England 2010
April

Dann mal auf ein Neues. Fahren ohne Fahrerlaubnis, diesmal garniert mit Urkundenfälschung. Es entspricht natürlich eher meinem Naturell, solche Einladungen zu ignorieren, zumal beide Vorwürfe nicht stimmen, aber von vornherein klar ist, was dabei herauskommt: Es heißt ja nicht umsonst "Rechtsstaat". Das bedeutet, der Staat hat immer Recht. Es gibt fast 200 Rechtsstaaten auf der Welt, davon habe ich mir ein Viertel mal länger, mal weniger lang zu Gemüte geführt und mußte feststellen, daß keiner dieser Staaten je von sich behauptet hätte, er sei ein Unrechtsstaat. Diese Behauptung überläßt jeder Staat höchstens den anderen Staaten. Sonst gäbe es keine Kriege mehr und alles wäre sinnlos. Aber da der deutsche Rechtsstaat mir mein Geld schon bei der Verhaftung abgezockt hatte, wollte ich mir die Veranstaltung auch nicht entgehen lassen und ging also hin, begleitet von meinem Mitfahrer aus der Afrika-2000- und der Marokko-2004-Tour, der sich heute als mein Anwalt verkleidet hatte. Natürlich hatte ich mir einen Notfallplan zurechtgelegt für den Fall, daß sie mich verhaften würden, aber ich hoffte, diesen nicht zu brauchen.

Als wir in das Zimmer kamen war alles fast so, wie in einem echten Gericht. Es fehlte nur der große Adler, der den Siegeskranz mit dem Hakenkreuz fest in seinen Fängel hält und mit ausgebreiteten Schwingen über Deutschland wacht. Sollte für 1.200 € eigentlich schon drin sein. Aber ich setzte dennoch ein freundliches Gesicht auf begrüßte alle freundlich und nahm Platz. Die Richterin war so süß. Die hatte sich als Pfarrer verkleidet, denn als sie hereinkam mußten alle aufstehen. Ihr Ordnerschlepper hieß mit Vornamen Staatsanwalt und hatte schwer zu tragen. Dabei war das nur mein Zeug der letzten zwei Jahre. Zum Glück für ihn hat er den Rest im Keller gelassen, sonst hätte er Tage gebraucht und mit Muskeln war er nun nicht gerade üppig ausgestattet, das Staatsanwältchen... Die haben hier in Augsburg nur solche Kasperle im Angebot. Der letzte war auch so eine Nullnummer, die man einfach nicht ernst nehmen konnte. Dann soll man vernünftig auf Fragen antworten, wenn man sich vorstellt, an meinem Platz sitzt ein Mitbürger, der angeklagt ist wegen Zuhälterei und ihm gegenüber dieser herausgesuchte Depp. Wie soll denn das funktionierten? In der Praxis ist klar, wie es funktioniert: Solche Leute kommen nicht vor Gericht, weil bei ihrem Maseratti der TÜV nie abläuft. Und dann eine Richterin, die ich am liebsten zum Knuddeln mit heimgenommen hätte - der Zuhälter hätte sicher einen besseren Verwendungszweck gefunden. Sie sah aus wie Ende zwanzig, hatte blonde Haare, ein anständiges Fahrgestell, die dazu passenden hohen Absätze und ein sehr nettes Gesicht. Aber für 1200 € kriegt man die noch nicht nach Hause mit, da muß man schon mehr drauflegen. Ist wohl nur was für die Reichen. Schade. Sie und ich haben jedenfalls sehr viel gelacht, der Staatsanwalt hat vor sich hingegrinst, aber für den hatte ich nicht wirklich Zeit.

SZG
Bei der Landung in Salzburg, um nicht gleich im Hochsicherheitstrakt zu landen...

