Nun war es nicht mehr weit bis zur Grenze. Zwei, vielleicht noch drei Stunden. Ich spürte, wie ich immer nervöser wurde. Und ich wußte jetzt schon, daß das die spannendste Grenze war, an die ich je geraten bin. Hier konnte ich nicht einfach hinfahren und schauen, was passiert, wie ich es schon zig mal getan hatte, hier konnte ich vermutlich nichts erreichen mit den Methoden, die an den Grenzen der letzten Jahre so erfolgreich eingesetzt wurden, wenn es Schwierigkeiten gab. Und Schwierigkeiten gab es sehr selten, es war immer nur eine Frage der Zeit, und davon hatte ich genug dabei. Ich räumte die Sachen in das Auto. Dann nahm ich schweren Herzens den Che-Guevara-Aufkleber vom Kotflügel, der mich durch ganz Lateinamerika begleitet hatte. Irgendwas mußte da stattdessen hin. Ich kramte die Mercedes-Benz-W123-Club-Aufkleber aus dem Gepäck.
Tankstelle einige 100 km vor Matamoros / Brownsville. |
Eigentlich war geplant, Stars und Stripes oder sowas da hinzukleben, aber soweit wollte ich mich dann doch nicht erniedrigen. Das passte so. Nicht, daß der Aufkleber darüber entscheiden würde, aber einen guten Eindruck würde er dort oben kaum machen. Und alles, was störend war und sich irgendwie wegmachen ließ, das wurde entfernt. Um 10:30 Uhr fuhren wir los in Richtung Grenze. Auf dem Weg stelle ich fest, daß wir gestern den nördlichen Wendekreis überschritten hatten. Wir waren also exakt auf der Höhe von Dakhla oder Tan-Tan, Marokko. Doch wo blieb die Wüste? Stattdessen sahen wir links und rechts der Straße immer mehr Ackerbau. Hier stimmt schon wieder gar nichts... aber ich war zu aufgeregt, um mich damit zu befassen. Die bevorstehende Grenze nagte an meinen Nerven. Was, wenn die und blöd kommen? Dann hieß es, den ganzen Weg bis Tijuana ohne Scheibe zurückzulegen und es dort nochmal mit Franks Hilfe probieren. Und wenn die Geschichte stimmt, daß die einen Acess-Denied-Stempel in den Paß hauen, dann konnte ich es eh vergessen. Dann ist hier Schluß. Und auch wenn sie uns hineinlassen, ich hatte keinen blassen Schimmer, was mich da erwartet. Sicher war, daß es teuer würde. Wie sollte ich vorgehen? Auto waschen? Sachen ordnen? Was mit den arabischen Stempeln im Paß. Unnötigerweise gleich auf der ersten Seite und zwar Mauretanien, das erst kürzlich für Schlagzeilen gesorgt hatte. Ich kam mir völlig bescheuert vor bei diesen Gedanken. Noch nie hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, noch nie. Man fährt einfach an die Grenze hin und erledigt den Papierkram und gut.
Noch einmal eine typisch lateinamerikanische Seitenstraße. |
Um 14:00 Uhr kamen wir in Matamoros an. Ich hatte beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen, es so zu machen, wie sonst auch immer. Ich konnte diese Anspannung nicht ertragen, einfach drauf und durch, wenn's bloß schon so weit wäre. Ich teilte das José mit. Er sah etwas geknickt, sah mich an, sah sich im Auto um, sah wieder mich an. Fuhr mit dem Finger über das Armaturenbrett, auf dem der Staub von mehreren Kontinenten einen rötlichen Film gebildet hatte, meinte dann: "Naja... also, mich werden sie reinlassen, hatte nie Probleme damit, wenn sie Dich nicht reinlassen, dann nehme ich meinen Hund und geh zu Fuß weiter." Überleg... "Moinsch..? Ich mein, das Auto schaut ja nicht besser aus, wenn es sauber ist, im Gegenteil, wenn es dreckig ist, sieht es aus, wie das Auto eines Reisenden, wenn es aber sauber ist, dann sieht es ziemlich abgewrackt aus." "Nein", sagte er bestimmt, "gegen die Dullen und den Rost kann keiner was tun, aber dagegen, daß das Auto aussieht, als würde es von einer Sau gefahren, da kann man was tun. Und das macht einen ganz anderen Eindruck, wenn Du mit einem alten Auto ankommst, das aber sauber und aufgeräumt ist, als wenn Du mit so einem Auto ankommst. So kannst Du nach Mexiko einreisen, nach Nicaragua, aber für die USA würde ich es ein wenig saubermachen, die mögen grundsätzlich keinen Dreck." Eigentlich hatte er recht, auch wenn es auch vielleicht nichts half, stören würde es gewiß nicht. Wir suchten uns einen Car-Wash. Nach einiger Zeit fanden wir den auch, allerdings einen Automaten. "So ein Quatsch! Seit Cancún hab ich keinen Waschautomaten gesehen. Nicht einen, immer nur Handwäsche, jetzt, wo ich eine solche such, find ich einen Automaten. Der nützte mir nichts. Erstens fehlte das Fenster, zweitens würde die Mazolaölschicht am Kofferraum davon gewiß nicht weggehen. Wir fuhren aber doch hin und fragten nach einem Lavado a mano. "Nach der Eisenbrücke rechts." Da fuhren wir hin. Alles raus aus dem Auto, waschen, saugen. Dann ging es an die hartnäckigen Mazolaölflecken am Heck. Das war mir mal aus den Kanistern ausgelaufen, hatte sich über das Heck des Autos ergossen und da war es geblieben und härtete mit der Zeit aus. Nun mußte es weg, nach fast zwei Jahren. Das dauerte mehrere Stunden, die Herren vom Waschsalon meinten, das ginge nicht weg. "Geht nicht gibt es nicht". Ich machte mich selbst ans Werk. Wir nahmen Diesel zur Hilfe. Es half ein wenig, aber nicht allzuviel. Als einer mit der Stahlbürste anfangen wollte, nahm ich sie ihm weg. "Das Öl soll weg, nicht der Lack." Das Waschen kostete 70 Peso, also 7 US$, ich versprach ihnen das Doppelte, wenn sie das Öl wegmachen und das Auto hinterher auch sauber sei. Zwischendrin gingen mir die Cigaretten aus. Als ich sie holen wollte, meinte der eine, ich soll den Muchacho schicken. Ich gab ihm das Geld für eine Schachtel Marlboro. und sagte : "Da. Mach Du meine Arbeit, ich mach Deine."Irgendwie hatte ich es wieder so prima hingekriegt, daß ich am Auto war und schrubbte und alle drei Autowäscher rumsaßen. "Ja, hopp, was los? Das hier ist Mexiko, Gringos arbeiten hier nicht..."
Die erste Autowäsche seit Panamá. |
Einer stand auf, schrubbte fünf mal über eine Stelle,
dann ging er wieder und meinte, es ginge nicht weg. Nach drei Stunden war das
Öl weitgehend weg, mit taten schon alle Finger weh. "So... schaut
aus, wie neu. Schade, daß die INS den Unterschied nicht sehen wird..."
Wir räumten alles wieder ein, und als es ans zahlen ging, wollten sie natürlich
140 Peso haben. "Nein, mein lieber. Erstens hab ich 90% der Arbeit gemacht
und zweitens ist das Auto nicht sauber. Die Tesafilmflecken, zum Beispiel, was
ist mit denen? Und was mit dem Wachs? Das ist bei der Wäsche mit dabei,
da steht's." Ich zeigte auf die Tafel, auf der Stand, daß es sich
bei der Wäsche um Handwäsche mit Konservierungswachs handelt. "Das
Wachs ist aus." Ich lachte und sagte "Tut mir Leid, das Geld ist auch
aus..." Ich gab ihm 90 Peso und verabschiedete mich.
