England 2009
März

Ich fragte mich langsam, wann das mit der Arbeit langsam mal zu Ende geht. Man kam einfach zu nichts. Es scheint mir unbegreiflich, wie Menschen das ihr Leben lang machen können. Heim von der Arbeit, fressen, duschen, ab ins Bett, um am nächsten Morgen wieder zu funktionieren. "Get a life!" - fällt mir dazu nur ein. Aber was soll's. Ich machte einen Termin für die ärztliche Untersuchung zwecks LKW-Führerschein. Auch das ist relativ unkompliziert, kann man alles online oder telephonisch erledigen. Dann kriegt man sofort am nächsten Tag einen Brief mit den Details zugeschickt. Man müßte ihn eigentlich nur lesen, dann wäre auch schon das meiste erledigt. Am Mittwoch, dem 10. März hatte ich es dann auch nach fast zwei Wochen geschafft, dies zu erledigen. Da lese ich in aller Aufmerksamkeit, daß der Termin am Tuesday, dem 9. März war, nicht am Thursday, wie es in meinem Telephon drinsteht. "Fuck!" Wieder blechen, wieder einen Termin ausmachen und wieder ein paar Wochen warten. Das verzögert nun den gesamten Zeitplan. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, daß ich bis Ende März meinen Führerschein habe. Aber wenn ich schon mal mit irgendetwas rechne... Mußte ja schiefgehen.

Das Problem mit dem Buchdruck neigt sich langsam der Lösung zu. Seltsam. Sobald ich aus dem Spiel bin, scheinen die Sachen wie am Schnürchen zu klappen. Dieses Phänomen verfolgt mich schon ein Leben lang, vielleicht sollte ich daraus ein Geschäft machen. Surma meldete sich ganz unverhofft mit der fertigen Version. Ich soll noch ein paar Bildtexte einfügen.

Brauner Benz

Dafür, daß der Plan vorsah, daß es am 1. April losgehen soll, ist wieder wie üblich einiges gewaltig schiefgegangen. Das Problem mit den Bremsen für den Blauen, war nach wie vor unangetastet und somit ungelöst. Ist klar, denn dieses Problem gehört zur Kategorie jener Probleme, die sich sich nicht von selbst lösen und somit zu der Kategorie, die ich am meisten verabscheue. Und jetzt soll einer in zwei Wochen hinkriegen, was er in vier Monaten nicht geschafft hat. Das wird wohl nichts. Abfahrt verschieben heißt die Devise wieder einmal.

Der Spam von der Staatsanwaltschft Augsburg in Form von Ladungen und Strafbefehlen nervt auch, und zwar insofern, als daß man jetzt nicht praktischerweise nach München fliegen und mit dem Zug weiterfahren kann, sondern man muß sich wie in alten Zeiten, über die Grenze schleichen. Wäre das nur mal in den USA so leicht wie in Europa, dann wäre ich längst schon wieder daheim. Fahren ohne Fahrerlaubnis, Urkundenfälschung. Als gäbe es nichts Wichtigeres. Wegen solcher Lappalien veranstalten die so einen Terz, dabei wäre überhaupt nichts gewesen, wenn die Drecksbullen einfach weitergefahren wären und die Schnauze gehalten hätten. Es ist ja nicht so, daß es in Bayern zu wenig Verbrecher gibt - richtige Verbrecher. Die gibt es zuhauf. Es ist nur so, daß die Bullen zu bescheuert sind, diese auch zu erwischen, dazu wäre ja ein Hirn nötig.

Ich flog als wieder mal hinunter, da meine Präsenz gefragt war, nicht nur vom Staat - das alleine wäre kein Grund - sondern auch von der Frau und in Bonn fand eine Afghanistan-Pakistan-Konferenz statt. Auf die hatte mich ein Arbeitskollege aus London gebracht, da er dort vorsprechen würde, und ich nötigte Almut, mit mir dort hinzufahren. Anfangs klappte alles gut, Landung in Salzburg, kein Gefühl, im Hochsicherheitstrakt zu sein, ich setzte mich ans Steuer des 124ers meines Vaters und fuhr bis zur Grenze. Normalerweise wäre ich auch weitergefahren, denn rein rechtlich können sie mir nichts. Hauptwohnsitz im Ausland und dort gültiger Führerschein, das alles amtlich eingetragen und von der deutschen Botschaft abgesegnet. Aber das hindert keinen Bullen daran, zu behaupten, der Führerschein sei gefälscht und müsse für die nächsten Wochen vom Bayerischen Landes Kasperle Amt geprüft werden. Den Schein benötigte ich aber, denn diesmal mußte der Blaue unbedingt mit in die Freie Welt. Genug in der Garage abgestanden, jetzt heißt's marschier'n! Und wenn mir die Schweinebullen den Schein mit irgendeinem fadenscheinigen Vorwand nehmen, dann hätten wir das nächste Problem und wir könnten die Abfahrt wieder um Wochen verschieben. Ausnahmsweise fuhren wir also auf Nummer Sicher nach Augsburg, getreu der leitenden deutschen Philosophie, nach der nicht derjenige fährt, der kann, aber nicht darf, sondern der, der darf aber nicht kann. Vollkommen logisch, eigentlich, nur ich Trottel verstehe es halt nicht. An der Grenze fiel mir auf, daß die Schilder "Denken verboten, ab jetzt wird gehorcht" nirgendwo zu sehen waren. Liegt wohl an der Wirtschaftskrise.

