Panamericana-Tour 2002
Mittwoch, 25. September

Nach sieben Uhr war an Schlaf nicht mehr zu denken. Um halb acht saßen wir schon wieder Abfahrbereit im Auto. Das Ziel des heutigen Tages hieß Lagarta-Lodge. Wir hatten auf dem Weg zurück von Machu Pichu Rudi und Jeane getroffen. Die erzählten damals von Martin und Sonja, die auch an Silvester in Ushuaia dabeiwaren, und die sich in Costa Rica ein Stück Land mit einer Lodge drauf gekauft hatten. Dort wollten wir voreischauen. Die Adresse hatte ich damals ins KTB eingetragen:

Lagarta-Lodge
Reserva Biologica Nosara
Apdo. 18 Nosara
Guanacaste, CR

Aber um dorthin zu gelangen, wäre es von unermeßlichem Vorteil, wenn es mir gelänge, zuallererst mal zurück auf die Hauptstraße zu finden. Gestern abend hatte irgendwie alles anders ausgesehen. Geht ja schon gut los, der Tag.

Ohne Klimaanlage fahre ich am liebsten Nachts oder - wenn man was von der Landschaft sehen will - wenn es bewölkt ist. Das war es heute nicht. 80 US$ hätte es in Kolumbien gekostet, den Schlauch zu reparieren. Jetzt mußte es ohne Klima gehen. Nachdem ich endlich auf die Straße zurückfand, fuhren nach Westan, in Richtung Liberia. Die Straße sah hier einigermaßen gut aus. Wir hielten ausschau nach einer kleineren Straße, die uns nach Nosara führen sollte. Die mußte irgendwo links weggehen. War nicht einfach, da auch jegliche Beschilderung fehlte. Und da wir eigentlich eine Straße erwartet hätten, ließen wir die Pisten, an denen wir vorbeigekommen waren zunächst außer betracht. Aber da Costa Rica das Land war, in dem die Panamericana im desolatesten Zustand war, drehten wir um und suchten die breiteste der Pisten, die nach links wegging.

Piste nach Nosara
Die Piste Nach Nosara.

Die Piste war allerdings in einem fast besseren Zustand als die Hauptstraße. Gute Pisten sind immer besser als schlechte Straßen. Wie ein Schiff bei ruhigem Seegang glitt der Benz in den immer dichter werdenden tropischen Regenwald hinein. Aber das hier machte Spaß. Sollte ich gegen Ende unseres Aufenthaltes in Costa Rica doch noch etwas entdeckt haben, das mir in guter Erinnerung bleiben wird? Mit den Tropen weißich nicht viel anzufangen. Mit Costa Rica erst recht nicht. Es gab hier nichts, das den Ruf rechtfertigte, daß Costa Rica ein Touristen-Paradies sein soll. Aber das ist nur meine Meinung, und mit der war ich schon immer falsch gelegen. Kann sein, daß Costa Rica für Rucksack- und Pauschaltouristen ein großartiges Land ist. Etwas, das ich mir gar nicht vorstellen kann, ist es, mit einem überdimensionalen Rucksack auf dem Buckel durch die tropische Waschküche zu ziehen und mich jeden Abend in irgendwelchen billigen Absteigen zwischen Spinnen und Wanzen schlafen zu legen. Das ist nur was für Masochisten. Aber das wäre nicht das einzige. Man ist an Siedlungen und öffentliche Verkehrsmittel gebunden, man kann nicht einfach weiterfahren, wenn irgendwas nicht stimmt, und wenn man mal abseits der Trampelpfade unterwegs ist, ist man nicht nur dem Wetter völlig Schutzlos ausgesetzt. An die interessanten Plätze kommt man in der Regel kaum ran. Und wenn man aus dem Überfüllten Bus in irgendeinem Kaff aussteigt mußman entweder dort bleiben, oder Stunden oder Tage auf den nächsten Bus warten. Man kann nicht einfach 10 oder 20 oder 100 km weiterlaufen und schauen, ob es da etwas Besseres gibt. Der einzige Vorteil ist der, daß man mit weniger Geld auskommt. Aber das ist in meinen Augen nur ein Scheinvorteil. Als ich vor Jahren in Deutschland unterwegs war und auf der Autobahn einen Smart überholte, sagte ich zu meinem Beifahrer, auf den Smart deutend: "Der hat's gut. Der zahlt überhupt keine Steuern..." Seine Antwort saß: "Dafür hat er aber auch kein Auto..."

