Mir war überhaupt nicht klar, wohin es als nächstes gehen sollte. San Diego, was noch vor 24 Stunden klar als Ziel vor Augen lag, lag nun wieder ebenso fern wie Shanghai. Auch nach dem Gespräch mit José war nichts klarer als vorher. Doch Nora rief an. Nach dem Gespräch stand fest: USA, nicht Mailand hieß das Ziel. Wenigstens war jetzt was konkretes da an dem man arbeiten konnte.
Am Morgen setzte ich mich zu einem älteren Amerikaner an den Tisch. Er war vor einigen Tagen hier im Hotel gewesen und hatte nach Zimmern gefragt, hatte sie angesehen und war dann in ein anderes Hotel gegangen, weil das Eclipse keinen Pool hat. Aber das beste Frühstück in der Stadt, das hatte er von selbst gemerkt. Eigentlich wollte ich mich nur einige Minuten unterhalten, aber wir blieben bis kurz vor fünf Uhr Nachmittags sitzen. Gut, er hatte, was amerikanische Politik angeht, etwas komische Ansichten, aber damit muß man sich abfinden. Für ein Volk, das nicht weiß, was Krieg bedeutet ist es natürlich schon ein Trauma, wenn mal zwei Hochhäuser einstürzen. Ich unternahm gar nicht erst den Versuch, ihm das Gesetz von Ursache und Wirkung erklären zu wollen. War sinnlos.
Steve Yoder aus Denver, Colorado. |
Aber das Gespräch insgesamt doch sehr interessant, auch wenn er sich zum Schluß anhörte, wie unser Freund, der Bibelforscher. Die Araber seien nämlich diejenigen, die von Kain abstammen. Das war der, was seinen Bruder erschlagen hatte und deshalb seien sie von Natur aus böse. Amerika müsse den Willen Gottes durchsetzen und den Nachfolgern Kains Einhalt gebieten. Das Mittelalter ließ grüßen. Doch wir sprachen nicht nur darüber. So erfuhr ich zum Beispiel, daß in Colorado Leute aus Neuseeland oder aus Europa angeheuert werden, um dort beispielsweise beim Skiverleih zu arbeiten. Den Mexikanern sei es dort zu kalt. Falls ich dort vorbeikäme, solle ich mich melden, es ließe sich sicher was arrangieren. Mal sehen. Das hat mir schon zuvor einer erzählt, sonst wäre ich nicht hier in Playa, aber sammeln kann man die Informationen ja mal. Man weiß nie, was daraus wird.
José kam an, spätnachmittags, und wir gingen zum Haus von Christina. Auf dem Rückweg sprachen wir alle an, ob jemand versucht hatte, einen Rechner zu verkaufen, keiner wußte was. José versuchte, sein Auto zu verkaufen und ich ging zurück zum Hotel, mistete das Auto aus und machte es abmarschbereit. Jetzt war nichts mehr da, was mich hielt, die Dummheit, auf die Scheibe zu warten hatte mich den Rechner gekostet, also wird es Zeit, daß wir hier wegkommen.
Es war schon spät, als José mit seinem immermüden Schritt ankam. Er hatte eine Freundin im Schlepptau, Alter, geschätzt, 45. Sie war aber doch recht nett und überdurchschnittlich kultiviert, nicht nur deshalb, weil die neben Spanisch auch noch Englisch perfekt und Französisch fließend sprach, sondern weil sie einfach nicht so dummes inhaltsloses Zeug daherredete, wie etwa Telephonkarte oder viele andere, von denen man hier im Lauf der Zeit angesprochen wird. Ich wusch noch meine angefallene Wäsche und, bevor ich mich zu Feldbett legte, kam Telephonkarte vorbei und fragte nach, ob ich José gesehen hatte und ob ich den Hotelbesitzer über den Diebstahl informiert hätte. Die Antwort lautete beide Male "Ja". Sie ging. Es mag an meinem Betragen gelegen haben, daß sie, seit der Rechner weg war, nur noch kurze Fragen stellte und nicht, wie sonst, sich ungefragt an den Tisch setzte. Mag aber auch andere Gründe haben. Oder eben keinen Grund mehr, weil es nichts mehr zum Klauen gibt. Sie war der Hauptverdächtige, zweifellos, ich brauchte nur einen Beweis.
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