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Pakistan 2010
Dienstag, der 5. Oktober

Sowas. Schon wieder neun Uhr. Dabei wollte ich doch schon um acht los. Ich bestellte dennoch ein Frühstück. Die Auswahl war nicht groß: ein hartgekochtes Ei, Brot und Cola. Seiedi schlug mir vor, ich solle doch mit dem Mopped zur Botschaft fahren. Um diese Uhrzeit ginge das bestimmt schneller als mit dem Taxi. "Warum sagst Du mir das nicht gleich? Kannst Du eines rufen?" Das könne sie gewiß, aber es würde um einiges schneller gehen, wenn ich einfach vor die Tür ginge. "Da stehen sie alle, brauchst nur einen fragen." Also, diese Typen, an denen ich schon hundertmal vorbeigelaufen war, waren also Motorrad-Couriere. Das muß einem doch gesagt werden! Ich ging hin und sagte "Safurat Pakistan!", da kam auch schon einer dahergesprungen. "Wieviel?", wollte ich wissen. "5.000", sagte er. Das war ein wenig billiger als das Taxi. "Gut, als los", sagte ich und setzte mich schon mal auf das Motorrad. Da stand ein anderer auf, lachte und meinte, das das das falsche Motorrad sei. Der, den ich geheuert hatte, zog mich hinüber zu seinem Motorrad und wir fuhren los. Quer durch die enge Gasse, dann noch eineige hundert Meter über den Gehweg. Zwischen Gehweg und Straße ist ein Wassergraben über den man einfach nicht kommt. Wenn sie diese Teile so abdecken würden, daß man darauf fahren kann, dann bräuchten sie nicht auf jedem Gehweg die Motorradsperren errichten. Sobald wir auf der Straße waren drehte er auf. Er war für iranische Verhältnisse ein sicherher Fahrer, denn er besaß einen Helm und hatte diesen griffbeireit auf dem Scheinwerfer abgelegt. Wenn also etwas passieren sollte, kann er schnell den Helm aufsetzen und ist so optimal geschützt.

Ein Schwesterschiff, das gerade schwungvoll die Kurve nimmt.

In der halben Zeit schafften wir es zur Botschaft von Palistan. Sehr schön. Es war 09:20 Uhr als ich dawar. Das Bild war wie immer. Draußen stehen Mullahs, Verschleierte und Menschen, die irgendwelche Papiere hineinreichen. Hinter dem Tor stehen der Baseballcap und der andere, die die Papiere ansehen und sie wieder durch die Gitter zurückreichen, bis alles paßt. Dann wandern die Papiere auf den Stapel auf der Brüstung. Der Mopedfahrer meinte, er würde gerne warten. "Es wird aber dauern." "No problem." Ich ging zum Tor zum Baseballcap. "He! Erinnerst Du Dich an mich?", fragte ich. Er sah mich an und sagte "Noooo! Spaß... Du holst das Visum für das Baby ab." "Genau. Und mein Flug geht um fünf", sagte ich. "Tudeeeh?", fragte er überrascht. "Ja. Da ist der Paß", sagte ich und reichte ihm Arnies Paß, nachdem ich mich vergewissert hatte, daß es auch der richtige war. "Laß mich reingehen und fragen", sagte er und verschwand. Ich stand draußen und wartete und wartete. Der Mopedfahrer auch. Irgendwann kam er wieder und meinte, die Visa-Gebühr sei abgelaufen, denn nun sei ja schon Oktober. "Bist Du ernst?", fragte ich, und mußte selber lachen. Er auch, aber er meine, es sei sein Ernst. "Ihr seid mir vielleicht Halsabschneider", sagte ich. Aber wenigstens grinste er. Andere hätten noch mit fadenscheinigen Argumenten versucht, diesen Schwachsinn irgendwie zu begründen. Also, wenn ich am 30. November ein Visum beantrage, ist das Visum am 1. Dezember zwar fertig, aber die Gebühr abgelaufen, nehme ich an. Ich war allerdings nicht in der Position zu diskutieren, also ließ ich mir einen Zettel geben, sprang auf das Mopped und lotste ihn zur Bank. Gegen die Einbahnstraße fuhren wir bis wir vor der Melli-Bank angekommen waren.