 

Die Richterin erklärte mir, daß ich eigentlich mit den 1.800 € (jetzt waren es schon 600 mehr als grad vorhin noch) relativ gut weggegangen sei, daß es aber dabei nicht unbedingt bleiben müsse. Das aber nicht in der Deutlichkeit, sondern ziemlich geschwollen. Ich ging also mit Joe hinaus und ließ mir das übersetzen. "Sie verstehen das schon ganz gut, Herr Besold", meinte der Staatsanwalt. "Melde, daß nein. Ich hab das nicht studiert..." War scheinbar klar, daß sie jetzt mit einer härteren Strafe drohen. Aber wir zogen es durch. Eigentlich wollte ich mir zwar was überlegen für das letzte Wort, aber ich hatte nur Augen für das Fräulein Vorsitzendes und sagte daher nur "Danke. Lieber nicht!" Nach einer Weile - ich war in der Zeit ein paar mal zuviel, dafür einmal zu wenig aufgestanden - kam die Richterin und verkündete das Urteil mit bemüht ernster Miene. Am Ende gab es vier Monate auf Bewährung. Aus der Geldstrafe wurde eine Freiheitsstrafe. Deutschland per se ist eine Freiheitsstrafe, ob man das nun zusätzlich noch schriftlich hat oder nicht, das merkt kein Mensch. Ich bedankte mich sehr höflich bei ihr. Zu der geh ich öfter... Und das Geld bekomme ich sogar wieder - abzüglich der Prozeßkosten. Diese zahle ich sehr gerne - immerhin gab es dafür eine Gegenleistung. Trinkgeldkasse habe ich keine gesehen, aber wenn sie mag, hole ich sie mit dem Blauen ab und wir gehen mit dem Geld gediegen zum Essen oder ins Kino. Ehrlich! Geht man ins "Apollo", ist man mehr Kohle los, und Show und Optik von dieser Richterin waren deutlich besser als die der Tischtänzerinnen im "Apollo"... Da es zu meiner Bewährungsauflage gehört, daß ich "beim Gericht" stets meinen aktuellen Aufenthaltsort melden muß, ergibt sich da vielleicht etwas. "Das Gericht" glaubt mir nicht, daß der Führerschein von einer echten Behörde gefälscht ist, "das Gericht" will Standortmeldungen, "das Gericht"... Vielleicht geht "das Gericht" ja auch mal mit mir zum Essen? Man weiß nie...

Mit der Zulassung wurde es allerdings nichts mehr. Die Beamten hatten wegen Überarbeitung schon eine Stunde vorher die Nummernvergabe eingestellt. Wenn die nach Leistung bezahlt würden müßten sie drauflegen, soviel steht fest. Aber das Wetter war für mitteleuropäische Verhältnisse sehr in Ordnung und daher schraubte ich an den Bremsen weiter. Natürlich ging das nicht so, wie es der Plan vorsah. Es fehlte Werkzeug, es fehlte ein Schraubstock... Alles gab es bei einem Bekannten meines Vaters, aber selber fahren durfte ich nicht, weil bis zum 25. April eine Sperrfrist besteht. Abgesehen davon, daß ziemlich sicher ist, daß die Drecksbullen mit meinen englischen Schein auch abnehmen und behaupten, er sei gefälscht. Das kann schon mal ein paar Monate dauern, bis sie die vielen Buchstaben entziffert haben. das fehlt mir gerade noch, dann steh ich ohne Schein da und kann das Auto nicht nach Hause fahren, sondern muß in England erst wieder einen neuen Schein beantragen. War mir zuviel Streß. Scheiß Bullenschweine - sollen doch Verbrecher fangen gehen. Ach, geht nicht. Die fahren nicht mit abgelaufenem TÜV rum.