Als Nächstes suchten wir eine Tankstelle mit Dusche. Wir fanden sie, ein
paar Meilen zurück in Richtung Mexiko. Der Bart wurde mit dem Taschenmesser
gestutzt, ich zog an meine seriösesten Klamotten an, putzte mich heraus,
so gut es eben möglich war. Dann tat José das gleiche. Hier und
da noch ein paar Details geregelt, dann waren wir fertig für den Grenzübertritt.
Fahrzeug, Ausrüstung und Besatzung klar zum Grenzübertritt. |
Jetzt geht es los. Wir folgten den Schildern zur neuen Brücke. Natürlich fanden wir sie nicht auf Anhieb. Erst verfuhren wir uns pflichtgemäß fiel mir noch ein, daß das Licht hinten links immer noch nicht ging. Ich sprang in einen Laden und kaufte zwei Birnen für 16 Peso und baute sie ein. Ich stellte dann fest, daß das Licht immer noch nicht ging, aber das war mir dann auch egal. Bald kamen wir dann auf den richtigen Weg und, nachdem wir die Richtung richtig geraten hatten, stand es auch irgendwann auch ausgeschildert: Estados Unidos.
"Abschied nehmen müssen wir, Müssen Abschied nehmen. An die Grenze fahren wir, Helfen keine Tränen." |
Wir fuhren bis wir an eine Art Mautstation kamen. Dort fragte ich nach, wo denn eigentlich der mexikanische Zoll wäre. Wir waren bereits daran vorbeigefahren. Also wieder zurück. Ich parkte das Auto, stieg aus und erledigte den Zoll. José blieb im Auto. Das hier war die wohl hübscheste Zollbeamtin, die bisher meinen Papierkram erledigt hatte. Und schon sympathisch deswegen, weil sie keine Uniform trug, ich kann Uniformenjulen nicht ausstehen. Es war alles ziemlich schnell erledigt, ich fragte dreimal nach, ob das alles sei. "Ja..." Gut, dann fiel mir allerdings, als ich schon weiterfahren wollte ein, daß ich zwar die Papiere für das Auto erledigt hatte, aber nicht meine Eigenen. Meine erste mexikanische Ausreise. Die kostete mich 20 US$. Ich hätte es wissen müssen. Mexiko ist noch Zentralamerika, der unangenehmste Teil des ganzen Kontinentes, wenn man nicht bei der Einreise zahlt, zahlt man bei der Ausreise. Aber hier war es meine Schuld, ich hätte es dadurch umgehen können, daß ich sie Ausreiseformalitäten einfach übersprang. Es hätte niemand gemerkt, denn eine Stempelkontrolle gibt es nicht. Selbst am Flughafen in Cancún hatte ich keine Ausreise vorgenommen, doch damals war ich frisch aus Zentralamerika eingetroffen und da war alles noch frisch, der Grundsatz noch im Blut, der da besagt: Erst etwas machen, wenn man aufgefordert wird. Ansonsten dummstellen und von nichts gewußt haben. Und die 20 Dollar waren das Lehrgeld. danach fuhren wir wieder an die Mautstation.
Die Zöllnerin bei der Fahrzeugkontrolle... |
Diese stand am Anfang der Brücke, die Mexiko von den Vereinigten Staaten trennt. Wir zahlten unsere 2,10 US$ und fuhren drüber. Auf dem Weg richtete ich unsere Pässe her. Am anderen Ende sah die Welt ganz anders aus. Vier oder fünf Reihen, jede mit einer Ampel versehen, Kameras überall. Mein Herzfrequenz, die sonst kaum meßbar ist, stieg in den Megaherzbereich. Obwohl es nicht schwül war standen mir die Schweißperlen auf der Stirn. Jedes Auto, das an die Haltelinie vor den Ampeln fuhr, wurde abgelichtet. Wo bin ich hier nur hingeraten, die Leute, die mir diese Horrorszenarien ausgemalt hatten, schienen nicht übertrieben zu haben.
Als nächstes waren wir an der Reihe. Ich ließ den Benz rollen, sah irgendwoanders hin und überfuhr die rote Ampel nur nicht, weil José mich rechtzeitig darauf aufmerksam machte. Ich wunderte mich, was mir mir los war. It's just a fucking border, niemals noch hat mir eine Grenze dermaßen zugesetzt und es war alles nur in meinem Kopf. Das Schlimmste, was passieren konnte war, daß sie mich zurückschicken. Die Ampel wurde grün, ich fuhr an das Häuschen. Darinnen saß ein mißmutiger älterer Herr, wohl mexikanischer Abstammung. Kein "Guten Abend" nichts. Ich hielt ihm die Papiere hin. "Mexicanos?" "Sir, I'm german and he is mexican, Sir..." Er fragte mich, ob ich ein Permit hätte. Ich setzte das mit Visum gleich und sagte ihm, daß ich dachte, Deutsche bräuchten keines. "Doch, brauchen sie schon. Parken Sie dort bei Nummer drei und dann beantragen Sie ein Permit." Ich nahm meine Papiere entgegen und den roten Zettel, den er dazugesteckt hatte, "Sir, yes, Sir." Ich fuhr exakt dahin, wohin man mich fahren geheißen hatte. Dort standen etwa sechs Uniformierte, allesamt einen SA-Haarschnitt, wie man ihn von den Amis kennt. Seite kahl, Deckhaar etwas länger. Ich stieg aus und las den Aufnäher: INS. "INS will give you a hard time", hallte mir Deweys stimme im Kopf nach. Immer und immer wieder. Das hier waren also die Jungs, die mir einheizen würden. Einer von denen kam auf mich zu, fragte mich irgendwas, doch ich war so fix und fertig, ich hielt ihm den Bündel Papiere hin. Daraus nahm er den roten Zettel, las ihn durch, fragte mich, ob ich der Mexikaner sei. "Sir, no, that's him, Sir." Ich zeigte auf José. Wo ich her sei. "Sir, Germany, Sir..."
Er erklärte mir dann, daß ich ein Permit bräuchte.
Den solle ich mir dort am Schalter holen. Ich ging also dort hin. Hier war nirgendwo
ein Fetzen Müll zu sehen, nichts war beschmiert, nichts fiel auseinander,
alles war steril. Als ich die Glastür passierte, grinste mir als erstes
Mister Bush von einem Portrait an der Wand entgegen. Ich mußte lachen,
das passiert mir immer, wenn die Lage ernst wird. "Callate, callate, Cabrón...",
zischte mir José zu. Sofort war ich wieder still. Ich schritt in das
Wartezimmer, aber es gab nicht viel zu warten. Ich kam gleich dran, José
blieb sitzen. Ich legte dem Beamten die Papiere hin. Er sah sich meinen Paß
an, von vorne bis hinten, jede einzelne Seite. "Sie reisen schon lange
durch die Gegend", er sah hinaus, "alles mit dem Auto?"
"Sir,
yes, Sir..."
"Wann sind sie in Deutschland losgefahren?"
"Sir,
am 21. August 2000, Sir." Er blätterte wieder in meinem Paß.
"Seitdem wieder in Deutschland gewesen? "
"Sir, jawohl, vom 16.
Oktober 2002 bis 16. April diesen Jahres, Sir"
"Und warum wollen Sie
jetzt in die USA?"
"Sir, es macht keinen Sinn, durch Amerika zu reisen,
ohne die USA zu besuchen, Sir."
"Schon zuvor in den Staaten gewesen?"
"Sir, nein, das ist das erste mal, Sir."
"Sie müssen sich
für ein I-94 qualifizieren, wurde ihnen das gesagt?"