Ich sprang hinein und zog eine Nummer: 163, und die Nummer 156 war gerade dran. Nicht so schlimm. Ich setzte mich hin und wartete. Plötzlich dachte ich, meinen Namen gehört zu haben. Ich sah mich um, nichts. Dann sah ich wieder vor mich hin auf den Boden. "Markuuhs!", ich hab mich nicht verhört. Ich sah wieder auf, suchte nach der Quelle. "Markuuhs!", kam es wieder aus dem "Off". Ich sah jemanden hinter einem Schalter winken, vor dem gerade jemand saß. Beide sahen in meine Richtung. Ach, er wieder. Er gab mir ein Zeichen, ich solle an den Schalter kommen. Ich ging also an den Schalter, legte ihm den Zettel hin. Er meinte, es sei kein Problem. Mangels Rial gab ich ihm halt 50 €. "Oh. Doch Problem. Euro in dieser Filiale nein." Ich solle doch die Straße hinuntergehen. Dort gibt es Banken und ein Reisebüro. Ich also los. Das Reisebüro war gleich ein paar Meter weiter. Das war gut. Aber die konnten nicht wechseln. Das war schlecht. Ich also wieder hinaus und weiter. Ich fand eine Mellat-Bank, ging hinein, fragte, ob die wechseln können. Auch nicht. "Ja Kruzefix! Banken, die kein Geld wollen! Ich glaube, Ihr versteht alle das Konzept von Banken nicht!", sagte ich im Hinausgehen. Aber da von denen wieder mal keiner Englisch konnte, glaube ich nicht, damit zum besseren Verständnis des Bankenwesens viel beigetragen zu haben.

Ich rannte fluchend zum Moped-Meister und sagte zu ihm, er solle mich zu einem "Change" fahren, egal wo, nur schnell. Er warf das Motorrad an und gleichzeitig kam der Typ aus der Bank. "Markuuhs! Problem?", fragte er. "Ja, keiner will hier Geld, jetzt ich fahren nach China zum wechseln. Scheiße!" Er sagte zum Mopedfahrer, er solle das Motorrad wieder abstellen und mit in die Bank kommen. In der Bank telephonierte er ein wenig durch die Gegend, um den Wechselkurs herauszufinden, während er telephonierte, schob er mir einen Zettel zum Ausfüllen hin. Witzig! Kann ja kein Mensch lesen, alles auf Arabisch! Ich beförderte meinen Fahrer zur Schreibkraft und er füllte den Zettel aus. Sehr praktisch. Auf einmal klappte alles doch reibungslos, ich wurde den 50er los und bekam auf genau 39 € Wechselgelt. Nach meinem Geschäftsverständnis steht ihm ein besserer Kurs zu als der offizielle, und zwar als Kompensation für außerordentliche Tätigkeiten. Aber er wollte nichts extra und gab genau auf den Rial heraus. Ich bedankte mich, nahm meine Quittung, verabschiedete mich und wir fuhren wieder zurück zur Botschaft. Ich sprang ab, wedelte mit dem Zettel: "Hier! Ich! Schnell! Alles bezahlt. Kann ich jetzt das Visum haben, bevor die Gebühr wieder abläuft. Schnell! Schnell!" "Jajaja, keine Panik, ich geh ja schon. Wäät hirr!", sagte er, "Das Visum geht heute noch raus." Ich verstand, was er gesagt hatte, nahm mein Handy, rief Herrn Javeed an und sagte ihm, daß ich unten vor der Botschaft stünde. "Gib mir zehn Minuten, ich bin gleich da", sagte er.

Werbung und Produkt.

