< Oktober 2010 > | ||||||
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Es war gegen Mittag, als ich aufwachte. Didi reparierte oder wartete etwas am G, und ich stellte fest, daß unser Spaten fehlte. "Alter! Haben mir die Kanacken von gestern tatsächlich den Spaten gestohlen!", stellte ich lautstark fest. Wir waren alle etwas überrascht. Was wollen ausgerechnet die Penner denn mit einem Spaten? Der ist nichts wert und man kann damit nicht viel anfangen außer vielleicht arbeiten, und offensichtlich liegt diesem herumlungernden Pack nichts ferner als das. Uns fehlt er halt, wenn wir mal wieder einsanden. Solange der G dabei ist, ist das weniger wild, aber schon ziemlich bald werden sich unsere Wege trennen. Ärgerlich, sowas. Und finde einer hier mal einen anständigen Spaten mit dem man auch buddeln kann. Dieses "Cheap-cheap-China" Zeugs, wie Didi es zu nennen pflegt ist ja bekanntlich qualitativ nicht gerade das, was man als "expeditionstauglich" bezeichnen würde.
Wir wollten uns langsam fertigmachen zum Aufbruch. "Wohin, eigentlich?", fragte ich aus Neugier. Wir verzogen uns in den einzigen noch vorhandenen Schatten, also in die Hütte und warfen einen Blick in die Karte. Wir beschlossen, nach Norden in die Wüste zu fahren. Genauer gesagt nach Nordwesten. Noch genauer gesagt: Einen richtigen Plan wohin es gehen sollte hatte eigentlich niemand, was insofern gut war, als daß er dann nicht schiefgehen konnte. Ich holte noch meinen Paß ab, was wider Erwarten prblemlos ging. Ich hatte den Polizisten von gester abend nicht mehr gesehen und dachte mir, er wäre vielleicht mit meinem Paß längst über alle Berge. Aber er hatte ihm beim Kollegen gelassen, der in einer Hütte schlief. Ich klopfte, er stand auf, gab mir unaufgefordert meinen Paß und legte sich wieder hin. Wir waren nun in der "Dasht-e-Lut", und diesmal wußte ich es. Die Dasht e-Lut ist laut National Geographics die trockenste und heißeste Wüste der Welt - wenngleich das meines Wissens auch über die Atacama behauptet wird und auch über gewisse Gegenden in den USA. Und daß sie heiß ist, das kann ich nun auch bestätigen, erst recht deshalb, weil die Klima nun nicht mehr geht. Ausgerechnet jetzt, natürlich und selbstverständlich.
Didi fuhr voraus, wir hinterher. Verkehr war keiner. Ich sah nur ein Auto, einen PKW, links auf einer Piste stehen. Die Piste sah verlockend aus und führte von der Straße weg direkt in die Wüste in nordwestlicher Richtung. Wir aber blieben auf der Straße und fuhren in nordöstliche Richtung. Wir hielten an einer Tankstelle, um nachzufragen, ob wir auch in der richtigen Richtung unterwegs waren. Die Tankstelle war nch im Bau und es war niemand zu sehen, außer zwei LKW. Dann fragten wir eben einen der Fahrer. Der meinte, daß wir richtig sind, auf dem Weg nach Nehdanban, und daß alles kein Problem sei. Zum Dank für diese Information gab ich ihm zwei Granatäpfel - von denen hatten wir wirklich mehr als genug. Wieder im Auto schnitt ich auch mir einen davon auf und begann, die Kerne zu fressen. Weiter ging es unter der sengenden persischen Sonne durch die Dasht e-Lut. Ab und zu hielten wir zwecks Kommunikation - die Handys funktionierten hier draußen nicht mehr und die nächste größere Stadt war recht weit. Wir passierten wieder eine dieser grenzartigen Anlagen, die uns aber ohne anzuhalten passieren ließ. Seltsamerweise stand da ein Schild mit der Aufschrift "Zoll" auf Französisch, Persisch und Deutsch. Französisch ist ja noch nachvollziehbar, denn diese Sprache kommt in Zollangelegenheiten oft vor, man denke nur an das "Carnet de Passages". Aber wieso auf Deutsch? Das weiß der berühmte Geier. Wir haben es nie herausgefunden.