"Sir, yes,
Sir" Er nahm meine Daten auf. Als er alles niedergeschrieben hatte, fragte
er mich nach meiner Adresse in Deutschland. Ich sagte sie ihm. "Können
Sie das beweisen?" In diesem blödsinnigen deutschen Paß steht
das natürlich nicht drin. Mich regt es ohnehin schon auf, daß da
unter Staatsangehörigkeit nur "Deutsch" drinsteht, womit keiner,
der kein Deutsch kann, überhaupt etwas anfangen kann und jedesmal wird
nachgefragt. Aber ich konnte ihm nicht beweisen, daß ich in der Allgäuer
Straße wohne. "Ich glaube es Ihnen auch so. Nun... wie lange wollen
Sie in Amerika bleiben?"
"Sir, ich weiß nicht, das Land ist
etwas groß, um das genau zu sagen, Sir."
"Sind drei Monate OK?"
Ich fühlte, wie ich über den Berg war, "Sir, jawohl, Sir."
Aber noch war es nicht so weit.
"Was arbeiten Sie in Deutschland?"
Das hat mir noch gefehlt.
"Sir, nichts, Sir"
Er schaute mich irritiert
an. "Sie arbeiten nichts? Und wie machen Sie es, um jahrelang zu reisen?
Arbeiten Sie unterwegs?" Mist, da hatte ich mir was eingebrockt, jetzt
meint er, ich will in den USA arbeiten.
"Sir, nein, ich arbeite nirgendwo,
Sir"
"Und wo kommt ihr Geld her?"
"Ich legte ihm die Kreditkarte
hin."
"Gut, das ist das Plastik, aber das ist nicht genug. Haben sie
ein Papier von der Bank oder Bargeld?"
"Sir, wieviel Bargeld, Sir?"
"Egal, wenn Sie einen Monat bleiben wollen, 1000 Dollar, wenn sie zwei
Monate bleiben wollen, solten 2000 Dollar genügen." Die hatte ich natürlich nicht in Bar dabei, "Sir,
ich kann unmöglich soviel Bargeld mit mir rumtragen, Sir."
"Sie
müssen mir nur beweisen, daß sie Geld haben, wenn ihnen also irgendeine
geniale Art einfällt, wie sie das anstellen, dann müssen sie mir weder
das Bankpapier zeigen noch das Geld, ich will nur sehen, daß sie Geld
besitzen." Ich überlegte, wie ich das am geschicktesten anstellen
sollte. Nach einer Weile kam mir die geniale Idee: "Sir, wenn ich vom Automaten
einen Auszug hole, auf dem der Kontostand und die Kreditkartennummer draufstehen
und ich ihnen beides und den Paß vorlege, wäre das ein Beweis, Sir?"
"Ja, das würde genügen." Püh! Gerade nochmal gutgegangen.
"Sir, können Sie mir sagen, wo ist der nächste Bankautomat ist,
Sir?"
Er zuckte mit den Schultern "Ich weiß nicht, wo in Mexiko
der nächste Bankautomat ist."
OK. Schach... jetzt war ich am Zug.
"Sir, ist hier an der Grenze keiner, Sir?"
"Nein, tut mir Leid..."
Mann, das soll Amerika sein? Ich dachte hier ist an jeder Ecke sowas, weil hier
alles nur über Karte läuft.
"Fahren Sie zurück, bringen
Sie mir den Zettel und ich lasse Sie einreisen. Ich bin noch bis etwa 10 Uhr
hier, würden Sie das tun?"
Ich blickte auf die Uhr, es war viertel
nach Neun. "Sir, jawohl, Sir." Ich winkte José und ging zum
Ausgang. Als ich mich dem Auto näherte, kam wieder der INS-ler von vorhin
und fragte "Everything OK?"
"Sir, no, Sir."
"What's
wrong?" Er sah sich meinen roten Zettel an. Hinten war ein großer
Stempel: Return to Mexiko.
"Sir, ich muß finanzielle Flüssigkeit
beweisen, Sir"
Den Zettel behielt er, "ja, haben Sie keine Kreditkarte?",
fragte er mich verwundert.
"Sir, I do, Sir"
"Und das genügt
nicht?"
"Sir, es scheint so, Sir"
"Welcome to the United
States of America", daraufhin klopfte er mir auf die Schulter, "was
werden Sie jetzt tun?"
"Sir, einen Kontoauszug holen. Ist hier kein
Bankautomat, Sir?"
"Leider nicht." Dann beschrieb er mir den Weg zurück
nach Mexiko. Verdammt. Ich fragte nach einem Colaautomaten. Den gab es. Ich
holte mir eine 0,5 Cola, setzte mich ins Auto und leerte sie in einem Zug.
"Fährst
Du mit?", fragte ich José.
"Ja..."
Ich würde das
nicht tun.
"Cabrón, Du bist drin, von Dir wollen Sie nichts, an
Deiner Stelle würde ich hierbleiben, ich werd's über kurz oder lang
schaffen, spätestens in Tijuana, aber an Deiner Stelle würde ich es
nicht riskieren, nochmal einzureisen, wer weiß, ob es beim zweiten mal
auch so glattgeht. Und nochwas: Wenn sie Dich dann nicht reinlassen, ich werde
sicher nicht wieder zurück nach Mexiko fahren, allein schon aus Kostengründen,
ich bleib dann da. Also ist es am besten, wir treffen uns auf amerikanischer
Seite wieder."
"Fahr los jetzt, hast ja gesehen, daß Du das
Problem bist, nicht ich." OK, ich fuhr also los. Der Beamte meinte noch
"hoffentlich sehen wir uns bald."
"Sir, ja, das hoffe ich auch, Sir."
Wir zahlten wieder die Brückenmaut, die hier um 10 Cent billiger war, und fuhren zurück nach Mexiko. Das war mein erster Rückschlag an einer Grenze. Alle anderen schaffte ich im ersten Anlauf. "Du bist so ein Penner", meinte José, "Du kannst doch nicht diese Grenze nehmen, als wärst Du in Afrika oder da unten irgendwo. Du bist wieder in der Zivilisation, wenn Du so einem Typen, der mitten in der Nacht da steht um sein Geld zu verdienen, erzählst, daß Du nichts arbeitest, dann stellt der Sich natürlich quer. Der hätte Dich genausogut reinlassen können, aber er tat es nicht, weil Du ihm blöd gekommen bist." Den Eindruck hatte ich zwar nicht, aber Tatsache war, daß es nicht funktioniert hat. "Was hätte ich denn sagen sollen?" "Ach, Du Trottel, erzähl ihm, daß Du Artikel für eine Zeitung schreibst, daß Du Bilder machst für irgendeinen Fernsehsender in Deutschland, erzähl ihm irgendwas, nur nicht, daß Du nichts arbeitest." Da fiel mir ein, daß mir Frank genau das geschrieben hatte: "... Die ganze Rednerei, freundlich wie immer Du kannst, sollte darauf hinauslaufen, daß Du Reiseberichte schreibst und für MBZ freiberuflich dieses für PR Zwecke machst und binnen vier Wochen wieder verschwindest." So ein Dreck, das hatte ich in der Aufregung ganz vergessen gehabt.
Wir kamen an die mexikanische Border-Control. Ich rief einen der Typen an und erklärte ihm meine verzwickte Lage. "Die pinche Gringos haben mich wieder zurückgeschickt. Ich soll einen Auszug holen, wo ist hier ein Automat?" Er sah sich ratlos um. "Die Banken hier haben schon zu, aber im Einkaufszentrum, einen Kilometer von hier, die haben noch offen und da sind Automaten." "Kann ich da wohl schnell hinfahren, ohne wieder einreisen zu müssen, ich bin vor einer Stunde ausgereist, aber ich muß echt nur kurz zum Automaten und komm dann gleich wieder hierher. Bitte?" "Ja, OK, aber wenn Dich die Polizei erwischt, hast Du ein Problem" "Danke", rief ich, und verschwand, bevor er es sich anders überlegt. Ich weiß mich trefflich mit der Polizei, doch mit der INS sehr schlecht, mich abzufinden...