Ich ging vor der Nebeneingang, was eigentlich der Haupteingang der Botschaft war - nicht der der Visa-Abteilung. Die Blende der Türklinke hing etwas schief und ich machte mich daran, sie mit meinem Taschenmesser zu reparieren, als die Tür aufging und mich der Pförtner frage, ob es ein Problem gibt. "Ja, die Blende hängt schief", sagte ich. Er fragte, ob ich nicht lieber im Wartezimmer platznehmen wollte. Besser als Arbeiten ist das ja, also ging ich hinein. Im Wartezimmer saßen schon zwei Leute. Ein Pärchen. Der äußeren Aufmachung nach zu urteilen war sie Deutsche. Ihn konnte ich nicht einordnen. Er sprach mich auch gleich an, kaum, daß ich mich auf dem Sessel niederließ. Er fragte mich auf Englisch, ob ich bei der Botschaft arbeite. "Nein", sagte ich, "ich arbeite nicht und schon gar nicht in einer Botschaft." "Ach, entschuldigen Sie dann. Ich dachte nur, wegen Bart und Uniform..." "Nein, ich bin nur ein dummer Tourist, hat alles weiter nichts zu bedeuten." Ich konnte seinen Akzent nicht wirklich einordnen. Osteuropa, aber genauer ging es nicht. Aber man kann ja auch einfach fragen, das geht auch. Er war ursprünglich aus Rumänien, lebt aber schon seit vielen Jahren in Deutschland. "Sie ärmster", fiel mir dazu nur ein und wir wechselten auf Deustch. Sie sind unterwegs nach indien, haben auch zwei Kinder dabei, die aber gerade im Kindergarten waren. Auch sie waren mit dem Auto unterwegs, mit einem zum Wohnmobil umgebauten Sanka.

Mr. Javeed erschien. On alles soweit geklappt hat. "Ja", sagte ich, "alles soweit geregelt, endlich. Ich warte nur noch auf das Visum." Ich überreichte ihm unser Kitschphoto mit den besten Grüßen von uns allen. Und ich fragte ihn, ob er etwas zum Transportieren hätte, was er vielleicht nicht unbedingt mit der Post verschicken wollte, oder was vielleicht zu groß für das Flugzeug sei. "Aber Du bist doch mit dem Flugzeug hier, wie wolltest Du es denn mitnehmen?" "Damn! Daran habe ich nicht gedacht..." Dieser Grundsatz, daß man erst denken, dann reden soll, der ist bei mir nie wirklich angekommen. Die anderen beiden wollten kein Visum beantragen. Die hatten ihre in Deutschland beantragt und sie waren noch nicht abgelaufen. Sie wollten nur Informationen zur Strecke haben. Er meinte, die Straße von Taftan nach Quetta sei außerordentlich schlacht, aber von Militärkonvoys wußte er nichts. Wir haben mittlerweile soviele Gerüchte aufgeschnappt, daß wir nicht wußten, was wir glauben sollten und was nicht, also glaubten wir einfach gar nichts und ließen alles auf uns zukommen. Das ist immer am einfachsten. Da kam ein anderer Typ in den Raum und sagte zu mir: "Ah, hier bist Du. Das Visum für das Baby liegt draußen und Du sitzt hier drinnen..." "Oh", sagte ich, "daran hab ich nicht mehr gedacht. Danke!" Ich folgte ihm zur Visa-Abteilung, dann von dort hinaus ins Freie, verabschiedete mich und ging zum Haupteingang wieder hinein ins Wartezimmer. Mr. Javeed war gerade dabei zu erzählen, daß letzte Woche vier Holländer mit Motorrädern ein Visum beantragen wollten, aber sie hätten keines gekriegt und hätten dann nach Dubai verschifft. Ich blieb noch kurz, aber mußte dann langsam los. Immerhin wartete der Fahrer draußen in der prallen Sonne. Die anderen und ich tauschten noch eMail- und Web-Adressen aus und ich verließ nun die Botschaft. Mein Business hier war beendet. Keine Botschaften mehr. Nun aber zurück zum Hotel. Diesmal hatten wir es nicht eilieg und dadurch mußte ich mich nicht mit beiden Händen am Gepäckträger festkrallen.

In der Folge entstand diese Videoaufnahme*).

