Brasilientour 2000
Heiligabend

So früh wie möglich wieder los. Noch bei Dunkelheit gepackt und gefrühstückt (sehr feine und reiche Frühstückstafel), ein paar Semmeln eingepackt als Proviant und dann los. Innerorts sind die Straßen in fürchterlichem Zustand, aber die Belém Brasilia ist in Tocantins überwiegend gut. Nur kamen wir langsam aus dem Staat heraus. Der nächste hieß Maranhão und verspracht nichts Gutes.

Tocantins - Maranhão
Kurz vor der Staatsgrenze Tocantins - Maranhão...

Noch am frühen Vormittag hatten wir die Grenze passiert und kamen auch in die erste Polizeikontrolle seit Afrika. Ich wurde nach Waffen gefragt, mit den Papieren konnten sie eh nichts anfangen, mit dem Kennzeichen noch weniger. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß wir Touristen und keine Terroristen waren, ließen sie uns zügig weiterfahren. Zwanzig Minuten später wurde wieder mal vollgetankt. Wie erwartet verschlechterte sich der Straßenzustand zusehends. Allerdings wurde die Straße nicht mehr so schlecht, wie in Goiás. Der Staat Goiás ist nun noch ein relativ wichtiger Bundesstaat, denn er umschließt die Hauptstadt. Aber wie muß es erst im Acre oder in Rorâima aussehen, wo man sicher den Arsch der Welt um seine Zentrale Lage beneiden muß? Schon hier wird mehr als klar, daß die "Transamazonica" höchstens auf dem Papier existiert und warum die Panamericana um Brasilien einen großen Bogen macht. Was man hier so als Straßen zu bezeichnen pflegt, würden wohl selbst die Pygmäen nicht als Trampelpfad zu bezeichnen wagen.
Und die immerwiederkehrende Geschichte mit dem Amazonas ist auch noch nicht durchgestanden. Offensichtlich befürchtet man in Brasilien, daß die Amerikaner sich des Amazonasbeckens bemächtigen. So suspekt mir Amerikas Politik auch ist, gegen soetwas hätte ich schon mal gar nichts. Denn die Amis würden die "Transamazonica" befahrbar machen, davon bin ich überzeugt. Allerding bin ich leider auch davon überzeugt, daß es sich bei dieser Geschichte um ein Gerücht handelt, erfunden von Leuten, welche Brasilien für wichtiger halten als es ist. Wenn die Amis das Becken haben wollten, dann hätten sie es längst gekauft. Angeblich werfen sie der brasilianischen Regierung vor, sie sei unfähig, sich um den Erhalt des Amazonas zu kümmern. Als ich das hörte, fragte ich mich, wofür die brasiliansiche Regierung nicht unfähig ist. Dabei wird hier doch sogar Wiedraufforstung betrieben.

"Wiederaufforstung" auf brasilianisch...

Die Bäume stehen schön an der Straße, damit sie jeder sieht und verlaufen etwa 5 km der Straße entlang. Daß diese bepflanzte Fläche zwar ewig lang ist, aber nur aus einem schmalen Streifen besteht ist bezeichnend für Politik an sich. Zum Schein etwas hinstellen und das dann möglichst so Lobpreisen, daß man eine große Wirkung erzielt. Minimalprinzip. Das ist wohl in aller Welt Mode. Die afrikanischen Staatschefs sind auf diesem Gebiet wohl die ehrlichsten, denn sie machen keinen Hehl daraus, was sie unter Politik verstehen.
Es ist nicht so, daß man hier nichts geboten bekäme auf der Strecke, aber das alles ist nicht so sehenswert, daß man extra hinfahren müßte.

Zwischendurch fehlt mal ein Stück dem Zeug, was man in Brasilien Straße nennt...

Natürlich wird das nicht repariert, sondern gesperrt und der Verkehr bahnt sich außen herum seinen Weg, was für einen PKW nicht so das Problem ist, aber Busse und LKW haben mit einer immensen Schräglage zu kämpfen. Bis auf ein paar dicke Hunde blieben die Straßen in Maranhão zwar brasilianisch, aber dennoch zügig befahrbar, wenn man sich auf die Schlaglöcher konzentrierte und ihnen so gut das eben ging auswich.

