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Pakistan 2010
Samstag, der 2. Oktober

Gefrühstückt wird natürlich im Hotel. Nebenbei kann man auch noch gleich nachschauen, was das Paket so macht, damit man nötigenfalls eingreifen kann. Und tatsächlich, was lese ich da? "Address information needed; contact DHL - Tehran / Iran - 09:00". War doch schon wieder klar! Wenn was schiefgehen kann, dann tut es das meist auch. Von wegen nicht pingelig bei der Adresse sein, DHL wird es schon finden. Scheinbar ja doch nicht. Es steht zwar da, man soll "DHL kontaktieren", hilfreicherweise steht allerdings nicht dabei, wie man das machen soll. Keine eMail-Adresse, keine Telephonnummer. Vor lauter Systematik das Wesentliche vergessen, nämlich den Kunden. Daran merkt man, daß DHL einmal eine deutsche Firma war. Es mußte Google her. Unter Stichwort "dhl+tehran+tel" wurde ich auch fündig. Es gab mehrere Nummern, doch nur zwei davon funktionierten wirklich. Bei der einen hob niemand ab, bei der anderen hob jemand ab, der konnte aber keinen Fetzen Englisch. "Mann! Das ist ein amerikanisches Unternehmen, das international tätig ist, dann sollen die auch jemanden hinsetzen, der Englisch kann!", regte ich mich auf. So schwer ist es wirklich nicht, selbst ich habe das irgendwann gelernt. Ich rief also unseren Gastgeber aus Teheran an, und fragte ihn, ob er das vielleicht erledigen konnte, da sein Persisch ein klein wenig besser war als meines und außerdem konnte er den Weg zum Hotel Khayyam beschreiben, was mir wiederum nicht möglich ist, weil ich doch keine Orientierung besitze. Er bat mich um die Nummer und meinte, sobald er aus dem Auto sei, würde er sich darum kümmern.

Kurz später rief er wieder an. Das Mißverständnis war gelöst. Da stand nur "Markus Besold" und dann steht der DHL-Mensch an der Adresse und da ist aber nur ein Hotel, also ist er wieder gegangen und hat eine Fehlermeldung gemacht. Aber das Problem sei nun erledigt. Und tatsächlich, wenig später stand im Track die Meldung: "Delivered - Signed for by Seiedi - Tehran / Iran - 11:48" So schreibt man also diese Sayediya von der Rezeption... Nun war alles an Ort und Stelle und wartete auf den Besold. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Übermorgen also nach Teheran und den Plan abhaken, den wir bis dahin hoffentlich geschmiedet haben werden. Es war nur noch die deutsche Botschaft da, die Schwierigkeiten machen konnte. Natürlich. Alles andere aber war soweit erledigt.

Bevor wir loskonnten, mußten wir bei der Rezeption angeben, wo wir als nächstes hinwollten. Wir gaben an, wir würden zu "Jalal in Kerman" fahren. Allerdings mußte man nicht angeben, wann wir dort zu sein gedächten, und das war auch gut so. Wir fuhren ohne Polizei los, hielten noch einmal an einer Ladenstraße an und ergänzten Vorräte. Dann ging es weiter. Von Polizei keine Spur. Erst als wir in die nächste Ortschaft hineinfuhren nahm ein Polizeiwagen den Begleitschutz auf. Es fuhr uns hinterher. Ich hielt einmal an und ging zum G hinüber. Didi meinte, ich solle mal ein bißchen auf die Geschwindigkeit achten. Hier sei 50 und ich sei vor den Bullen mit 90 durch die Ortschaft gefahren. Aber das interessiert hier niemanden. Zwar haben auch die Iraner diese Kotzkombination von weißen Autos mit grünem Streifen, aber das macht sie noch nicht zu großgezogenen Nachgeburten. Während ich mit Didi sprach, stoppte die Polizei hinter uns. Sie machten aber keine Anstalten, auszusteigen. Die 40 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit interessieren hier niemanden. Die haben wohl den Auftrag bekommen, uns durch die Stadt zu geleiten und das taten sie. "Was will denn der? Der fummelt da am Auto rum", sagte Didi, der im rechten Außenspiegel eine Gestalt beobachtete, die durch die Büsche auf die Straße gekommen war. Dann wandte er sich aber wieder zu mir und meinte: "Der wird schon nichts machen, wenn hinter uns die Bullen stehen. Also, was war?" Ich hatte halt wieder mal keine Ahnung, wohin wir fahren sollten. Aber auf meinem Gerät war eine Straße angezeigt und ich hatte als Ziel Kerman angegeben. Bisher führte es uns auch brav darauf zu, sogar ohne die übliche Abweichung vom Kurs, wenn die Straße im GPS mal wieder nicht dort verläuft, wo die echte Straße verlief, an die wir nun mal gebunden waren.