Ich machte mich auf, die Auspuffgummis zu suchen. Der Mopedfahrer bot an, mir dabei behilflich zu sein und er war es auch. Wir fuhren Richtung Imam-PLatz, 1. Straße links. Dort versuchten wir die Auspuffgummis zu bekommen, aber die hatten nichts da. Stattdessen schickten sie uns zurück zu einem Laden, der praktisch direkt neben dem hotel lag. Dort wurden wir fündig und ich hatte kurz darauf vier Auspuffgummis, einen Tank- / Öldeckel und einen Thermostat erworben. Einzig die Glühkerzen fehlten noch. Ich gab ihm die eine, die ich als Muster dabeihatte, er fragte den Händler und dann zog er los, mich am Ärmel hinter sich herschleifend. Kurz darauf standen wir in einem Gebäude im erste Stock, die zwei redeten und kurz darauf legte mir der Herr einen Satz Glühkerzen hin, originalverpackt in weiß-blauen Schachteln. "Mercedes-Benz Originalteile" stand drauf. Die stammen wohl noch aus Zeiten des Schahs. "Wieviel? Rial, bitte. No Tuman!" "150.000 Rial", sagte er. Ich zog 150.000 Rial aus dem Geldbeutel und legte sie ihm hin. Er nahm drei Glühkerzen wieder und ließ eine liegen. "Ja, he! Was machen Sie denn da?" "105.000 pro Stück. Wieviele wollen Sie denn?" "Na, vier, natürlich!" Er tippte einen neuen Betrag in den Taschenrechner. "420.000 Rial", das waren nun gute 40 €. Soviel Geld hatte ich gar nicht mehr. Ich ging also ohne Glühkerzen zurück ins Hotel, schickte Didi noch eine SMS. Der schrieb zurück, daß das geschenkt sei. Und selbst wenn nicht, der Typ hatte das Monopol auf Glühkerzen, und ich war seine einzige Nachfrage, augenscheinlich seit Jahrzehnten. Eigentlich könnte er noch viel mehr verlangen. Habe ich eine Wahl? Nein. Aber auch kein Geld, ich muß also erst wechseln. Doch da fiel mir ein, ich mußte ja auch noch irgendwann das Hotel bezahlen. Also ging ich zunächst klugerweise zu Seiedi und bat um die Rechnung. Ich zahlte in Euro, wenn auch zu einem etwas schlechteren Kurs. Ich gab ihr einen 50-€-Schein, und bekam zurück 20 € und 60.000 RS. Schlechter Kurs hin oder her, jedenfalls hatten sie mir beim Zimmerpreis einen sehr großzügigen Rabatt gewährt.

Wieder ging ich zu meinem Moppedfahrer und bezahlte ihn erst mal. Nun hatte ich noch einen 50er übrig und eine Kreditkarte, die hier noch weniger Akzeptanz findet als in Deutschland. Hilft nichts, ich muß wechseln. Aber an der Wechselstube, so konnte ich dort auch gleich noch etwas essen. Wir fuhren los, über den Imam-Platz, dann rechts, und zu der Wechselstube, die immer den besten Kurs anbietet. Doch die war zu. Dann eben eine andere. Doch bald stellte ich fest, daß irgendwas nicht stimmte. Alle Wechselstuben in der Gegend waren entweder zu, oder es standen mal Duzende, mal Hunderte von Leuten davor. "Was ist hier los?", fragte ich den Moppedfahrer. Er wußte es nicht, aber ging in eine Bank, um dort nachzufragen. Wechseln wollten die auch nicht, doch sie erklärten ihm anscheinend, was loswar. "Schön, daß er das nun weiß", dachte ich mir. Ich wüßte es nur auch zu gerne, doch sein Englisch reichte nicht ganz aus, um es mir zu erklären. Das einzige, was ich verstand war "Dollar". Wir fuhren zu der großen Filiale der Melli-Bank und wechselten dort. Der Kurs war auch nicht viel besser als der im Hotel und keiner von diesen ganzen feinen Bankangestellten konnte Englisch. Außerdem dauerte es geschlagene zwanzig Minuten, bis die Deppen es endlich schafften, mit den 50er zu wechseln. Dann auch noch 1.000 Rial Wechselgebühr verlangen. Wieder zurück zu den Glühkerzen und endlich mal dieses Problem gelöst. Danach ging ich zum Hotel und machte mich flugafenfertig. Alles war nun erledigt. Alles bis auf dieses beschissene Indien-Visum.

