Am nächsten morgen nutzte ich zwar den Schatten aus, so lange es ging, doch leider ging das nicht lang. Schon bald war kein Schatten mehr da. So stand ich auf, machte mich Kampfbereit und begab mich ganz nach unten zum Frühstückstisch, der selbstverständlich schon hergerichtet war und meiner harrte. Die anderen waren schon wieder fast fertig mit Frühstück und es lagen nur noch ein paar Höflichkeitsstücke umher. Diese Unsitte, die sich irgendwann eingeschlichen hat, und die mich gerade an Bord zum Wahnsinn treibt. Wir sind doch auf Achse und nicht auf dem Wiener Opernball, wo man es nicht wagen darf, einen Teller leerzuessen, da da unhöflich wäre, da vielleicht jemand anderer noch das Stück haben möchte. So bleibt immer was übrig, weil sich keiner nachsagen lassen will, er sei schlecht erzogen. Um dem entgegenzuwirken, habe ich es mir angewöhnt, immer das letzte Stück zu fressen. Egal, was es ist. Selbst dieses Krautzeug und Körner, was die immer in sich hineinfressen. Was mich dabei wundert, ist daß die nie krank werden bei der Mangelernährung.
Für Joe und Almut gab es nicht viel zu tun. Sie blieben daheim. Ines und ich machten uns auf den Weg zur Werkstatt. Mit dem Petit Taxi fuhren wir hin - wie immer. Das ist eine bescheuerte Regelung, daß innerorts keine W123er fahren. Wir kamen wieder an dem Platz vorbei, an dem die Überlandtaxis standen. Vermutlich würden wir danach eines davon brauchen. Doch erst mal zur Werkstatt. Dort angekommen ließ ich mir erklären, was alles benötig wurde. Ines machte das schon. Mit dem einen parlierte sie Französisch, mit dem anderen Arabisch, alles wurde aufgenommen und dann für mich ins Deutsche übersetzt. So. Wir benötigten also die Seitenhalterungen für die Stoßstangen, vorne wie hinten. "Mehr nicht?" Mehr nicht.
Sie ließ sich auch noch erklären, wo sich der Schrottplatz denn befand. Ich fragte nur pro forma nach. Konnte sowieso nichts damit anfangen und da ich nicht selbst fuhr, brauchte ich es erst recht nicht zu wissen. Wir gingen zum Taxistand. Dort traf Ines zufällig einen Bekannten, der des Weges kam, erklärte ihm, was wir vorhätten und er bot sich sofort an, mitzukommen. Endlich mal in einem anständigen Taxi sitzen dürfen. Die funktionieren ein bißchen wie Busse. Sie fahren erst los, wenn sie voll sind und meist von A nach B. Wir saßen zu siebent im Taxi. Der Fahrer, Ines und ich auf dem Beifahrersitz, vier auf der Rückbank. Der Fahrer hatte das Fahren vermutlich in Deutschland gelernt, denn er fuhr wie ein Vollidiot. Links "eingeordet", obwohl er geradeaus mußte, hupt den anderen zusammen, der rechts "eingeordnet" war, aber links fahren mußte, was er auch durch Blinken und Winken kundtat, doch unser Fahrer ließ ihn nicht rüber. Sowas ist ganz untypisch für Araber. Der echte Araber sucht sich seinen Weg und fährt einfach hin, wo er hinwill, ohne sich daran zu stören, was die anderen machen. Vielleicht war dieser hier krank. Man weiß es nicht.
Nach einiger Zeit fuhren wir auf einen Parkplatz, auf dem andere Taxis standen. Wir stiegen in das nächste um, warteten wieder, bis es voll war und wieder zogen wir los. Zwar saßen wir diesmal hinten, doch dieser Fahrer war schon wesentlich entspannter unterwegs. Er fuhr genau so, wie es sich gehört. Eine schöne Fahrt durch die Vororte von Fez. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich fuhr und dann verlor ich noch vollends den Faden, als Tina aus L.A. anrief. Sie hatte gerade Feierabend gemacht, dort war es folglich kurz vor drei Uhr nachts.