Klar hat auch der Auto-Tourist an gewissen Schwierigkeiten zu knabbern: Wenn man nur einen Rucksack dabeihat, braucht man sich nicht um eine Verschiffung zu kümmern - obwohl man das oft auf den ersten Blick meinen könnte, wenn man sich so manchen dieser Rucksäcke ansieht. Aber die Nachteile sind überschaubar und unterm Strich bietet das Auto wesentlich mehr Vorteile. Man fährt einfach solange, bis es paßt und gut ist's. Man muß nicht irgendwo bleiben, weil kein Bus mehr fährt, weil es keine Taxis gibt, oder - gerade in so einer Gegend - weil die Ausrüstung nach dem ersten Wolkenbruch nie wieder trocknet, sondern vor sich hinschimmelt.

Aber diese Piste gefiel mir. Sie war leicht feucht, das dämpfte den Lauf etwas und es fühlte sich wie ein Sanftes dahingleiten an. Man konnte beruhigt 70 oder 80 km/h fahren, ohne, daß es sich unangenehm anließ. Aber ewig konnte die Piste so nicht bleiben. Schließlich waren wir in Costa Rica. Der Untergrund wurde bald kiesig und die Pfützen nahmen zu, und zwar nicht nur von der Anzahl her, sondern auch von der Größe. Die Geschwindigkeit wurde herabgesetzt und es begann der Walzertanz. Bald schon war es so, daß die Pfützen zu riesigen Lachen wurden, die von einer Pistenseite zur anderen reichten. Ganz links rüber, so nah ran an die Bande wie möglich, dann, unmittelbar vor der Lache, rechts einschlagen und die Pfütze ausfahren, an ihrer rechten Wand entlang, und wieder hinaus und Ausschau nach der nächsten halten.

Flußlauf auf dem Weg nach Nosara Flußlauf auf dem Weg nach Nosara.
Diesel kleine Fahrt voraus... ...und durchsacken.

Gerade hatte ich mich der Hoffnung hingegeben, daß die Piste nun besser würde, da schon seit einiger Zeit keine nennenswerten Pfützen mehr passiert werden mußten, da mußte ich hinter einer Rechtskurve doch mal ganz stehenbleiben, um die Lage zu checken. Erstmal Cigarrette. Dann vielleicht nachdenken. Das hier war keine Pfütze mit stehendem Regenwasser. Dieses Wasser floß, das mußte irgendeine Anbindung an irgendein größeres Gewässer haben. Es war ein Bach, nicht besonders tief, auch überhaupt nicht bedenklich, denn Gabi war durchgewatet und kaum bis an die Knie eingesunken. Aber wer weiß, wie es weiter drinnen aussieht? Antwort: Nur der, der weiterfährt und nachsieht.

Das taten wir auch. Verglichen mit den reißenden Strömen letztes Jahr im Altiplano Boliviano war das hier sowieso Kinderfasching. Der nächste Verkehrsteilnehmer kam auch schon. Ich fuhr los. Es ging gut, man konnte in aller Ruhe durchfahren und spürte kaum den Wasserwiderstand.
Während ich Gabi auf der anderen Seite wieder einsammelte, fuhr der Pickup an uns vorbei. Es ging weiter. Diese Fahrt war witzig. Die Strecke machte Spaß, wir fuhren zu Bekannten. Ich freute mich auf einen ruhigen Abend in der Lodge und meine Stimmung stieg wieder.

