Afrika 2000
Dritte Etappe
Montag, den 2. Oktober

Auf dem Camping war ein weiterer Deutscher untergebracht, der schon seit Wochen versuchte, für seine liberianische Frau oder Freundin ein Visum für Deutschland zu bekommen. Doch es wollt' ihm nicht gelingen.
Als erstes stand für uns eine Stadtbesichtigung auf dem Plan. Wir fuhren auf das Plateau und schauten uns das ganze mal an. Nicht übel, auch bei Tag. Hier gefiel's uns echt, nette Stadt.
Blick aufs Plateau
Die Skyline von Abidjan:
Das "Manhattan Westafrikas". Ich war zwar noch nie in Manhattan, aber ich glaube der Begriff gefällt mir. Endlich mal eine richtig anständige Stadt. Hiergegen kann man alle Städte, die auf dem Weg lagen vergessen.
Da Mittags alles zu hatte, fuhren wir wieder zurück in Richtung Bassam. Auf dem Weg dorthin sahen wir auf der Gegenfahrbahn einen Stau, verursacht durch ein Verkehrsopfer. Das war der erst Tote dieser Reise, überraschenderweise da, wo wir die Wildnis hinter uns gelassen zu haben glaubten. Großstadtdschungel.
Gleich in der Nähe des Campings, etwa 10 km vorher gab es ein modernes Einkaufszentrum mit dem Namen CapSud. Als wir feststellten, daß es dort Internet für 3.500 CFA / Std. gab, versumpfte ich in den Weiten des Datennetzes, der Heimat den erfolgreichen Abschluß der zweiten Etappe melden, die latest news aus Augsburg abrufen und vor allem, jemanden in mein Zimmer jagen um nach den fehlenden 2.000 DM suchen zu lassen. Ohne Laptop die Homepage von Unterwegs aus zu aktualisieren ist ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man nicht Geld in unbegrenzter Menge zur Verfügung hat. Ich machte mir meine Notitzen und hoffte, irgendwann an einen Privatcomputer mit Word zu kommen und an eine Diskette. Seit Agadir gingen nur Standortmeldungen aus Dakar, aus Bamako, aus Bobo und aus Abidjan nach Hause.
Wir setzten uns zur Feier des erfolgreichen Abschlusses der zweiten Etappe in ein Café, wie es weitergehen würde wußten wir nur grob: Joe in einen Flieger setzen, das Auto und uns selbst auf ein Schifflein und ab nach Brasilien.
"Einmal noch nach Bombay, einmal nach Shang-Hai
Einmal noch nach Rio, einmal nach Hawaii
Einmal durch den Suez und durch den Panama,
Wieder nach St. Pauli, Hamburg Altona..."

Danach fuhren wir wieder aufs Plateau. Der Tote von vorhin lag immer noch auf der Straße, inzwischen unter einer im Wind flatternden schwarzen Plastikplane, davor stand die Polizei und winkte die Autos vorbei. Wir fuhren erst zur Hauptpost und danach ein Reisebüro suchen, um einen Rückflug für Joe zu organisieren, denn der mußte zurück, Mitglied im Strick- u. Häkelverein Bundeswehr e.V. werden.
Während die anderen im Reisebüro waren, fuhr ich mal zum Hafen, um mal die Lage zu peilen. Ich Hätte genausogut vor dem Reisebüro stehenbleiben können. Brachte gar nichts. Am Hafen stellte ich mich gemütlich am Randstein und sah mir die Gegend mal an. Links neben mir die Rechtsabbiegerspur, auf der ein kleiner Stau war. Ich sehe in den Rückspiegel und sehe ein Taxi auf 7 Uhr, das gerade aus der Reihe der Rechtsabbieger nach rechts auf den Randstein ausweicht, rechts an mir vorbeifährt und sich vorne wieder reindrängelt. In der BRD wird man für sowas gesteinigt, hier hat ihn nicht einmal einer angehupt. Da kann unsere ach so hochentwickelte Industrienation noch was lernen. Und in Zukunft nehme ich das als Lob, wenn zu mir einer sagt "Du fährst wie ein Neger" - die Neger fahren nämlich, die Deutschen gratteln...