Keks kam vorbei und half mir, die Bremsen zu installieren und das Auto zuzulassen. Wir fuhren ins Bürgerbüro und was sich dort zutrug, erinnerte mich an so manche südamerikanische Grenzprozedur - mitten in Augsburg. Ich wollte - wohlgemerkt - ein Auto auf mich zulassen. Ich wollte keine Aktiengesellschaft aufmachen oder bei der Merkel vorsprechen. Nur ein Auto zulassen. Nummer ziehen, warten. Eh klar. Als wir endlich reindurften ging es los. Ich trug mein Anliegen vor und hatte sogar alle nötigen Papiere dabei. Ich hatte mich schon 2000 aus Augsburg abgemeldet. Das war ein Problem. Diese mittelalterliche Meldepflicht ist in einem vereinten Europa einfach ein Anachronismus. Klingt für mich wie: Flügel X, Zelle Y. Nun, was sollte ich machen? Idiotische Regeln rufen automatisch idiotische Verhaltensweisen hervor. Rote Kennzeichen geht nicht, denn dazu muß das Auto her, normale Kennzeichen geht nicht, denn ich bin nicht in Augsburg gemeldet. Aber ich sei doch verheiratet. Was das denn nun damit zu tun hat? Wo meine Frau lebt, wollte sie wissen. In Leipzig. Warum ich nicht in Leipzig gemeldet bin. Weil ich in London wohne. "Und ihre Frau in Leipzig?" "Ja." "Streithalber?" Ich möchte ein Auto registrieren und nun muß ich Auskunft darüber geben, ob ich Streit mit meiner Frau habe oder nicht. Also, das ist mir im tiefsten Nicaragua nicht passiert. "Nein. Aber wenn es die Sache einfacher macht, dann streite ich mich offiziell mit ihr." Dadurch hatte ich nichts besser gemacht. Wie kann man getrennt leben und gleichzeitig nicht streiten? Die Beamtin, sichtlich überfordert, holte Verstärkung. Die nächste kam, und half ihr nun. "Entschuldigen Sie, ich will fei nur ein Auto zulassen, kein Denkmal gesetzt bekommen", versuchte ich sie zu erreichen - vergebens. Ich schlug vor, daß ich einfach meinen Zweitwohnsitz in Augsburg anmelde. Man kann in Deutschland ein Auto nicht auf den Zweitwohnsitz zulassen. Dann müßte ich das Auto an meinem Hauptwohnsitz zulassen. "Ja, und wie kommt das Auto da hin?" Ausfuhrkennzeichen? Geht nicht. Amtlicherseits, weil das Auto nicht vor der Türe stand, technischerseits, weil das Auto keine Bremsen anhatte, und schließlich meinerseits, weil ich vollwertige deutsche Kennzeichen für Pakistan benötige. Kam also nicht in Frage. "Gut", schlug ich vor, "dann wohne ich ab sofort wieder in Augsburg", beschloß ich kurzerhand, um das nächste Kasperletheater zu beenden. Nun war Almuts Steuerklasse betroffen. Welche Steuerklasse sie denn hätte. "Was weiß ich denn? Die wird schon irgendeine haben." Ob sie denn eine gute oder eine schlechte hätte. "In Deutschland gibt es keine guten Steuerklassen", war meine studierte Antwort, egal wie gut sie ist, solang dieser Gaggerl-Staat Geld bekommt, ist sie immer schlecht. Ich rief Almut an, teilte ihr mit, daß wir gerade Streit hätten und fragte sie nach ihrer Steuerklasse. Das war mir zu kompliziert und ich reichte das Telephon an die Beamtin weiter. Während sie mit Almut sprach, musterte ich sie und wunderte mich, warum sie so abgearbeitet aussah. Die tun doch nichts. Die machen nur Quatsch. So sinnlosen Müll, einfach. Das mit der Steuerklasse schien geklärt, doch nun ging es um die Müllgebühren. "Was denn noch alles? Was soll ich denn mit Müllgebühren? Ich schmeiß den Müll eh immer auf die Straße..." Keks saß nur daneben und bekam eine Kostprobe bayerischer Idiotie. Als gäbe es in diesem Drecksstaat keine anderen Probleme. Nun mußte der Stempel in meinem Paß auch noch geändert werden. "Nein, das brauchen Sie nicht", sagte ich, und stecke ihn ein, "Ich will nur das Auto zulassen". Aber nein, das müsse sie machen. Das kann sie ebensogut bleiben lassen, bringt überhaupt nichts. Erstens kann sie sich ausrechnen, daß ich mich wieder in London anmelde sobald ich enlischen Boden befahre, zweitens habe ich noch einen zweiten Paß, in dem sie auch ncihts ändern kann, weil ich ihn nicht dabeihabe. Niemals zwei Pässe gleichzeitig an eine Behörde aushändigen. Das habe ich unterwegs gelernt. Nun, sie strich den Stempel im Paß durch, der da sagte "Wohnsitz amtlich geändert: London" und stempelte stattdessen "Augsburg" hinein. Die kleinsten Drecksstädte haben offensichtlich die größten Stempel, damit man sie auch ja nicht übersieht. Mit diesem Dreck in meinem Paß machten wir uns nun endlich an die Anmeldung. Ich bekam ein Formular für die Steuer und gab meine Kontonummer an. Natürlich ist kein Geld auf dem Konto, und natürlich werden sie es nicht abbuchen können. Sie kriegen kein Geld aber ich dafür ein paar Mahnungen, bevor das Auto zwangsstillgelegt wird. Damit kann ich leben. "Möchten Sie Wunschkennzeichen?" Das hat sie wenigstens gefragt und nciht einfach irgendwas gemacht. "Ja, möchte ich!" "Kosten aber 11 € mehr." "Macht nichts. Ich will A-AA 697", sagte ich, denn das ist das Kennzeichen des Braunen, der in Kalifornien steht. 697 war schon weg, aber 627 war noch zu haben. Nun hatten beide fast das gleiche Kennzeichen und fast die gleiche Fahrgestellnummer. Das strengt dann mein Hirn nicht so an, weil ich mit nur 6 Zahlen merken muß, die anders sind. Soweit, sogut. Versicherung hatte ich schon von England aus besorgt, und lediglich die Nummer angegeben. Ein Windhauch aus der Moderne fegte durch die Mittelalterliche Amtsstube. Wenigstens das. Natürlich konnte man die anfallenden Gebühren nicht mit Karte bezahlen - das wäre so, als würde man einem Pferd Benzin statt Heu geben. Die sind einfach noch nicht so weit. Die Deutschen sind in der gesitigen Entwicklungsstufe was solche Dinge angeht, lediglich zweihundert Jahre weiter als die Affen. Willkommen im Neanderthal...