Der Grenzkomplex Matamoros / Brownsville. Es war 21:43 Uhr Ortszeit. |
Wir fuhren zum Einkaufszentrum, ich sprang raus und versuchte einen Kontoauszug zu bekommen. Nach dem dritten Automaten gab ich es auf, alle meldeten diesen Service vorübergehend außer Betrieb. Mittlerweile war es fast dreiviertel Zehn. "Fuck off!" Was tun? Ich beschloß, es nochmals zu probieren. Wieder fuhren wir über die Brücke, zahlten die Maut, wieder wurden wir photographiert, doch am Häuschen stand unser Beamter. "Und, hat es geklappt?" "Sir, nein, Sir. Der Service ist zur Zeit nicht available und ich wollte nicht 30.000 Peso abheben, die ich dann hier mit Verlust umtauschen müßte. "Ja, OK, fahr mal vor, es sollte schon hinhauen..." Ich fuhr wieder vor, ging wieder in den Schalterraum. Diesmal mußte ich eine Weile warten. Als ich drankam war nicht der freundliche Beamte von vorhin am Schalter, sondern eine äußerst häßliche Beamtin. Die sprach mich gleich an mit: "Sie waren doch vorhin schon mal da, was war los?" Der sah ich gleich an, daß die Antwort Nein sein würde... "Ich wollte einen Kontoauszug holen, aber die Automaten haben das nicht auf die Reihe gebracht und ich wollte nicht so viel mexikanisches Geld abheben, das kostet zuviel um es wieder umzutauschen."
Sie bat um die Papiere.
"Haben sie einen Residenznachweis?"
"Nein, leider nicht."
"Irgendeine Stromrechnung oder Gas oder Wasser auf ihren Namen?"
Was
soll das denn jetzt? "Nein. Wozu?"
"Sie müssen beweisen,
daß sie ein Haus haben"
"Tja, das kann ich nicht beweisen, weil
ich nämlich kein Haus besitze. Reicht das nicht, wenn mein Vater drei davon
hat?"
"Wie alt sind sie?"
"28"
"Andere Leute in
ihrem Alter haben Haus und Familie"
Ich dachte mir: "...und in Deinem Alter sind viele schon
in Rente, dumme Schlampe", sagte aber "Diese Leute haben dafür auch nur drei Wochen
Urlaub im Jahr, Mam, das ist mir zu wenig."
"Sie müssen eine
Residenz nachweisen, wenn Sie das nicht können, kann ich Sie nicht einreisen
lassen."
"Gut, kein Problem, dann brauch ich meine Papiere, damit
ich wieder zurück nach Mexiko kann". Dume Fo..., keinen Bock, mich mit solchen Drecksweibern über
mein Privatleben auseinanderzusetzen. Sie sagte noch: "Ich habe Ihnen hiermit
nicht das Permit verweigert, ich sage nur, daß es heute nicht geht. Lassen
Sie ein Fax aus Deutschland herschicken, das reicht, wir können hier Faxe
empfangen, aber nicht mehr heute, denn wir machen um Elf zu."
"Jaja..."
So dringend war es dann auch wieder nicht, Mexiko ist auch ganz schön -
unter diesen Umständen. Wenigstens fühlte ich mich bedeutend
lockerer. Ich ging wieder raus zum Auto. Die Jungs von der INS kamen wieder
lachend ans Auto, ich winkte ihnen schon von Weitem zu. "He... und? Hat's
diesmal funktioniert?" "Sir, schon wieder nicht, I got the wrong officer,
Sir." "Why?" "Sir, it was a woman, Sir" "What's
wrong with women. Don't you like them?" "Sir, not this kind of women,
Sir" Alle lachten - ist doch wahr... "Sir, kann ich hier eine Weile
auf den anderen Officer warten, Sir?" "Ja, klar, wart aber hier, bis
er wieder reingeht, dann kannst hin zu ihm."
Ich wartete etwa eine Viertelstunde,
als er vom Grenzhäuschen zum Schalterraum ging, fing ich ihn ab. "Sir? May I talk to you, Sir?"
"Ja, klar, was gibt's? Hat es
nicht geklappt?"
"Nein, Sir, schon wieder nicht, diesmal wollte sie
einen Residenznachweis haben, was soll das denn? Ich dachte es ist genug, wenn
ich beweise, daß Gelder vorhanden sind? Gibt es da irgendwelche festgelegten
Kriterien oder kann da jeder irgendwas erfinden, worauf er Lust hat, wie da
unten in diesen Ländern?" Er erklärte mir, daß es so wäre,
wie er gesagt hatte. Schweden, z.B., brauchen kein Visum, weil die meistens kommen,
Geld ausgeben und wieder gingen, andere, Mexikaner zum Beispiel müssen
ein Visum haben und die müssen auf der Botschaft nachweisen, daß
sie Geld haben, daß sie ein Haus haben usw. Das, was die Mexikaner auf
der Botschaft erledigen, müssen die Europäer bei der Einreise hier
machen. Er sagte: "Ich hätte Dich jetzt reingelassen, wenn Du kein
Geld gehabt hättest wärest Du eben nicht wiedergekommen, aber leider geht
das jetzt nicht mehr, weil schon jemand nein gesagt hat. Ich meine, warum nicht?
Wir wollen ja, daß die Leute reinkommen. Was Du aber machen kannst, das
höre: Ein paar Meilen weiter ist eine andere Brücke. Wir machen hier
um Elf zu, aber die haben durchgehend offen. Versuch es einfach dort, wenn sie
Dir ein Permit geben, dann für 90 Tage. Sag, Du willst nur für ein
paar Tage rein. We don't want to give you a hard time..."
"But that's
exactly what I expected. I was told, that INS will give me a hard time..."
"Oh, come on... Swedish people are always welcome."
"Maybe that
is the problem. I'm german."
"Ah, that's the same..."
"Anyway...
thank you, Sir..." Dann ging ich wieder zum Auto, holte mir noch eine Cola,
sagte José genau das, was der Typ mir gerade gesagt hatte und fuhr dann
los. Der INS-ler sah mich fragend an, ich gab ihm den roten Zettel und sagte,
schon im Losfahren: "Farewell, Sir, this time INS won. I'm leaving, but
I'll be back!"
"Good luck!" schrie er mir nach.
Das konnte man wohl als gescheitert bezeichnen, aber es war die freundlichste Grenze, die ich seit Argentinien hatte, wenn mir das auch nicht wirklich weiterhalf. "Was tun?" José sah mich an, als hätte ich ihn weißgott was gefragt. "Ja, auf zur nächsten Grenze, Typ, oder willst in Mexiko alt werden?" Das war nicht das Problem. "Das Problem ist, daß wir jetzt schauen müssen, daß wir irgendwie unbemerkt nach Mexiko reinkommen, weil ich keinen Bock hab, 50 Dollar loszuwerden wegen drei Kilometern. "Wieso?" "Das Auto zahlt bei der Einreise, ich bei der Ausreise. Das ist Mexiko, mein Freund..." Er ließ sich in den Sitz zurückfallen. "Überlege es Dir, ob Du nicht doch da bleiben willst..." "Fahr zu, ich fahr mit..." Wir kamen wieder an das Mauthäuschen, der Typ lachte und fragte, ob wir irgend ein Problem hatten, weil wir schon zum zweiten mal vorbeifahren. "INS". Weiter, nur nicht entmutigen lassen. An der mexikanischen Border angelangt, sprang ich wieder ganz aufgeregt raus, fuchtelte aufgeregt mit den Armen, wechselte ein paar Worte, ging zurück zum Auto und fuhr los. "Was hast jetzt dem erzählt?" "Daß ich meine Kreditkarte im Automaten vergessen hab und ganz schnell zurückmuß." Also stracks zur anderen Brücke und bloß nicht in eine Kontrolle geraten. Ich fuhr den Schildern nach. An jeder zweiten Kreuzung standen Bullen, ich schwitzte, was das Zeug hielt und fuhr dem Vordermann so dicht auf, daß sie mein Kennzeichen nicht sehen konnten. nach einer halben Stunde waren wir in irgendeinem Industriegebiet, das den gleichen Namen trug, wie die Brücke.