Am Hafen
Rechtsabbiegen in Abidjan.
Auf dem Plateau lernten wir eine neue Sorte von Nervtypen kennen: Die Parkplatzpenner. Man fährt irgendwohin und allerorten springen sie vors Auto und machen ein Zeichen, daß man in die Parklücke fahren soll, vor der sie stehen, um einen dann vollzulabern und 100 CFA zu bekommen. Nur kapieren die nicht, daß nur die Leute dafür in Frage kommen, die in der Nähe was zu erledigen haben und daß nicht jeder, der vorbeifährt auch Parken will. Wie blöd muß man sein? Die machen das oft schon seit Jahren und irgendwann muß man doch merken, daß keiner in einen Parkplatz fährt, weil da einer steht und winkt. Und auf ihre Aufpaßdienste kann man auch verzichten, wenn man im Auto sitzen bleibt, was bei uns meistens der Fall war. Beim Ein- und Ausparken, was die meisten Autofahrer (ich spreche nicht von Autofahrerinnen) ja können, springen sie wie die Hampelmänner, mal vor mal hinter dem Auto rum und stören mehr, als daß sie was nützen. Hinterher muß man aber doch dumm rumdiskutieren, warum man dem jetzt kein Geld gibt. Wenn ich das Auto verlasse und es wieder vorfinde, wenn ich zurück bin oder wenn er den Verkehr anhält, damit ich rausfahren kann, dann bekommt er seine 100 CFA, vorausgesetzt, er quatscht nicht meine Beifahrerin schwach an. In diesem Fall nehme ich seine Dienste als kleine Entschädigung. Aber für das dumm rumsabbeln, das dazwischenbrüllen, wenn ich mich gerade unterhalte oder für das Anhalten nicht vorhandener Autos bekommt er nichts. Während die anderen im Reisebüro nach den Preisen fragen, muß ich mich mit allerlei Kruschthändler rumschlagen. Auch hier reicht es wieder nicht, es einmal zu sagen. Die lassen nicht locker. Man muß sie anbrüllen "Verpiß Dich mit Deinem Dreck!" - kann ruhig auf Deutsch sein, denn der Ton macht bekanntlich die Musik, aber das bringt auch nicht viel, weil schon nach einer Minute der Nächste daherkommt.
Die anderen fanden einen Flug nach Paris für 535,- DM, wir wollten aber noch in anderen Büros schauen. Wink- und Hampelmänner behandelte ich stets so, als wären sie nicht da. Kein Hupen, kein Fernlicht, kein Ausweichen, kein Blickkontakt. Einfach fahren, wie es die Einheimischen auch machen, die springen schon weg. Wäre nicht der Gepäckträger und das Kennzeichen, wir würden gar nicht auffallen, aber so haben wir immer einige Gispel um das Auto rumspringen, auch an den Ampeln. Nebenan ein älterer Tubab in der dicken S-Klasse. "Da! Der hat Geld. Geht zu dem." Aber ihn beachten sie gar nicht. Was hat der, was ich nicht hab? Antwort ist einfach: Geld. Logisch wäre, Leute, die Geld wollen wenden sich an ihn, aber mit Logik hat das nicht viel zu tun.
Was aber am meisten nervt und oft vorkommt ist, daß man an einer roten Ampel steht und es kommt einer daher mit Schwamm und Abzieher, steuert zielsicher auf das Auto zu und fängt an, ungefragt die Frontscheibe zu waschen. Er läßt sich dadurch nicht stören, daß man immerzu schreit, er soll das lassen, die Scheibe ist sauber. Man kann entweder solange auf eine Stelle zeigen, die nicht ganz sauber geworden ist, bis die Ampel grün wird und dann wegfahren oder dumm mit ihm rumdiskutieren. Jedes Auto hat eine Wischwaschanlage und falls die mal leer ist, kann man hupen und / oder ihm ein Zeichen geben - "Saubermachen" - und ihm dann ein paar CFA geben, das ist OK, denn dann ist es eine normale Dienstleistung, denn eine solche setzt voraus, daß ich als Kunde ihn als Dienstleistenden um seinen Dienst angehe und nicht umgekehrt, daß er ein Geschäftsverhältnis dadurch herzustellen glaubt, daß er jemandem seine Dienste aufdrängt nach der Devise "Du mußt mir jetzt Geld geben, schließlich habe ich Deine Scheibe sauber gemacht". Zum Teufel mit Dir, habe Dich nicht darum gebeten. Dieses Verhalten gibt es in allen möglichen Varianten und es ist immer das gleiche Schema. Sie machen irgendwas, auch wenn man ihnen sagt, daß man das sehr wohl alleine kann. Irgendwas tragen, waschen, egal. Hinterher fühlen sie sich dann berechtigt, Geld zu fordern.
