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»Goodbye Piccadilly, farewell Leicester Square...«
Endlich war es wieder mal soweit. Vier Monate nach dem eigentlich angesetzten Termin konnten wir los. Die Papiere vom DVLA waren am Freitag angekommen. Eigentlich hatten wir sie am Montag erwartet, aber die Königliche Post und die unbürokratischen Behörden des Königreichs erwiesen sich wieder einmal als besonders effektiv. Am Dienstag hatte ich endlich alle Papiere zusammen, die ich brauchte, um das Auto in England zuzulassen:
Mit diesem Stapel Papiere ging ich zum DVLA (Department of Vehicles of Los Angeles – oder so), also zur Verkehrsbehörde. Dort gab ich alles ab und man versicherte mir, daß alles bis “spätestens Montag” da sein würde. Nun gut. Viel konnte ich nicht ausrichten. Expressumschläge fielen da das Kreditkarten-Gerät ausgefallen war und ich moderner Mensch sogut wie nie Bargeld bei mir habe. Aber selbst dann hätte mir das nur zwei Tage gebracht. Die Antwort kam aber schon per normaler “First Class” drei Tage später an. Das MOT-Zertifikat, das auf das Augsburger Kennzeichen lautete, ein Dokument, das mich dazu berechtigte, das Kennzeichen MYX 658X zu prägen, und der Versicherungsnachweis. Der Versicherungsnachweis ist einfach ein normales DIN-A4-Blatt auf dem steht, daß das Kraftfahrzeug mit der Fahrgestellnummer WDB12312010327641 auf Markus Besold versichert ist bis Juli 2011, und schließlich die Steuermarke. Mit dem Dokument für die Kennzeichen fuhr ich zur Werkstatt und ließ sie mir prägen. Britische Kennzeichen bestehen aus einem Plexiglas, auf dem eine Plastikfolie hinten drauf geklebt ist, die die Buchstaben und Zahlen enthält. Kriegt man in jeder Werkstatt. Normalerweise bekommt man all diese Dokumente auch gleich, aber in meinem Fall mußte alles erst nach Schwanensee, wo auch eine InterPol-Überprüfung gemacht wird, wie mir an der Führerscheinstelle gesagt wurde. So läßt man also in England ein Auto zu. Keiner fragt mich, ob ich verheiratet bin, ob ich mit meiner Frau verkracht bin und ob meine Eltern bereit sind, höhere Müllgebühren zu bezahlen, wie es in Deutschland der Fall ist, auch brauchte ich nicht meinen Paß vorzuzeigen und mich “orrdnongsgemäß beim Reichssicherheitshauptamt” anmelden oder ähnliches. Alles easy – obwohl Auto und Fahrer praktisch neu zugezogen sind. “Rule Britannia! Britannia rule the waves, Britons never never shall be slaves!”
Ich fuhr also los und holte die Kennzeichen ab, bekam bei der Werkstatt gleich noch das MOT-Zertifikat, das auf das englische Kennzeichen lautete und fuhr nach Hause zurück. Dort packte ich mein Hab und Gut in das Auto und fuhr los. Die Wohnung wird in der Zwischenzeit untervermietet bis ich wieder zurückbin. Wir fuhren los in Richtung Kanalküste. Ich hatte diesmal den Zug gebucht. Die Fähre am Sonntag hätte nur 35 GBP gekostet, der Zug am Samstag 79, aber da wir nun wirklich loswollten, widersprach ich nicht groß. Außerdem zahlte Almut, und die mag Geld sowieso nicht, sondern nur die damit verbundene Arbeit – oder hat jemand geglaubt, wir fahren zum Vergnügen nach Pakistan? Ich, hingegen, begnüge mich in meiner Bescheidenheit mit dem Geld und überlasse meiner ehrenwerten Frau Gemahlin großzügigerweise die ganze Arbeit. Deshalb hat sie mich ja auch so gern. Mich stört vielmehr dieses dumme Kind. Wenn es meint, mir mein Fahrgeld verfressen zu müssen, dann kann es leicht passieren, daß es sich dabei einmal verschluckt. Aber warten wir es ab. Vielleicht gibt es sich ja mit der Mutter zufrieden, auf die ich wiederum großzügig, wie ich nun mal bin, verzichte – und damit eine historische Ausnahme mache von der eisernen Regel, die da lautet “Nobody steals our chicks – and lives!”
“Zero Hour” war eigentlich auf 12:00 Uhr Mittag festgelegt, aber natürlich kamen wir wie erwartet eben nicht um 12:00 Uhr los, sondern erst um 14:15 Uhr. War ja klar. Aber was kümmert es mich? “Zero Hour” war ja schon mal im März gewesen. Pläne kommen, Pläne funktionieren nicht, Pläne gehen – besoldsche Hirnlosigkeit bleibt. Das ist die berühmte rote Linie, die sich durch mein leben zieht. Man lernt, damit zu leben. Kilometerstand: 317.207. Exakt 500.000 Kilometer fehlen dem Blauen gegenüber dem Braunen. Der Zug legt ab um 16:50 Uhr, das Navi sagt “ETA 16:20″, doch wir waren in London. Almut hatte einen Stau mit einberechnet und daher die Abfahrt auf 12:00 Uhr festgelegt. Sie sollte mich eigentlich mittlerweile besser kennen. Aber sie bekommt hier nur wieder mal die Quittung für ihre nur als irrsinnig zu bezeichnende Manie, immer an das Gute im Menschen zu glauben.