Ich war kurz davor, auszuflippen, "warum können diese Drittweltler nicht einfach ihren Scheiß ausschildern?" Meine Nerven lagen nach dieser ersten Niederlage nun völlig blank. Wieder zurück, wieder standen wir vor dem gleichen Grenzübergang von vorhin. Zum Kotzen! Wieder umdrehen, wieder den Schildern folgen, wieder an fünf Bullenkärren vorbei. Im Schutz der Dunkelheit fiel das Auto nicht so auf, das half. Aber es war keine Garantie. Wir folgten den Schildern und kamen wieder an eine Kreuzung. Aber nirgendwo stand, wo die verdammte Brücke war. Vorhin waren wir links gefahren, also wollte ich jetzt geradeaus fahren. Die Ampel war rot, neben der Kreuzung ein Bullenwagen. Auch das noch. Ein Blumenverkäufer kam ans Auto, ich fragte ihn, wo die alte Brücke wäre. "Für zwei Dollar erkläre ich es Dir" "Vergiß es..." "Komm, gib mir einen Dollar, dann erklär ich es Dir." "OK", sagte ich und griff in meine Brusttasche, er hob den Arm und zeigte nach rechts, mehr wollte ich schon gar nicht, "paß auf, ich hab hier 5 Peso, halber Dollar, halbe Information, OK? Da..." Er erklärte den Weg und die Ampel wurde grün, ich fuhr los, um nicht aufzufallen. Ich stand in der falschen Spur, aber einen Spurwechsel wollte ich nicht riskieren. Durchgezogene Linie, das ist ein gefundenes Fressen. Wir fuhren geradeaus, dann wendete ich und bog links ab. José bat mich, kurz stehenzubleiben, "Spinnst Du, da stehen die Bullen", dann warf dem Blumenverkäufer noch ein paar Münzen hin und schrie: "Da, mein Bruder, hoffentlich hilft es Dir." Die Bullen hatten das gar nicht registriert. Aber das geht an die Nerven. Die Papiere müssen in diesen Ländern in Ordnung sein, sonst hat man ein Problem. Wenn die stimmen, dann kann einem schon mal nicht viel passieren.
Wir kamen an die Grenze und ich hoffte, daß es hier auch keine mexikanische
Ausreisekontrolle geben würde. Als wir uns am Mauthäuschen befanden,
hatten wir den ersten Teil erfolgreich geschafft. Jetzt kam es noch mal drauf
an. Es war schon kurz nach Elf, als die zweite Runde eröffnet wurde.
Dieser Grenzübergang war schon nicht ganz so pompös und steril wie
der erste. Wir bekamen wieder diesen roten Zettel. Wir stellten und unter die
Halle und es kam ein gutgelaunter INSler auf uns zu und bat um den Zettel. Er
sah mich an und fragte, ob ich der Mexikaner sei. José nahm mir die Antwort
ab. "Wo fahren Sie hin?" "Sir, nach Kanada, Sir." "Beide?"
"Nein", sagte José, "ich nur bis San Diego" Der INSler
fuhr fort: "Wißt ihr, wie die Prozedur läuft? Ihr müßt
in das Büro die Form I-94 ausfüllen. Wem gehört das Auto?"
Ich meldete mich. "Was ist das Verhältnis zwischen Euch beiden?"
"Sir, I gave him a lift, Sir." "That's it?" "That's
it..." Er fragte weiter: "Haben Sie Medikamente dabei?" Ich bejahte.
"Welche Art von Medikamenten?" "Sir, was man auf Reisen so braucht,
Sir." "Alles legal?" "Sir, in Deutschland ja, ich weiß
nicht, ob das in den USA auch legal ist, Sir." Ich zeigte auf den Kofferraum.
"Das machen wir nachher. Haben Sie sonstige Betäubungsmittel dabei,
so wie Crack, Ecstasy..?" "Sir, natürlich nicht, Sir" Er
sah José an, der dann eilig sagte: "Ich auch nicht, Sir." "Waffen?"
"Sir, auch keine Feuerwaffen, Sir." "Sonstige Waffen?" "Sir,
ja, ein Campingmesser und zwei Handspaten, Sir." "Gut, das sehen wir
uns auch nachher an. Der Hund muß im Auto bleiben, sperren Sie das Auto
ab und gehen Sie ins Büro, danach machen wir die Fahrzeugdurchsuchung."
Er hielt mir den Zettel hin. José schien etwas verwirrt. Er fragte den
INSler, ob er auch ins Büro müsse. "Ja, natürlich, ihr verlaßt
beide die 26-Meilen Zone, also brauchen beide das Permit." Da hatte er
den Salat, an der anderen Grenze hat es niemanden interessiert. Wir gingen ins
Büro, wieder grinste uns der Bushman entgegen, doch mir ist das Lachen
vergangen, denn der Wartesaal war voll. Wir warteten und warteten und warteten.
Ich ging zwischendrin mal raus, um mir eine Cola zu holen. Als ich wieder im
Wartesaal war merkte ich, daß ich schon wieder zitterte. Ich ging raus,
rauchte eine, setzte mich wieder hinein. Irgendwann, ich weiß nicht, wieviel
Zeit vergangen war, es mögen 10 Minuten gewesen sein oder auch eine Stunde,
wurden wir aufgerufen. Wir gingen beide zum Schalter, hinter dem ein Typ saß,
der an Reichspräsident Hindenburg erinnerte. Weiße Haare, Bürstenschnitt
und Schnauzbart. "Guten Abend, Sir. Papiere?" Ich gab ihm meinen Paß.
Er sah José wartend an, dann bekam er auch Josés Paß. Dann
ging es los: "Wo fahren sie hin?" "Sir, final destination is
Halifax, Kanada, Sir" "Und Sie?", fragte er José. "Nach
San Diego" Dann fragte er wieder mich: "Wo kommen Sie jetzt gerade
her?" Das ist eine dermaßen dämliche Frage, damit kann ich nichts
anfangen, aber das hier war kein deutscher Polizist, also konnte ich nicht einfach
sagen "Von draußen", sondern mußte etwas möglichst
seriöses sagen und zwar, ohne lang zu überlegen. Mexiko fiel weg,
denn ein anderes Land grenzt hier nicht an, Matamoros fiel auch weg, denn das
ist die Grenzstadt. "Sir, aus Cancún, Sir." "Was haben
Sie dort gemacht?" "Sir, nichts besonderes, ich war die letzten paar
Monate dort, Sir." "Wie? Sie gehen einfach irgendwo hin und machen
nichts ein paar Monate?" "Sir, ich bin auf Reisen und habe mich dort
eben länger aufgehalten als sonstwo." Er sah Josés Paß
an und fragte ihn auf Spanisch: "Und Sie? Wo kommen Sie her?" "Auch
aus Playa del Carmen, Señor." "Warum auch?" "Mit
ihm zusammen." Da sah er wieder mich an. "Sprechen Sie Spanisch."