Zwar war noch reichtlich Zeit bis zum Flug, aber was sollte ich hier noch herumsitzen? Es war ja alles erledigt, also zog ich es vor, schon jetzt loszufahren. Außerdem war die Fahrt zum Flughafen, wenn ich nicht aufpaßte. Einmal zuviel geblödelt und ich stehe ohne einen Pfennig Geld da, denn ich hatte keine 15 € mehr verfügbar. Um 15:38 Uhr war ich am Flughafen. Der Flug ging erst in einigen Stunden. Erstmal was essen. Ich ließ mir Zeit, las die Zeitung. "Die jetzige Regierung der Islamischen Republik Iran wird bis zur Rückkehr des 12. Imam an der Macht bleiben." Solche Sachen liest man da. Und die Zionisten, die an allem schuld sind, die fehlen in keiner Ausgabe. "Und die glauben, daß so eine alte... alte Sache, die früher schon bei uns nicht gezogen hat, als 'Versteckte Vossische Zeitung' draufstand, daß sie jetzt ziehen wird, wenn plötzlich 'Times' oder soetwas darübersteht." Dieses Zitat eines gewissen Adolf Hitler aus Braunau am Inn dürfte den Redakteuren der "Tehran Times" offensichtlich nicht bekannt sein. Aber auch der schärfst Kritiker iranischer Zeitungen kann nicht bestreiten, daß sie einen hohen Unterhaltungswert besitzen.

Ich machte mich langsam auf den Weg in den Flughafen. Es war 16:10 Uhr. Menschen und Frauen getrennt, Scanner und Metalldetektor, alles gleich am Eingang. Geduldig ließ ich die Prozedur über mich ergehen. Die für die Zuständigen für die Flugzeugwartung erzielen hierzulande ohnehin eine bessere Trefferquote als jeder Terrorist. Aber auch das ist nur mein Empfinden. Ich war auch viel zu früh. Es wäre noch Zeit gewesen bei den Indern vorbeizuschauen, aber ich hatte nichts gehört und ich glaube nicht, daß es irgendwas gebracht hätte. Das Problem ist einfach, daß das Geld schon über dem Tresen war. Da hat man eigentlich schon verloren. Man muß immer zusehen, daß die Gegenpartei noch Geld zu bekommen hat, dann hat man Handlungsspielraum. Aber der Weg nach Pakistan war jedenfalls frei. Nun war es nur noch eine Frage von Kilometern, und damit hatten wir ja kein Problem. Zwar spielt die Zeit wie immer gegen uns, aber wir hatten die alten Diesel auf unserer Seite. Bedenken, daß es da nochmal Probleme geben könnte hatte keiner von uns.

Wie 2006, so auch heute, ein Bild von der Rezeption zum Abschied.

Einchecken. Ich hatte nun mehr Gepäck als auf dem Hinflug und fragte, ob ich das nicht einfach mitnehmen konnte. "No. You have to go there and make box", sagte der Typ am Schalter und zeigte auf einen dieser Stände, wo man sich das Gepäck mit Plastikfolie verschweißen lassen kann. Ich ging hin und legte alles, außer LapTop, auf den Tresen. Es kostete 15.000 Rial, und das war genau der Betrag, den ich noch im Geldbeutel hatte. Alles andere war weg. Im aller äußersten Notfall hätte ich noch 15 Pfund gehabt und 51 US$, aber die Dollar gebe ich aus religiösen Gründen nicht her. Ich sah mich in der Halle um. Alles voller Leute, Kopftücher, wohin man blickt, und keine Sitzgelegenheit, wo man gemütlich den LapTop aufklappen konnte. Aber immerhin entdeckte ich Ladestationen für Mobiltelephone. Schön nach Herstellern sortiert. Da ich nur Nokia besitze, steckte ich das erste ein. Aber es war blöd, danebenzustehen und zuzusehen, wie es lädt. Da kann man sich auch eine Bundestangsdebatte ansehen, die ist fast noch spannender. Also öffnete ich das Teil, steckte ich den Stecken von Samsung aus - den brauchen ja wirklich nur Deppen, und die können auch eines der anderen Terminals benutzen - und steckte das Netzteil des LapTops ein, den ich einigermaßen geschickt auf dem Gepäckwagen balancierte.

Kaum war der Rechner hochgefahren, kam ein Iraner an. Er sprach mich an, fragte, woher ich sei und da ich ein gesprächiger Mensch bin und er kein deutscher Beamter kamen wir gleich ins Gespräch. Er war Mediziner, sprach hervorragendes Englisch mit persischem Akzent. Er war nie im Ausland, hätte Englisch im Iran an der Uni gelernt. Er praktiziert in Kerman. Es ist keine Frage der Bildung, daß man sich als Iraner für seine Regierung entschuldigt. Braucht man nicht, denn mir tut die Regierung hier nichts. Im Gegenteil, ich fühle mich hier sowohl freier als auch sicherer als z.B. in meinem Heimatland. Das liegt natürlich am Touristenbonus, und auch daran, daß ich hier nicht leben muß, aber Letztes trifft auch auf Deutschland zu. Wir unterhielten uns etwa eine halbe Stunde, dann verabschiedete er sich, da er auf Standby war und darauf wartete, aufgerufen zu werden. Dann schieden sich unsere Wege.

