Panamericana-Tour 2002
Montag, 12. August

In der früh erwachte ich ausnahmsweise als erster. Catarina lag im Schatten, daher störte ihn die Sonne nicht beim Schlafen und ich ließ ihn auch flacken, bis er von selber wach wurde.In der Zeit brachte ich neues Brauchwasser an den Start, wusch mir die Haare, die voller Staub von den Pisten waren, putzte mir die Zähne und brachte das KTB auf aktuellen Stand.

An einer Tankstelle in Albancay.

Nachdem wir noch frisches Brot aufgestellt haben, ging es gleich weiter, ohne größeren Aufenthalt. Gabi hatte schon einen Plan parat. Gegen Drei Uhr sollten wir in Nazca sein. Dort könnten wir Mittagessen, das Museum anschauen und dann noch rechtzeitig losfahren, um die Nazcalinien anzusehen, welche sie noch nicht gesehen hatte. "Was hat sie gesagt?", fragte Cat, der wahrscheinlich Museum und Nazca und Linien herausgehört hatte. Ich übersetzte. "Wieso bleiben wir nicht einfach in Nazca und fahren morgen weiter, schauen dann die Linien an und gehen ins Museum? Sie will doch sowieso nicht in Lima an einer Tankstelle übernachten." "Laß mal", sagte ich, "der Plan geht sowieso schief..." Pläne kann man machen, wenn man daheim ist. Wenn man mit der TUI reist, braucht man sie nicht machen, weil sie schon fertig sind, wenn man mit mir reist, braucht man sie auch nicht machen, weil sie eh danebengehen.

Wir kämpften uns noch durch das Pistenstück zwischen Albancay und Calhuanca, dann war die Bahn frei. Kaum bekamen es mit, als wir uns wieder auf dem Abstieg befanden, auf Nazca zu. Außer einem liegengebliebenen LKW sahen wir keine Autos. Der Daimler gewann wieder an Abzug, die Abgaswolke wurde kleiner und wir fuhren munter weiter.

Beim Abstieg nach Nazca. Genau auf Zwölf sieht man die mit an die 5000 m angeblich höchste Sanddüne der Welt. Ich halte es für ein Gerücht, denn sie liegt sicher auf einem Felsplateau. Wenn es so wäre, könnte man eine Schaufel Sand auf den Aconcaqua schippen und dann behaupten, diese Düne sei noch höher.

Auf einem dieser Stücke, die aussehen, wie auf dem Bild, kam uns ein saharafarbener Hauber entgegen. Er sah nicht aus, wie ein einheimischer Laster. Als er näherkam, sah ich sein deutsches Kennzeichen, GP, was wohl für Göppingen steht. Wir hupten uns an und fuhren erst aneinander vorbei. "Der kommt mir bekannt vor", sagte ich noch. Als ich im Rückspiegel seine Bremslichter sah, hielt ich an, wendete und fuhr zu ihm, während er gerade auf seiner Gegenfahrbahn auf einer Art Rastplatz parkte. "Klar, die haben wir in Ushuaia getroffen..." Ich stieg aus und mir entgegen kamen Rudi und Jeane. "Hallo, der Augsburger... wer hätte gedacht, daß wir uns so schnell wiedersehen?" Erstmal großes Hallo. Die beiden hatten ihre Rente nicht dazu genutzt, ihren Schrebergarten täglich neu vom Unkraut zu befreien, sondern hatten sich einen Hauber gekauft, ihn ausgebaut und waren seit Jahren unterwegs.

Sie waren in der Zwischenzeit in Deutschland gewesen, denn sie hatten in Chile einen Stellplatz für das Auto. Nach Ushuaia waren sie eine Weile in Chile gewesen, dann nach Deutschland, zurück nach Chile und weiter nach Peru hinein. In Cuzco war ihnen ins Auto eingebrochen worden. Warum sie nun wieder dort hinfuhren? Wohl um über Bolivien nach Brasilien zu kommen, wo sie natürlich auch schon gewesen waren. Wir teilten uns weitgehend die Ansichten über Brasilien. Wir unterhielten uns ungefähr eine Stunde oder noch mehr. Die Bilder, die sie in Ushuaia gemacht hatten, waren mittlerweile entwickelt und hingen in ihrem überdimensionierten Gästebuch. Nun schrieb ich einen neuen Eintrag darzu und es wurden neue Bilder gemacht.

Wiedersehen mit Rudi und Jeane mitten in der Pampa.

