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Pakistan 2010
Mittwoch, der 20. Oktober

Didi stellte nach dem Frühstück fest, daß sich der Luftdruck in meinem Vorderreifen gerade mal auf 0,9 bar belief. Da weit und breit keine einzige Düne war, die man hätte bezwingen müssen, war meine Schlußfolgerung die, daß da etwas nicht in Ordnung war. Womöglich verlor der Reifen Luft? Olafs Kompressor wurde herangeholt und der Luftdruck auf den Sollwert erhöht. Solange die Luft nicht im gleichen Tempo entweicht, ist erfahrungsgemäß noch alles im orangen Bereich. So ein Kompressor war etwas Feines. Olafs Ausrüstung war im allgemeinen gar nicht so schlecht.

Olaf fuhr los nach Lahore, und wollte in einigen Tagen wieder zurücksein. Für Didi und Heike war es an der Zeit, sich gen Indien auf den Weg zu machen. Die hatten nicht vor, in ein paar Tagen wieder hierzusein. Hier trennten sich also unsere Wege, nach 38 Tagen. Schade, aber das ist des Reisenden Los. Da zogen sie bald hin in Richtung Süden. Erst zum Mangla Lake, einen Bekannten treffen, der dort irgendwie gerade Urlaub machte, dann weiter nach Lahore und von dort nach Indien.

Sie zieh'n dahin, hier trennen sich die Wege. Indien - sie kommen!

Wir gingen hinterher mit Arnie zum Arzt, da er einer kleineren Reparatur bedurfte. Die Rechnung betrug dann 950 Rupies inklusive Medikamente. Das sind umgerechnet ca. 7,50€. Habe doch gleich gesagt, daß der Abschluß einer Krankenversicherung vor der Abreise totaler Blödsinn ist. Aber als Deutscher bekommt man das vom Kindsbett an eingetrichtert, daß das Allerwichtigste im Leben eine Krankenversicherung sei, am besten auch noch eine Lebensversicherung. Die Krankenversicherung wird einem aufgezwungen, nützt aber ohne Zusatzversicherung auch nicht viel. Während also Almut mit Arnie beim Kinderarzt war, hielt ich mich am Auto auf. Neben der Arztwerkstatt gab es auch eine richtige Werkstatt für Autos. Die war natürlich erstmal nicht so wichtig, aber gut zu wissen, daß es sie gab. Sah auch recht vertrauenswürdig aus - was vielleicht am Kontrast zur Arztpraxis lag.

Und aus genau dieser Werkstatt kam ein Einheimischer auf mich zu, und sagte, in sehr gutem, wenn auch gewohnt retroflexem Englisch: "Entschuldigen Sie, ich habe grad das Kennzeichen gesehen, und dann dachte ich mir 'Nein, er ist nicht...' - aber dann habe ich mir die Ausrüstung angeschaut, und dachte mir 'Er ist doch...' - jetzt möchte ich Sie fragen: Sind sie echt tatsächlich aus UK hierhergefahren?" "Ja", antwortete ich. "Auf der Straße? Komplett?", fragte er erstaunt. "Nein, um Gottes Willen", erklärte ich, "von England nach Frankreich habe ich natürlich den Zug genommen." Er lachte. "Irgendwelche Probleme unterwegs gehabt?", wollte er wissen. "Nein, wenn man mal von der pakistanischen Straßenbaukunst absieht..." Dann wollte er wissen, ob ich hier zu bleiben gedachte, oder ob ich etwa wieder den ganzen Weg zurückfahre. "Nein, ich fahre schon zurück", sagte ich, "obwohl mir das Wetter hier in Pakistan besser gefällt, als in London. Auch gibt es hier wesentlich weniger Pakistaner", grinste ich. "Ich weiß", sagte er, "Ich habe selbst in London gelebt, aber dann bin ich in die USA gegangen. Ich fand es besser dort." Ich reichte ihm zustimmend die Hand. "Ja, ich weiß. Da ist es einfach besser als egal wo", sagte ich, "ich war einfach nur zu blöd, ich hätte einfach nicht von dort weggehen sollen. Jetzt muß ich irgendwie wieder hinkommen. Und Du? Warum bist Du nicht in den USA geblieben", fragte ich ihn. "Weil ich hier als Mechaniker ein besseres Leben habe. Ich mache hauptsächlich Tuning für importierte, teure Autos." "Schade", sagte ich, "meines ist weder importiert, noch teuer, aber bevor es zurückgeht, wollte ich es noch mal durchchecken lassen." "Das können wir trotzdem für Dich machen. Aber Du kannst es gerne auch wo anders machen lassen. Es gibt hier viele gute Werkstätten für alte Mercedesse. Wichtig ist, daß Du nicht alleine hingehst, sonst zahlst Du horrende Summen. Wenn Du einen Einheimischen kennst, schick den hin, andernfalls kann ich das auch für Dich machen." "Cool", sagte ich, und da kam schon Almut mit dem Mini-Patienten aus der Praxis gesprungen. Ich verabschiedete mich, gab die Werkstatt im Garmin ein, und wir fuhren los.

