England 2010
April - 2. Hälfte

Als ich am Morgen nach meiner Ankunft munter zum Auto ging, fand ich einen Strafzettel an der Scheibe. Satte 120 £! Sind die wahnsinnig, die Briten? Wer soll denn das bezahlen? Wenn man das innerhalb von 14 Tagen bezahlt, dann kostet es nur die Hälfte, und es stand auch einem riesigen Plakat von 20 cm Breite auch drauf, daß man zwischen 08:30 und 17:30 da nur mit Anwohner-Parkausweis parken darf. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Auch kommt dazu, daß das deutsche Kennzeichen einen vor der Strafe schützt. Die muß man nicht wirklich bezahlen. Zwar schicken sie einem dann jahrelang Briefe. Schön der Reihe nach, erst die Engländer, dann deutsche Inkasso-Firmen, die einem dann mit einem Schufa-Eintrag drohen, aber unanbhängig davon, ob das nun stimmt oder nicht: Mir kommt es auf einen Eintrag mehr oder weniger nicht an. Allerdings bezahlte ich die 60 £. Wir sind hier ja nicht in Deutschland. Danach stieg ich ins Auto und fuhr zu Mercedes-Benz, um einen neuen Regler zu besorgen. Eine ganz neue Perspektive öffnet sich einem da.

London Bridge
London Brücke.

Ich suchte die Mercedes-Händler ab, einen nach dem anderen. Entweder nicht mehr da, oder die Straße fehlte oder war gesperrt. Ich landete bei Mercedes-Benz in Chelsea. Dort angekommen wußten die nicht, welchen Regler sie für mich bestellen sollten. Ich hatte da natürlich erst recht keine Ahnung. Ich baute den kaputten aus und legte ihn dem Typen auf den Tresen. Der mußte erst die Ölkruste beseitigen, um etwas lesen zu können, tippte dann auf seinem Computer herum, rannte weg, kam wieder an und sagte mir, daß er einfach beide Regler bestellen würde und ich mir dann den passenden raussuchen sollte. 53 £ kostet der. Dieses kleine Drecksteil, das man in Dreckland für 10 € bekommt kostet hier gleich mal mindestens das Fünffache. Ist wohl der Inselzuschlag. Aber was sollte ich machen? Ich wollte so schnell wie möglich so einen Regler und ließ ihn bestellen. Dann baute ich den alten wieder ein und fuhr heim. Fahren ist übertrieben, ich stellte mich am Stauende an und benutzte hauptsächlich die Kupplung auf dem Heimweg, der quer durch die Stadt in den Osten. Als ich Stunden später ankam war es schon dunkel, wodurch ich allerdings feststellte, daß die Batterieleuchte nicht mehr leuchtete. Das hat wohl was mit dem Aus- und Wiedereinbau zu tun. Auch gut. Nun konnte ich wenigstens das Teil aus Deutschland kommen lassen. So viel Zeit mußte sein. SMS an Keks und der Rest erledigte sich von selbst. Zwar kam der Regler erst wochen später an, aber das dürfte wohl an diesem Vulkan auf Island gelegen haben.

Doch kaum war der Regler wieder fit, versagte mir die Kupplung. Akuter Bremsflüssigkeitsverlust und keine Kupplung. Zwar lernt man so, wie man ohne zu Kuppeln schaltet, aber auch, wie man ohne Kupplung anfährt. Aber Ideal ist das alles nicht. Ich suchte im Internet eine Werkstatt und fand sie auch. Erstaunlich unkompliziert, man wählt eine kostenlose Nummer und wird gleich verbunden. Nun mußte ich nur noch das Auto hinbringen. Das ging relativ gut. Der Kupplungsnehmer Zylinder war im Eimer. Ich ließ ihn richten. Dies dauerte einige Tage, da durch die Große Gefahr, die durch die Vulkanasche ganz Europa bedrohte, die Versorgung der Insel ins Stocken geriet. Das einzige, wovor sich Churchill im Krieg angeblich wirklich gefürchtet haben soll, waren die U-Boote. Daran hat sich nicht viel geändert. Damals waren es die deutschen U-Boote, heute die geistigen U-Boote, die wegen Asche den Flugbetrieb einstellen. Wenn das die Südamerikaner auch jedes Mal machen würden, könnten sie ihre Flughäfen für immer schließen und Sambadrome draus machen...