Kaum hatten wir das Dorf Kohansal hinter uns gelassen, war auch die Polizei verschwunden. Wir fuhren weiter, bis mich das "recalculating" des Navi darauf aufmerksam werden ließ, daß wir wohl falsch gefahren waren. Wir hätten links weitergemußt, waren aber geradeaus geblieben. Nun schickte uns das Navi über Khoor. "Das ist aber nicht das Khoor, bei dem wir neulich waren, oder, als wir von Teheran losgefahren sind?", fragte ich Almut. Erst kam keine Antwort und ich traute es meinem Hirn durchaus zu, so einen Dreck zu veranstalten. Sollte es dasselbe Khoor sein, wären wir näher an Teheran als an Kerman und es wäre Schwachsinnig, den Flug zu nehmen. Aber Almut meinte dann, daß es sich nicht um dieses Khoor, sondern um ein anderes handele. Scheinbar ein klassischer Fall von "Lost in Translation", denn ich konnte ja nur die lateinischen Buchstaben lesen, und die waren bei beiden Käffern gleich. Allerdings stellte sich später heraus, daß die beiden Khoors 327 km Luftlinie auseinanderlagen. Wir drehten also um und sahen uns die laut GPS verpaßte Kreuzung genauer an. Alles was ich sah war eine Reifenfabrik rechts der Straße. Doch davor verlief eine Piste. Ich beriet mich mit Didi und der meinte, wir sollen einfach auf die Piste fahren und schauen, was das GPS dazu meint. So taten wir das. Und es stimmte. Wir fuhren auf dem lila Streifen, der die Route anzeigt. Die Piste war auch gut befahrbar, also blieben wir darauf. Doch schon kurz später war der lila Streifen nicht mehr da wo er sein sollte. Ich hielt an und stieg aus. "Du, geht weiter! Jetzt stimmt es wieder nicht. Die Route ist rechts neben uns", sagte ich. Didi meinte, das sei normal, daß sich Pisten ab und zu auffächerten, solange die Richtung stimmt, ist es kein Grund zur Beunruhigung. Aber der Hauptzweig der Piste sei vermutlich dennoch rechts von uns. "Woran sieht man das?", fragte ich ihn. Nicht, weil ich ihm nicht glaubte, sondern weil ich es gerne wissen wollte. Schließlich hatte er einige tausend Kilometer richtig gescheite Pisten in der Sahara und in Westafrika abgefahren. Da konnte ich mit meinen fünftausend Kilometern auf argentinischem Schotter nicht mithalten, was das Pistenlesen angeht. Das mußte ich nämlich nie, denn die Pisten dort waren eigentlich Straßen, nur, daß sie eben nicht geteert, sondern nur geschottert waren. da folgt man einfach der Trasse und muß nicht mit Richtungen, Wellblech und Spuren arbeiten. Die Antwort auf meine Frage, woran er es festmacht, daß der Hauptzweig rechts von uns verläuft war simpel, aber ich wäre nie von alleine draufgekommen: "Die Strommasten sind dort weitergegangen." "Welche Strommasten?" - ich hatte sie gar nicht gesehen. Er überließ es mir, ob ich nun weiterfahren wollte, oder umdrehen, um auf dem Hauptzweig weiterzufahren. Ich ging auf nummer sicher und fuhr zurück. "Wahrscheinlich hätten wir bloß rechts fahren müssen und wir wären auf den Hauptzweig zurückgekommen", sagte ich noch zu Almut, während wir umdrehten und zurückfuhren. Als wir wieder auf dem Hauptzweig waren, schaute ich an der Einmündung links von uns zurück und sah genau die Stelle, an der wir gerade noch gestanden hatten. "Depperlaktion, schon wieder..."