Ich ging hinaus, ließ mir Kennzeichen prägen und schwärmte Keks dabei von Kalifornien vor, wo man lediglich schauen muß, daß Diesel im Tank ist, um von A nach B zu kommen. Das hier ist immer wieder eine Prozedur, die sich vor keiner noch so komplizierten Grenze irgendwo im mittleren Osten oder in Zentralamerika oder in Afrika verstecken muß. Das Absurde ist, daß man hier niemanden schmieren kann, um die Prozedur zu beschleunigen. Es sind einfach Plantagenneger, die Befehle ausführen, egal wie schwachsinnig sie sind. Wie es war im Anfang, so auch jetzt und in alle Zeit, und in Ewigkeit Amen. Pathos und Paraden sind gestrichen. Ansonsten wird nach wie jedem Befehl bedingungslos Folge geleistet! Erstaunlich, daß hier am lautesten gegen Nazis gewettert wird. "It's the pot calling the kettle black..."

Nachdem dieses unsägliche und unbeschreibliche Affentheater dann doch nach Stunden mal zu Ende ging, fuhren wir los zum Schötz, Bremsflüssigkeit zu holen und zu fragen ob sie denn Federn verkaufen für den... "Was war das nun? W115, 116 oder 126?" Also, bevor ich da einen Dreck bestellte wollte ich lieber mal die Leute fragen, die sich damit auskennen. Dennis, Dieselcoupé, Philipp S. Keiner erreichbar. Also doch einfach mal irgendwas bestellen, was man für schick hält. W123TDT mit Klima und Automatik für vorne und 450 SEL 6.9 für hinten. "Gibt's nicht mehr", hieß es. Dann eben W123 Sani oder irgendwas. Wir einigten uns auf irgendwas. Schließlich kann man die hinteren Federn relativ einfach strecken lassen. Man braucht dazu lediglich zwei Marokkaner...