Ein paar "Spezialisten" beim Reifenwechsel.

Es ging wieder zurück zu Olaf. Dort angekommen, räumte ich noch ein wenig das Auto um, teilweise immer noch auf der Suche, nach diesem Orkney-Bier. Wo zum Teufel war es bloß hingekommen? So ein frisch aufgeräumter und geordneter Kofferraum hat etwas für sich. Leider hält sich dieser Zustand bei mir nicht besonders lange. Wir gingen über zum gemütlichen Teil des Abends. Beim Abendessen fiel dann auf, daß irgendwas fehlte. Ich zog das Telephon hervor und rief Heike und Didi an. "He, Abendessen ist fertig, wo bleibt Ihr?", fragte ich. "Wir sind doch gefahren, falls Du es schon vergessen hast", erklärte Didi. "Wie, 'Ihr seid gefahren'? Ich dachte, das war nur ein Witz. Dreh jetzt um und geh her!Essenfassen!" Er antwortete nur: "Wir sind Schwaben. Schwaben machen keine Witze." Ich: "Also, Ihr seid jetzt tatsächlich unterwegs nach Indien? Also, in Echt, mein ich jetzt." Didi: "Ja, in Echt." "Und wie sollen wir nach Afghanistan, wenn Ihr einfach abhaut?", wollte ich noch wissen. "Darüber darfst Du Dich gerne mit der Heike auseinandersetzen, aber ich könnte Dir Antwort auch gleich verraten", sagte Didi. Ich mußte wohl einlenken. Gegen schwäbische Sturheit ist selbst mit den besten Argumenten nicht anzukommen. "Na, gut, dann bleibt mehr Essen für uns übrig. Na, denn, gute Fahrt, Ihr Himmelhunde..." Na, das wird ja ein spaßiger Rückweg, so ganz ohne Versorgungslaster.

Mr. Jaweed schlug vor, daß wir am Sonntag nach Peschawar fahren. Er hatte dort etwas zu erledigen, und bot gleichzeitig an, mit mir zur Uni zu fahren, um dort etwas für Almut zu organisieren, damit sie dort ihre Studien erledigen konnte. Für alle, denen Peschawar nichts sagt: Das ist die Stadt, in der John Rambo in "Rambo III" seine Kalaschnikow und diverse andere Dinge abholt. Das war für mich also eine gute Gelegenheit, das Waffengeschäft ausfindig zu machen, und nachzufragen, ob für mich auch eine Kalaschnikow dort zu haben war, oder ob nur reiche Leute eine Kalaschnikow bekommen - wobei diese Theorie angesichts der sinnlosen Ballerei, die man hier allenthalben anzuhören gezwungen ist, sich von selbst längst falsifiziert hat. Ich willigte natürlich sofort ein, mit ihm am Sonntag also nach Peschawar zu fahren. So fährt es sich bekanntlich immer am besten durch fremde Länder: In Begleitung eines Einheimischen, für den sich jemand verbürgt, dem man vertrauen kann.


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© by Markus Besold