Afrika 2000
Erste Etappe
Mittwoch, 30. August

Sechs Jahre und 400.000 Kilometer 200D

Am heutigen Tag befindet sich der Daimler seit genau sechs Jahren in meinem Besitz. Ich hätte damals nicht im Traum daran gedacht, daß ich mit diesem Auto sechs Jahre später in Marokko stehen könnte, hätte ich es auch nur geahnt, wäre wohl die Wahl auf ein G-Modell gefallen, aber ich würde heute auch dann nicht tauschen, wenn mir einer einen 300GD im Tausch anbieten würde. "Die Liebe geht seltsame Wege, und doch führen alle zum Ziel..."

Und die Tatsache, daß wir heute hier sind, ist ein Verdienst des Hauses Daimler-Benz, das diesen brillanten Wagen erschuf, der in hunderttausenden von Kilometern (407.219 um genau zu sein) bewiesen hat, ein Weggefährte zu sein, auf den man sich stets ohne wenn und aber blind verlassen kann. Und das bei einem Minimum an Pflege. Nun aber genug des Pathos...

Der Nachtplatz 60 km vor Agadir war gar nicht so schlimm wie er in der Nacht ausgesehen hatte. Zwar war viel Fahrradverkehr und man starrte uns gelegentlich an, da wir unweit des Weges standen, aber meist genügte es, wenn ich sie meinerseits anstarrte, dann fuhren sie weiter. Es gab aber auch keinen besonderen Grund, hier länger zu verweilen, und so setzten wir gleich nach dem Frühstück unseren Weg fort. Es war bedeckt, etwas schwül, aber immerhin kühl. Ein sehr angenehmes Fahrwetter. Wir brauchten einen Luftfilter, Nutella und noch ein paar Kleinigkeiten. Mal schauen was es in Agadir so gibt...

5. Nachtplatz Marokko
Ein normales Frühstück für die nächste Zeit. Keiner hatte das Gefühl, es sei nur ein Provisorium und das ist sehr wichtig. Kam mir natürlich sehr gelegen, alldieweil man dort, wo kein Tisch steht auch nicht auf entsprechende Manieren zu achten braucht.

Wir fuhren vom Acker Richtung Agadir. Dazwischen eine Polizeikontrolle, die erste seit der Grenze, die alles aufschrieb, sehr gründlich und sehr durcheinander. In Agadir angekommen suchten wir eine Mercedesvertretung. Nichts gefunden. Alle anderen Automarken schon, nur Mercedes nicht. Die haben wahrscheinlich ein ganzes Viertel von Agadir aufgekauft und sind wohl ganz woanders. Mischen sich nicht unter den Pöbel. Das ist umso verwunderlicher, da hier kaum ein Auto fährt, das nicht ein Mercedes wäre. Besonders die echten Benze, also die 123er und /8er, fahren hier in rauhen Mengen auf und ab. Als Taxis hauptsächlich. Zwar sieht man in dieser Region ab und zu auch alte Opel Rekord, innerorts auch Fiats, die sogenannten "Petit Taxi", aber sonst nur 123er oder Strichachter. Und die sind so pervers hoch, daß mir die Flätschen runterfiel. Ich dachte, meine Kiste wäre hoch. Nichts da. Die Deutschen blicken es halt doch schon wieder auf keinem Aug'. Das ist ein afrikanisches Problem und erfordert also auch eine afrikanische Lösung (den TÜV soll der Teufel holen), wobei ich wohl weiß, daß wir hier noch lange nicht in Afrika sind und kein Marokkaner etwas Gegenteiliges hören will.

Ich fragte nach dem Weg zur nächsten Werkstatt, wollte dort mal fragen, was das kostet. Kann nicht so teuer sein, weil es sich die Leute hier sonst nicht leisten könnten. Als ein 240D an mir vorbeifuhr, unter dem sich locker ein Punto hätte verstecken können stand fest: Die Karre muß in eine Werkstatt, wir brauchten nicht lange zu suchen und fanden gleich die passende, nämlich eine, die "Deutsch spricht", und es stimmt tatsächlich.

Die Federn würden gestreckt und es würde ein zusätzlicher Federteller oben eingebaut. So hat es mir der Werkstattmeister erklärt. Man könnte, wie ich es tat, einwenden "aber die Federn könnten ja brechen" usw., ich will gar nicht auf alles eingehen, was einem deutschen Gehirn an Möglichkeiten und Unmöglichkeiten dazu einfallen würde und ich bin immer noch einer von denen, die immer sagen "es paßt schon" und nichts sehr genau nehmen. Man stelle sich vor, was so ein Pedant von einem TÜV-Inspekteur sagen würde. Alles Blödsinn! Alles für den Mülleimer oder für die StVZO, wenn man das Kind beim Namen nennen möchte, denn der Chef meinte daraufhin: "Ihr in Deutschland habt Straßen und viel zu viele (ich ergänze: unsinnige) Gesetze. Wir in Marokko müssen und unseren Bedingungen anpassen, sprich, den 123er Pistentauglich machen. Die Taxis müssen fahren. Und glaub' mir, sie fahren schon seit Jahren so und sie werden auch noch eine gute Zeit lang so weiterfahren." Hat ja recht... Mit anderen Worten: Es ist empirisch bewiesen, daß die marokkanische Art die 123er höherzulegen die Autos nicht unsicher macht - jedes Auto kann eh nur so sicher sein, wie der Fahrer. Ohne Zweifel ist sie die billigste und - solange nicht das Gegenteil bewiesen ist - auch die beste Art und Weise.