"Alter! Fuck! Jetzt hab ich vergessen, den internationalen Fahrzeugschein zu bestellen." Also wieder zurück in die Katakomben, wieder Nummer ziehen, wieder warten. Einmal habe ich versucht, für 10 € eine Nummer zu kaufen, aber wie gesagt, die Leuet sind hier noch nicht so weit. Lieber Sparen als verdienen... Es sei. Ich hatte Zeit - wobei jede Sekunde in diesem Land genaugenommen verschwendete Lebenszeit ist. Ich ging wieder hinein und wollte einen internationalen Kfz-Schein. Den hätte ich schon. "Nein", sagte ich nur, und wiederholte mein Anliegen, dabei bat ich Keks, hinauszugehen, und den alten internationalen Schein mitzubringen, der im Auto lag. Sowas Idiotisches! Warum kann die nicht einfach einen Zettel rauslassen, den Einkleben, ihre Gebühren verlangen und die nächste Nummer aufrufen, um somit ihrer stumpfsinnigen "Arbeit" nachzugehen? Nein, erst mal zum Telephon greifen und dem Vorgesetzten vorheulen, daß da einer sitzt, der einen "Haufen Sonderwünsche" hat. So ist das, wenn man im Mittelalter ein Auto zulassen will. Man sollte sich freuen, daß die überhaupt wissen, was das ist... Sie druckte den Schein dann doch aus, machte ihre Stempel hinein, verlangte die Gebühren wundersamerweise auch diesmal nicht in Naturalien und wir gingen wieder. Als wir dahim ankamen, file mir ein, daß ich nochwas vergessen hatte: Ich hatte es verpeilt, hineinzugehen und zu sagen, ich hätte vorhin meinen Fahrzeugschein hier irgendwo verloren. Das wäre mein Farzeugschein Nr. 2 gewesen, denn einen muß ich ja bei der Abmeldung zurückgeben. Das ärgerte mich zwar, aber nochmal wollte ich da nun nicht hinein. Nun werde ich den einen, den ich hab wohl bedauerlicherweise wieder verlieren müssen.

Nichts mehr Bremse für heute, jetzt wird erst mal ein Bier aufgemacht. Kopfschüttelnd tranken wir unser Bier. Und am Ende bin ich der Chaot. Ich. Aber das da, das ist normal, ja? Der deutsche Plantagenneger empfindet das als normal, es hätte schon alles seine Richtigkeit und Ordnung muß schließlich sein. Und die ganz schlauen sagen sogar noch: "Das ist überall so" - abgesehen davon, daß es das nicht besser machen würde, stimmt es einfach nicht. Die einzige Ordnung, die Deustchland meiner Meinung nach braucht ist eine Ordnung, die aus einer Tabelle besteht: "Grab X" und "Reihe Y". Es ist genauso ein Drecksland wie Brasilien. Die nehmen sich nicht viel. Stellt man in Brasilien sein Fahrrad auf die Straße, wird es gestohlen, stellt man es in Deutschland auf die Straße, wird es demoliert - und wenn man Anzeige erstattet bekommt man selbst eine Strafe, "weil man seinen Müll auf die Straße wirft".