Wir waren noch nicht mitten in der Wüste, als wir ausstiegen, aber urban war das Gebiet auch nicht mehr. Außerdem handelte es sich nicht um einen Schrottplatz, wie ich es eigentlich erwartet hätte, auch nicht um eine Ansammlung von Schrottplätzen, sondern um ein regelrechtes Schrottdorf. Die Wracks standen überall auf den Straßen herum. 123er nur sehr sehr wenige und viel war von denen nicht mehr übrig. Alles, was nur irgendwie brauchbar war, war bereits abmontiert worden. Ines, der Marokaner, der ich jetzt einfach Mohammed taufe, weil er wahrscheinlich wirklich Mohammed heißt und ich stiefelten stundenlang durch den seltsamen Ort. Es war eine Geisterstadt. Kaum ein Mensch zu sehen, stattdessen nur tote Autos und Autos, die stumm Geschichten von Tod erzählen.
Hier saß ein mutmaßlicher Drogendealer aus Holland am Steuer, als sein Plastikkäfig mit beträchtlicher Geschwindigkeit mit der Beifahrerseite gegen einen Baum prallte. Ein Beifahrer war entweder von vornherein nicht dabei, oder er wurde so gleichmäßig über die Baumesrinde verteilt, daß man ihn nicht mehr fand. |
Diese Stoßstangenhalter begannen mich zu nerven.
Entweder sie waren nicht vorhanden, oder so verrostet, daß sie unbrauchbar
waren. Wenn man mal welche fand, dann bestand das Problem darin, daß
das Auto Nummernschilder hatte, somit zugelassen und im Einsatz war und
folglich jemandem gehörte, der ganz bestimmt keinen Bock hatte, Teile
seines Autos zu veräußern. Zumindest nicht zu vernünftigen
Preisen.
Überwiegend waren hier französische Autos zu sehen. Die sind
ja schon bei der Auslieferung Schrott. Die Deutschen müssen natürlich
im Zuge der Völkerverständigung bei diesem Schwachsinn mitziehen.
Man besehe sich nur den oben abgebildeten Schrottkübel genauer. So
einen hat mein alter Herr auch, allerdings als 290TDT.
Das ist mit abstand das schlechteste Auto, das je in unserer Einfahrt geparkt hatte. Selbst der Ford Galaxy, der ein Jahr älter war, war qualitativ hochwertiger. Keine Frage. Mercedes stand mal für Langlebigkeit und Zuverlässigkeit. Heutzutage sitzt man bereits in einem Schrottkübel Marke Mercedes-Benz bevor man mit 100 Sachen einen Baum küßt.
Das Durchfragen gestaltete sich etwas schwierig, denn es war, wie schon erwähnt, kaum ein Mensch zu sehen. Nach stundenlangem Umherirren fanden wir dann schließlich jemanden, der die Teile hatte. Ines gab mir zu verstehen, ich solle sie mir nur ansehen, ob sie brauchbar wären und unauffällig "ja" oder "nein" sagen. Ich sah mir vor allem die Gewinde an. Leicht angerostet, aber durchaus in Ordnung. Nichts verbogen, und selbst wenn, wir hatten nicht die große Wahl.
Das handeln überließen wir Mohammed. |
Der Preis, den wir schlußendlich zahlten war mehr als in Ordnung. Wir nahmen die Teile und fuhren wieder zurück.Wieder die gleiche Odyssee. Hinein in das erste Sammeltaxi, durch den marokkanischen Verkehr bis zum Umsteigeplatz, hinein in das nächste, weiter bis Fez und dann zu Fuß in die Werkstatt. War ja nicht weit. Zum Glück war es hier immer recht trocken. Sobald die Luftfeuchtigkeit über 50% steigt, fängt bei mir das Fluchen an. Das konnte ich getrost weglassen, denn das Klima war sozusagen kalifornisch - bloß der Strand war etwas weiter weg.
