Gammel in Mexiko 2003
Sonntag, 22. Juni

Um halb Zehn stand ich auf. José war auch schon da. Wir packten gemeinsam das Auto. Jennifer kam auch wieder und bat mich darum, daß ich ihr erlauben solle, daß sie für mich ein Gebet spricht. Ich nahm Haltung an, Mittel und Ringfinger an die Hosennaht, Arme leicht angewinkelt, Augen geradeaus, Muskeln angespannt aber nicht verkrampft, Fersen zusammen, Füße bildeten einen 60°-Winkel, Bauch rein, Brust raus. "Ma'am, yes, Ma'am..." Sie ließ sich nicht abbringen. "No need for that..." und sprach ihr Gebet runter. "Aber ich bin doch gar kein Jude, auch wenn ich vielleicht so aussehe." "Das macht nichts, es gibt nur einen Gott." "Na, gut", sag ich, der ich von diesen Sachen nichts versteht, "aber Du hast vergessen, dem Gott zu sagen, daß er mir ein bißchen Geld schicken soll." Sie sah mich an und meinte: "Wenn Du Gott in Dein Leben läßt, dann wird er Dir das geben, was Du brauchst". Sagte ich ja eigentlich, ich brauch ja nichts anderes als Geld. Ich als ehemaliger Benediktinerschüler fand das alles ja reichlich übertrieben, aber bitte... es soll meinetwegen jeder seine Götzen haben, wie er will.

Jennifer und Allison

Es kam auch noch Garry zum Frühstück vorbei, wie jeden Tag. "Fährst Du?" "Ja, endlich fahr ich..." "Und? Das mit der Scheibe war schon ein Joke, oder?" "Nein, das war leider keiner..." "Ich dachte immer, Du wärst verrückt. Jetzt weiß ich es..." "Wieso denn jetzt schon wieder?" "Wieso!? Du wartest hier monatelang auf eine Scheibe, beklagst Dich 24 Stunden am Tag über das Wetter und jetzt fährst Du ohne Scheibe, als wäre nichts gewesen... Mich könntest Du ins Irrenhaus stecken." "Mei... Was soll man machen? Ist halt so, isn't it..?" "Schade, eigentlich, daß Du fährst, aber Reisende soll man nicht halten... Viel Glück und melde Dich ab und zu." "Werde ich machen. Und wenn mich die INS nicht rein läßt, dann komm ich einfach wieder her." "Yeah... they will give you a hard time, believe me..." Ich zuckte mit den Schultern "Face the enemy, or so, I heard..."
Jozef, ein anderer Amerikaner, der sich in Playa niedergelassen hatte, kam auch noch vorbei. Er wollte ins Internet, sah mich vor dem Auto stehen, dessen Kofferraum und Motorhaube geöffnet waren. "Es schaut so aus, als wärst Du im Aufbruch begriffen" - "I am!" "Mann, jetzt haben wir das mit den Photos nicht auf die Reihe bekommen..." Er hatte mich vor ein paar Tagen gefragt, ob ich ihm nicht ein paar Bilder seiner Steeldrum machen könnte, aber er hatte sich nicht mehr gemeldet. "Nun, falls Du jetzt nichts vorhast... Ich hab Zeit, wie Du weißt." Wir gingen zu ihm, ich machte ein paar Bilder, woraufhin er mir einfach so mal 10 Dollar in die Hand drückte. "Nein, laß mal, das kostet mich nichts." "Come on, man, you're on the road..." Ich nahm's. Wenn alle Amerikaner so wären, dann bräuchte ich mir um die Weiterreise keine Gedanken zu machen. Ich versprach, ihm die Bilder au schicken, sobald ich wieder einen LapTop hätte, das sollte in einer Woche der Fall sein.
Ich packte weiter, Zelt und Schlafsäcke waren so trocken, als es die hohe Luftfeuchtigkeit zuließ. Hoffentlich schimmelt mir das Zeug nicht zusammen. Ich brach mein Lager ab, "zum letzten mal, die Hängematt' gezupft..." Ich fragte Peter, ob ich noch eine "letzte Waschung" vornehmen könnte. "Ja, wenn die Waschmaschine frei ist." War sie natürlich nicht, also wartete ich. Derweil baute ich noch die Originalbatterie um. Die sollte jetzt eigentlich funktionieren, hatte neue Säure drin.
Peter fragte mich nach dem Sinn, heute noch loszufahren, denn mittlerweile war es wieder Nachmittag geworden. "Kommst höchstens noch bis Tulum vor der Dunkelheit, aber an Deiner Stelle würde ich morgen fahren. Kannst meinetwegen in Zimmer eins bleiben, heut Nacht." Das war ein Angebot und ich sagte zu. Außerdem war die Waschmaschine noch immer besetzt.
Ich fuhr mit José nach Maroma, um Lourdes abzuholen und sie nach Cancún zu bringen.

