En casa...
Samstag, 20. März 2004

Mädel schenke ein, hoch lebe Lied und Wein...Ein paar Tage Rast waren mir vergönnt, bevor es wieder losging. In der Früh, als mir die kalifornische Sonne wieder auf das Haupt brannte, stand ich auf und latschte zu Hans. Elke war gerade dabei, sich zur Arbeit zu machen und fuhr etwas zusammen, als sie sich umdrehte und mich bei ihrer Wohnungstür erblickte. "He! Du bist wieder da!" Ich war mir noch nicht ganz sicher, aber immerhin war ich hier und jetzt in Kalifornien und weiter weigerte ich mich, zu denken. "Servus!" Ich ging hinein und machte mich erst wieder bekannt. Schon lange her. Wie es war, ließ sich einfach erklären. "Destroit ist so ein Stück Dreck! Hoffentlich kratzt mein Kamerad dort bald die Kurve, der stirbt sost - ganz bestimmt. So, und ich muß mir jetzt erst mal die Matratze aus der Fresse nehmen." Hat da lange genug gewuchert. Dann schickmachen, so gut es eben geht und dann hinunter in den Löwen. Mein Tinchen schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen. So ein Quatsch. Sie hatte heute im Biergarten Dienst. Da stand sie auch schon, in gewohnter Pracht, vom Sonnenschein umflogen. "Hallo Lieblingsstewardess..." "Hallo! Dachte schon Du kommst nie wieder aus Detroit zurück. Wie war es?" "Nun, es fing schlecht an, wurde ein wenig schlechter in der Mitte und je weniger über das Ende gesagt, desto besser, aber abgesehen davon: Exzellent!"
"Auweh. Na, denn: Willkommen daheim. Magst Du etwas trinken? Franziskaner?"
"Nein. Wodka."
"Wodka? War es wirklich so schlimm in Detroit?"
"Es war blutig furchtbar, ekelerregend, widerlich und überhaupt wäre ich gar nicht traurig, wenn dort alle sterben würden, aber der Grund ist: Ich hab von der Fahrt noch soviele Red Bulls übrig." Ich nahm die Dosen aus der Jackentasche und stellte sie auf den Tresen. "Hm. Wenn das die Elsa sieht..." "Keine Angst, mein edles Weib, die bleiben da nicht lang stehen, ich hab in Destroit geübt. Das ist das einzig sinnvolle, was man dort machen kann. Sich totsaufen, damit man sich das Trauerspiel nicht ansehen muß. Nur Bescheuerte, Ruinen und Müll, wohin man auch sieht."
"Aber hast Du dort nicht bei einem Freund gewohnt?"
"Jenun, so ungefähr. Der ist aber nicht bescheuert und bleibt in Detroit, wenn er auch weg kann. Der ist seit Wochen in Deutschland. Kommt heute oder morgen zurück. Haha, der Ärmste. Nun, ich bin froh, daß ich entronnen bin. Und ich bin froh, daß Du in der Zeit nicht gestorben bist. Wie ist es Dir so ergangen?"
"Gut, 'nen Haufen Arbeit. Gestern war der dritte Freitagabend in Folge."
"Du hast gestern Nacht hier gearbeitet?"
"Ja."
"Du hast hier gearbeitet und mir nichts gesagt. Mhm. Danke sehr. Mein Wodka ist leer, würdest Du das freundlicherweise ändern. Weil: Das kotzt mich an."
"Was? Daß ich gearbeitet habe oder daß der Wodka leer ist?"
"Erst das eine, dann, als Konsequenz, das andere. Aber ich laß Dich am Leben. Ich brauch Dich schließlich noch."
"Wieso?"
"Was machst Du am Dienstag?"
"Ich geh in die Schule."
"Am Abend?"
"Bis zum frühen Abend, ja."
"Und was machst Du danach?"
"Hm. Keine Pläne, wieso? Sag halt."
"Nun. Ich hab zwei schlaue Pläne: Du kannst Dir einen aussuchen: Entweder Du kannst mich zum Flughafen fahren oder Du fährst mich nach Las Vegas und trittst mit mir in den heiligen Stand der Ehe. Wasimmer einfacher für Dich ist..."
"Also, Du brauchst praktisch jemanden, der Dich zum Flughafen bringt..?"
"Nun, nein, nicht irgend jemanden. Wenn Du mich endlich mal heiraten würdest und ich dadurch die Grünkarte bekäme, dann bräuchtest Du mich nicht extra zum Flughafen fahren."
