So früh wie möglich wieder los. Noch bei Dunkelheit gepackt und gefrühstückt (sehr feine und reiche Frühstückstafel), ein paar Semmeln eingepackt als Proviant und dann los. Innerorts sind die Straßen in fürchterlichem Zustand, aber die Belém Brasilia ist in Tocantins überwiegend gut. Nur kamen wir langsam aus dem Staat heraus. Der nächste hieß Maranhão und verspracht nichts Gutes.
Kurz vor der Staatsgrenze Tocantins - Maranhão... |
Noch am frühen Vormittag hatten wir die Grenze passiert und kamen auch in die
erste Polizeikontrolle seit Afrika. Ich wurde nach Waffen gefragt, mit den Papieren
konnten sie eh nichts anfangen, mit dem Kennzeichen noch weniger. Nachdem sie
sich überzeugt hatten, daß wir Touristen und keine Terroristen
waren, ließen sie uns zügig weiterfahren. Zwanzig Minuten später wurde wieder
mal vollgetankt. Wie erwartet verschlechterte sich der Straßenzustand zusehends.
Allerdings wurde die Straße nicht mehr so schlecht, wie in Goiás. Der Staat
Goiás ist nun noch ein relativ wichtiger Bundesstaat, denn er umschließt die
Hauptstadt. Aber wie muß es erst im Acre oder in Rorâima aussehen, wo man sicher
den Arsch der Welt um seine Zentrale Lage beneiden muß? Schon hier wird mehr
als klar, daß die "Transamazonica" höchstens auf dem Papier existiert und warum
die Panamericana um Brasilien einen großen Bogen macht. Was man hier so als
Straßen zu bezeichnen pflegt, würden wohl selbst die Pygmäen nicht als Trampelpfad
zu bezeichnen wagen.
Und die immerwiederkehrende Geschichte mit dem Amazonas ist auch noch nicht
durchgestanden. Offensichtlich befürchtet man in Brasilien, daß die Amerikaner
sich des Amazonasbeckens bemächtigen. So suspekt mir Amerikas Politik auch ist,
gegen soetwas hätte ich schon mal gar nichts. Denn die Amis würden die "Transamazonica"
befahrbar machen, davon bin ich überzeugt. Allerding bin ich leider auch davon
überzeugt, daß es sich bei dieser Geschichte um ein Gerücht handelt, erfunden
von Leuten, welche Brasilien für wichtiger halten als es ist. Wenn die Amis
das Becken haben wollten, dann hätten sie es längst gekauft. Angeblich werfen
sie der brasilianischen Regierung vor, sie sei unfähig, sich um den Erhalt des
Amazonas zu kümmern. Als ich das hörte, fragte ich mich, wofür die brasiliansiche
Regierung nicht unfähig ist. Dabei wird hier doch sogar Wiedraufforstung
betrieben.
"Wiederaufforstung" auf brasilianisch... |
Die Bäume stehen schön an der Straße, damit sie jeder sieht und verlaufen etwa
5 km der Straße entlang. Daß diese bepflanzte Fläche zwar ewig lang ist, aber
nur aus einem schmalen Streifen besteht ist bezeichnend für Politik an sich.
Zum Schein etwas hinstellen und das dann möglichst so Lobpreisen, daß man eine
große Wirkung erzielt. Minimalprinzip. Das ist wohl in aller Welt Mode. Die
afrikanischen Staatschefs sind auf diesem Gebiet wohl die ehrlichsten, denn
sie machen keinen Hehl daraus, was sie unter Politik verstehen.
Es ist nicht so, daß man hier nichts geboten bekäme auf der Strecke, aber das
alles ist nicht so sehenswert, daß man extra hinfahren müßte.
Zwischendurch fehlt mal ein Stück dem Zeug, was man in Brasilien Straße nennt... |
Natürlich wird das nicht repariert, sondern gesperrt und der Verkehr bahnt sich außen herum seinen Weg, was für einen PKW nicht so das Problem ist, aber Busse und LKW haben mit einer immensen Schräglage zu kämpfen. Bis auf ein paar dicke Hunde blieben die Straßen in Maranhão zwar brasilianisch, aber dennoch zügig befahrbar, wenn man sich auf die Schlaglöcher konzentrierte und ihnen so gut das eben ging auswich.