Die Jungs waren schon fleißig am basteln, als wir ankamen. Der alte 200er war frisch lackiert, der Lack ausgehärtet und konnte sich schon wieder sehen lassen. Ich sah mir alles mit meinem schweißtechnischen Nullwissen genau an und war sehr zufrieden mit der Arbeit. Jetzt nur noch ein paar Kleinigkeiten und das Auto war sozusagen zur Abfahrt fertig. Ines half noch fleißig mit, alles auf Hochglanz zu polieren. Ich ölte die Türgriffe solang, bis sie wieder gingen. Auf diese Weise hofften wir, den Preis etwas zu drücken. Hochzufrieden war ich, weil ich schon mal eine Werkstatt gefunden hatte, bei der ich meinen eigenen braunen Benz eines Tages wieder herrichten lassen konnte. 1500 US$ für die Verschiffungen, 1000 US$ für das herrichten,nochmals 1000 US$ für die An- und Abfahrt. Eines Tages würde es soweit sein, doch momentan langte die Kohle dafür nicht. Ich wollte auch gar nicht über die Telephonrechnung nachdenken, die mich erwartete, wenn ich erst wieder in den Staaten war. Alles Zukunftsmusik. Angesichts der Tatsache, daß mein Paß nur noch bis Januar 2005 gültig war, war es zu diesem Zeitpunkt mehr als fraglich, ob ich überhaupt wieder in die USA kommen würde auf absehbare Zeit.
Ines und die Angestellten beim Polieren. |
Ines und ich mußten noch ein paar Schrauben und Kleinteile besorgen. Zum Glück hat hier fast jeder Friseursalon Teile für 123er, sodaß es nicht schwierig war, die gesuchten Teile zu finden. Bald darauf waren die Jungs auch schon fertig. Das Beladen des Autos dauerte etwas. Das mußte mit System eingeräumt werden, denn wir hatten noch jede Menge Gepäck im Haus. Ich mußte feststellen, daß von unserem Autogepäck, das die ganze Zeit über im Büro gelegen hatte, nicht ein einziger Zahnstocher fehlte. Rein gar nichts. Wir beglichen die Rechnung und fuhren gleich nach Nebenan, um die Kraftstoffleitungen anbringen zu lassen. Ich weiß nicht warum auf diese soviel Wert gelegt wird, aber Reni, Almuts Schwester, wird als prämierte Kfz-Mechanikerin da schon besser bescheidwissen als ich. Dafür hat sie's schließlich gelernt. Ich hatte da vollstes Vertrauen in ihre Heilkunst. Daß sie was von Autos verstehen muß, zeigt sich schon sehr deutlich daran, daß sie jahrelang dieses Auto gefahren hat, bis daß der TÜV sie schied.
Während sich die Mechaniker an den Kraftstoffleitungen
zu schaffen machten, gingen Ines und ich ein paar Straßenecken weiter
und suchten und ein Kafee oder ein Restaurant, in dem es was zu Trinken
gab. Wir ließen uns nieder. Sah wohl so aus, als würden wir
bald startklar sein. Morgen mußte noch die Feststellbremse in Ordnung
gebracht werden. Nicht, daß es hier auch so läuft wie bei meiner,
die schon seit Jahren nicht mehr geht und jeder Mechaniker sich weigert,
da etwas zu richten, weil einfach alles fehlt. Wie habe ich die Feststellbremse
in La Paz vermißt. Immer mußte der Randstein herhalten, als
Hilfshandbremse. Und wenn der nicht da war, dann hat die Kupplung das
schmerzhaft zu spüren bekommen. Der Wirt brachte Ines irgendwelche
kichererbsenähnlichen Körner und mir eine weitere Cola. Im Hintergrund
fuhr ein zum Sanka umgebauter W123 vor. Sehr schönes Exemplar. Wir
unterhielten uns über Dies und Jenes, sahen ab und zu nach, wie weit
die Arbeiten fortgeschritten waren. Es war schon dunkel, als wir uns endlich
ins Auto setzen konnten und losfahren. Endlich wieder Herr im fremden
Haus und selbst am Steuer. Wir fuhren zurrück auf den Parkplatz und
latschten zurück. Es sollte unser letzter Abend werden.
Der Plan für morgen sah vor, daß wir die Handbremse richten
lassen wollten, danach zusammenpacken und los in Richtung Süden.
Doch es kann immer noch was dazwischenkommen. Passiert öfter und
niemand hat was dagegen. Das macht die Sache nur umso spannender. Natürlich
verbrachten wir den letzten Abend wieder oben auf dem Dach.
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