Während ich ins Internetcafé ging, zog es die Geschwister in die Stadt. Sie kamen dann später noch vorbei, als sie die Einkäufe erledigt hatten und Almut rief noch ihre eMails ab. So verstrich der Nachmittag. Erst gegen halb Sechs gingen wir wieder zur Werkstatt zurück.

Als ich dann das Auto (km-Stand 639.970) sah, war ich tatsächlich beeindruckt. Voll beladen, zwei Leute, nur die Dieselkanister waren noch leer und dennoch stand das Heck oben, fast am Anschlag. Wer sein Auto höherlegen möchte, muß nicht bis Agadir fahren, aber falls es auf dem Weg liegt, hier die Adresse:

Garage Allemand
Rue 2 Mars
Imm. Talbi
Agadir
Ruf: Marokko (08) 228219
N 30°25.043' / W 09°34.811'

Auch die Rechnung hat mich nicht umgehauen: 55 US$ wollte er haben, nachdem er sich den Kurs ausgerechnet hatte.
Ich stieg ein und mußte als erstes den Stoßdämpferdruck von 9 auf 3 Bar herunternehmen und den Sitz etwas zurückschrauben.
Wir hielten noch beim Hotel Sahara an, damit Almut schnell Geld wechseln konnte. Das klappte ohne Komplikationen. In bester Laune fuhren wir weiter in Richtung La'ayoune. Zarah Leander sang das Lied "Mich hat die Welt kaltgestellt". Passte nicht ganz, war aber nett. Ein anderes Lied von ihr hätte besser gepaßt, in dem sie singt: " 'Servus' - singt ein kleines Vöglein leise, wünscht Dir eine gute Reise, 'Servus, Servus!'" Warum? Weil man im Rückspiegel wunderbar die Vögel in den Bäumen beobachten konnte. Sehr romantisch, ich zog es bei dem Verkehr dennoch vor, ihn lieber im Sinne des Erfinders zu verwenden und stellte ihn tiefer. Es wurde langsam dunkel, der Verkehr nahm ab, die Lichter wurden weniger, es wurde ruhiger. Wir kamen wieder einmal in die Nacht, fuhren trotzdem weiter. Soll man zwar vermeiden, aber man kann hier auch noch nicht einfach rechts ranfahren zum Schlafen.

Wir gerieten noch in drei Polizeikontrollen, die aber alle reibungslos abliefen. Je weiter wir uns nach Süden bewegen, desto mehr häufen sich die Kontrollen. Das dürfte wohl mit der Situation in der Westsahara, auch Spanische Sahara genannt, zusammenhängen. Um dieses Gebiet, in dem Kupfer vorkommen soll, prügeln sich die Leute noch heute. Moros, Mauren, die Spananier haben auch lange Zeit mitgemischt. Wie dem auch sei, uns ging das nichts an.
So laß ich's gern gescheh'n.
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinander geh'n,
Doch nur im Auto bleib's beim Alten.

Nachdem wir Tan-Tan passiert hatten fingen ich an, nach Tankstellen zu suchen. Schlauer wäre es gewesen, in Tan-Tan selbst zu schauen, da es eine größere Ortschaft ist. Hier draußen hatte natürlich um diese Uhrzeit alles bereits geschlossen. Das sind Sachen, über die man eigentlich nicht nachzudenken braucht. Common sense... Der fehlt nun mal bei manchen und schon hat man wieder Mehrarbeit, nur weil man nicht gleich das tut, was getan werden muß, sondern wie ein Schwachsinniger einfach weiterfährt, in der Hoffnung, es würde schon noch eine Tankstelle irgendwann, irgendwo auftauchen, oder, wenn nicht, daß der Benz dann schon mit sich verhandeln lassen würde.

Es half alles nichts, die unerbittliche Wirklichkeit in Form der Treibstoffwarnleuchte trat an mich heran. Die Zusatztanks waren leer, ich hatte es noch nicht für nötig gehalten, diese aufzufüllen, da ich davon ausging, daß das Diesel im Süden um einiges billiger sein würde. Hier draußen mochte ich einfach nicht liegenbleiben, schon gar nicht wegen Treibstoffmangel. Ich drehte um, wieder in Richtung Tan-Tan. So was Idiotisches! Das kostet nur unnötig Zeit und damit Kilometer. Da die Sonne morgen nicht später aufgeht, nur weil ich später ins Bett komme, heißt das: Meine Faulheit raubt mir den Schlaf. "Wo is'n 's Hirn?"


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