Mittlerweile sah man keine PKW mehr, sondern nur noch Pickups, hier und da ein Laster. Ansonsten nur Geländefahrzeuge oder Krafträder. Wir fuhren weiter. Wasser gab es hier im Überfluß. Zum Glück war das Wetter gut. Keine Ahnung, was mit diesen Flußläufen passiert, wenn es hier mal gescheit zum Regnen anfing. Womöglich staken wir dann fest? Gabi checkte die Karte. Es gab noch eine Straße, die man eventuell nehmen könnte. Die würde sich sogar empfehlen, wenn wir im Anschluß gleich weiter nach Nicaragua wollten. Na, gut. Aber auf Regen war ich dennoch nicht scharf. Stört nur.

Wir kamen wieder durch einige Flußläufe. Es wurde nicht angehalten, sondern im ersten Gang durchgefahren. Irgendwie hatte ich den Eindruck, daß diese Flußläufe immer größer wurden. Immer länger dauerte es, das andere Ufer zu erreichen, immer stärker spürte man den Wasserwiderstand. Wenn man hier vom Gas ging, verlor das Auto abrupt an Geschwindigkeit. Ich fuhr also mit mäßiger Geschwindigkeit hinein und gab dann, wenn das Auto im Wasser war, einfach Vollgas.

Tiefenprüfung. Flußlauf auf dem Weg nach Nosara.
Gewässererkundung... ...und immer wieder durch.

Bei solchen Läufen, bei denen man nicht mehr auf den Grund sehen konnte, schickte ich Gabi voraus, um die Tiefe besser einschätzen zu können. Das nur sicherheitshalber. Anders als damals in Bolivien, handelte es sich hier nicht um unsere Hauptstrecke. Wir hatten die Hauptstraße verlassen, um einen Ausflug zu machen und hatten eine Alternativroute. Die gab es in Bolivien nicht. Dort gab es nur die eine Strecke und entweder wir mußten durch oder eben wieder umdrehen und hunderte von Kilometern wieder zurück. Und dort war es eiskaltes Gebirgswasser. Hier war es eine lauwarme Fischsuppe. Ich mußte nur so fahren, daß der Ansaugstutzen kein Wasser zog. Aber es klappte alles wunderbar. Nicht einmal war es knapp ausgegangen...

Nun konnte es nicht mehr weit sein. Wir hatten schon fast fünfzig Kilometer zurückgelegt, es dürften noch etwa sechs oder sieben Kilometer sein, unseren Berechnungen zufolge. Kur darauf standen wir vor dem bisher breitesten Flußlauf. Hier sah es nicht mehr so aus, als würde der Fluß die Straße überqueren, sondern umgekehrt. Das war ein Fluß und die "Straßenbauer" hatten sich die Brücke gespart. Anscheinend wurde hier nur etwas Kies in den Fluß gekippt, um ihn flacher zu machen, an der Stelle, an der sie Straße den Fluß überquerte. Dafür sprach auch die Fußgänger-Brücke, die daneben aufgestellt worden war. Ich hielt an. Das gibt bestimmt ein gutes Bild. Es war mir unmöglich, durch den Fluß zu fahren und gleichzeitig ein Bild zu machen. Bei Peter Kohle habe ich gelernt: Wenn man sich nicht entscheiden kann, muß man eine Fragestellung finden, die die Antwort schon mit sich bringt. Das tat ich auch: "Worauf kann ich eher verzichten, auf das Auto, oder auf die Kamera?" Im nächsten Augenblick übergab ich Gabi die Kamera. "Kannst Du von da oben ein Bild schießen?", fragte ich sie und zeigte auf die Fußgänger Überführung. Sie nahm die Kamera und ging los. Währenddessen kam ein Motorrad mit zwei Mann Besatzung und einheimischem Kennzeichen ans Ufer gefahren und blieb stehen. Offensichtlich berieten sie, wie sie am besten durchfahren sollten. Der Fahrer fuhr vorsichtig hinein. Das Motorrad sank immer tiefer ein. Als er gerade glaubte, Gas geben zu können, versackte das Motorrad bis über den Motor im Wasser. "Das war's", dachte ich. Aber die beiden stiegen ab und schoben das Motorrad durch. Ein paar mal den Kickstarter getrappt und schon lief das Teil wieder, der Auspuff bließ eine weiße Rauchwolke in die Luft und als sie sich verzog waren die beiden schon verschwunden.

Flußarm vor Nosara.
Nun war ich an der Reihe...

 

Ich legte den ersten Gang ein gab Gas und fuhr hinein ins kühle Naß. Man spürte, wie der Unterboden auf die Wasseroberfläche klatschte. Dann Vollgas und Räder geradeaus. Beschleunigung war keine mehr zu verzeichnen. Gabi wieder eingeladen, das Bild beutachtet. Es gefiel mir gut. "Sehr schön!" Und weiter, mit Vollgas nach Nosara. Langsam bekam ich Hunger. Und eine eiskalte Cola wäre jetzt auch nicht verkehrt.

Wir f uhren wir weiter auf wiederum sehr guter Piste. Die war überhaupt wieder recht gut geworden, wenn sie nicht grad auf Tauchstation war konnte man durchaus wieder höhere Geschwindigkeiten fahren. Das lag wohl daran, daß hier nur noch wenig Autos fuhren, und daß die Piste daher nicht sehr in Mitleidenschaft gezogen war. Auch Wellblech hatten wir kaum gehabt. Was die Piste streckenweise schwer befahrbar gemacht hatte, waren hauptsächlich längsrillen, die von Auswaschungen stammten. Vermutlich nach starken Regenfällen. Aber hier konnte man wieder richtig schön gasgeben. Das tat ich auch, bis ich mich hinter einer scharfen Rechtskurve hinter einem weißen Laster wiederfand. Und links neben uns verlief ein Fluß. Ich stieg aus und ging vor zum Laster. Ich war nicht davon ausgegangen, daß wir durch diesen Fluß mußten. Aber die Piste führte auch hier in den Fluß. Ich sprach den Fahrer an und fragte, ob er auf etwas bestimmtes wartete. "Darauf, daß das Wasser abebbt. So kann ich da nicht durch, da säuft mir der Karren ab." Also mußten wir genau da durch. Jetzt wäre es interessant zu wissen, wie tief diese Angelegenheit hier war. Da würde wohl Gabi wieder herhalten müssen. "Wie lange mag das dauern, bis das Wasser wieder niedrig ist?", wollte ich vom Fahrer wissen. "Kann sein, zwei Stunden, kann sein zehn. Kann man nicht so genau sagen." Das war genau das, was ich befürchtet hatte. "Wie weit ist es noch bis Nosara?", fragte ich noch. "Zwei Kilometer höchstens..."

Gabi rechnete die Alternativroute aus: "Es sind ungefähr 100 km Umweg von der Stelle, an der wir von der Straße abgebogen sind - laut Karte", sagte Gabi. "Hundert? Aber die Stelle ist über fünfzig Kilometer weg von hier!", stellte ich weinerlich fest. "Macht dann wohl 150 km", stellte Gabi ruhig fest. "Scheiße! Fuck! Und das Kaff ist gleich hinter der Kurve... Hast Du Bock zu checken, wie Tief der Fluß ist?", fragte ich sie. "Kann ich schon machen...", sagte sie und bereitete sich vor. Aber sie mußte nicht wirklich ins Wasser, denn von der anderen Seite kam ein Toyota LandCruiser. Das war das bessere Versuchskaninchen.

Nichts ist unmöglich!
Nichts ist unmöglich! Toyota!

Ich beobachtete genau die Bahn, die der Fahrer des Toyota einschlug. Er fuhr nicht stracks auf uns zu, sondern erst geradeaus in den Fluß, dann machte er eine scharfe Rechtskurve und fuhr dann erst in unsere Richtung. Offensichtlich kannte er die Streckenführung. Er blieb nicht stehen, sondern fuhr durch. Das sprach auch dafür, daß er kein Anfänger war. Es waren geschätzt mindestens 50 Meter Luftlinie Wasser zu überwinden, wahrscheinlich 100, wenn ich so fuhr wie der Toyota, der bis Oberkante Radkästen im Wasser stand. Und die Radkästen eines LandCruiser waren nicht gerade niedrig. Wir haben keine Chance da durchzukommen.
Am anderen Ufer wartete auch einer mit einem Pickup bis der Fluß vorbeigeflossen war. Zumindest war das meine Vermutung. Ich fragte mich nur, warum er mit dem Heck zum Flußufer stand. Kann auch sein, daß es der Pickup war, der uns vorhin beim ersten Flußlauf überholt hatte. Aber warum stand er dann da?

Also entweder warten, bis der Pegel absank, oder eben außenrumfahren. 150 km können wir in zwei oder drei Stunden schaffen. Der Fluß würde vermutlich ähnlich lang brauchen - wenn es nicht irgendwo regnete. Wie hoch ist die Regenwahrscheinlichkeit im Regenwald? Der LKW-Fahrer würde hier abwarten. Das macht kein Krawall und spart Brennstoff. Zeit hatte er wohl. Anders sah es bei uns aus. Objektiv betrachtet hatten wir zwar auch Zeit, subjektiv gesehen aber nicht. Denn ich bin Bewegungssüchtig. "Wir fahren! Hauptsach', der Diesel läuft!" Wir warteten noch kurz, bis der Toyota vorbei war, damit wir wenden konnten. Eintrag für's KTB: "2 km vor Nosara umdrehen (1205 / 755573)". Als der vorbeigefahren war, wendete ich in einem Zug unter Benutzung des Flußwassers - mit Absicht, weil mir der dumme Fluß den ganzen Weg zunichte gemacht hat. Wenigstens waren zwei gute Bilder dabei rumgekommen...

Die Bestätigung.
Die Oberkanten der Radläufe des Toyota lagen ungefähr auf der gleichen Höhe wie der Luftansaugstutzen des Daimler. Das muß schiefgehen...

Für den Rückweg zur Hauptstraße benötigten wir nicht so lange wie für den Hinweg. Mittlerweile "kannte" ich ja die Strecke und hielt bei den Flußläufen nun drauf statt an. In weniger als einer Stunde waren wir wieder au der Straße, fuhren nach Liberia, bogen dort irgendwo links ab und fuhren erst nach Südwesten, dann die Küste entlang in südöstlicher Richtung wieder auf Nosara zu. So etwa Absurdes ist mir noch nie passiert. Aber es störte mich nicht wirklich. Mich wunderte es allerdings ein bißchen, daß Gabi das so gar nicht zu stören schien. "Ja, was soll ich denn dagegen auch machen?", sagte sie und lachte. Einmal hielten wir um vollzutanken. Nicht, daß wieder so ein Fluß im Weg ist und wir wider zurückmüssen.

Recht hatte sie. Vielleicht ist dieses Costa Rica gar nicht wirklich so schlecht, wie es mir vorkam. Die Strecke eben war recht unterhaltsam und der Vulkan war auch etwas Besonderes. Brasilien hatte noch schlechtere Straßen und darüberhinaus außer gutem Essen nichts zu bieten. So schlecht kann Costa Rica gar nicht sein, wie es bei mir ankommt. Aber das ist oft so: Der eine reist in ein Land und findet es paradiesisch, dem anderen kommt es vor wie die reinste Hölle. Es kommt auf die persönlichen Erfahrungen an, auf die Erwartungshaltung, die man hat, bevor man das Land befährt, mit wem man unterwegs ist. Und selbst dann kommt man auf kein brauchbares Ergebnis. Ich weiß nicht, woran ich es festmachen würde. Mauretanien war so ein Land, über das keiner war Gutes zu berichten wußte, in dem meine persönlichen Erfahrungen mit den Einheimischen nicht die besten waren, und das mir dennoch sehr gut gefallen hat. An der Besatzung lag es nicht, denn es war die gleiche wie im Senegal, und im Senegal war das Beste die Ausreise nach Mali. Ich kann es einfach nicht sagen, woran ich es festmache, ob mir ein Land gefällt oder nicht. Es ist einfach nur mein subjektives Gefühl, das durch das Zusammenspiel von vielen Unbekannten erwächst.

Die Straße wurde streckenweise wieder zur Piste, und Gabi hatte auf der Alternativroute nach Nosara, auf der wir uns nun befanden, ein Strandkaff entdeckt, an dem es wohl Wasserschildkröten zu sehen geben soll. Eine Weile dauerte es, bis wir das Kaff fanden. Es bestand nur aus ein paar Häusern und schien wie ausgestorben. Die schlafen wohl gerade alle. Von der Hauptpiste ging eine kurze, aus festgefahrenem Sandstrand bestehende Piste ans Ufer, die in einem Wendehammer endete. In solchen Situationen pflege ich immer das Auto so abzustellen, daß ich nicht erst beim losfahren wenden muß, sondern so, daß das Auto abfahrbeireit in die richtige Richtung steht. Gerade, wenn es schnell gehen muß gewinnt man wertvolle Zeit. Von diesem Prinzip weiche ich nur ab, wenn besondere Umstände dies erfordern. Wenn z.B. der Kofferraum beladen werden muß ist es ungünstig, wenn er an der Wand steht. Aber gerade bei Sackgassen, zeigt das Heck grundsätzlich in Richtung Straßenende. Am Ende der Stichpiste angekommen, tat ich das auch. Während ich wendete, fragte Gabi, was ich da gerade machte. "Ich wende!" "Warum?" "Weil mir gerade danach ist!" "Tschuldigung! Dann sag ich halt nichts mehr!" Ich hielt an und schlug ihr vor, daß sie aussteigen soll, wenn sie es nicht aushielt, und mich so einparken lassen soll, wie es mir beliebt.

Lange blieben wir nicht, denn von den Wasserschildkröten gab es nur Spuren im Sand. Was sollen die sich auch in die Pralle Nachmittagssonne legen? Die haben doch sicher besseres zu tun. Gabi kam wieder ins Auto und wir fuhren weiter mit Ziel Lagarta-Lodge. Das Wetter zog sich zu. Als wir um 16:00 Uhr bei der Lagarta-Lodge ankamen, sah es aus als würde es bald regnen. Die Lodge war wie ausgestorben. Keiner da. Es machte zwar jemand auf, aber das schien nur der Hausmeister zu sein. Von Gästen keine Stur und von den Besitzern schon gleich gar nicht. Kein Max, keine Doris, kein Martin, keine Sonja. Wir blieben eine Weile, aber es tat sich nichts. Das Restaurant hatte nicht offen, und unsere Preisklasse war es sowieso nicht.

Man kann nicht alles haben. Wir suchten uns hier in der Gegend einen Nachtplatz am Strand. Eine Stelle bot sich an. Die war ähnlich wie die neulich in Puerto Viejo, nur standen wir diesmal am Pazifik. Der soll angeblich etwas kühler sein. Mir war er jedenfalls um einiges sympathischer als der Atlantik. Und wieder kann ich nicht begründen warum. Nur so ein Gefühl.

Nachtplatz am SPazifik bei Nosara.
Wieder am Pazifik.

Die Wolken verzogen sich wieder ohne vorher alles naß zu machen. Das fand ich nett. Es gab Abendessen am Strand. Viel gab es hier nicht zu tun, daher legten wir uns früh schlafen. Morgen war Border-Crossing angesagt. Eine in Zentralamerika sehr beliebte Sportart. Und das nächste Land hie Nicaragua. Kein Touristenland. Ich legte mich auf die Bleche. Es war noch früh, noch nicht einmal neun Uhr. Ein Pickup fuhr an uns vorbei und parkte etwa dreißig Meter von uns, etwas näher am Strand. Mücken gab es hier kaum. Der Wind wehte dafür zu stark. Ich hoffte, es blieb so. Von dem Pickup stieg der Fahrer aus und kam zu uns herüber ans Auto und sprach mich an. Ich konnte ihn nicht sehen, zückte aber die Kamera, machte ein Bild von ihm und sah ihn mir auf dem Display an. "Was kann ich für sie tun?", fragte ich ihn. "Uns sind die Cigaretten ausgegangen. Und hier hat schon alles zu. Kann ich bei Dir welche schnorren?" "Ja, klar!", ich kramte drei oder vier Cigaretten aus der Schachtel und gab sie ihm. Er bedankte sich und ging. Erledigt... Ich drehte mich um und wollte weiterschlafen. Doch das konnte ich vergessen. Gabi war ausgestiegen. Stellte ein paar Fragen bezüglich des Typen. Was der hier will? Was das überhaupt sollte? Was der hier macht? "Keine Ahnung. Die werden da halt ein Bier saufen, oder was. Soll ich hingehen und nachfragen?" Gabi hatte Bedenken - wegen zwei Typen, die am Strand ein Bier saufen. Sehr verdächtig! In dem Kaff war ja alles tot, was soll man hier sonst machen? Bedenken war schon sehr großzügig ausgedrückt. Mit Denken hatte es ja nichts zu tun, sondern damit, daß Gabi immer und überall Gespenster sah.

"Also, ich mach hier jedenfalls kein Auge zu", sagte sie nach einer Pause. "Dann laß sie halt offen... Und laß mich schlafen!" "Nein, wir suchen uns jetzt einen anderen Platz", bestand sie drauf. Jetzt war sie fast den ganzen Tag so friedlich, daß es schon fast verdächtig war. Da mußte ja was faul sein. Das hatte sie sich alles für die Nacht aufgehoben. "Ja, lauf schon mal los und such..." Ich hatte keinen Bock jetzt sinnlos durch die Nacht zu fahren - wegen nichts und wieder nichts. "Komm jetzt runter und wir fahren. Weil ich nicht weiß, was das für Typen sind und was die wollen!" "Geh hin und frag, dann weißt Du's", schickte ich sie weg. Aber sie ließ nicht locker. "Alte, Du nervst! Ich muß morgen fahren und ich will jetzt schlafen. Geh woanders quengeln. Die tun Dir schon nichts." Woher ich das wissen wollte. Soll sie doch die Innenraumbeleuchtung anmachen, dann kriegen die Typen die Panik, wenn sie sie sehen und laufen weg. Aber sie nervte weiter und weiter. An einen ruhigen Schlaf war nicht zu denken. Ich packte das Zeug zusammen und fuhr genervt los. Während ich einen Nachtplatz suchte, als einziges Auto hier durch die Gegend kurvte und nach einem Nachtplatz suchte, der Madame besser behagte, erklärte sie mir, warum diese Aktion eben sein mußte. Lauter Schwachsinn. Wenn man die Erklärung ernstnahm, müßte man immer vor jedem Menschen weglaufen, weil man seine Absichten nicht kenn. Das trifft auf sechs Milliarden Leute zu. Der würde man einen Gefallen tun, wenn man sie auf den Mond schießen würde. Da braucht sie dann auch keine Angst zu haben, daß ihr einer etwas tut. Ihr... Welch ein absurder Gedanke! So blöd ist doch keiner.

Nach zwei Stunden waren wir wieder nach erfolgloser Suche an einem Platz angelangt, der unserem vorigen ziemlich ähnlich sah. An unseren Spuren erkannte ich, daß es sich um exakt den gleichen Platz handelte. Nur der Pickup war weg. "Die haben jetzt wohl irgendjemand anderen umgebracht! Zum Glück haben wir jetzt diesen Idiotenausflug hingelegt. Hat wahnsinnig viel gebracht", meinte ich, als der Motor schwieg. "Ich sag jetzt dann bald gar nichts mehr!", sagte Gabi. "Bin schon zufrieden wenn Du das für heute Nacht schaffst... Und ich geh jetzt schlafen, mit Deiner gnädigen Erlaubnis." Eintrag ins KTB: "2200 2stdg. Idiotenausflug zum selben NPL wie zuvor, weil 2 Typen Bier trinken. Große Gefahr! 755732"


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