"An diesem Ort starb der Held der Belém - Brasília, der Ingenieur Bernardo Sowieso." |
Ein Blick auf die Straße genügt und man fragt sich, inwiefern man sich heldenhaft
betätigen muß, um soetwas zustande zu bringen. Mal ganz abgesehen davon, daß
"Held der Belém - Brasília" einfach albern klingt, im Gegensatz zu "Held der
Sowjetunion" oder "Held vom Erdberfeld". Er ist ein Held, der nur Formel Eins
gefahren ist, um seinem Land zu Ruhm und Ehre zu gereichen. Die paar Dollar,
die er dabei verdient hat, zu erwähnen, grenzt an Blasphemie. Helden findet
man in Brasilien überall, auch ein Ayrton Senna ist hier nicht "verunglückt",
wie man in Deutschland sagen würde, sondern "für sein Vaterland gefallen", also
auch sowas wie ein Nationalheld.
Eine große Rauchfahne am Horizont kündete davon, daß man sich hier weniger auf
die bereits erwähnte Wiederaufforstung, sondern mehr auf Brandrodung spezialisiert
zu haben scheint, denn die wird gründlicher vorgenommen. Ja, klar! Die Kühe
müssen doch was fressen, sonst kann man sie nicht exportieren und dann verhungern
die Großgrundbesitzer. Und da ein Rind mir so einem Urwaldriesen nichts anfangen
kann muß Ackerland her. Wenn mich also einer einmal fragen sollte, was aus dem
vielen Grün geworden ist, dann sag ich einfach, es habe sich in Rauch aufgelöst.
"Flamme, empor..." |
Der Stoßdämpfer hinten rechts, an der Grenze Mauretanien - Senegal ausgefallen,
erinnerte immer wieder daran, daß er längst ausgewechselt werden wollte. Bei
jedem Schlagloch brach das Heck leicht aus und mußte korrigiert werden.
Gegen Spätnachmittag waren wir endlich im Pará, also sogut wie da, ein paar
Kilometer noch. Allerdings kam wieder einmal was dazwischen. Ich hörte es unter
der Haube seltsam scheppern, konnte es mir nicht erklären, aber irgendetwas
war soeben weggeflogen. Bei einem erneuten Kontrollblick sah ich den Temperaturzeiger
kurz vor Rot, die Ladekontroll- und Bremsbelaganzeige leuchteten. Motor aus,
Karre ausrollen lassen, dann aussteigen und Schäden feststellen: 17:00 Uhr,
km 653.735, Keilriemen gerissen. Kurz vor Dunkelwerden, das ist unangenehm.
Verdammt, so kurz vorm Ziel!
Kleine Unpäßlichkeit... |
Das konnte ich mir nicht erklären, denn der Riemen war erst in Bamako ausgewechselt
worden, hatte also nicht mal seine 10.000 km runter. Immer dieser minderwertige
Dreck vom ATU...
Ich werkelte und fluchte, wie ein besessener fast eine Stunde lang, hier nach
Einbruch der Dunkelheit zu stehen könnte glatt bedenklich werden. Ein LKW-Fahrer
hielt in 100 m Entfernung an und gab uns ein Zeichen, ich ging hin. Ob er was
helfen könne? Nein, ist nur der Keilriemen. Ich soll mich beeilen und zusehen,
daß wir bald wegkommen, er wartet solange. Ich rannte zurück zum Auto, zog die
ganze Schose fest, bedankte mich beim LKW und weiter ging's.
Eine halbe Stunde später waren wir in Belém. Der Tacho stand auf 653.832 km,
heute waren es 1.023 km gewesen, die Strecke Campinas - Belém betrug 2.995 km.
Zur Feier des Tages wurde mit Deutschland telephoniert, Weihnachten ist hier
nicht das Stille Fest, sondern eher das Gegenteil. Man feiert auch nicht daheim,
sondern auf der Straße, bei allen Häusern sind die Türen offen.
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