Als nächstes kam eine Iranerin daher und redete mich an. Nachdem ihr Kopftuch in den Nacken gerutscht war konnte ich feststellen, daß sie sehr hübsch war. Die bedankte sich dafür, daß "wir Europäer" ihr schäbiges Land besuchen und sie wollte gerne nach Europa oder in die USA. "So schäbig ist dieses Land aber gar nicht", sagte ich, und meinte es auch so, "es wissen nur zu wenige. Und Sie brauchen auch gar nicht verstecken, immerhin haben die Leute hier - also Ihre Vorfahren - schon solche Sachen wie Persepolis gebaut, als wir Europäer noch für ein gutes Jahrtausend unter Bäumen und in Höhlen hausten." Stimmt ja auch. Dieses Land ist eine Wiege der menschlichen Kultur, da sich immer alles ändert, gibt es auch immer die sogenannten Ups und Downs. Wir unterhielten uns noch eine Weile und ich mußte ihr von der westlichen Welt erzählen. Dann trennten sich unsere Wege wieder. "Dein Kopftuch..." "Achso, ja", sagte sie und zog es wieder in Proteststellung. Proteststellung nenne ich es, wenn das Kopftuch gerade so auf dem Kopf liegt, daß es den Vrschriften entspricht, aber daß klar ist, was gemeint ist. Auch davon können sich die Mitteleuropäer eine Scheibe abschneiden, statt sich blind an jeden Schwachsinn zu halten. Aber die einzigen Mitteleuropäer mit denen ich hoffentlich für den Rest der Reise au tun haben werde wissen, was gemeint ist, und das ist für mich vollkommen ausreichend.

Ich ging in den Boarding Room als sich die Schlange bereits formiert hatte, also wartete ich ruhig sitzend, bis der letzte Passagier am Schalter vorbeigegangen war, bis ich mit mit meinem Ticket an die nicht mehr vorhandene Schlange anstellte. Im Flugzeug angekommen ging ich dann direkt auf meinen zugewiesenen Platz und setzte mich. Mir bot sich wieder ein ähnliches Trauerspiel wie beim Herflug: Die Motoren gingen an, heulten auf, schwiegen und die Klima fiel aus. So auf den Sack geht mir dieser Mist. Warum richten sie das defekte Teil nicht einfach? Vielleicht weil sie nicht wie die Libyer auf die Tunesier zählen können? Keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, es würde klappen, wenn sie sich einfach Israel zum Freund machen würden. Nicht, daß die ihnen unter der Hand Ersatzteile liefern würden. Besser noch: Es gäbe kein Embargo. Vielleicht liegt es aber auch gar nicht am Embargo und sie warten nur darauf, daß Allah persönlich das Triebwerk auswechselt. Ich machte mir nicht die Mühe, es herauszufinden, sondern wartete darauf, daß die Triebwerke ansprangen und durchliefen...

Es gibt immer noch keine Reihe 13.

Das geschah dann auch um 18:30 Uhr und wir flogen los. Wie auf dem Hinflug, reichte das Mobilfunknetz auch jetzt wieder höher als ich es aus dem Westen gewohnt bin. Woran das wohl liegen mag? Die Triebwerke fielen auch diesmal nicht während des Fluges aus und wir landeten sicher um Punkt 20:00 Uhr in Kerman. Das Gepäck war innert fünf Minuten am Band und es gab beim verlassen des Flughafens keinerlei Kontrollen. Wenig später stand ich vor einem dieser offiziellen Taxistände. Ich reichte die Visitenkarte von Jalal in den Schalter, man reichte mir dafür einen Zettel. Geld hatte ich keines, also nahm man mich einfach so mit. Kaum hatte das Taxi den Flughafen verlassen hielt der Fahrer an. "What's up?", fragte ich. Hinter uns hielt ein zweites Taxi. "He take you hotel", sagte der Fahrer, und bat mich umzusteigen. Was soll ich tun? Ich nahm also mein Gepäck und stieg um. Dieser Taxler konnte keinen Fetzen Englisch, und ich brachte auch keine Verbindung zu Jalal zustande. Handy aus oder er hatte keinen Empfang. Aber der Taxler fand den Weg auch so und ich war eine halbe Stunde nach der Landung am Hotel. "Knock, knock!" "Ja?" "Jaja! Ich brauch ein Geld für den Taxler!", sagte ich. Das Tor der Herberge ging auf, Almut stand dahinter und gab mit einen Bündel Scheine, die ich wiederum dem Taxler übergab. Er fuhr glücklich von dannen und ich ging hinein.