Wir fuhren immer weiter, immer tiefer in die Wüste. Verkehr gab es hier keinen, die Piste war zwar befahren, das konnte man an den Spuren sehen, aber wir sahen weit und breit nichts. Ein normaler Einheimischer, der zwischen Birjand und Kerman verkehrt, der nimmt zweifellos den Umweg über den Asphalt. Zwar kann man hier schön mit 60 der 70 fahren, aber auf der Straße schafft man auch seine 180, wenn das Auto es mitmacht. Kürzer war die Piste jedenfalls und viel schöner als die Straße. Teilweise etwas sandig, dann wieder mit etwas größeren Steien versehen, meist aber schöner Untergrund mit wenig Wellblech. Irgendwie mußte ich an Göttlers A7 denken, die zwischen Kufrah und Zilla verläuft, wenn ich mich recht erinnere. Die wollte ich damals 1999 fahren, und sie ging auch gut, bis ich dann meine Orientierung verlor - als wäre das so ungewöhnlich für einen der keine Orientierung hat. Lediglich die Wadidurchquerungen erforderten erhöhte Aufmerksamkeit. Die sind ziemlich uneben und ich kurbelte wie ein Doppeldecker. Hinzu kam noch, daß ich das Wadi meist erst erkannte, als wir uns praktisch schon darin befanden. Auf Pisten kann man nicht die Landschaft anschauen und dem Auto das Fahren überlassen. Zumindest nicht im PKW. Eine Bodenwelle und der Schaden kann erheblich sein. Nachdem ich auf der anderen Seite wieder festen Boden unter den Rädern hatte, konnte ich im Rückspiegel den G beobachten, wie er wie ein urzeitliches Reptil durch den Wadi stapfte. Der Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, daß man die Räder nicht sah.

Der Spitzname "The Monster" war jedenfalls passend gewählt.

Die Piste führte durch einige Wadis, aber wir sandeten weder ein, noch setzten wir auf. Eine schöne Piste ist das hier. Und trotz allem schafften wir es einigermaßen, es mit der Raserei nicht zu übertreiben. Wenn man es eilig hat, soll man die Asphaltstraße nehmen, denn dafür wurde sie gebaut. Allerdings macht es auch einfach Spaß, mit Vollgas völlig sinnlos durch die Wüste zu brettern und man kann schwerlich widerstehen, wenn mal wieder so ein brettebenes Stück kommt, unten fester Schotter, oben Pulversand, das Auto wird automatisch schneller, wenn der Untergrund schön ist und eh man sich versieht geht es dahin, mit brüllendem Motor und mächtiger Staubfahne. "Oléolé!!! Ich bin der Schnellste!!! Oléolé!!!" Der Blick wandert immer weiter nach vorne und irgendwann - ist ja klar - kommt ein Grund zum Abbremsen. Eine Welle, ein Wadi, ein steiniges Stück, und wenn man dann da mit 80 oder 100 angeschossen kommt, ist die Bremsung manches Mal etwas unsanft, zumal die Räder sofort blockieren und dazu neigen, sich einzugraben. Hat man das verhindert, holt einen die eigene Staubfahne ein und alles ist plötzlich von einer feinen Staubschicht überzogen, die Augen tränen, die Zähne knirschen. Oft bremst man erst mit einem "Oh!", weil man gerade einen größeren Brocken, oder eine unscheinbare aber dennoch spürbare Bodenwelle mitgenommen hat, der Fahrer flucht - aber wenige hundert Meter später: "Oléolé!!!"