"Wieso sind auf Euren Kennzeichen keine Stempel drauf?" "Ach, die... das sind die zum stehlen, interessiert niemanden. Die Originale sind innen." Sie hatten auch eine Versicherung für das Auto in Deutschland abgeschlossen. Sie gilt amerikaweit mit Ausnahme von Kolumbien, Mexiko und USA. International Underwriters hießen die. Da ich schon seit Jahren ohne Versicherung durch die Gegend kutschiere, schrieb ich mir mal die Adresse auf. Und noch eine Adresse hatten sie parat: "Erinnerst Du Dich noch an den Martin und die Sonja? Die Schweizer, die auch in Ushuaia waren?" Ich konnte mich vage daran erinern. "Die haben ein Stück Land in Costa Rica, Lagarta-Lodge, da könnt ihr mal vorbeischauen." Wir schrieben uns alles auf. Costa Rica war zwar noch unendlich weit weg, aber die Notiz frißt weder Heu noch wiegt sie etwas. Auch für Nazca gaben sie uns einige Tips mit auf den Weg. Wir verabschiedeten uns dann und fuhren weiter. Wir sehen uns schon wieder, irgendwann, irgendwo...

"Tja", sagte Cat, der über diesen Zufall gerade etwas verwirt war, "der Plan ist jetzt schon im Eimer. Es konnte keiner wissen, daß wir sie treffen, denn selbst wenn wir ein Treffen ausgemacht hätten, hätte es wahrscheinlich nie stattgefunden. Aber war es schlecht? Ist es schlimm?" Nein, überhaupt nicht. Störte niemanden. In Nazca angekommen ließen wir auch die Sache mit dem Museum sein, denn was konnte dieses Museum schon an Mumien bieten, was das Nationalmuseum in Lima nicht bieten konnte? Wir fuhren durch Nazca durch und hielten bei den Linien. Gabi stieg aus und wir fuhren ein Stück zurück, bogen ab von der Straße auf eine kleinen Piste und parkten vor einem Hügel, von wo aus man angeblich die echten Linien sehen konnte. Wir parkten das Auto und stiegen auf den gerölligen Hügel. Tatsächlich sah man von hier aus Linien. Schnurgerade und ziemlich deutlich und sie führten direkt auf die Anden zu.

Und die Diesel stampfen, die See geht schwer
So klein ist das Boot und so groß ist das Meer...

Wir blieben eine Weile auf dem Hügel sitzen und sahen uns diese Rätselhaften Linien an. Wie mit einem Riesenlineal gezogen und scheinbar doch völlig planlos. Nach einer Weile erhoben wir uns dann langsam um Gabi wieder aufzunehmen, die noch am Aussichtsturm sich befand. Ich hatte ihr aufgetragen, ein Bild des Autos zu machen von der Plattform. Das tat sie. Allerdings ist es, wie alle Bilder, die nicht von mir oder Almut gemacht wurden, schwer zu bekommen.

Wir nahmen sie auf und fuhren weiter in Richtung Lima, doch keine Chance, heute noch dort hinzugelangen. Abgesehen davon, daß darauf wirklich keiner richtig Bock hatte. Als wir nach Ica hineinfuhren war es schon längst dunkel. Wir hielten auch nur, um zu Mittag zu essen. Wir sahen eine Markthalle, vor der ich hielt, denn die anderen wollten Vorräte ergänzen. Ich blieb am Auto, Cat und Gabi gingen hinein. Als ich da so eine Weile stand kam ein Polizist an. Dieser erklärte mir, daß ich leider im Halteverbot stünde. "Hm. Das könnte jetzt glatt ein Problem werden, wissen sie?", erklärte ich ihm, möglichst umständlich, und deutete auf die Halle, "Meine Kumpels sind nämlich da drin und wenn ich jetzt wegfahre, dann finden sie mich nie mehr wieder un die haben das ganze Geld bei sich. Sie wissen schon... Ich meine, ich bin ja am Auto, wenn was ist, kann ich zur Seite fahren, aber wenn wir alle sterben müssen, dann ist das auch nicht gut, es kommt schließlich in die Zeitung und alles. Das will doch keiner wirklich."