Auf halbem Wege fiel mir ein, daß ich ja gar keine Fahrzeugpapiere hatte. Ich hatte nichts, was meinen Namen irgendwie mit dem Auto in Verbindung brachte. So ein Dreck. Wie hab ich das nur übersehen können? Ich ging davon aus, daß wir den Zug würden wohl sausen lassen. So können wir nicht fahren. Wir landeten am Check-In. Man schiebt die Kreditkarte mit der man gebucht hatte in den Schlitz und bestätigt die Buchung. Dann geht die Schranke auf und man kann durchfahren. Vom Automaten erhält man einen Ausdruck, den man an den Spiegel hängt. Auf unserem Stand der Buchstabe K. Zwar hatte ich bei der Buchung schon das englische Kennzeichen angegeben, aber am Auto hatte ich immer noch die deutschen Kennzeichen drauf. Der Zug fuhr um 16:50 Uhr, es war nun 16:20 Uhr, also eigentlich müßten wir sofort durchfahren. Doch ich sah einen “Double A”, also einen AA, das ist das britische Pendant zum “Triple A”, also zum AAA, dem amerikanischen Pendant zum ADAC. “Da muß ich rein!” Ich ging dort hinein und fragte, was man denn als guter Engländer so an Papieren mitnimmt, wenn man ins Ausland fährt. Die Antwort lautete: “Die MOT und den versicherungsnachweis”. Das klang nicht seh überzeugend. Ich hakte nach: “Und was zeige ich vor, wenn mich z.B. in Frankreich die Polizei anhält?” “Na, das was ich eben sagte: MOT und Versicherung.” Ich erklärte ihm, daß ich aber dennoch kein Dokument besäße, das meinen Namen mit dem Auto in Verbindung bringt. Nur ein DIN-A4-Blatt von der Versicherung, das theoretisch jeder am Drucker rauslassen könnte, und selbst da ist nur die Fahrgestellnummer drauf. “Ist das Auto denn versichert?”, fragte er. Klar ist es das – noch. “Verkehrssicher ist es auch, also ist alles in Ordnung. Die können höchstens noch eine Anfrage machen, ob das Auto gestohlen ist. Aber das könnten sie sowieso. Ich verstehe nicht ganz ihr Problem. Solange mit dem Auto alles in Ordnung ist haben Sie doch gar kein Problem.” Und er kennt wohl deutsche Behörden nicht. Aber nachdem ich zusätzlich auch noch bei einem zufallsgenerierten Autofahrer nachfragte und exakt die gleiche Antwort bekam, fuhr ich also zum Zug.
"Photographieren verboten." |
Wir fuhren auf den Zug, der uns ans Festland bringen sollte, wo schon die erste Reiseunterbrechung auf uns warten würde. Papiermäßig fehlte nämlich doch noch so ziemlich alles. Die deutschen Papiere mußte ich bei den Briten abgeben, der englische Brief war nicht vorhanden. Aber Almut ist wohl der Ansicht, daß es schlauer ist, in Deutschland auf die Papiere zu warten, die in England ankommen. Macht mir gar nichts. Mir ist es egal, wo ich gerade Luft verbrauche, und schneller wird es dadurch auf keinen Fall gehen. Manchmal bin ich wie eine dieser Drehtüren, die mich in Norwegen zur Weißglut brachten. Wenn man sich dazu hinreißen läßt, sie anzuschieben, dann bleiben sie ganz stehen. Während der Zugfahrt nahm ich die deutschen Kennzeichen von der Halterung und brachte die englischen stattdessen an. Die Steuermarke wurde an der Windschutzscheibe angebracht und ab sofort waren wir Engländer im Urlaub – zumindest für alle, die nicht genauer hinsehen.
Nach etwa 35 Minuten landeten wir in Frankreich. Die Ansagerin bat uns höflich, darauf zu achten, daß wir nicht auf der falschen, sondern auf der richtigen Seite der Straße fahren. Das kriegen wir auch noch hin. Wir fuhren von Calais nach Westen, Richtung Dünkirchen, mehr oder weniger auf den Spuren Montgomerys, von dort dann in Richtung Köln. “Über die Schelde, die Maas und den Rhein stießen die Panzer nach Deutschland hinein. Husaren der Freiheit im khaki Gewand, so haben sie Deutschland im Sturm überrant…”
Wir fuhren nach Köln zu Sandra und blieben dort übernacht. Sie hatte kein Bier im Haus, also fuhr ich nochmal los zur Tankstelle, um ein paar Flaschen zu holen. Ich stieg aus, ging in die Tankstelle hinein und wollte die vier Flaschen bezahlen. Das ganze dauerte vielleicht eine Minute, aber damit schon zu lang. Schneller noch war die Umwelt-Gestasi, die mir befahl, sofort den Motor abzustellen. Das sei schlecht für die Umwelt. “Jawohl, mein Fuhrer!”, sagte ich, stieg ein und fuhr weiter. Kein Zweifel, wir waren wieder in Deutschland – dabei sind die Kölner angeblich noch relativ locker.