Heike stellte fest, daß wir immer näher an die afghanische Grenze kamen. Irgendwie mochte sie das Thema Afghanistan nicht. Ich verstehe ja, daß sie sich Sorgen darum macht, daß die Afghanen uns wohl ohne Visum nicht ins Land lassen würden, aber dann bleiben wir halt einfach im Iran - wo ist das Problem? Aber vielleicht machte sie sich auch nur Sorgen wegen dieser afghanischen Schmuggler, die auch hier in diesem Gebiet angeblich operieren. Solche Sorgen hatten wir bei uns an Bord nicht. Die waren längst schon über Bord geflogen. Die Opium-Schmuggler haben anderes zu tun, als sich mit "Little Money" wie uns aufzuhalten, abgesehen davon bringt es eh nichts, sich Sorgen zu machen, denn "wen es soll, den trifft's ja doch". Außerdem ließ die Straße nicht viel Auswahl, wir konnten entweder weiter nach Nordosten oder zurück nach Südwesten, aber da kennen wir ja schon alle, also fuhren wir weiter. Und die Piste, die laut Karte hier irgendwo sein soll, von der sah man natürlich nicht die allerkleinste Spur. In Nehbandan, das Luftlinie etwa 70 km von der Grenze entfernt liegt, kauften wir etwas zu trinken, wir übernahmen wieder die Führung des Konvois, und die Straße ging weiter nach Norden, bald darauf endlich nach Nordwesten. Wir hielten auf Birjand zu und freuten uns auf eine Wüstennacht in der Dasht e-Lut.
Die Sonne setzte sich schon, aber die Gegend war gut, um Nachtplätze zu finden. Wir passierten wieder eine Polizeikontrolle, wieder eine größere Anlage, aber sie ließen uns passieren. Ich beobachtete den Rückspiegel und hoffte, daß es bei den anderen auch so glatt laufen würde. "Scheiße! Jetzt haben sie die anderen rausgezogen", sagte ich. Wenn das mal nicht ewig dauert. Noch ist es hell. Ich ließ das Auto kurz nach der Absperrung stehen, fragte einen Polizisten, ob das in Ordnung sei und latschte zurück. Heike und Didi waren auf den Parkplatz geschickt worden. Ich kam hinzu. Ihr Auto wurde durchsucht und einer der Polizisten war ein ziemlich schmieriger Typ. "Paß auf, daß der uns nichts unterjubelt", sagte Heike. Lebt wohl schon zu lange in Deutschland. Was hätte er davon? Zuviel Aufwand. Meine Sorge war eher, daß er etwas mitgehen läßt. Die anderen waren in Ordnung und eher nur neugierig. Aber dennoch ging nichts voran. Ich versuchte, ihnen klarzumachen, daß die Sonne bald weg sei und das für uns eher nicht so vorteilhaft ist. Aber auch das half nichts. "Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß ich diesmal nicht schuld bin, daß wir wieder in die Nacht kommen", verkündete ich feierlich. Ich bat einen Polizisten um Erlaubnis, unser Auto auch dazuzustellen, denn das stand außerhalb meiner Sichtweite. Ich ging zum Auto, schickte Almut zurück, vielleicht konnte die ja was bewegen, immerhin war sie die einzige von uns, die die Sprache einigermaßen verstehen konnte, auch wenn die hier schon einen seltsamen Dialekt sprachen, wie sie sagte.
Ich stieg in den Benz, aber ich durfte ihn nicht einfach so zurückfahren, sondern mußte zurück, dann wieder umdrehen und dann erst durfte ich mich neben den G stellen. Ich stellte ihn allerdings mit etwa 30 Metern Abstand daneben, nicht, daß die noch auf die Idee kommen, unsere Karre auch noch zu durchsuchen. Nun war es dunkel und wir standen da und fragten uns und die Polizisten, warum wir nicht einfach fahren können. Aber die meinten, sie müßten noch telephonieren. Endlich, nach einer dreiviertel Stunde, ließen sie uns weiterfahren. Wir gaben Gas. In der nächsten Ortschaft angekommen, fuhr ich an einer Tankstelle hinaus, und ich konnte gar nicht so schnell schauen, wie die Polizei herangeschossen war und uns absolut ignorierend auf den G zufuhr. Ein Polizist stieg aus und textete irgendwas ins Auto hinein. Währenddessen wurde eine abgerissene Gestalt auf unser Auto aufmerksam. Der wollte irgendwas, aber ich hatte keine Zeit, denn nun hatte der Polizist wohl gemerkt, daß wir ein aus zwei Fahrzeugen bestehender Verband waren. Er meinte, wir sollen ihm hinterherfahren. Irgendwie war eine Aufregung zu spüren. Der Polizist war schon unterwegs zum Polizeiwagen, da sah er die abgerissene Gestalt, die gerade an unsere Beifahrertür klopfte. Er kam zurück und brüllte die Gestalt an. Habe zwar kein Wort verstanden, aber die Gestalt war plötzlich in der Dunkelheit verschwunden. Wir fuhren dem Polizeiwagen hinterher. "Was soll die ganze Aufregung?", fragten wir uns. Immerhin fielen wir nicht auf den ersten Blick als Touristen auf. Die hatten uns immerhin durchgewinkt und übersehen.
