Ich wachte morgens auf, weil einer an die Tür bumperte. "Fidel?"
Es war Peter. Er meinte, er würde in einer Stunde wieder vom Tennisspielen
zurückkommen, danach wäre ich zum Frühstück eingeladen.
"Ja, glaar, ich komm dann hoch." Alles in mexikanischer Gemütolichkeit.
Bald fanden wir uns in Zimmer Zwölf ein. Peter, Eikka und ich. "Alles
wieder so, wie es war. So, wie es war, nur a bisserl schlechter. Weil nämlich
jeder etwas verloren hat. Der Kaiser den Krieg", der Peter seinen Umsatz
und Eikka seinen Geschäftsparnter, den Kanadier Janik...
Es war dasselbe Zimmer, in dem ich auch des öfteren von Paul und Vanessa
zum Frühstück eingeladen ward. Von ihr bekam ich am Vortag ein eMail.
Man fragte sich jetzt in Toronto natürlich, wo ich denn bliebe. Es stand
ja zur Debatte, daß ich nach Toronto fliege, und so halb und halb hatte
ich mich schon angemeldet, aber die Flugpreise hießen mich nach Cancún
fahren. Und nicht nur das, denn ich hatte neulich von Peter ein eMail bekommen,
daß ein paket von Nora angekommen sei. Das hatte sie im April losgeschickt.
Die mexikanische Post zeigte wieder, was sie kann: Gar nichts. Er gab es mir
auch gleich nach dem Frühstück. "Der Schmerz wird neu, es wiederholt
die Klage..." Und darüberhinaus hatte José damals ja die Decke
mitgenommen, die Petern gehörte. Die brachte ich nun zurück. So kommt
nach und nach alles wieder an seinen Platz zurück.
Erbsen mit Speck aus der Gulaschkanone und dazu Coca-Cola. Feines Frühstück in der Schwüle der Karibik. |
Den restlichen Vormittag und den ganzen Nachmittag verbrachte ich weitgehend auf
dem Zimmer unter der Klimaanlage vor dem Rechner. Nur einmal verließ ich
das Zimmer, um ins Internet zu schauen. Plötzlich hörte ich eine Frauenstimme
hinter meinem Rücken. "Ich hab doch gesagt, Du kommst zurück..."
Es war Jennifer. Sie lebt also auch noch. "Ja, gut, Du hattest Recht."
Wieso ich denn wieder da sei? "Nun, ja, mein Visum ist abgelaufen, da muß
ich raus und wieder hinein." "Wieder in die USA? Was willst Du denn
dort?" "Bleiben, wohnen, leben, Geld verdienen, alles..." "Warum
tust Du das nicht hier?" "Hier will ich nicht bleiben, hier kann man
nicht wohnen, hier kann man nur leben, wenn man Masochist ist, und Geld verdienen
schon gar nicht." Und dann ging es wieder los. Was denn an diesem Kackland
von USA so toll sei? Das sei ein Polizeistaat, der würde sowieso in wenigen
Jahren die Toilette runtergehen. "Das mag sein, Ma'am, aber bevor das passiert,
schwimmt Mexiko schon längst in seiner nicht vorhandenen Kanalisation, insofern
ist man dann doch ganz gut bedient, wenn man in den USA ist. In die Kackländer
kann man dann immer noch gehen, die haben natürlich den großen Vorteil,
daß sie nicht schlechter werden können. Was schon am Boden liegt kann
nicht tiefer fallen, nicht wahr?" Das wollte sie nun gar nicht gerne hören,
aber ich habe mal gelesen, daß man das so machen muß.
Abends ging ich mit Peter zum Essen. Rechnung ging auf mich. Danach wieder vor
den Computer. Spät am Abend beschloß ich, eine auf Pauschaltouri machen
zu wollen. Es regnete in Strömen, die Straße, die zum Blue Parrot führte,
stand unter Wasser. Man hatte sie aufgerissen, um Rohrleitungen zu verlegen, ich
stand vor einem fauligen Schlammsee. Rundum war alles lehmfarben, denn die Autos
brechen hier durch, die Brühe spritzt in alle Himmelsrichtungen, daß
es eine wahre Paracht ist und taucht alles in ein eintöniges Grau. In der
Nacht ällt es nicht auf und auch tagsüber macht es keinen Unterschied.
Ich arbeitete mich am Schlammsee vorbei und ging an die Bar. Die Kellner lungerten
herum, ich orderte ein Bier und leistete ihnen ein wenig Gesellschaft. Kaum Gäste.
An einem Tisch spielten vier Deutsche Billard, in einem Eck der Bar saßen
drei Amis, von denen einer ein Eunuch oder Mormone war, der mit gleich mit seinem
Gottesgeschwätz daherkam. "Bist Du aus den USA?", fragte ich ihn.
Er zögerte, sah mich von der Seite an und fragte, ob ich ihn schlagen würde,
wenn er jetzt sagt, daß er Amerikaner sei. "Nein, deswegen nicht. Außer,
natürlich, Du willst mich missionieren..." Es kommt allzuoft vor, daß
Amerikaner sich nicht getrauen zu sagen, daß sie Amerikaner sind. "Proud
to be an American", aber wohl nur innerhalb der eigenen Grenzen. Sowas habe
ich nur bei Amerikanern beobachtet und vielleicht bei geschichtstraumatisierten
Deutschen, die es selten oder gar nicht über die Grenze schaffen.
Als mich der Hunger wieder plagte ging ich zum Italiener, mir ein Panini reinziehen.
Wieder die Tiefsaison erwischt. Einfach absolut nichts los, aber auch gar nichts.
Ich habe Playa noch nie in einer Hochsaison erlebt. Aber das ist wahrscheinlich
ganz gut so. Wenn dieses einst verschlafene Nest den Touristenansturm widerstehen
muß, dann ist man am besten möglichst weit weg.
Voriger Tag | Zum Anfang | Nächster Tag |