Afrika 2000
Erste Etappe
Freitag, 1. September

Als ich aufwachte, war Almut dabei, das Band des Kochgeschirrs zu flicken. Als das erledigt war, machte sie sich daran, Griechisch zu lernen. Eigentlich wolten wir das ja gemeinsam machen, aber ich konnte mein Organon aus der neunten Klasse ums Verrecken nicht finden. Und in meinem Alter mit einem anderen Buch wieder von vorne anzufangen ist nicht das Wahre. Nach dem Frühstück, fuhren wir gemütlich los. Weit war es nicht mehr, den Konvoy hatten wir sowieso schon verpaßt, der nächste ging am Dienstag, also hatten wir Zeit. Der Himmel war tiefblau, es war angenehm warm.

Die restlichen 140 Kilometer bis Dakhla merkten wir kaum. Da die Lüftung mit ihrem ewigen Geschepper ziemlich nervte, blieb die Klima aus und die Fenster offen. Es war aber recht kühl und trotz der Meeresnähe relativ trocken, so daß das unsere gute Laune nicht verderben konnte.

Mittags waren wir dann in Dakhla angekommen und am Ortseingang sahen wir schon den Freitagskonvoi. Eine bunte Mischung aus Touris, Autoschiebern, Expeditionären, Familienkutschen. Alles Mögliche war hier zusammengewürfelt und machte sich bereit, die lange Fahrt bis an die Mauretanische Grenze anzutreten.

Hier wurden unsere Personalien aufgenommen, zum dritten mal. Die vorgedruckten Bögen haben sich bewährt, denn sie beschleunigten diesen Vorgang. Name von Vater und Mutter, Beruf ist sehr wichtig, wollen sie auch wissen. Von Dakhla aus geht es nach Süden nur im Militärkonvoy weiter. Wegen der Minen heißt es. Die Westsahara war oder ist ein Zankapfel zwischen Marokko und Mauretanien und irgendeine "Polisario" mischt(e) da auch noch mit. Keine Ahnung, um was es da geht. Kupferminen oder sowas. Peter Kohle schreibt: Jedenfalls ist der Gedanke wirklich absurd, daß jemand sich die Mühe macht, in diesem endlosen Nichts eine Miene zu verbuddeln, damit der Nächste, der da zufällig entlangläuft, in die Luft fliegt, aber es scheint so zu sein. Ich kann es nur unterstreichen.

Blick nach Südost
Blick nach Südosten.

Die Konvois gehen immer Dienstags und Freitags. Man muß sich erst bei der Sureté National, dann beim Militär (2 Paßbilder) und anschließend beim Zoll melden, wobei meines Erachtens die Reihenfolge egal ist. Dem heutigen Konvoi würden wir uns eh nicht mehr anschließen können, da außer dem Zoll alles zu hatte. Erst gingen wir also zur Sureté National, dann zum Hotel de Police. Dort sagte man und, wir sollten um 15:00 Uhr wiederkommen. Davor trafen wir einen gelben Geländewagen. Es waren auch Touristen, aber erstens Familie mit Kindern und dann auch noch Franzosen. Mit Familien und mit Franzosen läßt sich selten etwas anfangen. Hier hatten wir beides Kombiniert. Aussichtslos...

War alles nicht weiter tragisch, nur die Kfz-Versicherung stellte uns vor ein kleines Problem, denn sie lief am nächsten Sonntag aus. Die Penner bei Gerling wurden bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verflucht, aber die Versicherung wollte sich dadurch auch nicht verlängern. Nicht, daß wir es nicht versucht hätten. Wir waren bei der Polizei, die uns zur Versicherung schickte, die und wiederum erklärte, daß die keine Autos versichern würde. Und Wochenende war obendrein und eines schien klar: Heute geht nichts mehr. 16:00 Uhr Ortszeit, bedeutet 18:00 Uhr in Deutschland und dann auch noch Freitag. Keine Chance. Ein Anruf in Casablanca nützte auch nichts, ich rief in Augsburg bei meinem Verteiler an und bat ihn, meine alte Doppelkarte zu suchen und sie herzuschicken, vorher aber ein Fax nach Dakhla zu schicken, damit man wenigstens etwas in der Hand hat - wir wußten aber, daß das Schwachsinn war. Abwarten und Tee trinken. Wir suchten uns ein Café. Auf dem Weg dahin fiel mir ein einheimisches Blodes Kind auf. In Deutschland ist sowas mittlerweile schon eine Seltenheit, aber hier hätte ich es nicht wirklich erwartet. Davon soll es sogar mehrere geben in der Gegend, wie mir Almut versicherte. Sicher ein Nachkomme der Vandalen, die irgendwann nach Nordafrika gegangen sind und die Gegend verwüstet haben...

Wir setzten uns ins Café La Paloma und schrieben mit einer Rasierklinge unsere Doppelkarte für Marokko eigenhändig gültig. Auch Blödsinn, aber was sollten wir tun? Nach Casablanca fahren? Würden wir vor Montag nicht schaffen und dann wären dort wir im Verkehr wo leichter etwas passiert als hier, wo nichts los ist. Wir einigten uns darauf, daß wir eben zwei Tage ohne Versicherung in der Wüste verbringen würden und hofften, daß niemand die Versicherung sehen wollen würde. Die dümmsten Ausreden fielen uns ein: "Das Original ist weggeflogen und wir haben nur noch die Kopie" oder "Geldtasche wurde gestohlen und da war die Karte drin". Wenn wir jetzt 'nen Unfall bauen... "reißen's uns den Arsch auf".

