjenige losgeschickt wird, um etwas zu holen und man bezahlt ihn dafür, dann kapiert er gleich, daß man für das Geld in aller Regel etwas tun muß, außer man gehört zu einer winzigen, auserwählten Minderheit. Heute latscht er los, holt eine Cola und bekommt dafür ein paar Dirham, morgen kann er sich einen Esel kaufen und übermorgen einen LKW und hat dann sein eigenes Transportunternehmen. Na, gut. Das klappt vielleicht bei einem von Hundert - und der hat meistens in Amerika damit angefangen. Und selbst wenn es hier klappt, liegt es bestimmt nicht nur daran, daß mal hier einer vorbeikam, der zu faul war, Kippen oder Cola zu holen. Aber besser, als wenn es bei keinem klappte.

"So, jetzt wo die Weiber weg sind, gehen wir noch zum Liquor-Store und holen ein Bier", sagte ich zu Joe. So handhabten wir es dann auch. Zwei Six-Packs, 120 Dirham, 12 €. Völlig überteuert. Zwölf Cola in der gleichen Größe hätten vergleichsweise 36 Dirham gekostet. Wir saßen noch längere Zeit auf der Terrasse und unterhielten uns unter anderem über Afrika. Muß nochmal gehen, keine Frage. Mehr Geld und mehr Zeit sind allerdings beim nächsten Mal unabdingbar.


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