Wieder ein verregneter Montagmorgen in Playa del Carmen. Als wäre es nie anders gewesen. Als ich in der Früh hinausging erschrak ich erst, weil mein Auto nicht an seinem Platz stand. Ich orderte mein Sandwich, sah mal bei Gary vorbei. Der hat inzwischen sein eigenes Geschäft hier in Playa, nur Geld bringt es nicht viel ein. "Was genau ist eigentlich mit Deinem Kopf schiefgelaufen? Du brauchst keine verdammte Greencard, weil Du Amerikaner bist, darfst dort bleiben und arbeiten. Dort drüben ist das Geld, nicht hier - hier zahlt man drauf, so oder so. Hier haben Deine Landsleute schon längst den Daumen drauf. Come on..." Jeder, wie er meint. Aber wenn der Besitzer eines Touristenbüros hier weniger verdient als ein Hilfsarbeiter dort, dann macht eindeutig einer von beiden etwas falsch, aber nicht der Hilfsarbeiter. Aber er war zuversichtlich, daß es irgendwann klappen müßte.
"Der Platz ist leer, und leer mein Herz..." |
Ich traf auch Israel wieder, den cubanischen Schriftsteller. Mit ihm und einem
weiteren gestrandeten Deutschen ging ich auf einen Margerita und eine Partie
Schach zu einem Strandrestaurant. Der Deutsche war aus Schongau, aber war schon
seit Jahrzehnten ausgewandert, sprach auch nur noch Englisch und Spanisch, wollte
von Deutschland nichts mehr wissen. Er meinte, am schlausten wäre es für
mich, einfach in den USA zu bleiben. Bei ihm hat damals Reagan eine Amnestie
erlassen und schon war er legal. Allerdings hat er fast ein Jahrzehnt darauf
gewartet. "Das ist blöd, dann kann ich ja nicht mehr heim, wenn ich
das mache." "Wer zum Teufel will schon heim?", meinte er. Und
er sah wirklich aus, als wäre er nie wieder in Deutschland gewesen, nur
seine blauen Augen verrieten, daß er kein Einheimischer war. Kaum Akzent
und perfektes Englisch, am Deutsch gebrach es dafür bereits gewaltig. Nein,
so wollte ich das nicht anstellen. Nicht, daß ich scharf wäre, nach
Deutschland zu gehen, gewiß nicht, aber es kann immer etwas passieren,
daß man eben nach Deutschland muß. Und genau bei diesem Zug laufen
die meisten der INS in die Fänge. Raus dürfen sie, aber auf gute zehn
Jahre nicht mehr hinein. Und im Endeffekt stimmt ja, was er sagt: "Wer
will schon nach Deutschland?"
Ich lieh mir Albertos Mopped aus. Es war wie früher. "Nein, Du springst
immer über die Huggel, da geht's dann kaputt." "Nein, ich spring
nicht über die Huggel, ich versprech's..." "Du bist viel zu schwer
dafür." "Ich? Schwer? Schau Dich fette Sau mal an, für das
Motorrad ist es wie eine Erholung, wenn ich drauf sitz und nicht Du..."
"Ach, nein, da ist kein Benzin drin." "Kein Problem, ich tank
voll..." "Ja, da hast den Schlüssel, aber brauch nicht zu lang..."
Immer noch der alte Gauner - schon wieder einen Tank geschnorrt. Aber was soll's,
der kostet 1,20 US$, das ist nicht wirklich die Welt. Ich brauste wieder durch
Playa mit dem Mopped. Wie eh und je, nichts hatte sich geändert. Nichts
und doch so viel...
"He, Du bist ja jetzt reich und berühmt, wie sieht es aus? Lädst
Du uns arme Mexikaner auf ein Bier ein?" Reich und berühmt? Ich? Die
Tatsache, daß ich hier in Playa bin beweist, daß nichts davon wahr
ist. Aber Bier ist immer gut. Weißt ja, wo der Kühlschrank ist. Fahr
das kühle Naß heran... Was soll man auch anderes tun, als sich von
früh bis spat vollaufen zu lassen in diesem elenden Touristennest ohne
Touristen? Wir saßen da in gemütlicher Runde und tranken das gute
alte "Dos Equis". Kunden gab es eh kaum, ab und zu kam der eine oder
andere Stammkunde, meist ausgewanderte Amerikaner, um eine Packung Kekse oder
einen Fruchtsaft zu kaufen. Eigentlich wäre es vorteilhafter, den Laden
in der Tiefsaison zu schließen, denn da zahlt man nur das Personal und
macht kaum Umsatz.
Unterbeschäftigtes Personal. |
Peter war einkaufen. Er fuhr mit seinem immer noch nicht verkauften Dodge vor
die Tür und ich ging automatisch hin und half, das Zeug hineintragen. "Oye,
nur, falls Du es nicht gemerkt hast: Du arbeitest nicht mehr hier", meinte
Pedro. Was mach ich eigentlich? "Stimmt", sag ich, "das merkt
man. Da! Alles durcheinander. Und die Teile hier sind falsch ausgezeichnet."
"Sind sie nicht." "Sind sie doch. Wie kann die doppelte Menge
vom selben Produkt das selbe kosten wie die einfache Menge? Häm?"
"Gut, hast Recht..." "Mein Gott, ihr seid wie Weiber, kaum ist
man mal drei Monate weg, geht der Saustall los. Gleich fliegst hier raus, wenn
das nochmal vorkommt..."
Abends ließ ich mich im Blue Parrot vollaufen. Erst quatschte mich eine
Amerikanerin an - eigentlich wollte ich das ja machen. Sehr blond, sehr hübsch
und Kalifornierin, aber leider verheiratet, wie sich herausstellte, nachdem
ich wieder mit der Tür ins Haus gefallen war. Das sollte ich mir vielleicht
abgewöhnen, in jeder Amerikanerin sofort eine Greencard zu sehen. Mal schauen.
Gelegenheit dazu bot sich einige Stunden später. Nicht blond, nicht blöd,
aus Texas. Diesmal fragte ich nicht in den ersten fünf Minuten, sondern
erst nach einer halben Stunde. Gleiches Ergebnis. "Wieso seid ihr Amerikanerinnen
alle verheiratet? Alle Eure Ehen da drüben gehen über kurz oder lang
den Bach hinunter, schau Dir mal die Scheidungsrate an. 54% bei Erstehen, 75%
bei Zweitehen."
Dann heuerte ich den Ami aus Zimmer 3 an. "Du findest mir jetzt so eine
verdammte Amerikanerin, dafür bekommst Du sagen wir 10% meines Nettoeinkommens.
Davon kannst Du hier gut leben. Wie sieht es aus?" Wir zogen los, aber
kamen ohne Beute wieder heim. Verdammt, die Brüder von der INS machen es
einem wirklich nicht leicht... Muß man sich schon so weit erniedrigen,
und bei Geschöpfen knechten gehen, die man früher keines Blickes gewürdigt
hätte. Das sind vielleicht Zustände...
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