Das beste, was man in Deutschland tun kann ist möglichst schnell rauszufahren. Das war nun meine Absicht. Am Samstag machte ich die Bremsen fertig. Es klappte alles wunderbar bis auf das Entlüften. Die Luft wollte einfach nicht raus. Als wir beide einen Krampf im Bein hatten vor lauter Pumpen, gab ich auf und Keks fuhr die nun zugelassene Karre zum A.T.U. Zwar funktionierten die Bremsen kaum, aber da das Auto TÜV hatte, konnte ja gar nichts passieren. Wir stellten es dort ab und fuhren mit der Straßenbahn wieder zurück nach Haus. Das kostete schon mal mehr als eine Fahrkarte von Heathrow ans andere Ende Londons, etwa die zehnfache Strecke. Aber das ist wie überall in der Dritten Welt: Man zahlt eine Menge Geld und die Gegenleistung, die man dafür bekommt ist mehr als zweifelhaft. Wenige Stunden später war der Blaue fertig und er hatte sogar neue Reifen drauf: 185R14. Alle meine 15-Zoll-Felgen sind in Los Angeles und ich konnte in Deutschland keine auftreiben, also entschied ich mich für diesen Kompromiß. Ich fragte extra nach einem türkischen Verkäufer. Mit den Leuten kann man vernünftig reden, während die Krautfresser sofort die Panik bekommen, wenn etwas nicht den Vorschriften antspricht und dann die Leistung verweigern. "Und als der Herrgot sagte: 'Hirn ist aus, ab jetzt gibt es nur noch Vorschriften', da drang ein gellendes 'Hier!' aus achzig Millionen Kehlen zum Himmel empor..."

So. Fertig. Keks fuhr also den Blauen wieder heim, den ich in die Garage fuhr. dabei bemerkte ich, daß der Rückspiegel wackelte. Was soll denn der Scheiß jetzt? Der ist doch gesteckt, wie kann der wackeln? Ich nahm erst den Spiegel selbst ab. Dann versuchte ich den Bügel abzunehmen, der den Spiegel hält. Ging nicht. Ich rief Dennis an. "Mit Schmackes!", sagte der. "Easy for you to say", dachte ich mir. Meine Muskeln sind immer noch in Kalifornien. Die hab ich doch ausgelagert. Der eine Satz arbeitet beim Red Lion in der Kücke und heißt Roberto. Dann soll er halt weiterwackeln. Ich steckte den Spiegel wieder auf das Kugelgelenk - mit Schmackes, was dazu führte, daß sich das Kugelgelenk durch das Glas des Spiegels in meine Hand bohrte. Es folgten ein Lachanfall von Keks und ein Wutanfall von mir. Scheiß Teil. Nun mußte der Halter auf jeden Fall weg. Ich zog an dem Teil wie ein Geisteskranker, bis es endlich nachgab. Ich sah es mir an und starrte in zweieinhalb Schrauben. Eine Hälfte steckte noch im Dach des Wagens. "Fuck!" In solchen Fällen von galoppierender Blödheit hilft nur eines: www.w123-forum.net

Ich schaltete eine Anzeige, daß mir mein Spiegel zersprungen war. Das Dumme war halt, daß der neue Spiegel idealerweise nicht in Deutschland abzuholen sein sollte, sondern in Österreich, der Schweiz, Frankreich oder Belgien. Mal sehen, was daraus wird. Nun reichte es. Ich machte die Garage zu, wir stiegen in den weißen um und fuhren noch einmal zu Metzgers, auf einen letzten Umtrunk bevor es wieder hinausging. Diesen ganzen Schwachsinn noch einmal revue passieren zu lassen konnte nun die Gemüter etwas erheitern. Morgen sollte es losgehen. Ich durfte wegen der Geschichte in Garmisch bis zum 25. April nicht in dieser Drecksrepublik fahren, also brauchten wir einen Plan, der mich zur Grenze brachte. Der Plan sah so aus, als daß Keks den Blauen und ich dafür seinen fahren würde bis zum ersten Rastplatz auf französischer Seite. Wenn sie ihn anhalten, fein. Er zeigt seine Papiere vor und alles ist in Ordnung. Halten sie mich an, dann hat eben der Keks seine Papiere vergessen und zeigt sie gegebenenfalls innerhalb einer Woche auf der nächsten Depperlzentrale vor. Wäre ja nicht das erste Mal. Deswegen erwischen die Bullen auch keine echten Verbrecher. Die fahren nicht mit abgelaufenem TÜV durch die Gegend.