"Señor, si, Señor" "Sie haben doch gesagt, sie
kämen aus Cancún. Er sagt, er sei mit Ihnen aus Playa del Carmen
hergefahren, können Sie mir das erklären?" "Sir, Playa del
Carmen ist 60 km südlich von Cancún, ich nannte nur deswegen Cancún,
weil das bekannter ist als Playa." "Ich hatte Sie aber gefragt, wo
Sie herkommen, und nicht danach, welche Stadt in der Nähe ist." "Sir,
entschuldigung, Sir." "Warum haben Sie sich dort länger aufgehalten?"
"Sir, ich habe auf eine Scheibe für das Auto gewartet, Sir."
"Und wo waren Sie davor?" "Sir, in Europa, Sir." "Was
haben Sie dort gemacht?" Er blättert in meinem Paß herum. "Sir,
ich habe Geld geholt und eine Kreditkarte, Sir." Nach einer Pause: "Wie
lange waren Sie dort?" Er legt den Paß weg, blättert darin herum,
derweil antworte ich: "Sir, vom 16. Oktober 2002 bis zum 16. April diesen
Jahres, Sir." Die Fragerei immer noch an mich gerichtet: "Und wo waren
Sie davor? Ihr Paß hat ziemlich viele Stempel..." "Sir, Belize,
Sir." "Und die vielen Stempel?" "Sir, die sind aus Zentralamerika,
Südamerika und Westafrika, Sir." Er blättert weiter darin herum,
als ich nichts dazu sage, fragt er mich, wo ich in Südamerika gewesen wäre.
Ich zähle auf. Einfacher wäre gewesen, zu sagen: "In Venezuela,
Suriname und den Guyanas nicht", aber er hat mich schließlich nicht
gefragt, wo ich nicht gewesen war. Dann war wieder José an der
Reihe. "Was haben Sie vor in den USA?" "Meine Großeltern
besuchen, vielleicht mit ihm nach Kanada fahren..." "Sie haben Großeltern
in San Diego? Wo wohnen die?" José sagte ihm die Adresse. "Haben
Sie ein Visum?" José zeigte ihm sein Visum. Er sah es sich an und
behielt es. "Warum haben Sie sich diese Uhrzeit ausgesucht, um über
die Grenze zu fahren?" José zuckte mit den Schultern, dann sah er
mich an. "Sir, ich weiß nicht, die Uhrzeit war nicht geplant, wir
sind einfah so angekommen in Matamoros, wie wie eben ankamen, Sir."beide
Pässe wurden eingescannt. Er fragte mich, was ich arbeite. "Sir, ich
schreibe Artikel für MBZ." "NBC? Können Sie das beweisen?"
"Sir, nein, momentan nicht, weil mein LapTop gestohlen wurde, mit allem
drin, Sir." "Aber ich kann doch einfach bei NBC anrufen und dort nachfragen?"
"Sir, nein, denn ich meinte nämlich nicht NBC, sondern MBZ, Sir."
"Was heißt das?" "Sir, das ist eine Zeitung in Deutschland.
Da können Sie anrufen und nachfragen." "Sie sagten, Sie haben
in Deutschland eine Kreditkarte geholt. Zeigen Sie sie mir." Ich krame
den Geldbeutel heraus, will die Kreditkarte rausfummeln, aber er meint, ich
soll ihm gleich den ganzen Geldbeutel geben. Der wurde zerlegt. Ich hatte etwa
300 US$ drin, 150 davon gehörten José, weil wir dachten, von ihm
würde eh keiner was sehen wollen. "Ist das alles an Geld?" "Sir,
ja, ich nehme nie viel Geld mit mir mit, Sir." "Und was ist das?"
"Sir, eine Eintrittskarte für ein Kino, Sir." Er fragte José.
Dieser legte ihm die American Express auf den Tisch. Der INSler nahm die Karte.
"Was arbeiten Sie?", wieder auf Spanisch. "Ich bin Tauchlehrer,
Señor." "Können Sie das beweisen?" "Ja, Señor,
ich habe das ganze Zeug, was ich dazu brauche im Auto." Der INSler zeigte
nach draußen. José spurtete los. Er sah wieder mich an. "Was
soll ich jetzt mit Ihnen machen? Haben sie keinen Bankauszug ider soetwas?"
"Sir, no, ich habe meine fixe Adresse in Deutschland und ich lasse mir
keine Kontoauszüge nachschicken, denn ich brauche sie nicht, das mach ich
alles Online, Sir" "Sagten Sie nicht, Ihr LapTop sei gestohlen?"
"Sir, ist er. Das kann ich beweisen, Sir." "Wie?"
"Sir, ich habe das Polizeiprotokoll noch irgendwo, Sir..." José
kam wieder mit seinem Zeug. "Hier, Señor, hier ist alles."
Der INSler nahm alles an sich, sah sich alles an, dann meinte er, daß
das alles schön und gut sei, aber kein Beweis. Ob er nicht etwas Schriftliches
hätte, daß er dort Arbeite, er werde wohl wissen, was für
ein Problem illegale Einwanderer in den USA seien. "Ja, Señor, das
weiß ich, aber ich habe meine Arbeit in Playa, ich bin auch Kitesurf-Lehrer,
ich hab den Kite da, den kann ich ihnen auch zeigen." "Ich fragte
Sie nicht nach Ausrüstung, das ist kein Beweis, wie gesagt. Ich fragte
Sie nach irgendeinem Papier, das das belegen kann." "Ja", sagt
José, "ich arbeite auch in einem Blumengeschäft." Er kramte
einen Zettel heraus, der INSler las sich das durch, gab ihn ihm wieder und meinte:
"Da steht, daß sie vor vier Jahren dort gearbeitet haben. Mehr nicht..."
José war verschossen. Was darauf folgte, war mehr oder weniger ein letzter
Versuch, sich den Zutritt herbeizuschwätzen. Erzählt dem Typen Geschichten
vom Pferd, auch ich blieb nicht verschont, denn plötzlich war ich sein
Tauchschüler. "Alles schön und recht, Señor Bejar, aber
wenn Sie so viel Arbeiten, dann wundert es mich, daß sie soviel Urlaub
haben." "Nein", sagte José, "in Kanada sind Leute,
die auf mich warten, denen soll ich das Tauchen beibringen." Er verstrickte
sich immer und immer mehr. Ich hab es ihm gesagt. Die, was da sitzen, das sind
Profis, die haben das jeden Tag x-Mal, daß ihnen jemand solche Geschichten
auftischt. Als José dann auch noch anfing, irgendwas über die Chefin
von Oakley zu erzählen, winkte der Typ ab und sagte, er würde ihm
zwei Wochen geben. Da fing José wieder an und fragte, ob er denn das
verlängern könne im Land, wenn er... usw. Ich stand daneben und dachte
mir: "Halt doch jetzt mal die Fresse, Mann. Du kriegst zwei Wochen, wenn
Du erst mal drinbist, dann kannst Du immer noch was drehen, wenn Du ihm auf
den Zeiger gehst, dann kannst es morgen wieder probieren." Er sagte zu
José, er solle nebenan 6 US$ bezahlen, dann sah er mich wieder an. "Sie
waren in Argentinien, wo die Taliban hocken..." Ich war überrascht.
"Sir, ich dachte, das sei Afghanistan, Sir." "In Argentinien
auch, kriegen Sie nichts mit von dem, was in der Welt los ist? Gehen Sie bitte
an die Tür dort, ich mache Ihnen gleich auf." Was kommt denn jetzt?