Wir suchten die deutsche Botschaft auf und mußten feststellen, daß diese vor kurzem umgezogen war. Am 3. Oktober ist nämlich in Deutschland Feiertag, in den Botschaften wird gefeiert und wir wollten uns zu der Feier einladen. Wir erkundigten uns, wo die Botschaft denn hinverlegt worden war und man sagte und, sie sie nun genau gegenüber vom Hotel "Ivoire", ein pikfeiner Klotz, der über die einzige Schlittschuhbahn in Afrika verfügt. Also auf nach 2 Plateaux (?). Als wir ankamen hette sie natürlich zu. War klar. Dann halt nicht. Wir fuhren zum Camping zurück und suchten auf dem Weg eine Teleboutique, um bei der Botschaft anzurufen. Es hieß, wir sollten morgen 18:30 Uhr erscheinen und einfach sagen, daß wir die "Touristen" seien und dann würden wir passieren dürfen.
Gut, was anderes wollten wir auch gar nicht hören. Wir fuhren weiter zum Camping und etwa 7 km zuvor fuhren wir an einer Polizeikontrolle vorbei. Der Polizist machte Zeichen zum Anhalten, aber ich probierte es mit einem Trick, den ich mal irgendwo gelesen hatte: Einfach weiterfahren und so tun, als hätte man nichts gesehen "Plant potatoes. Mußt mal machen, sän you häf manni...".
Am Camping angekommen ging ich los und suchte eine Teleboutique, um die Internetbekanntschaft in San Pedro anzurufen. Ich machte mit ihm aus, daß wir am 4. gegen Nachmittag dort ankommen würden. Als ich zurück zum Camping kam stand der Polizist davor und diskutierte gerade mit Almut. Ohoh... das gab Ärger. Wieso wir einfach weitergefahren wären, vor einer halben Stunde, als er uns zum Anhalten aufforderte? - Wie? Was? Wo? Ich weiß von nichts. Er wollte 10.000 CFA, ansonsten müßten wir alle drei auf die Polizeistation. Wieso alle drei, wenn nur einer gefahren sein kann? Weil die anderen mir schließlich hätten sagen können, daß ich anhalten soll. Er fragte ob wir über die derzeitige Lage im Land im Bilde wären und sagte, daß wir dadurch dicke Probleme bekommen könnten. Er weiß ja nicht, was wir während der halben Stunde alles aus dem Auto getan und versteckt hätten. Gut. Ein 100 Franc-Schein wechselte den besitzer und alles war wieder in Ordnung. Ist auch zu idiotisch, mit einem Touristenauto an einer Polizeikontrolle so kurz vor dem Camping durchzubrechen. Man braucht nicht viel Intelligenz dazu, um herauszufinden, wo diese Touristen hinfahren. Dabei sagte er selber noch, daß bei europäern die Papiere immer in Ordnung sind.
Am abens saßen wir mit Harald, dem anderen Deutschen, der auch auf dem Camping wohnte und einigen Liberianern zusammen. Es waren echt nette Leute, aber das Englisch, was die von sich gaben war furchtbar. Das nigerianische bleibt mir das sympatischste.
Als ich hier meine Weiterreisepläne bekanntgab, sah Harald keine großen Chancen. Er sagte, wir sollten uns lieber beizeiten nach Lomé begeben. Dort sei es kleiner und einfacher. Aber Abidjan ist nunmal der größte Hafen.


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