In dem Moment kam Cat hinzu, begrüßte den Polizisten freundlich und meinte dann zu mir: "So. Fertig. Ich hab alle Leute da drin Hurensöhne geschimpft, hab nichts gekauft und die können mich alle mal." Was war denn da schon wieder passiert? "Gut", sagte ich, "nun setz Dich brav in's Auto, den Rest mach ich schon." Ich erklärte dem Polizisten, daß ich da jetzt reinmußte, daß aber der Typ da hierbleiben würde, für den Fall, daß etwas wäre. Er meinte nur, es sei schon in Ordnung, es sähe nicht wirklich so aus, als würden wir länger hier verweilen wollen. Ich ging in die Halle und fragte Gabi, was da los sei. "Keine Ahnung, der hat sich plötzlich aufgeregt und ist gegangen. Ich glaub, die hat sich nur verrechnet." Keine Ahnung, was da los war, interessierte mich auch nicht besonders. Solcherlei Ärger gibt es immer. Generell gilt: Zahlt man weniger, hat sie sich verrechnet, zahlt man mehr, stimmt was nicht. In diesem Falle stimmte was nicht.

Die Markthalle, vom Parkplatz aus gesehen.

Nach dem Einkauftheater am Markt suchten wir uns einen dieser Hamburgerwagen. Die befinden sich meistens an den Seitenstraßen, wo weniger Autos, dafür mehr Fußgänger umherwuseln. Catarina ging los, Gabi ging los und ich blieb im Auto. Irgendeiner wird schon etwas brauchbares mitbringen. Gabi kam dann an mit drei Burgern, die wir gleich an Ort und Stelle vernichteten. Als ich gerade anfahren wollte, quatschte mir Catarina ins Starten und meinte, er hätte noch eine Pizza geordert, die allerdings noch nicht fertig sei.

Dann stieg er aus und kam einige minuten später mit einem Pizzakarton an. "Schaffst Du das Trum nach dem fetten Burger überhaupt noch?" "Nein, natürlich nicht, das ist für das Abendessen oder für's Frühstück morgen..." Das kurze Stück bis Pizco ging schon noch. Beim Ortsausgang schrie Cat: "Paß auf, da vorne, Du Ochse!!!" Ich bemerkte dann erst, daß unsere Fahrbahn aufhörte und es auf der Gegenfahrbahn weiterging. Keine Hinweisschilder, nichts. Daran konnte ich mich nun wirklich überhaupt nicht erinnern. "Bleiben wir wieder an der Tanke..." Ich fuhr an die Tankstelle. Unser Freund Bibelforscher war auch noch da und begrüßte uns. Wir fragten, ob es OK sei, wenn wir hier an der Tankstelle übernachteten. "Ja, ihr könnt Euch da zwischen Tankstelle und Restaurant stellen", sagte er, "keine Sorge, der Wächter bleibt die ganze Nacht da." Wächter sah ich keinen., aber dafür eine Steckdose in einem der Kassenhäuschen, die ich zum Laden meiner Akkus brauchen konnte, zumal diese auch noch zufälligerweise 220V war.

Als ich den Wächter erblickte, mußte ich ihn erst mal auf seine Pumpgun anquatschen. Winchester - behauptete er zumindest. Sah auch ganz nett aus, das Teil, nur der Riemen, den hätte er schon aus etwas besserem machen können. Sofort entstand eine Diskussion über das Waffenrecht. Ich halte das Waffenrecht in Deutschland für großen Blödsinn, es ist wieder das selbe wie mit den zwei Pässen. Der deutsche Staat macht es dem Normalbürger praktisch unmöglich, an eine Waffe zu kommen. Fakt ist aber, daß wer wirklich eine Waffe haben will, auch an eine Waffe kommt, es ist nicht schwer, nur ist die Waffe dann illegal, nicht registriert und folglich nicht verfolgbar. Geistig Schwerbehinderte hingegen, bekommen nicht nur grundsätzlich eine Waffe, sondern sie wird ihnen förmlich aufgedrängt. Man braucht sich bloß einmal die psychischen Wracks in ihren grünweißen Uniformen ansehen. Die kriegen Waffen und erschießen damit unschuldige Passanten, die Wände der Polizeistation an Silvester, und im besten Falle sich selbst oder ihre Kollegen. Ich kannn mich an einen dieser Möchtegern-Revolverhelden erinnern, der mitten auf der Straße stand und mich einmal anhielt. Ich bremste lange nicht ab, fuhr hinter sein Fahrzeug und legte eine Vollbremsung hin. Er kam auf das Auto zu: "Wenn'S das nächsrte mal nicht gleich stehen bleiben, dann zieh ich die Waffe, Herr Besold." Da konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen: "Tun Sie das nicht, Sie treffen am Ende nur einen Passanten..." 'nen dicken Strahl pissen, das ist alles, was die Fettwänste leisten.
Ich mußte ihr allerdings zustimmen, daß es wohl ein Blutbad gäbe, würde man das deutsche Waffenrecht nun über Nacht ändern.


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