Er öffnete, ich ging durch die Tür und stand in einem Gang. Etwas weiter war ein Zimmer. Er hieß mich, Platz zu nehmen in eben diesem Zimmer. Dort waren zwei Stühle, gegenüberstehend und zwischen denen ein Tisch, auf dem sich ein Computer befand. Davor setzte er sich. Ich setzte mich ihm gegenüber. Auf meiner Seite befand sich eine Kamera und ein seltsames Kästchen. Ein weiterer, etwas jüngerer Beamter betrat das Zimmer, flüsterte ihm etwas ins Ohr und wartete ab. Er sah mich an, dann meinen Paß und sagte dann zum Jüngeren "nein, nicht nötig." Keine Ahnung, um was es ging. Dann fragte er mich etwas, das ich nicht verstand. "Sir, wie bitte, Sir" "Sie haben mir gesagt, Sie sprechen Spanisch", saggte er vorwurfsvoll. "Señor, ich spreche Spanisch, aber ich hatte etwas Englisches erwartet, das hat mich verwirrt, Señor." Er fragte nicht erneut, sondern sagte: "Ihren rechten Daumen auf das Glas." Ich sah mich auf dem Tisch um. Glas? "Vor ihnen liegt ein Kasten, legen Sie bitte ihren Daumen auf das Glas des Kästchens." Ich tat dies. Dann das gleiche mit dem Zeigefinger. "Und nun sehen Sie bitte in die Kamera." Das tat ich auch... "Und nun hören Sie endlich auf mit diesem blödsinnigen Sir, Sir." "Sir... a las órdenes." "Was soll das überhaupt?" Ich dachte, das das gehört sich, so... Hab ich so gelernt: "Und das erste und das letzte was ich aus Euren dreckigen Mäulern in Zukunft hören werde ist 'Sir', habt ihr Maden das verstanden?". Das sagte zumindest Gunnery Sargent Gardener in Full Metal Jacket. "OK, Sir, gehen Sie nun wieder hinaus. Wir trafen und wieder am Schalter". Dann fing er an, die I-94 auszufüllen, hielt dann inne, drehte sich um und sagte zu irgendjemandem, er solle ihm "die grüne Eine" bringen. Einige Sekunden später kam ein Beamter mit einem grünen Formular. Er füllte es aus. "Was haben Sie in ihren Taschen?" "Sir, meine Papiere und meinen Geldbeutel, Sir." "Geben Sie es her." Ich wußte nicht, was er genau meinte, also reichte ich einfach alles durch. Er sah sich den Führerschein an, dann den Fahrzeugschein. In meinem Paß trage ich immer die nationalen Fahrzeugpapiere und ein Photo. Er nahm als erstes den Führerschein, fragte mich, was das sei. "Sir, das ist mein Führerschein und das andere, das weiße, ist mein Fahrzeugschein, beides nur für Deutschland..." Dann nahm er das Photo. "Wer ist das?" "Das eine bin ich, das andere soll mal meine Frau werden..." Wie heißt sie? Ich sagte ihm den Namen. Was will denn der noch alles wissen? "Und wo ist das Photo gemacht worden?" "S... in Leipzig / Germany, S... äh..." Ob das alles sei, was ich in meinen Taschen hätte. Ich legte ihm noch den Rest hin, also meinen Schlüssel. Er schob mir alles wieder in einem Haufen zurück bis auf den Paß und sagte: "Hier, nebenan, 6 US$ bezahlen. Ich folgte dem Befehl unverzüglich und schob 6 Dollar unter dem Tresen durch. Gut, auf der anderen Seite war niemand, der sie entgegen nahm, aber das war nicht wichtig. Er gab mir meinen Paß mit dem eingetackerten grünen Papier. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Aber es war noch nicht vorbei. Er reichte mir den roten Zettel. Diesmal stand nicht "Return to Mexico" drauf. "Damit gehen Sie nun zu den Beamten draußen." "Thank you very much, Sir." Ich nahm den Zettel, steckte meinen Paß ein und ging nach draußen. Das war geschafft. Hat geklappt, ein Erfolgserlebnis. Reine Glückssache, denn José hatte nun seinen Salat. Man soll das Glück nicht auf die Probe stellen.
Ich versuchte erst mal durchzuatmen, aber INS eröffnete sofort die zweite Runde. "Alles klar, Sir? Darf ich den Zettel sehen?" Ich hielt ihm den Zettel hin. "OK, nun werden wir eine Fahrzeugdurchsuchung durchführen. Sie sagten mir, Sie haben keine Waffen, keine Drogen und auch sonst nichts verbotenes..." "Sir, das sagte ich nicht. Ich hab keinen Plan, was hier verboten ist und was nicht. Feuerwaffen habe ich keine, kann sein, ein paar Patronen, Drogen auch nicht, nur Medikamente." "Patronen?" "Sir, 0.38. Hab ich vor Jahren verloren, kann sein, daß sie im Auto sind, Sir." "Und die dazugehörige Waffe?" "Sir, keine Ahnung, wo die ist. Aber garantiert nicht im Auto, Sir." "Wir werden sehen. Sonst haben sie nichts? Sprengmittel?" "Sir, Feuerwerkskörper, Sir" "Zeigen Sie sie mir." Während wir zum Auto gingen kam ein weiterer, etwas älterer INSler dazu und begrüßte mich mit "Auf Wiedersehen. Das ist doch ein deutsches Kennzeichen, nicht? Sind Sie aus Augsburg? Und von dort hier hergefahren?" Als ich bejahte, fragte er mich, wie das denn geht. Er war in Augsburg während seiner Militärzeit stationiert und hatte eine Augsburgerin geheiratet. Während ich ihm die Geschichte erzählte, sah sich der andere den Kofferraum an. "OK", sagte er dann, "wir durchsuchen nun erst mal das Gepäck. Wem gehört was?" Ich trennte die Gepäckstücke. Legte dann alles auf einen Metalltisch, der da stand. Sie fingen mit der Durchsuchung an. Die Durchsuchung war oberflächlich. Aufmachen, reinschauen, zumachen, nächstes Gepäckstück. "Darf ich eine Cigarette rauchen?" "Sehr wohl, Sir. Aber bitte da hinten im Gras." Das beruhigt - zumindest bilde ich mir das immer ein. "OK, Sir, wenn Sie fertig sind, dann kommen Sie bitte wieder her." Geht's schon wieder los? Ich schnippte die Kippe weg und ging hin. Er hielt mir mit beiden Händen mein Messer quer vor die Nase, wartete ab und sagte dann: "Das Gesetz in den USA ist so: Federal Law, State Law, City Law." Bei jedem Punkt ging das Messer eine Stufe runter. "Wir hier kontrollieren Sie nach Bundesgesetz. Danach dürfen Sie dieses Messer haben. Sie reisen aber nach Texas ein. Die Klinge ist länger als erlaubt, das heißt, hiermit verstoßen Sie gegen geltendes texanisches Recht." Ich fragte, ob es denn OK wäre, wenn das Messer im Kofferraum läge, wo es eigentlich ja sonst auch immer ist. "Nein", sagte er, "der Besitz ist verboten, egal, wo Sie es haben." Hm... "Sir, dann schenk ich Ihnen das Messer, Sir." Er winkte ab, "darum geht es nicht. Ich sage Ihnen das nur zur Information. Sie können es mitnehmen, was hinterher passiert, ist zwischen Ihnen und den Cops." Auweh... "Sir, aber nicht, daß die mich dann einfach erschießen, ich hab da von völlig verrückten texanischen Gesetzen gehört, Sir." "Das werden die schon nicht tun, denn die werden sehen, daß Sie Ausländer sind und die Gesetze in Texas nicht kennen werden." Ich packte also das Messer wieder in den Kofferraum. Dann hielt er mir eine Dose hin und fragte: "Was ist das?" Da blieb mir fast das Herz stehen. Ich Idiot hatte nicht daran gedacht, mich des Kokatees zu entledigen, den ich vor langer Zeit in Peru gekauft hatte. "Sir, das ist Tee, Sir." Zufriedenes Nicken, die Dose hat er gar nicht aufgemacht, dann sagte er: "Das Gepäck können Sie wieder einräumen, Sir." "Sir, das ist schlecht, ich muß es sonst wieder auspacken, damit Sie den Rest des Kofferraums durchsuchen." Er sah in den Kofferraum. "Was ist in diesen weißen Tüten da?" "Das sind die Feuerwerkskörper, die ich vorhin erwähnte. Er holte die Tüten raus, packte alles aus, dann zog er einen etwas größeren Knaller heraus und sah ihn eine Weile an. "Ist das hier Dynamit?" "Sir, nein, alles nur Schwarzpulver, Sir..." Er nickte zufrieden, packte alles wieder ein, machte mich noch darauf aufmerksam, daß ich bei den Teilen auf City Law achten solle. Dann durfte ich alles wieder einpacken. "Finish?", fragte ich ungläubig. "Ja, Sir, Sie können fahren." Das verstand ich nun nicht. Das hatte nicht einmal 10 Minuten gedauert. "Wohin?" "Wo immer Sie wollen. Sagten Sie nicht, sie wollen nach Halifax? Bittesehr. Die nächste Grenze machen Sie dann mit den Kanadiern aus." Ich muß etwas verstört geschaut haben. Das war ja einfach gegangen. Verdächtig einfach. Viel zu einfach... Aber ich sah zu, daß ich weiterkam, nicht, daß die es sich anders überlegen, doch noch gescheit zu wühlen anfangen und am Ende doch noch was Unangenehmes finden. Ich setzte mich ins Auto, verabschiedete mich höflich und fuhr dann los.