"An diesem Ort starb der Held der Belém - Brasília, der Ingenieur Bernardo Sowieso."

Ein Blick auf die Straße genügt und man fragt sich, inwiefern man sich heldenhaft betätigen muß, um soetwas zustande zu bringen. Mal ganz abgesehen davon, daß "Held der Belém - Brasília" einfach albern klingt, im Gegensatz zu "Held der Sowjetunion" oder "Held vom Erdberfeld". Er ist ein Held, der nur Formel Eins gefahren ist, um seinem Land zu Ruhm und Ehre zu gereichen. Die paar Dollar, die er dabei verdient hat, zu erwähnen, grenzt an Blasphemie. Helden findet man in Brasilien überall, auch ein Ayrton Senna ist hier nicht "verunglückt", wie man in Deutschland sagen würde, sondern "für sein Vaterland gefallen", also auch sowas wie ein Nationalheld.
Eine große Rauchfahne am Horizont kündete davon, daß man sich hier weniger auf die bereits erwähnte Wiederaufforstung, sondern mehr auf Brandrodung spezialisiert zu haben scheint, denn die wird gründlicher vorgenommen. Ja, klar! Die Kühe müssen doch was fressen, sonst kann man sie nicht exportieren und dann verhungern die Großgrundbesitzer. Und da ein Rind mir so einem Urwaldriesen nichts anfangen kann muß Ackerland her. Wenn mich also einer einmal fragen sollte, was aus dem vielen Grün geworden ist, dann sag ich einfach, es habe sich in Rauch aufgelöst.

"Flamme, empor..."

Der Stoßdämpfer hinten rechts, an der Grenze Mauretanien - Senegal ausgefallen, erinnerte immer wieder daran, daß er längst ausgewechselt werden wollte. Bei jedem Schlagloch brach das Heck leicht aus und mußte korrigiert werden.
Gegen Spätnachmittag waren wir endlich im Pará, also sogut wie da, ein paar Kilometer noch. Allerdings kam wieder einmal was dazwischen. Ich hörte es unter der Haube seltsam scheppern, konnte es mir nicht erklären, aber irgendetwas war soeben weggeflogen. Bei einem erneuten Kontrollblick sah ich den Temperaturzeiger kurz vor Rot, die Ladekontroll- und Bremsbelaganzeige leuchteten. Motor aus, Karre ausrollen lassen, dann aussteigen und Schäden feststellen: 17:00 Uhr, km 653.735, Keilriemen gerissen. Kurz vor Dunkelwerden, das ist unangenehm. Verdammt, so kurz vorm Ziel!

Kleine Unpäßlichkeit...

Das konnte ich mir nicht erklären, denn der Riemen war erst in Bamako ausgewechselt worden, hatte also nicht mal seine 10.000 km runter. Immer dieser minderwertige Dreck vom ATU...
Ich werkelte und fluchte, wie ein besessener fast eine Stunde lang, hier nach Einbruch der Dunkelheit zu stehen könnte glatt bedenklich werden. Ein LKW-Fahrer hielt in 100 m Entfernung an und gab uns ein Zeichen, ich ging hin. Ob er was helfen könne? Nein, ist nur der Keilriemen. Ich soll mich beeilen und zusehen, daß wir bald wegkommen, er wartet solange. Ich rannte zurück zum Auto, zog die ganze Schose fest, bedankte mich beim LKW und weiter ging's.
Eine halbe Stunde später waren wir in Belém. Der Tacho stand auf 653.832 km, heute waren es 1.023 km gewesen, die Strecke Campinas - Belém betrug 2.995 km. Zur Feier des Tages wurde mit Deutschland telephoniert, Weihnachten ist hier nicht das Stille Fest, sondern eher das Gegenteil. Man feiert auch nicht daheim, sondern auf der Straße, bei allen Häusern sind die Türen offen.


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