In Punta Maroma...

Hatte jede Menge Gepäck dabei und der Köter mußte auch noch mit. Wir fuhren. Als ich mir gerade gemütlich eine Kippe angesteckt hatte und mich in meinen Chefsessel zurückfallen ließ, dabei den rechten Arm auf die gleichnamige Lehne legte, fühlte ich wie mein Ellenbogen auf Glitsch und Glibber förmlich davonschwamm. "Iiiihh! Paß mal auf Deinen pinche Köter auf, schau mal her, der sabbert mir hier alles voll", sagte ich zu José, während ich den Köter mit dem versabberten Ellenbogen auf seinen Platz wies. Fängt ja bestens an.
Wir kamen bei Lourdes an, als sie die Tür aufmachte kam als erstes der Hundegestank aus der Bude, anschließend die Verursacher dieses widerwärtigen Geruchs. Fünf an der Zahl. Kein Wunder, daß die nicht verstehen, warum es Leute gibt, die das riechen. "Wer sich mit den Hunden schlafen legt..." So, als erstes wurde nun der Hund gewaschen, dann der Rücksitz mit einem alten Bettlaken bezogen.
Die Uhr lief, wir mußten zurück. Die Abschiedsszene, die José nun bevorstand, wollte ich mir sparen. Ich hasse das, obwohl ich lernen mußte, damit zu leben. Was soll man tun? Reise ist untrennbar mit Abschied verbunden, anders geht es nicht. Ich versuchte derweil das Auto anzuwerfen. Die Batterie schien endgültig hinüber zu sein, sie tat nicht einen Mucks.
Wir fuhren nach Playa zurück und ich ging zur Feier des Tages mir José zum Essen. Tacos mit Meeresfrüchten. Schmeckt gar nicht so schlecht, das Zeug, jetzt, wo man weiß, daß des das bald nicht mehr gibt...
Peter hatte José auch erlaubt im Zimmer zu übernachten. Ich kann mich erinnern, daß ich José mal gefragt hatte, wer denn auf das Auto aufpaßt, wenn keiner von uns da sein kann. "Der Hund". Ich fragte damals leis' für mich "Aha! Und wer paßt auf den Hund auf?" Als ich José den Vorschlag machte, den hund an das Auto zu bilden, so, daß er nicht auf die Straße laufen kann, damit er drauf aufpaßt, weil ja mittlerweile das ganze Zeug drinnen sei und die Scheibe nach wie vor fehlte, meinte er, das ginge nicht, weil vielleicht sonst jemand den Hund klaut. "Glaub ich nicht, so gerecht ist Gott dann auch wieder nicht. Dem Dieb muß man ja noch Geld geben, damit er das Viech klaut." Aber er ließ sich nicht überzeugen. Nicht mal dazu ist das Viech zu gebrauchen. "Ins Zimmer kommt er jedenfalls nicht", erinnerte ich ihn an Teres Befehl. Wir banden ihn im Hof an den Baum. "Wird der auch das Maul halten? Oder bellt der in der Nacht alle Gäste wach?" "Nein, der ist ganz brav und still..." "Sicher?" "Ganz sicher..." Au weh...


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