In Ettal fand die Taufe von diesem Kind da statt. Ich fuhr Almut +1 nach Ettal. Was mich natürlich mehr interessierte, war diese Kampagne, die zur Zeit gegen unsere Schule lief. Erst einige Tage zuvor waren die Vertreter aller seriösen Fernsehsender da, sprich RTL, Sat1, diese Abteilung. Ich mußte laut loslachen, als mir erzählt wurde, daß die Staatsanwaltschaft unter anderem gegen einen Pater ermittelt, der gerne mal die eine oder andere Kopfnuß verteilt hatte. Wenn es so offensichtlich wird, daß die Staatsanwaltschaft gelangweilt ist, dann sollte man sich langsam mal fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, sie abzuschaffen. Ich persönlich kann mich an keine einzige Kopfnuß erinnern, die nicht doch ihre Berechtigung hatte. Man wußte ja, daß man gerade Mist baut, und man hoffte, nicht erwischt zu werden. Wer sich über sowas aufregt, ohne gleichzeitig das komplette deutsche System drumherum in Frage zu stellen, hat offensichtlich nicht kapiert, wo der eigentliche Haken liegt. Es gab nun mal eine Zeit, da empfanden es Eltern nicht als schick, ihre Kinder zu weinerlichen Schwuchteln zu erziehen. Das hat wohl erst Ende der Achtziger angefangen. Nun, man sieht ja, was dabei herauskommt...

Nach der Taufe fuhren wir dann los nach Bonn, wo wir um neun ankamen, gerade rechtzeitig zum Vortragsbeginn. Geladen war praktisch alles, was Rang und Namen hatte: Gelehrte, Hilfsorganisationen, Diplomaten, Politiker, und mit Bundeswehr und Polizei waren sogar einige da, die nur Rang haben, aber sonst nicht viel zu bieten haben. Es war, wie erwartet sehr interessant, diese ganze Situation dort unten von so vielen verschiendenen Standpunkten dargelegt zu kriegen. Ich war überrascht, daß so viele darüber überrascht waren, daß die "Af-Pak" Problematik nicht wirklich in den Griff zu kriegen ist. Das wußte ich 2001 schon, ohne jahrelang studiert zu haben. Vielleicht hätten die einfach etwas Handwerkliches lernen sollen. Meines Erachtens war dieser eine schweizer Professor derjenige, der am freiesten redete. Man merkte ihm an, daß er sich nicht um Maulkörbe scherte, im Gegensatz zu vielen anderen. Er hatte auch einen sehr erfrischenden Galgenhumor, eine Eigenschaft, an der es seine deutschen Kollegen offensichtlich mangelte. Ein anderer beschrieb die Situation so: Egal, was wir Europäer machen, ob wir 200 Polizisten da hinschicken, oder dort drei Brunnen bauen: Die Amerikaner sehen zu, lächeln freundlich, als höfliche Menschen, die sie sind - "but they don't care". Die schicken 10.000 richtige Polizisten hin und ziehen ihr Programm durch, während die Europäer eine Menge heiße Luft produzieren, die Tatsache ignorierend, daß es niemanden interessiert, was sie machen. Da schicken sie ein paar Sizilianer nach Afghanistan, um den Afghanen das Wesen der Justiz beizubringen, was in etwa so wäre, als würde man ihnen erklären, wie der Mohn angepflanzt wird. Noch ein paar deutsche Bullen hinuntergeschickt, die selbst massive Schwierigkeiten mit Lesen und Schreiben gleichzeitig haben, um den Afghanen beizubringen, wie man eine Kelle hält oder wie man einen Strafzettel ausstellt. Das sieht in der Praxis so aus, wie es auch in Deutschland aussieht, nämlich daß sie sich zunächst aus jedem Dorf alle Dorfdeppen holen und denen eine Plakette ankleben auf der "Polizei" steht. Doch wie sollen diese geistig minderbemittelten "Ausbilder" nun der Bevölkerung eines Dorfes beibringen, daß nun der Trottel mit der Plakette das Sagen hat und nicht mehr der, dem alle Esel im Dorf gehören. Und der soll dann dem Häuptling einen Strafzettel ausstellen, weil der falsch abgebogen ist - was er natürlich nicht täte, selbst wenn er schreiben könnte. Das funktioniert in Deustchland, weil der Deutsche nun mal ein Plantagenneger ist, der das tut, was ihm die Obrigkeit sagt. Und zu guter Letzt kommt noch diese arschwackelnde Schwuchtel von Westerwelle daher und erklärt einem Paschtunenhäuptling, der 27 Ehefrauen besitzt, wie die Welt funktioniert. Toller Plan! Stellt alle meine idiotiscchsten Pläne in den Schatten, nur: Die Leute verdienen wesentlich mehr als ich.