"Ja, für mich ist es dennoch einfacher, Dich zum Flughafen zu fahren..."
"Schade. Dachte, Du merkst es vielleicht nicht. Prost..."
"Wann?"
"Was wann?"
"Na, ich denke, Du mußt zum Flughafen..."
"Achso, richtig.Also, das Flugzeug fliegt so gegen Nacht." Wann genau, das konnte ich nicht sagen, denn ich hatte den verdammten Flug immer noch nicht gebucht. Sicherheitsfrage: "War das da jetzt sowas wie eine Zusage?"
"Ja, ich hol Dich ab und fahr Dich hin. Bist Du beim Hans?"
"Denke schon, wenn nicht, dann bin ich hier. Ich mein, das hier ist L.A. Da sind nicht viele Plätze, an denen ich sein könnte. Aber klappt das auch?"
"Klar."
"Sicher?"
"Ja!"
"Danke... Wodka."
Frank kam hinein und brachte mir eines seiner alten Telephone mit. Leider funktionierte es nicht mit meiner Karte. Seines funktionierte zwar, allerdings konnte er mir das aus verständlichen Gründen nicht überlassen. "Scheiß Affe, da in Destroit. Ich schick ein Paket mit einem toten Schiff an David Hands und sag dem Dave, er soll es ja nicht abholen..."
"Und, wie war es sonst in Detroit?"
"Beschissen, danke der Nachfrage." Da sollte man erst alles teppichbomben und dann alles, was noch lebt durch Massenerschießungen hinrichten - wenn man mich fragt. Aber mich fragt wieder keiner... Die Beschießung Destroits mit biologischen Waffen in den siebzigern hat ja leider nicht funktioniert, sind alle nur zu Bioabfall mutiert.
Wolfgang kam auch zufällig vorbei. "Ah, da ist er ja. Endlich. Hast es geschafft?", begrüßte er mich. "Was machst denn Du überhaupt hier?", wunderte ich mich. Schließlich mag er den Löwen nicht. "Tja, der Löwe liegt auf meinem Arbeitsweg. Da dacht ich mir, ich schau mal rein..."
"Ach, das ist doch schon wieder alles eine ver...... sch... Sch....., eine verreckte. Sch... schwules Geschwerl in diesem sch... Destroit, sch... Eck. Alles kaputt."
"Ah, ja. OK. Sehr aussagekräftiges Statement."
So saßen wir alle wieder beisammen, genau so wie es war. So, wie es war, nur ein bißchen schlechter, weil nämlich jeder etwas verloren hat: Der Frank seine Digitalkamera, der Wolfgang seinen Arbeiter und ich mein Geld und meine drei Monate USA. So ging der Tag dahin. Schön, wieder zu Hause zu sein. Am Abend, als ich mit Tina in ihrem Auto saß, das neben dem Daimler geparkt war, erzählte sie etwas von diesem brasilianischen Film, der hier in den Kinos gelaufen war und fragte, ob ich den gesehen hätte. "Was? Die Brasilianer haben Kameras und können damit auch noch Filme drehen? Wie kommt das denn. Das ist ja erstaunlich..." Sowas glaube ich erst, wenn ich es gesehen habe, aber wie soll ich denn den Film gesehen haben, wenn sie sich seit Monaten strikt weigert, mit mir ins Kino zu gehen? Auf ihren Einwand, daß der Mensch ja auch alleine ins Kino gehen könnte bekam sie die Standardantwort: "Man geht nicht ohne Gewehr in den Krieg, nicht ohne Auto auf den Highway und erstrecht nicht ohne Frau ins Kino." Pause. "Wie sieht es aus?" "Nun, Du fliegst ja schon am Dienstag... vielleicht läßt sich davor irgendwas einrichten." "War das eine Zusage?" "Ich denke schon..." Wer das Frauenwörterbuch kennt, der weiß: "Ja" heißt "Vielleicht", "Vielleicht" heißt "Nein" und "Nein" heißt "Ja". Somit hatte ich also ein "Vielleicht" erhalten.
Sagt Dir eine schöne Frau 'vielleicht',
Hast Du vielleicht schon viel erreicht.
'Ja' und 'Nein' das klingt banal und seicht.
Doch wie interessant ist ein 'vielleicht'.

Wurde ja auch mal Zeit nach sechs endlosen Monaten, die Front gerät wieder in Bewegung. Nur nicht wieder so ein Desaster wie damals im Frühjahr 1918, als ich noch jung war...


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