Nun ging es mit Polizeieskorte weiter bis Mood. Dort wartete schon die nächste Eskorte und wir fuhren nun mit der Polizei von Mod weiter in Richtung Birjand. Das ging etwa eine halbe Stunde, dann stoppte die Polizei mitten auf der Autobahn am Seitenstreifen. Sie warteten auf die Ablösung durch die Polizei Birjand, aber die war noch nicht da. Wir standen eine Weile mit laufendem Motor, stiegen dann irgendwann aus und unterhielten uns sogut es ging mit den Polizisten. Wo wir herseien, wo wir hinwollten, das übliche. "Police Iran good?", fragte der Polizist. Wir antworteten unisono "Yes!". "Police Germany good?" und wie aus einer Kehle alle vier: "Nooooo!" - zumindest von unserer Seite kam das aus tiefster Überzeugung. Ich fragte nach dem Grund für den ganzen Aufwand, ob es denn ein Problem gibt. Minen? "No. No problem", sagte der Polizist und ging mit mir von der Straße hinunter ein Stück in die Wüste. "See? No problem. No toilet." Aha. Es gibt kein Problem, aber auch keine Toilette. Nun wieder auf der Straße zeigte er in die eine Richtung, sagte "Car", zeigte auf unser Auto, sagte auch wieder "Car" und machte mit beiden Fäusten eine Bewegung des Zusammenstoßens: "Problem." Ah, also Unfälle waren das Problem. Dann verlassen wir die Straße und schlafen in der Wüste. Nein, Wüste Problem. Wie jetzt? Straße Problem, oder Wüste Problem? Wir konnten undsere reizende Diskussion jedoch nicht zu Ende führen - wenn die überhaupt zu Ende gegangen wäre, denn da rückte schon die Polizei von Birjand an. Die fuhren nun voraus und wir brav hinterher. Kurz vor Birjand hielten sie und fragten wo wir übernachten wollten. "Tourist Inn", sagte ich, das war wieder ein ITTIC, das Almut auf dem Lonely Planet gesucht hatte. Dort wurden wir also hingeleitet. Das hat auch was Praktisches, so eine Polizeieskorte. Immerhin muß man nicht ewig suchen, bis man etwas findet.
Der Preis lag bei umgerechner 35€ und das war für ein Hotel dieser Kategrie sehr billig. Ich verstand zwar kein Wort, aber der Preis leutete auf meine Anfrage erst höher, dann aber, nachdem sich der Poliz- mit dem Rezeptionisten unterhalten hatte, ging dieser mit dem Preis hinunter. Schätze der Polizist hatte keine Lust mit uns alle Hotels in der Gegend abzufahren und so blieben wir hier. Es roch auch so lecker nach Essen, daß man nicht wirklich widerstehen konnte. Almut bekam das Essen aufs Zimmer serviert, Heike, Didi und ich aßen unten im Restaurant. Internet gab es hier auch. Das war eine angemessene Entschädigung für unsere "Wüstennacht" auf die wir uns den ganzen Tag gefreut hatten. Was wir immer noch nciht verstanden war, was die Aufregung sollte. Auch hatte die Polizei der Rezeption die Anweisung erteilt, uns nach unserem nächsten Ziel zu fragen und dieses der Polizei mitzuteilen. Aber immerhin: Scheinbar konnten wir hin, wo wir wollten, wir mußten es nur mitteilen. Von verbotenen Gebieten war nicht die Rede. Auch wurde uns keine Uhrzeit vorgesetzt, sondern sie richteten sich in allen Belangen nach uns, insofern konnte man nicht klagen, man fühlt sich nicht überwacht. In unserem Fall wäre das ja auch ungefähr so, als würden sich Afrikaner in Europa über Hitze beklagen.