Jessel Eins
Wie in alter Zeit, als die Welt noch in Ordnung war. Zu Gast: Keks (mitte)

Als jedoch der Sonntag kam, gefiel mein Plan dem Rest der familie Besold nicht wirklich. "Es heißt nicht Du sollst nicht mit dem Auto fahren, sondern Du sollst überhaupt nicht fahren", klärte mich meine Schwester auf. "Ach so! Aber ich fahr ja nicht. Offiziell fährt ja der Keks. Daß tatsächlich ich am Steuer bin, das weiß ja keiner - sobald wir mal aus Augsburg draußen sind." "Aha! Und wie machst das? Springst mit dem Auto aus Augsburg raus, oder wie? Depp!" Ich bin wohl nicht der einzige, der diesen nutzlosen Pennern zutraut, daß sie mangels Beschäftigung nur darauf warten, daß ich aus der Einfahrt fahre, um dann ihr Kasperletheater auszuführen. Mein Vater fuhr also den Blauen und die sie selbst fuhr hinterher mit dem Auto von der Mutter, um meinen Vater dann wieder nach Augsburg zu fahren. Langsam hab ich mir aber das Bandenkampfabzeichen verdient. "Scheiß G'schwerl, da..."

Am morgen erreichte mich eine SMS von Dieselcoupé. Er meinte, ich könnte einen Spiegel für umsonst haben, müsse ihn nur in Landau abholen. Dieses Forum ist einfach die beste Einrichtung im Internet... Wir fuhren also nach Füssen, gleich bei der ersten Gelegenheit ließ ich meinen Vater anhalten und ubernahm selbst das Ruder. Meine Schwester mußte noch Kippen kaufen. Ich auch. Allerdings konnte man es natürlich vergessen, hier mit einer Kreditkarte irgendwas anfangen zu wollen. das geht in Deutschland nur an Tankstellen. Das sind sozusagen die Portale zur modernen Welt. Kein brasilianischer Bauer glaubt es mir, wenn ich ihm das erzähle. Aber so ist es. Handwerk, Maschinenbau, das können sie. Bei allem anderen wie Dienstleistungen, Service, Finanzen, da stecken sie noch im tiefsten Mittelalter. Also keine Kippen für mich. Die anderen fuhren wieder zurück. Ich machte es mir im Benz gemütlich und sammelte allen Müll, den ich finden konnte in einer Tüte, dann stapfte ich die paar hundert Meter zurück auf die deutsche Seite und leerte sie an einem Aussichtspunkt in die Landschaft. Die Tüte flog hinterher. Scheiß Land!

Wieder zurück zum Auto gestapft. Eigentlich hatte ich noch einen Besuch in Österreich abzustatten, aber als das GPS die Peilung auch noch verlor (ich selbst hatte nie eine), gab ich die Koordinaten für den dünkirchener Hafen ein, und zwar so, daß ich außerhalb des Seuchengebietes bewegte. Dornbirn, Winterthur, Zürich, Basel, dann weiter durch das befreite Deustchland: Mühlhausen, Straßburg. Doch einmal mußte ich noch in das Seuchengebiet, und zwar um den Rückspiegel zu holen. Ohne den fährt es sich unangenehm. In Hagenau stellte ich das Auto auf einem scheinbar verlassenen Fabrikgelände ab und schlief. Ich operiere selbst zwar am liebsten Nachts, aber dieses Bullenviecher leider auch. Deswegen heißt es ja "Lichtscheues Gesindel". Lieber tagsüber. Da sind dann viele Autos auf der Straße und man fällt vielleicht nicht so auf. Von allen Polizeikontrollen fanden 95% bei Nacht statt. Ich überlegte noch, ob ich nicht mit der Bahn fahren sollte, oder mit dem Taxi.


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