In der Früh nichts los. Ich hatte beim Aufräumen des
Autos noch eine Tüte Cocatee gefunden. Die war aus Peru, ich hatte sie
aus Versehen den ganzen Weg hierher mitgeschmuggelt und es nicht mal gemerkt.
Und die kolumbianische Drogenpolizei wohl auch nicht. Den gab es nun zum Frühstück.
Christian kam vorbei. Eigentlich wollte er nach Mailand fliegen, doch er hatte
eine kennengelernt, die in Cancún wohnt und schon war der Plan zerrissen. Komisch,
ging mir ähnlich, noch vor ein paar Tagen hatten wir ausgemacht, uns in
Mailand auf einen Kaffe zu treffen und nun würde keiner von uns in absehbarer
Zeit in Mailand sein. So kann es gehen. Nein... so geht es immer. Nur keine
Plane fassen, die gehen grundsätzlich schief, alles kann sich von einer
Stunde auf die andere ändern. Er reiste ab.
José kam vorbei mit all seinem Gepäck. Er hätte sich in Maroma verabschiedet
und sei nun in Playa, um das Auto zu verkaufen und um dann endlich loszufahren.
Ein Teil des Gepäcks kam ins Auto. Das war ein mittelgroßer Rucksack
und die Kite-Surf-Ausrüstung. Dann setzten wir uns vor die Rezeption und
suchten alles zusammen, was an Fehlern zu machen war beim Diebstahl. Für
uns war klar, wer der Dieb gewesen sein muß:
- Der Dieb hatte nicht gesucht und keine Suche vorgetäuscht.
- Sie hatte abgeraten, die Polizei zu verständigen.
- Sie hatte nachgefragt, wann ich gedachte, meine Batterien zu wechsln. Als
ich sagte, daß ich das bereits getan hätte, wußte sie, daß
ich nun wahrscheinlich nicht mehr in die Rezeption gehen würde.
- Sie erkundigte sich hinterher immer nach dem Stand der Dinge (wer weiß
was)?
Wir gingen zu ihrem Haus. José wußte, wo sie wohnte, doch als wir ankamen,
lag in ihrer Wohnung ein fettr Ami. Sie hatte mal erzählt, sie sei umgezogen,
das hatte ich mit halbem Ohr mitbekommen. Wir gingen zum Pizzaessen und überlegten
uns, was wir tun könnten, schmiedeten einen Plan. Zur Einstimmung schlug
ich vor, wir könnten sie einfach abstechen und ins Meer werfen. Bis die
sie finden, würden wir längst über die Rocky Mountains sein.
José fand den Plan eher schlecht und ich war auch nicht wirklich überzeugt
davon, zumal sie den Rechner hinterher schlecht rausrücken würde.
Das wär dann sozusagen übers Ziel hinausgeschossen. Der Plan wurde
daher verworfen. Kurze Nachdenkpause: "Doch nun mal im Ernst: Wir könnten
ihr eine Katze entführen und ihr einen Austausch vorschlagen, Katze gegen
LapTop, andernfalls würden wir die Katze einfach aufessen." Der war schon
besser, wir kamen der Sache näher. José meinte, man könnte zu ihr
gehen und ihr einfach erzählen, jemand hätte sie gesehen, als sie
in die Rezeption ging, sie solle es nicht abstreiten, sondern den Computer rausrücken
und die Sache wäre erledigt. Der war gut, aber mußte noch verfeinert
werden, denn wir hatten ja keinen Zeugen. Er sah am Ende so aus: José sollte
mit ihr reden und so tun, als wüßte ich von nichts. Er sollte ihr
sagen, daß ich sie verdächtige und direkt mit dem Polizeichef reden
würde, der ein guter Freund von Peter ist. Dann würde die Polizei
auch etwas unternehmen und, auch wenn sie nichts fänden, würde ihr
Name bei der Polizei stehen. Er sollte sie glauben machen, daß das Unmittelbar
bevorstehe und nur verhindert werden könne, wenn der LapTop auftauche.
Er sollte möglichst verständnisvoll sein und ihr die Indizien darlegen,
die keinen anderen Schluß zulassen. Sie brauche den Computer nicht, sondern
das Geld, also würde er ihr 200 US$ geben, sie soll ihm den Rechner aushändigen
und er würde mir erzählen, ein Freund eines Bekannten des Bruders
seines Onkels hätte ihn woanders ausfindig gemacht und die Sache sei geregelt.