Als erstes zur Tankstelle. Die war gleich nebenan. Als ich ausstieg merkte ich, daß die Geschichte noch nicht zu Ende war. "Ich Trottel..." "Was los?", fragt José. "Ich hab keine Fahrzeugpapiere..." Mist! Ich nahm meinen Papierkram, ließ das Auto an der Zapfsäule stehen und latschte die 100 Meter zurück zur Grenzstation. Die war plötzlich wie leergefegt. Ich sah mich um und um. Zu dem Verhörer wollte ich nicht hinein. Als ich mich wieder umdrehte, kam gerade der "Augsburger" aus dem Schalterhäuschen auf mich zu. "Haben Sie noch irgendwelche Fragen, Sir?" Der war ganz locker, schien so, als hätte er alle Zeit der Welt. "Ja, Sir, wo ist denn der Zoll?" Ich sah auf seinen Schild. Da stand "Customs". Ich zeigte drauf und sagte erstaunt "Customs!!! So, wir haben irgendwie vergessen, die Papiere fürs Auto auszustellen. Können wir das schnell nachholen?" Er war etwas verwirrt. "Wie meinen Sie das? Papiere fürs Auto? Haben Sie denn nichts? Internationaler Führerschein? Internationale Fahrzeugpapiere?" Ich hielt sie ihm hin. "Doch, alles hier..." "Na, also, was wollen Sie noch für Papiere?" Mann, mein Englisch ist doch nicht so unverständlich. Ich versuchte es nochmals, ganz langsam: "Ich meine amerikanische Papiere. Ich hab ja nichts bekommen für das Auto. In jedes Land, in das man einreist bekommt man Papiere, damit sichergestellt ist, daß ich das Auto nicht unverzollt verkaufe." Er schaute wieder verwirrt, dann bat er um einen Augenblick und ging zu den Häuschen, an denen man als erstes vorbeikommt, wenn man ins Land fährt. Dann kam er wieder zum Haupthäuschen, rief mir zu: "Gib mir zwanzig Minuten, um einen Anruf zu machen", dann verschwand er hinter schußsicherem Glas. Ich stand derweil herum, wie bestellt und nicht abgeholt. Dann kam er wieder heraus mit dem anderen, der die Durchsuchung des Daimlers geleitet hatte. "Es gibt keine Zollpapiere, Sie könnnen fahren." Nun war ich völlig verwirrt. "Wie meinen Sie das? Keine Papiere? Und was zeige ich vor, wenn mich die Polizei anhält?" "Na, Ihre Papiere, geben Sie her", ich gab ihm alle Papiere. "Was ist das?" "Sir, das ist mein Führerschein, Sir." "Und das?" "Sir, das ist mein Fahrzeugschein, Sir." "Hm... und das ist Ihr Paß, das Papier, das Sie vorhin bekommen haben, von der Immigration, das ist wichtig. Alles klar, soweit, das zeigen Sie vor, wenn Sie von den Cops angehalten werden." "Ja, sowieso, aber bekomme ich denn keine Papiere für das Auto? Ich meine, Sie brauchen doch irgendein Papier, das ich bei der Ausreise abgeben muß, damit ich nicht das Auto unverzollt verkaufe." Ich hatte den Eindruck, daß er mich nicht verstand, oder nicht verstehen wollte, versuchte es nochmal: "Sir, in jedem Land auf diesem Kontinent bekam ich vom Zoll - das sind in dem Falle Sie - Papiere für das Auto, verstehen Sie, was ich meine? Die tragen da die Fahrzeugdaten ein und bei der Ausreise geb ich das Papier wieder ab. Oder sie hauen einen Stempel in den Paß, daß ich mit dem Auto eingereist bin, dann sieht man bei der Ausreise: 'Aha, Sie sind mit dem Auto eingereist, wollen jetzt ohne Auto ausreisen, Zoll bezahlen'..." Jetzt schien er zu kapieren. "Ja, die da unten machen großes Aufhebens wegen Autos. We don't care about cars. Wir wollen die Personen, die sind wichtig, Autos sind uns egal. Aber machen wir es einfach so: Versprechen Sie, daß sie ihr Auto nicht verkaufen werden?" "Sir, das verspricht das Auto von selbst, es ist höchstens 10 Dollar wert, wenn überhaupt". "Na, also, das reicht vollkommen. Versuchen Sie es in Kanada, vielleicht geben die Ihnen Ihre Papiere, in den USA gibt es das nicht, wir haben gerade mit der vorgesetzten Dienststelle telephoniert und haben gefragt. Wir haben denen gesagt, daß Sie als Deutscher mit einem deutschen Auto mit deutschem Kennzeichen einreisen und die haben mir das gesagt, was ich Ihnen bereits gesagt habe." Noch mal nachgefragt: "Und Sie sind sicher, daß ich da keinen Ärger mit der Polizei bekomme?" "Wegen diesen Papieren sicher nicht. Die werden Sie nicht nach Papieren fragen, von denen hier keiner etwas weiß. Versicherung haben Sie ja, oder? Wenn nicht, dann werden Sie halt den Schaden, den Sie eventuell anrichten, selbst bezahlen, aber das ist zwischen Ihnen und den Cops, damit haben wir nichts zu tun. Zollpapiere gibt es in Amerika nicht, das kann ich Ihnen versichern." Ich sah ihn ungläubig an, aber er nickte noch: "Believe me..." "OK, ich glaube Ihnen" - bleibt ja nichts anderes übrig. "Gute Reise, Sir. Ach, nochwas. In etwa 50 Meilen werden Sie an einer der Border Patrol vorbeikommen, der Highway f:ührt Sie direkt da hin." Nun aber Schluß, ich bedankte mich: "Thank you very, very much, Sir. Good bye..."
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