Ich mußte also Nachschubbedingt auf Mietwägen umsteigen. Mit Mietwägen habe ich in Europa so meine schlechten Erfahrungen. Doch ich mußte mich eines Besseren belehren lassen. Es ist ganz einfach: Man registriert sich im Internet bei Streetcar mit Adresse, Paß und Führerschein, bekommt spätestens am übernächsten Tag eine Karte zugeschickt. Dann bucht man im Internet ein Auto. Diese Autos stehen irgendwo in der Nähe auf irgendwelchen Parkplätzen. Wenn man das richtige Auto gefunden hat, gibt man an von wann bis wann man es haben möchte. Das kostet 4,95 £ pro Stunde und maximal werden 10 Stunden pro Tag berechnet. Im Preis mit inbegriffen sind Treibstoff für 30 Meilen, Steuer, Congestion Charge, Low-Emmission-Irgendwas, kurz, all die Dinge, die man eh nicht haben will. Mit der Karte geht man also zum Auto, hält sie an die Windschutzscheibe, dadurch geht das Auto auf und man kann losfahren. Braucht man doch etwas länger, genügt eine SMS und man kann verlängern - sofern nicht schon ein anderer das selbe Auto gebucht hat. Und ich mußte mir schon einige Male anhören, daß es ein Deutscher gewesen sein muß, der dieses System erfunden hat. Ich antworte darauf immer mit "Das kann sein. Aber sicher nicht in Deutschland..."

Ich habe einmal versucht ein Auto in Deutschland zu mieten. Das dauerte ungefähr zwei Stunden und am Schluß mußte es doch mein Vater für mich mieten, "weil ich theoretisch das Auto in den Graben setzen und anschließend nach Amerika abhauen könnte". Kreditkarte nahmen sie nicht - natürlich nicht, die meisten wissen wahrscheinlich gar nicht was das überhaupt ist. "Das änternationale Fänanzjodenthomm mit seinen zärsätzerischen Krädätkarrten! Das wollen wir än Deutschland nicht! Onnd wänn dä anderen Länder meinen, es anders machen zo mössen - wär wärrden den Rest der Wält ärobern und sä werden einsehen mössen, daß es bessere Zahlungsmittel gibt: EC-Karten! - Baargällt! - Ränderhälften! - Mehllsäcke! Äs gäbt keine Däskussion..." Das ist diese kranke deutsche Mentalität. Bloß kein Risiko und ja nicht die 2% zahlen. Lieber hundert Kunden sausen lassen, weil einer davon vielleicht tatsächlich das Auto beschädigt und abhaut und man dann auf den 400 € Selbstbeteiligung sitzen beibt. Daß man an den anderen 99 so viel Geld verdient, daß die 400 € und die 2% gar nicht ins Gewicht fallen würden, das sieht der Michel nicht. In der freien Welt ist der Gedanke anders: Er will ein Auto und ich will sein Geld, also werden wir schon irgendwie ins Geschäft kommen. Dafür sind Unternehmen nämlich in erster Linie da, und nicht dazu, den Staat mit Geld zu versorgen oder Beschäftigungstherapien für Arbeitnehmer anzubieten. Aber davon wissen sie diese fachidiotischen Menschenaffen im Neanderthal noch nichts. Die sind nur auf Maschinenbau und Feinmechanik dressiert, alles andere können sie nicht... Aber was kümmert mich die Schweinefresswer eigentlich? Ich bin in England - die letzte Bastion der Freien Welt in Europa, wie mir scheint. Und es läuft wieder mal. Nicht so gut wie in Kalifornien, aber es läuft.


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© by Markus Besold