Den Nachmittag verbrachten wir wieder im Café "La Paloma". Wieso sollten wir um 15:00 Uhr zur Polizei? Das hat doch noch Zeit bis morgen oder übermorgen, oder am besten überübermorgen, wei da wieder Montag ist... Da kam ein alter 207 mit HSK-Kennzeichen und Reifen auf dem Dach die Straße entlang und wir rätselten, was das wohl für welche sein mochten.
Es wurde langsam dunkel und da wir keine Lust hatten, bei Dunkelheit nach einem Nachtplatz zu suchen, noch einkaufen und zur Tankstelle wollten, brachen wir auf. Kurz vor dem Ortseingang tauchte im Rückspiegel wieder der 207 auf. Ich ließ die anderen Autos vorbeifahren, bis der 207 auf unserer Höhe war. Großes Hallo! Ich brüllte rüber: "Fahrt ihr zum Camping?" - "Ja." - "Gut, dann bis gleich!"

Camping Moussafir war etwa 5 km außerhalb von Dakhla in Richtung Norden. Dort fuhren wir auf den Hof. Campingplatz ist vielleicht zuviel gesagt, es ist eine Baustelle und kostet immerhin 5 DM pro Nase. Wir stiegen aus und machten uns bekannt. Es war ein Pärchen, wohnhaft in Berlin, Daniel aus dem Sauerland und Marion aus Malmö und sie waren unterwegs nach Gambia, um den 207, der auf den Namen Robert hörte, zu verkaufen. Wir machten den Vorschlag, daß wir einfach in die Wüste rausfahren zum Übernachten, denn das kostet nichts und ist außerdem gemütlicher und sie willigten ein. Wir sahen zu, daß wir fortkamen, da die Dämmerung hier schon wesentlich kürzer ist als weiter im heimischen, kühlen Norden. Drei Kilometer nördlich der Stadt befindet sich eine Tankstelle.

Tankstelle vor Dakhla
Wir tankten und man konnte sogar für umsonst duschen - billiger und besser als auf dem Camping. Daß der noch nicht pleite ist liegt nur daran...

Hier schnorrte ich von Daniel einen Pulli. Einen Norweger, wie ihn Jürgen Prochnow in "Das Boot" auf der 'Weser' anhat. Gefiel mit nicht schlecht. Im Gegensatz zur Dämmerung war die Temperatur schon etwas heimischer, was hier aber nicht an der geographischen Breite, sondern wohl am Meer liegen dürfte. Danach ging es raus in die Wüste. Etwa 15 km Richtung Norden, auf der einzigen Straße und wir fuhren von ihr ab auf einer Piste auf die Hügel zu, die wir als Windschutz zu verwenden gedachten. Wir fuhren vorneweg. Auf dem Weg dahin sandeten wir leicht ein, es ging noch mit schieben. Luft aus den Reifen, rückwärts raus auf das harte Stück, dann mit Vollgas auf die Hügel zu. Das klappte. Als nächstes sandete der 207 ein und mit Schaufeln und Blechen, die Daniel sich in Spanien zugelegt hatte brachten wir auch den wieder frei. Gute Übung. Die Autos wurden rechtwinklig zueinander, Bug an Bug gestellt. Position notieren, damit man von der Straße auch bei Dunkelheit herfindet: N 23°55.024' / W 15°47.272'

Sinnvollerweise diente nun der 207 als Windschutz. Die Bordküche dieses zum Wohnmobil umgebauten Lieferwagens war natürlich viel üppiger ausgestattet als unsere und so gab es diesmal richtig feines Essen mit Tanjine (glaube, das heißt so) und allem Drum und Dran. Gemüseeintopf mit Huhn. Sie verstanden was vom Kochen, da konnten wir nicht mit, das war ein anderes Kaliber. Nicht, daß uns unser Essen nicht schmeckte, aber wir maßen der Bordküche nicht so große Bedeutung bei und hatten nun mal nur die Auswahl zwischen Nudeln mit Soße oder Soße mit Nudeln, da Almut grundsätzlich nur Bücher verschlingt, ich zu faul zum Kochen bin und es Joe egal ist, ob er was zu essen bekommt oder nicht. Dementsprechend sieht unser Abendessen immer aus.

Das mit den Hügeln hat nicht so ganz unseren Vorstellungen entsprochen, denn der Wind nervte. Es ist einfach nichts, wenn man am nächsten Morgen aufwacht und überall voller Sand ist, aber noch waren wir zu faul, einen richtigen Windschutz zu bauen, geschweige denn, das Zelt auszupacken und so schliefen wir, von Sand umweht ein - was soll's...
Das Gemüse wollte und wollte nicht kochen, dafür begann Daniels Alukocher grün zu glühen. Die beiden waren zwar zum ersten Mal in Afrika, aber dennoch schon weitgereist. Zentral- und Lateinamerika, Ostasien... eines Tages vielleicht. Sie waren schon einen Monat unterwegs, wir waren in 10 Tagen runtergerast.


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© by Markus Besold