Der Afghane hat nun mal ein ganz anders gewachsenes Rechtssystem, und damit sind wir wieder bei dem alten Problem, daß nämlich die meisten Menschen auf der Welt glauben, daß es überall so sei, wie da, wo sie aufgewachsen, sind, nur das Wetter sei anders. Daß der gesamte territoriale Gedanke von Staat und Nation und westlichen Machtstrukturen in Afghanistan einfach nicht so ist wie in Europa, scheint schwer zu begreifen, was meiner Meinung daran liegt, daß es gar nicht erst versucht wird. Ansonsten würde man nicht versuchen mit westlichen Antworten afghanischen Fragen zu begegnen. Das funktioniert schon bildlich nicht, geschweige denn im übertragenen Sinne. Egal. Es wird Zeit, daß man dort hinunterfährt, damit man sich selbst ein Bild von der Lage machen kann, anstatt nur recht gescheit daherzureden. Dazu braucht man keine Bundeswehr, sondern nur ein Auto, und das stand in der Garage mit kaputten Bremsen. Almut war da und sorgte dafür, daß ich mich darum kümmerte, und tatsächlich bewegte ich meinen faulen Kadaver zu Papa Wagner, um ihm mein Leid zu klagen. Zwei Tage später war eine komplett neue Bremsanlage da: Scheiben, Sättel, Klötze, Leitungen und das Zubehör. Nun konnte es losgehen mit der Bastlerei.

Bremse hinten rechts.
Hinten rechts.

Klar, ging nicht alles an einem Tag. Erst paßten die Klammern und die Stifte nicht, die mußten zurückgegeben werden, dann zu Mercedes, wo man mir erklärte, daß diese Klammern nicht beschafft werden können, dann festgestellt, daß doch alles paßt, daß ich nur zu blöd war, die Halter von der richtigen Seite in die Sättel zu schieben. Das eine oder andere löst sich eben doch in Wohlgefallen auf. Als ich dann weitermachen wollte, war es wieder kalt und naß geworden. Ausrede gleich parat, noch bevor jemand fragt: "Nicht, daß mir das was ausmacht, ich würde ja gern weitermachen, aber Kälte und Nässe sind schlecht für das Auto." Damit rief ich es einen Tag und begab mich in meinen unterirdischen Gefechtsstand, wo ich dann auch gleich herausfand, daß ich am 7. April einen Gerichtstermin bei der Augsburger Puppenkiste hatte, die mittlerweile den Namen Amtsgericht trägt. Das Kasperletheater, das dort veranstaltet wird ist im Prinzip das gleiche, nur teurer. Unterzeichnet war der Wisch von der lieben Richterin Mainzer, die mir damals nach L.A. einen so netten Brief geschickt hatte, in dem stand, daß nichts mehr gegen mich vorläge, da "mittlerweile Verfolgungsverjährung eingetreten" war. Richter, Henker, Staatsanwalt - alle Posten sind besetzt, wenn auch in Personalunion. Wen kümmert's? So sieht also die Gewaltenteilung dann in der Praxis aus. Der Angeklagte ist der Angeklagte und der Staat ist der Staat. Das ist auch in Uganda so - tatsächlich!


Zurück Zum Anfang Weiter

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold