Da wieder Wolken am Himmel hingen, baute ich das Zelt auf. Lieber jetzt, als wenn es anfängt zu schütten ins Auto umzuziehen. So konnte ich wenigstens ausschlafen. Es war mittlerweile weit nach Mitternacht. So ein Schwachsinn! Wo sollen zwei Typen hin, die ein paar Halbe saufen wollen, wenn die Weiber daheim schlafen, und das einzige Restaurant zu hat? Ich ging in das Zelt und schlief. Gabi blieb auf der Rückbank.
Am nächsten Morgen stand ich erst gegen gegen Zehn auf. Im Zelt läßt es sich ein paar Stunden länger schlafen als auf dem Dach. Ich stand auf, frühstückte und legte mich danach noch ein wenig auf's Dach. Bis zur Grenze waren es noch gut 200 km und Nicaragua klingt schon nach Ärger. Um kurz nach halb Elf begannen wir zusammenzupacken. Das Zelt wurde verstaut, das Kochgeschirr in den hinteren Fußraum gestellt und wir fuhren los. Der Himmel war wolkenbehangen. Schon bald nachdem wir die Hauptstrecke erreicht hatten, hielten wir an einer Tankstelle, um dort das Geschirr zu spülen. Wir hielten später noch, um zu tanken, und um etwas zu essen. Für die 200 km brauchten wir dadurch sechs Stunden.
Am Nachtplatz morgens nach dem Frühstück. |
Es war 17:30 Uhr (km 755.944) bis wir an der Ausreise von Costa Rica standen. Der Zoll war schnell erledigt. Wir fuhren in Richtung Grenze, um für uns die Ausreise zu erledigen. Aber schon da geriet das ganze ins Stocken. Nachdem ich an der Schlange angestanden hatte, verweigerte man mir den Stempel. Ich sollte erst spenden. "Spenden? Du meinst bestechen, oder? Wen denn nun schon wieder?", fragte ich. Wie auch immer man es bezeichnen mag, es ging darum, daß ich jemandem Geld geben mußte, und dafür keine Gegenleistung erhalte, wetten? "Nein. Wenn ich sage spenden, dann meine ich spenden. Und zwar für das Rote Kreuz." Das Wort "Spende" pflege ich immer mit dem Wort "Freiwillig" zu assoziieren. "Ok, mach ich...", sagte ich und ging zurück zum Auto. "War's das schon, fragte Gabi." "Keine Ahnung. Die wollen, daß wir für's Rote Kreuz spenden..." Das verstand Gabi natürlich nicht, das merkte man schon an der völlig falschen Fragestellung: "Wieso das denn jetzt?" Die richtige Fragestellung würde lauten: "Wie stellen wir es an, daß wir nicht zahlen müssen?" Mein Plan war, wir fahren einfach nach Nicaragua hinein und machen dort die Einreise. Ich fuhr los, auf den anderen Grenzkomplex zu. Doch da standen zwei Typen, die nach den Pässen fragten. Ich dachte, das wären schon die Nicaraguesen, aber da hatte ich mich getäuscht. Die waren wohl ausschließlich dazu da, die Ausreisestempel zu kontrollieren. Der fehlte natürlich, und das bemerkten sie und schickten mich zurück. "OK, das hat nicht funktioniert..." "Wieso hätte es auch funktionieren sollen? Dann würde es ja jeder machen..." Im Nachhinein gesehen hat sie ja sogar recht. Allerdings sehe ich die Sache ein wenig anders: "Es klappt nicht, weil es sonst jeder machen würde", halte ich in dieser Gegend für Quatsch. Richtig muß es heißen: "Es klappt nicht, weil ich es ausprobiert habe, und es hat nicht geklappt", lasse ich mir schon eher eingehen. Und selbst das stimmt nicht. Wenn es um größere Beträge ginge, dann könnte man einen Geldschein in den Paß legen, dann klappt es schon. Aber hier war es einfacher, einfach zu Spenden. Es konnten keine Unsummen sein.
Denn wäre ich mit ihrer Einstellung unterwegs, hätte ich schon am ersten Grenzübergang dieser Fahrt einen fetten Ärger gehabt. Damals habe ich es probiert und es hat zufällig geklappt. Das Denkmuster ist ein anderes, wenn auch das Resultat in diesem Falle das selbe war. Sicher war, daß man hier mit einer gewissen Beharrlichkeit auch ohne zu blechen weiterkommt. Die Frage ist nur, ob man sich's antun will. Ich würde sagen ja. Auf jeden Falle. Auch wenn es in dem Moment nervt, sich wegen ein paar Dollar stundenlang herumzuärgern, ist es doch so, daß genau diese Sachen die eigentliche Reise ausmachen. Das sind auch die Sachen, an die man sich noch Jahre später erinnert. Wie damals die erste Polizeikontrolle im Senegal. Zwar haben wir am Ende doch bezahlt, aber die Show war es wert gewesen. Und die Jungs, mit denen wir damals unterwegs waren, die würden es hier wohl fertigbringen, daß die Typen für uns spenden würden, da geh ich jede Wette ein.
Viele fragen sich:
Wieso soll ich zwei Stunden opfern, um zwei Dollar zu sparen? Meine Antwort: Weil ich es witzig finde. Klar geht es bei den meisten solcher Aktionen um nichts, aber man lernt eines: Sich durchzuschlagen, sich zu arrangieren, irgendwas zu drehen, mit Tricks zu arbeiten, die man irgendwo unterwegs aufgeschnappt hat. Lauter Sachen, die man zu irgendeinem Zeitpunkt unterwegs brauchen wird in Situationen, in denen es vielleicht um mehr geht als nur um ein paar Dollar. Und die paar Sunden, die dabei draufgehen kann man unter Lehrgeld verbuchen. Eikka war einer dieser Typen, mit allen Wassern gewaschen, immer irgendwo eine Geschichte auf Lager: Einfach aus dem Nähkästchen plaudern, auf die Tränendrüse drücken, irgendeine kranke Frau, einen toten Sohn erfinden, irgendwas hier versprechen, da schnell aushelfen, ein zurechtgemachtes Papier aus der Tasche ziehen. Am Schluß steigt er auf sein Motorrad, hat keinen Cent bezahlt, und darf trotzdem weiterfahren. Und so soll es sein.
Die Grenze zu Nicaragua. |
Und es geht - wenn man nsich von der deutschen Mentalität lösen kann, oder wenn man zumindest einsieht, daß Deutschland nicht das Maß der Dinge ist. Schon gar nicht hier draußen. In Deutschland geht immer alles nicht. Dies geht nicht, das geht nicht. Warum? Weil irgendein unnützer Beamter es sagt. Und selbst wenn es doch ginge, er würde sich allein schon deshalb querstellen, damit er nicht zugeben muß, daß es eben doch geht. Ein gutes Beispiel war mein Antrag auf einen Zweitpaß in Buenos Aires an der Botschaft. Er wurde abgelehnt. Ein halbe Stunde später hatte ich den Paß verloren und sie mußten mir einen vorläufigen ausstellen. Somit hatte ich zwei, mein Ziel war erreicht. Zwar war ein Paß nun als gestohlen gemeldet, aber das interessiert niemanden. Genau den Paß legte ich nämlich jetzt in der Barracke vor, zahlte die paar Kröten für das Tote Kreuz, bekam dafür eine schöne Briefmarke und einen Ausreisestempel in den Paß und wir durften weiter. Diesmal ließen und die beiden Posten auch durch.
Wir mußten ein wenig fahren, um zum nicaraguesischen Grenzkomplex zu gelangen. Hier sah alles noch ein bißchen heruntergekommener aus als drüben. Allerdings war der Eindruck nicht o schlimm, wie neulich, als wir von Panama nach Corsta Rica fuhren. Ich parkte das Auto und ging in das Grenzabfertigungsgebäude. Ich hatte keine Ahnung, wo ich anfange sollte - nur, daß ich erst einreisen mußte. Erst Immigration, dann Zoll. So ist es üblich. Aber wo war die Immgration? Ich wanderte das Gebäude ab. Da traf ich einen Uniformierten. "He, Kollege! Können Sie mir sagen, wo ich hin muß? Ich will einreisen!", fragte ich, ganz freundlich. "Haben Sie einen Paß?", fragte er. "Ja, klar! Da!" Ich gab ihm meinen Paß. "Americano?" "Nein! Um Gottes Willen! Bäh! Alemán!", sagte ich. "Cheil Chitler!", grüßte er ruhig und hielt die rechte Hand in die Höhe. Ich mußte lachen. "Sprichst Du Spanisch?", wollte er wissen. "Como no!? Claro que si!" "Die Immigration ist gleich da vorne", sagte er, zeigte auf ein Fenster und gab mir den Paß zurück. Da war ein Schild, auf dem Imigración stand. Nun sah ich es auch. Normalerweise erkennt man das an Menschentrauben, aber die fehlten hier. Ich ging hin und der Schalter war leer. Mein kindlicher Trieb, neue Gegenden zu erkunden ließ mich irgendwelche Türen öffnen. Mal sehen, was sich da so findet. Aber alle Türen, die ich fand, waren geschlossen. Also ging ich wieder ins Auto. "Fertig?", ragte Gabi. "Noch nicht mal angefangen", winkte ich ab, "keiner da... Stell Dich mal drauf ein, daß das hier länger dauert." Es hilft nichts. Wenn es wirklich länger dauert, habe ich sie Vorgewarnt und würde mich hinterher drauf berufen. Wenn es schneller geht, freut sie sich. Ich ging zur Immigration zurück. Immer noch keiner da. Also suchte ich den Typen auf, der mich vorhin hier hergeschickt hatte. "Servus! Ich bin's schon wieder. Bei der Immigration ist keiner da", beschwerte ich mich. Er gab mir den guten Tipp, drauf zu warten, bis jemand zurückkommt. "Wo ist denn der Zoll?", fragte ich. "Der ist da hinten" - er zeigte wieder auf ein anderes Eck des Komplexes. Dort ging ich hin. Da war jemand vorhanden. "Hallo! Mein Name ist Markus Besold und ich möchte gerne bei Ihnen einreisen - mit Auto!". Ohne auf mein blödes Gelabere näher einzugehen, winkte mich ein hinter dem Schalter sitzender älterer Herr zu sich heran. Er nahm alle Papiere an sich und blätterte alles durch. "Wo ist ihr Einreisestempel?", wollte er wissen. "Der schläft", sagte ich. "Wie, bitte? Was?", fragte er irritiert. "Ich meine, die Kollegen von der Immigration machen wohl grad Siesta, wollte ich sagen...", meinte ich kleinlaut. "Stempel holen, wiederkommen..." "Können wir das nicht umgekehrt machen? Ich meine, hier ist der Schalter besetzt, dort drüben -" "Verstehst Du, was ich gesagt habe?", unterbrach er mich. "Jaja, ist ja schon gut! Entschuldigung... Bis nachher." "Bis nachher..." Bei der Imigración war immer noch niemand, zum Auto wollte ich auch nicht, um nicht erklären zu müssen, warum nichts vorangeht oder um Fragen zu beantworten wie: "Wie kann das sein, daß niemand an der Grenze ist? Das gibt es nicht!"
Es war mittlerweile schon stockduster geworden. Gegenüber war ein Dorf, das aus Bretterbuden bestand. Da waren viele Stände mit Essen, andere machten Musik, oder schlugen einfach nur wild mit Gegenständen auf irgendwelche improvisierten Resonanzkörper. Ich hatte natürlich kein Geld bei mir. Bei einer alten Frau, die irgendwas Undefinierbares fritierte, fragte ich nach, was das sein soll. Die warf mir irgendeinen Begriff an den Kopf, mit dem ich überhaupt nichts anfangen konnte. Das sah sie mir wohl an. Sie nahm eines, tat es in eine Sowjette und überreichte es mir. "Hab doch kein Geld nicht. Sieht man das nicht?", fragte ich sie, gekünstelt empört. "Probier einfach! Kannst nicht hier sein, und das nicht kennen!" Ich biß ein Stück ab. "Und? Schmeckt es Dir?" "Weiß ich nicht!", sagte ich, "Ist zu heiß!" Nach einer Weile biß ich das nächste Stück ab. Keine Ahnung, was das war. Eine Mischung aus Reiberdatschi, Fleischpflanzerl und Pommes. "Schmeckt gut. Aber sag mir bitte nicht, was es ist." Ich unterhielt mich noch eine Weil mit ihr, dann verabschiedete ich mich mit dem Hinweis, daß ich irgendwann mal meine Einreise erledigen muß. Als ich wieder zum Immigrations-Fenster kam, war davor eine riesige Schlange. Klar! Also hinten anstellen und sich in Geduld üben...
Dann kam ich endlich dran. Ich gab meinen Paß ab. Dann wollten sie 40 US$ pro Person haben. Es geht los:
"Wofür das denn?"
"Das ist die Gebühr für die Einreise."
"Hab ich nicht."
"Wie, 'haben Sie nicht'? Sie Reisen ohne Geld?"
"Nein, ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich meinte: Ich habe kein Geld zu verschenken."
"Also, wenn Sie reinwollen, kostet das 40 US$ pro Person."
"Moment mal...", sagte ich, und ging zum Auto. "Die wollen 40 US$ pro Person", sagte ich zu Gabi. "40 Dollar? Für was das, bitte?" "Einreisegebühr! Haben wir ein paar Tage Zeit? Ich krieg das schon hin - dauert aber." Nach einer kurzen Duskussion, bei der ich mich von Gabi davon überzeugen ließ, daß sie um keinen Cent runtergehen würden. Schließlich kann der ja nicht einfach eigenmächtig einen Betrag festlegen. Wo lebt denn die? Aber wie gesagt - ich ließ mich überzeugen. Wenn ich schon hier eine Stunde Diskutieren muß, dann nochmal mindestens eine an der Grenze, dann artet es aus. Und wie gesagt: Mein Geld war's ja nicht. Ich ließ mir achtzig Dollar geben und ging wieder.
Bevor zurück zum Schalter ging, suchte ich den Typen, der mich vorhin mit seinem unzeitgemäßen Charme begrüßt hatte. Wo war er denn? Ich rannte um den Komplex. Da lehnte er an einer Wand und rauchte eine Cigarette. Ich gin hin zu ihm. "Heil Hitler, Compañero!", sagte ich. "Ah! Mein deutscher Freund! Wie läuft's? Schon fertig?", fragte er mich. "Nein. Da gibt es ein Problem. Meinst Du, Du kannst mir da einen Stempel besorgen? Hab keinen Bock 40 Dollar pro Person zu bezahlen. Kann man da nicht irgendwas machen? A, jaa... Weißt schon, wie es halt so ist, gell? Paß auf! Ich hab von der Dicken da 80 US$ geschnorrt", sagte ich und zeigte auf das Bild in Gabis Paß, den er gerade in der Hand hielt, "Machen wir Halbe-Halbe?" Er gab keine Antwort. Das bedeutet soviel wie Ja. Da nahm ich meinen internationalen Führerschein, tat zwei Zwanziger hinein und überreichte ihn ihm. Er schlug ihn auf, nahm die 40 US$, zeigte auf mein Bild im Führerschein und grinste breit. Darin hatte ich mich damals in Uniform ablichten lassen. Auch im Paß - und keiner hat's gemerkt. Ob ich beim Militär sei. Ich grinste nur und zuckte mit den Schultern. Ich glaube, er faßte es als ein Ja auf. Er gab mir den Führerschein zurück, nahm die Pässe, die 40 US$ und verschwand. Ich spazierte auf und ab und wartete... Und wartete... Und wartete noch länger... Als mir langsam die Zweifel kamen, ob er mich nicht doch abgelinkt hatte, kam er wieder zurück, gab mir die Pässe, hielt beide Daumen hoch. Nun hatte ich eine kleine Schwarzkasse, mit der ich ins Internet gehen konnte, ohne dabei überwacht zu werden - wenn es mir gelang, mich wegzuschleichen.
Ich bedankte mich und verabschiedete mich per Handschlag und dann ab zum Zoll. Das war jetzt der einfache Teil. Jetzt kam der Zoll dran. Alle Papiere auf die Theke gelegt, meinen Paß mit dem Einreisestempel auch. Und hier kriegten die ja gar nichts auf die Reihe. Außer mir war keiner da. "Hallo! Ich! Hier! Hier!", schrie ich hinter, als ich eine Gestalt durch einen Gang in der anderen Ecke des Raumes huschen sah. Der schaute mich etwas verdattert an: "Was wollen Sie?" "Na, einreisen, oder?" "Da wo Sie stehen ist heute schon zu, sie müssen zur Immigration." "Da war ich schon, jetzt muß ich zum Zoll, weil ich mit Auto einreise." "Ach so... Dann kommen Sie hier rüber, da dürfte gleich jemand kommen." Sicher. Irgendwann kommt jemand. Das war mir schon klar. Wann der kommt, ob der sich dann überhaupt meiner annehmen konnte, das stand auf einem ganz anderen Blatt und das war wahrscheinlich nicht auffindbar.
Irgendwann kam ein Hansel daher, der mir einen Stempel in den Paß haute, die Fahrzeugdaten eintrug und mich dann entließ. Er machte mich darauf aufmerksam, daß noch eine Durchsuchung des Autos anstand. Der dafür zuständige war aber nicht auffindbar. Erst, als wir uns langsam in Richtung Landesinnere bewegten kam einer daher. Alles raus aus dem Auto, alles wurde angefaßt und umgedreht, dann räumte ich alle wieder ins Auto ein. "Fertig?", fragte ich. "Ja. Jetzt müssen sie zur Desinfektion." Wir fuhren zur Desinfektion. "Ich soll zur Desinfektion", sagte ich. Das kostete umgerechner etwa drei Dollar. "Wie schaut's aus, wenn ich keinen Bock habe, das zu bezahlen?", fragte ich ganz direkt. "Dann bekommen sie keine Quittung und der Kontrollposten am Ende wird Sie wieder zurückschicken...", erklärte mir der Posten. "Mir scheint langsam es wäre viel sinnvoller, die Desinfektion nach der Fahrt durch Nicaragua vorzunehmen." Was soll ich machen? Es kam ein Typ mit einem Hochdruckreiniger und wusch das Auto ein wenig. Immerhin sah das ganze schon mal professioneller aus als die zwei Deppen im Zollager in Colón. Kaum waren wir ein paar Meter weitergefahren, kam ein Typ daher, graue Hose, weißen Hemd, sah eher zivil aus. Mit einer dieser Schreibunterlagen mit einer Klammer oben und einem Stift in der Hand gab er mir ein Zeichen zum Anhalten. "Was will der denn jetzt?" Ich kurbelte das Fenster hinunter. Er begrüßte mich freundlich und sagte, daß erzwei Dollar bekäme. Ich dachte, ich hör nicht recht. "Wie bitte?" "Ein Dollar pro Person!" Eigentlich habe ich mir vorgenommen, daß ich auf die letzten paar Meter alles bezahle, was so gefordert wird, um das ganze zu beschleunigen. Aber mein Instinkt ließ das nicht so leicht zu. "Und warum, wenn ich fragen darf?" "Steuern für die Gemeinde", sagte er. "Welche Gemeinde?", fragte ich verwundert und sah mich um. "Die da", sagt er und zeigt mit dem Kugelschreiber auf die Ansammlung von Bretterbuden, wo ich vorhin etwas zu essen bekommen hatte. "Gemeinde? So wie das aussieht kommt von meinem Steuerdollar da nicht ein einziger Cent an. Wenn Du Geld willst, dann geh arbeiten, Alter." Ich wollte schon das Fenster zukurbeln und weiterfahren. Aber er meinte, ohne Quittung würde ich nicht am Kontrollposten vobeikommen. "Was für ein Scheißland!", sagte ich. Er glaubte sich verhört zu haben, kam ans Auto und fragte nochmal nach. "Que país de mierda!", wiederholte ich ganz deutlich. Er versuchte, mir zu erklären, daß das was er tue völlig normal sei. Ich gab ihm die zwei Dollar, er stellte zwei Quittungen aus und meinte dann, als ich losfuhr, daß ich doch in meinem eigenen Land bleiben sollte, wenn es mir in anderen Ländern nicht gefalle. "Vergiß es, Deutschland ist noch viel beschissener als der Dreck hier..." Als nächstes kam der Kontrollposten. Der kam gutgelaunt ans Auto und fragte nach den Papieren, aber bevor er überhaupt richtig zu Wort kam, bekam Gabi einen dermaßenen Wutanfall, daß er einfach nur in sein Kabäusle zurückging und nichts mehr von uns sehen oder wissen wollte. Gut so. Endlich konnten wir weiter. Es war 19:30 Uhr. Siebeneinhalb Stunden für diese Grenze. Das war bisher die nervigste von allen - Westafrika mit eingeschlossen.
Es kam wieder zur der Paßdiskussion, wie neulich in Costa Rica. Im deutschen Paß steht unter "Staatsangehörigkeit / Nationality / Nationalité" statt "Deutsch / German / Allemande" einfach nur "Deutsch". Ich halte das für total bescheuert. Sowas kann nur einem hirn- und nutzlosen Beamten einfallen. Ist doch ein internationales Reisedokument. Jeder Grenzer, der kein Deutsch kann (das sind ziemlich viele auf der Welt), muß den Paßinhaber fragen, wo er herkommt. In einem Deutschen Paß wird wohl kaum eine andere Nationalität drinstehen. Auch bei den Plastikdeutschen steht als Nationalität "Deutsch" drin - warum auch immer. Aber das beweist nur wieder, daß Beamte nicht denken können. Und Gabi auch nicht, auch wenn sie keine Beamtin war, denn sie fand diese Lösung sinnvoll. Ob aus reiner Opposition oder aus reiner Blödheit, das ließ sich nicht feststellen. "Ja, in welcher Sprache soll es denn sonst drinstehen, wenn es ein Deutscher Paß ist, Du Depp!" "Na, vielleicht wenigstens in einer Hauptsprache, wie Englisch, Spanisch oder Französisch", schlug ich vor. "In einem deutschen Paß, oder was?" "Ja, gerade in einem deutschen Paß. Wer versteht schon, was 'deutsch' bedeuten soll. Anders wäre es wenn 'american', 'englisch', 'español' oder 'français' drinstünde. Aber mit Deutsch kann außerhalb des Spießerdreiecks Deustchland, Schweiz und Österreich rein sprachlich niemand mehr etwas anfangen. Zumal ich den Paß im deutschsprachigen Raum ja sowieso nie benötige, ist es nun mal bekloppt, eine Information dort einzutragen, die nur dort verstanden wird, wo ich das Dokument nie brauche. Aber wie bereits erwähnt: Mit Logik kommt man nicht weit. Weder bei Beamten, noch bei Sozialpädagogen.
Es war schon seit Stunden dunkel, aber ich fuhr weiter in das Landesinnere. Die Straßen waren in einem Katastrophalen Zustand. Oft mußte man die Straße verlassen und daneben fahren, weil das, was von der Straße selbst übrig war, nicht mehr befahrbar war. Erinnerte stark an die Straße von Marada nach Mersa el-Braiga in Libyen, die auch nur aus Schlaglöchern bestand. Die mußte streckenweise im Schrittempo genommen werden. So auch hier. Ab und zu konnte man es wagen, höhere Geschwindigkeiten zu fahren, aber ich ließ das ziemlich schnell bleiben. Zwei, drei mal geschah es nämlich, daß ich vor einem plötzlich aus der Dunkelheit auftauchenden Schlaglochfeld nicht mehr rechtzeitig zum Stillstand kam und das Auto mit Donnergetöse in ein riesiges Schlagloch schlug. Die waren heimtückisch, die Dinger. Man erkannte sie erst sehr spät. Und meine zwei Hella auf dem Dach die fehlten einfach. Von den vier, die ursprünglich am Auto montiert waren, hatte nur einer überlebt.