Wir kamen an einem dieser Kühltürme vorbei, diesmal im Miniformat. Ich stieg aus und sah ihn mir mal von innen an. Er hatte tatsächlich Wasser und kühl war er auch, funktionierte also. Aber wer macht sich denn die Mühe und baut hier so ein Teil hin? Anscheinend war das hier eine alte Karawanenstraße, was auch die vielen Kamelspuren erklärt. Nicht viel weiter trafen wir dann auch auf eine Herde Kamele, und die hatte auch einen Hirten dabei. Ein älterer Mann und ich fragte ihn, wo denn sein Auto sei. Er hatte keines. Nur ein Motorrad. Ein Photo von den Kamelen aus der Nähe durften wir allerdings nicht machen, weil die ja sonst weglaufen. Und die sollen nicht weglaufen, sondern trinken. Auch hier wurden wir ein paar Granatäpfel los. Dann ging es weiter.

Eine weitere Parallele zu Göttlers A7 zeigte sich nach einiger Zeit am Horizont in Form eines "Interesting Black Mountain". Der kleine Berg war auch schwarz und stand ganz ohne Nachbarn irgendwo mitten im Nichts. Im Hintergrund hoben sich aber schemenhaft mächtige Berge gegen den Horizont ab. Und zwischendurch immer wieder Kamele. Mal einzeln, mal in Dreiergruppen.

Die Batterie der Kamera war leer, die Speicherkarte dafür voll. "Klar. Ausgerechnet jetzt. Wieso sollte es auch anders sein?", bemerkte ich. An einem ausgetrockneten See hielt ich daher an und fragte nach, ob wir denn nicht eine Pause machen können. Es war 16:38 Uhr. Laut GPS waren es noch 40 km bis zur Asphaltstraße. Die Sorge darum, daß wir wieder in die Nacht kommen würden bestand nicht, denn hier gab es überall hervorragende Nachtplätze, wir konnten jederzeit einfach die Piste verlassen und unser Lager aufbauen. Wir stellten also unsere braven Diesel ab und ich machte mich daran, die Karte zu leeren und die Batterie etwas zu laden. Dazu baute ich mein Terminal auf dem Kofferraum auf. Arnie setzte ich auf den Boden. Da liegen genug Steine herum mit denen er spielen kann. So gibt er wenigstens Ruhe. "Andere Kinder wären glücklich, wenn sie einen so schön großen Sandkasten zum spielen hätten und Du meckerst!", fuhr ich ihn dabei an. "Aber er meckert doch gar nicht, er spielt ganz friedlich", bemerkte Heike. "Ist mir ganz egal", sagte ich, "er versteht mich sowieso nicht, und Du auch nicht, weil Du Italiener bist..." Es kam tatsächlich auch ein blauer Saïpa vorbei, der entgegengesetzt zu unserer Fahrtrichtung die Piste enlangbretterte. Nichts Gewöhnliches hier draußen, wir sahen ihm auch alle nach.

Ein Auto auf der Piste. Der einzige Verkehr in 85 km.

Um 17:09 Uhr waren wir wieder klar zur Weiterfahrt. Nach dem See wurde die Piste dann streckenweise weichkiesig und wir hatten ein bißchen mehr Mühe voranzukommen. Aber mit Kies kann man es ja mittlerweile aufnehmen und es stellt kein wirkliches Problem dar. Man muß halt zusehen, auf dem Kieshügel zu bleiben, der sich in der Mitte der Piste formt. Nur wenn es kritisch wurde, ließ ich den Benz hinunterfallen, um etwas an Fahrt aufzunehmen. Dabei konnte man manchmal gut hören, wie der Unterfahrschutz über den Kies schlitterte. Dann kam wieder ein Stück das sich gut befahren ließ, bis es dann Sandig wurde. Ich stellte fest, daß wir leicht vom Kurs abgekommen waren, aber der ließ sich nicht so leicht korrigieren, denn für uns gab es da kein Durchkommen. Ich mußte bis zur nächsten Gelegenheit warten, wieder etwas nach Rechts zu korrigieren. Einmal wurde es kritisch und ich sah den G an uns vorbeiziehen. Der ging wohl schon in Abschleppposition. Als ich im zweiten Ganz zu versacken drohte, trat ich leicht auf die Kupplung, der Motor heulte auf, und der Benz arbeitete sich durch den Sand, doch das ging nicht lange gut. Ich schaltete in den Ersten, so sanft und doch so schnell wie möglich, denn sobald man die Kupplung trat verlor das Auto dramatisch an Schwung. Ich wartete nur darauf, daß die Räder durchdrehten und das Auto stand, aber das bliebt aus. Mit heulendem Motor und im ersten Gang wühlte sich der Daimler durch das große Sandfeld. Danach, als der Boden wieder hart und fest war, hielt ich wieder einmal an. "Du hast davon wahrscheinlich gar nichts gemerkt, oder?", fragte ich Didi, weil man dem G einfach nichts angemerkt hat von außen. "Doch, ich mußte schon ein bißchen mehr Gas geben."

So sah das ganze von außen aus.

15 Kilometer weicher Kies und Sand, aber dennoch kein Buddeln, kein Sandblechschleppen, nichteinmal Abschleppaktionen. Gut so. Mit etwas weniger Luft in den Reifen wäre es sicherlich besser gegangen, aber mit 2,6 bar braucht man sich nicht wundern, wenn man doch einsandet. Kurz darauf nahmen wir einen falschen Abzweig und landeten bei einem Gebäude, an dem viele Autos standen. Das GPS sagte, wir seien falsch, also drehten wir um und fuhren wieder in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Noch einmal wurde die Piste etwas undeutlich, aber ich hielt mich strikt an die lila Linie. Wir kamen auch gut durch. Didi fuhr seine eigenen Wege und kürzte etwas ab. Wahrscheinlich hatte er nicht nur die nächsten zehn Meter im Auge, sondern schon die Piste, die einige hundert Meter weiter in die Hügel führte, sich im Tal der Hügel, nach links und rechts windend durch die Hügelkette durchschlängelte und dann auf eine nicht sehr alte Trasse mündete. Die war nicht asphaltiert, sondern nur gekiest, aber sie war seht eben und man konnte ohne Probleme mit 100 km/h darauf fahren. So waren die letzten 10 Kilometer beschaffen, die wir auch in kurzer Zeit zurücklegten.

Dann waren wir wieder auf Asphalt. Wir bogen links ab und stellten fest, daß die Nachtplatzsituation hier gar nicht so schön war, wie wir uns das so vorgestellte hatten. Eigentlich müßten wir wieder zurück bis hinter die Hügel, aber dazu blieb keine Zeit mehr. Die Sonne war schon wieder am Untergehen und wir mußten zusehen, daß wir von der Straße kamen. hatten ja noch was vor und dazu brauchten wir unbedingt noch Sonne. Wir gaben Gas und fuhren durch ein langgestrecktes Tal. Mir machte der Boden einen weichen Eindruck, also hielt ich an und fragte, ob Didi nicht vorfühlen konnte, ob das Terrain für uns auch ohne Probleme befahrbar sei. Ohne Probleme heißt in diesem Fall, daß wir eben mit akzeptabler Geschwindigkeit in die Pampa verschwinden konnten. Natürlich kann man sich hier durchkämpfen, aber keiner hatte Lust auf große Buddelaktionen, zumal der Spaten ja schon mal nicht mehr Anwesend war. Didi fuhr kurzerhand nach rechts von der Straße runter, über den aufgeschütteten Hügel, der deutlich im Wege lag, aber von Didi einfach ignoriert wurde. Ich saß hinterm Steuer und schaute recht blöd hinterher. "Daß ich da nicht fahren kann weiß ich", murmelte ich. Aber ich beobachtete den G weiter, der ohne jede Schwierigkeit über das Gelände fuhr. Sah so aus, als könnten wir nachkommen. Also fuhr ich im Rückwärtsgang etwa zwei- oder dreihundert Meter zurück und fuhr dort von der Straße, wo der aufgeschüttete Haufen nicht gar so hoch war, dann hielt ich auf den G zu, der langsam wieder Fahrt aufnahm und sich in die Wüste vorarbeitete, weg von der Straße.

Dem G hinterher.

Er hielt auf ein Wadi zu, fuhr hinein, dann drehte er im Wadi nach rechts und folgte dessen Verlauf. An einer Stelle wurde mir, gerade als ich sie überwunden hatte klar, daß ich die niemals ohne Einsanden zurückfahren konnte. Hinunter ging es gerade noch, aber wenn die Hinterräder die zwei Tonnen über diesen Sandhaufen schieben müssen, werden sie sich unweigerlich eingraben. Aber darüber konnte ich mir dann hoffentlich morgen Gedanken machen. Man sah auch, daß hier das Wasser bereits gewütet hatte. Wie lang das her war, das konnte man nicht sagen, aber wenn hier ein Wasser entlangkommt, dann werden unsere Fahrzeuge Schwemmgut, soviel steht fest. Wir fuhren dann auf ein Plateau im Wadi, das zwar tiefer lag als die umliegende Landschaft, aber nicht ganz unten im Wadi. Erst würde das Wasser unten entlangspülen und man hätte vielleicht Zeit, die Fahrzeuge nach oben zu evakuieren. Aber wir hofften, daß es in der Gegend nicht regnen würde. Es hatte ja schließlich erst geregnet und der letzte Trichter ist bekanntlich auch der sicherste. Wir waren zwar nur einen Kilometer Luftlinie von der Straße weg, aber dennoch gegen Sich gut geschützt. Nach Nayband waren es noch etwa 35 Kilometer und von dort nach Kerman nochmal gute 400. Wir stellten die Fahrzeuge in V-Anordnung auf und stellten die Motoren ab. "Schnell, die Sonne ist gleich weg", sagte Didi, baute in Windeseile das Stativ auf und brachte seine Monsterkamera in Stellung. "Aufstellen!"

Unser Kitschphoto.

Das war nun der erste Teil gewesen. Das Photo war für Mr. Javeed von der pakistanischen Botschaft gedacht, ohne den wir wohl jetzt auf dem Weg zurück in die Türkei wären. Aber das war noch nicht alles. Morgen mußte ich nach Teheran fliegen und dazu mußte noch einiges vorbereitet werden. Nun baute Didi sein Terminal auf. Der Tisch wurde aufgestellt, der LapTop angeworfen, der Drucker in Stellung gebracht und aktiviert. Es fehlte nur noch die Satelitenantenne für die Internetverbindung, ansonsten hätte das auch aus einem Film sein können.

Heike machte sich an die Arbeit und stellte eine Vollmacht nach der anderen aus. Eine für sich, eine für Didi, und Almut stellte eine für mich aus, damit nicht irgendein Arsch von Beamter daherkommt und doch noch verlangt, daß die Mutter persönlich erscheinen muß. Die Pässe der beiden bekam ich auch noch, und eine Liste von allem, was ich in Teheran besorgen sollte, als da wären ein Zelt, Auspuffgummis, Glühkerzen, und noch ein paar Sachen. Alles wurde in ein Couvert gepackt und mir ausgehändigt. Sicherheitshalber schrieb man mir auch noch die Adressen aller Botschaften auf und sogar einen Schritt-für-Schritt-Plan bekam ich. Am Montag: Deutsche Botschaft, indische Botschaft, pakistanische Botschaft, in dieser Reihenfolge. Nachmittags Beschaffung der Gegenstände. Dienstag: Etwaige Unregelmäßigkeiten des Montags aus der Welt schaffen und rechtzeitig zum Flughafen. Hörte sich alles ziemlich idiotensicher an, ob es auch besoldsicher war würde sich zeigen. Ich fand es schon mal schön, daß mir das Denken abgenommen wurde, und ich war sicher nicht der einzige, der das schön fand.

Heike am Terminal.

Nun konnten wir zum gemütlichen Teil des Abends übegehen. Rein vom lichttechnischen her betrachtet war der Abend ja schon in Nacht übergegangen. Es wurde gekocht. Ich holte noch den allerletzten Rest von der Salami aus dem Kofferraum und schnippelte sie fein her, Heike und Didi kochten Nudeln mit Gemüse und irgendwie brachten sie auch die Salami unter. Fein. Morgen würde es nochmal eine kleine Raserei geben, denn ich mußte, komme was wolle, spätestens um drei am Flughafen sein. Der Sicherheitscheck dauert hier sicher nicht so lange wie in westlichen Ländern. Wenn einer ein iranisches Flugzeug vom Himmel holen will, dann hat der meist sein eigenes dabei. Eine F-16 oder sowas, vielleicht, aber die muß vorher nicht durch den Scanner. Aber wir mußten auf jeden Fall früh los. Am besten ist um halb Sieben Abfahrbereitschaft hergestellt. Wir rechneten mit etwa fünf Stunden und wir mußten noch eine Bleibe finden. "Wenn alles gutgeht, dann ist übermorgen das Tor nach Pakistan offen", stellte einer fest. "Das hat vor ein paar Wochen ganz anders ausgesehen..." Viel konnte nicht mehr schiefgehen, nur noch die Affen von der deutschen Botschaft waren eine Variable, alles andere war eigentlich schon erledigt. Aber das haben wir auf dieser Reise schon öfter gedacht und plötzlich kommt von irgendwoher ein Problem mit dem keiner gerechnet hatte.

"Du, geht zu, geht weiter! Hast Du mir vielleicht einen Adapter, damich ich mein LapTop laden kann?", fragte ich Didi. Er suchte aus der Druckerkiste ein Magazin voller Adapter heraus und gab es mir: "Da könnte er dabeisein." Ich probierte sie aus. "Hm. Da paßt keiner. Hast Du nicht noch andere, vielleicht?", fragte ich, "Kann doch nicht sein, daß da für einen billigen Toshiba Modell 08/15 kein Adapter dabei ist." Er gab mir ein weiteres Magazin. "Der da könnte vielleicht passen", sagte ich, nahm einen und steckte ihn in den Laptop. "Nein", stellte ich jedoch kurz darauf fest, "der wackelt." Als ich ihn wieder zurücktun wollte, ließ er sich nicht aus dem Laptop entfernen. "Ich glaub, da ist ein Scheiß passiert", sagte ich zu Didi. Er nahm den Laptop. "Laß mal sehen..." Er versuchte, den Stecker wieder herauszunehmen und schaffte es ebenfalls nicht. "Unglaublich", sagte er kopfschüttelnd, und dann, mit einem leicht verzweifelten Unterhon: "Heike..." Als die nicht ragierte, machte er sich daran, den Stecker aus dem Laptop zu operieren und schaffte es dann auch irgendwie. "Wie schaffst denn Du das immer?" Er suchte den richtigen Adapter heraus, gab ihn mir. "Sollen wir den vielleicht vorne drin laden lassen?", schlug ich vor, "Sonst stolpert noch so ein Idiot über das Kabel und der Rechner liegt am Boden." Noch vor wenigen Wochen hätte er daraufhin gesagt: "Sind ja nur wir hier", oder "Da stolpert schon keiner drüber". Aber wir waren schon lange genug zusammen unterwegs, also legte er kommentarlos den Laptop auf den Fahrersitz des G - das war der Platz, an den ich mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aufhalten würde. Fahrersitze sind für mich Tabu - sowie mein Fahrersitz für andere.

Als die anderen dann ins Bett gegangen waren, machte ich mich daran, einen Plan für Teheran zu erstellen. Eine "To-Do-List", wie es auf Neudeutsch so schön heißt. Aber heute zeitig ins Bett, denn morgen würde ein langer anstrengender Tag werden. Wir wollten sehr früh los. Wer weiß, was dazwischenkommt? Vielleicht stehen wir wieder eine Stunde an einem sinnlosen Polizeiposten, dann ist der Flieger verpaßt, wenn wir hier erst um zehn loskommen, wie üblich.


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