Keine Polizei, sie hat ihr Geld, ich meinen Rechner, Friede, Freude, Eierkuchen,
die Sache ist gegessen. Den Plan befanden wir für gut. Doch als allererstes
galt es, herauszufinden, wo sie denn nun wohnt.
In diesem Moment kam Peter zurück aus Xel-Há und war etwas
geknickt, weil seine Ray-Ban-Sonenbrille weg war. José meinte, er solle bloß
froh sein, daß er sie selber verloren hat. Peter sagte "Nein, die hat
ein Kumpel von mir verloren, ich hatte sie ihm geliehen". Seine kleine Tochter
Michelle meinte daraufhin "Nein, Papa, er hat sie nicht verloren, er hat sie
hinterher gefunden und aufgehoben." Peter schalt sie: "Nein, Michell, das darfst
Du nicht denken, er hat sie verloren." José sagte das alte Sprichwort auf: "Peter,
Kinder und Besoffene sagen immer die Wahrheit." Peter machte seine Cigarette
aus, an der noch die Hälfte dran war und fuhr mit Michelle heim. José sprang
auf "Das war ein Signal". Was? Spint er jetzt? Wie, Signal? "Hier hat kein Mensch
von Diebstahl gesprochen, kein Mensch. Peter meinte, sein Kumpel hat seine Sonnenbrille
verloren und seine kleine Tochter mit sechs Jahren, sagt ihm in aller Natürlichkeit,
daß er sie aufgehoben hat. hast das nicht mitgekriegt?" Ich nickte, "Doch,
schon, aber wofür soll das bitte ein Signal sein?" Das wüßte
er nicht, das käme auf, momentan sieht er das nur so, daß das die
Bestätigung war, daß unser Plan gut ist. Den ziehen wir so durch.
Ein Spinner...
Wir warten darauf, daß die Telephonkarte vorbeikam, der er anschließend
bis zu ihrem Haus folgen wollte, um herauszufinden, wo sie wohnt. Währenddessen
hat er seine Papiere ausgemmistet. Es lag ein großer Stapel Papier auf
dem Tisch. Wichtiges behalten, Unwichtiges in den Müll. Adressen in Los
Angeles, in San Diego, in San Francisco, ich zog eine Amerikan Express aus dem
Stapel. "Du hast mir nie erzählt, daß Du eine AmEx hast". "Du hast
mich nie gefragt" "Kann ich mal Deinen Paß sehen?" Er hielt ihn mir hin.
"Nein, ich will den alten." Namen stimmten überein, das Bild auch, Gültigkeit
bis 11/2004. Ich bin da eher das Gegenteil gewohnt. Erst aufschneiden, was man
alles hat und wenn man dann nachfragt "Ja, das hab ich grad verloren" oder "Die
ist mir letzte Woche gestohlen worden", man kennt es ja. Ich war auch immer
sehr skeptisch, wenn José erzählte, er hätte einen Onkel in San Diego.
Es ist immer so, daß jeder überall einen Onkel hat und wenn man dann
vor Ort ankommt, hört man "Mist! Jetzt hab ich die Telephonnummer vergessen
und ich weiß nicht mehr, wo er wohnt". Telephonbuch? "Steht da nicht drin,
weil er ist so wichtig, daß er eine Geheimnummer braucht." Wie immer halt.
Aber umgekehrt ist mir das nie passiert. Das mit seinen Reisen war auch sowas.
hatte ich ihm nie richtig abgenommen, aber die Stempel waren da, darunter Ägypten,
Israel, Griechenland und unzählige Male USA. "Wo ist das Visum?" Er hielt
mir eine Karte hin. Gültigkeit bis 2009, Echtheit kann ich nicht überprüfen,
weil ich nicht weiß, wie sowas auszusehen hat. Sah aber mächtig kompliziert
aus, das Teil. Dennoch kann ich ihn noch nicht so richtig einordnen.
Wir warteten bis spät in die Nacht, doch die Alte kam nicht. Dafür
rief mein Noralein an und wir redeten Stundenlang, weil es voraussichtlich das
letzte Mal war. José legte sich auf die Sandbleche und schlief.
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