Almut hatte heute Geburtstag und ich gab ihr den zuckerlosen Kuchen aus dem Flugzeug mit der Bemerkung "Alles Gute zum Geburtstag!" "Das ist das erste Mal, daß ich von Dir was zum Geburtstag krieg..." Dann gingen wir zum Laden um die Ecke, weil kein Cola da war. Aber in dem Laden hatten sie nur Coca-Cola Zero. Zero Geschmack, aber nicht Zero Preis. Ich nahm stattdessen etwas anderes und wir gingen zurück zur Herberge, wo Heike und Didi den Tisch schon hergerichtet hatten. Abendessen. Da alles vegetarisch war verzichtete ich darauf und trank stattdessen nur meinen Blubberlutsch. Ich bin zwar in gewisser Weise der Müllschlucker, aber noch lange kein Vegetarier...

Wir tauschten Berichte aus. Ich berichtete, was in Teheran passiert ist, meinte, das mit der Preisteilung vom Flugticket sei nun hinfällig, da ich für Heike und Didi ja nichts erreicht hätte und ohne Visum zurückgekommen sei. Die aber meinten, es sei schon in Ordnung gewesen. Das Geld, das sie bezahlt hätten wäre anscheinend nur die Fax-Gebühr gewesen, die Visa-Gebühren seien noch nicht entrichtet worden. Wie dem auch sei. Für die Finanzen ist sowieso die Almut zuständig. Ich bin nur der Fahrer.

Aber hier in Kerman hatte man auch nicht geschlafen. Didi hatte beim Blauen die Ventile eingestellt, und alle zusammen hatten zwei Ersatzreifen für den Benz besorgt. Es ist einfach eine beschissene Idee, diese uns bevorstehende Strecke ohne Ersatzreifen zu fahren, aber die Idee war von mir, was sollte sie anders sein? Zwar hatte es Komplikationen beim Reifenkauf gegeben, weil die blöden Perser sich nicht an ihre Währung halten, sondern immer mit diesen verschissenen Tuman rechnen. Selber schuld. Der Reifenhändler hatte also die Reifen bestellt, das Geld bekommen, und sich dann darüber aufgeregt, daß das nur ein Zehntel des vereinbarten Betrages sei. Er hatte Tuman gemeint, die anderen hatten aber mit Rial gerechnet. 1.000 Rial sind 100 Tuman. Tuman gibt es aber nicht als Währung, und schon passiert Müll. Also alles wieder zurück und andere Reifen bestellen, diesmal in Rial. Oder meinetwegen in Dollar, aber nicht mit irgendeinem fiktiven Scheiß. Und warum nehmen sie dann nur einen Nuller hinten weg? Alle Nullen sind überflüssig, also macht es halt gleich gescheit. Wenigstens war ihnen nicht langweilig.

Über Kerman an sich hatten sie nicht viel Neues zu berichten, geschweige denn Gutes. Es gab wohl einen Unterschied zum Rest des Landes. Fremde sind hier nicht so willkommen. Didi meinte, die Leute wollen mit Fremden nichts zu tun haben, weil sie wohl automatisch Polizei anziehen. Ich mochte diese Gegend hier auch nicht besonders, aber von nun an waren wir sowieso nur noch auf Durchreise, insofern störte es auch nicht.


*) Um das Video und andere zensierte Inhalte sichtbar zu machen, empfehle ich das kleine Programm, das mir im Iran so hilfreich war. Es steht hier zum Download zur Verfügung, oder auf der Seite des Anbieters. Programm herunterladen (keine Installation notwendig) und starten. Der Standard-Browser geht automatisch und unzensiert auf.


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