< Oktober 2010 >
Mo Di Mi Do Fr Sa So
        1 2 3
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

Pakistan 2010
Dienstag, der 12. Oktober

In der Früh ging es mir Polizeieskorte los, und zwar wieder nach Lorelei. Da gab es nur eine Straße und auf genau der fuhren wir, es konnte also nirgendwo anders hingehen. Das dauerte ein oder zwei Stunden. Die Landschaft war ziemlich szenisch, es gab sogar bepackte Kamele. Die kriegt man höchstens noch in Tunesien zu sehen, und auch da nur für Touristen zurechtgemacht. Die haben dann in ihren Lastsäcken Zeitungen oder Sägemehl oder Sand, damit es halt so aussieht, wie man es aus dem Film kennt. Aber in Ländern wie Libyen oder im Iran, werden Kamele eigentlich nicht mehr als Transportiere verwendet, dort geht es wohl eher um das Fleisch. Wozu hat Toyota den Land Cruiser erfunden? Sicher nicht zum Essen... Doch hier in Pakistan gehen die Uhren viel langsamer hier werden tatsächlich noch Transporte damit durchgeführt. Was mich eher wunderte war die Beschaffenheit der Kamele - hätte ich doch in Asien die zweihöckrigen Modelle erwartet. Aber die hatten hier alle nur einen.

Kamelkarawanen - ein Märchen aus uralter Zeit? Nicht in Pakistan.

Als wir dann in Lorelei waren, hielten wir an, um Cola und Gemüse zu kaufen. Als wir weiterfahren wollten, hielt uns die Polizei an und lotste uns zum Polizeihof zurück. "Den kennen wir doch schon, was sollen wir hier?", fragten wir uns. Und wo waren die Franzosen? Antworten gab es zuhauf, aber keine, die irgendwie verwertbar war. Ich ging zu Didi. "Was geht, Alter?" Er sagte: "Schau ich so aus, als würde ich das wissen?" "Komm, fahren wir", beschlossen wir. Wir setzten und in die Autos und fuhren los. Doch wir kamen nicht weit. Schon an der nächsten Kreuzung kamen uns die Franzosen entgegen. "Q'est que pasó?", fragte ich in Spanzösisch. "Wissen wir nicht", antworteten sie und fuhren weiter zur Polizeistation. Affenzirkus. Also wieder zurück zur Polizeistation. Und da passierte es wieder: Nichts. Langsam konnte ich den Ärger der Franzosen verstehen. Nun hatten wie die verdammte NOC, warum hält man uns fest? Ich ging los. Eigentlich durften wir die nicht ohne Eskorte verlassen, aber es geht doch. Wenn man ihnen irgendwelche sinnlosen Handzeichen zuwirft, die aber wichtig aussehen, zum Beispiel. Man deutet eine zwei, dann zeigt man auf das eigene Auge, zeigt in Richtung Kreuzung, dann fährt man sich mit der Hand den Hals entlang und schlägt zweimal mit der Faust in die Luft - also nicken sie zum Zeichen, daß sie verstanden hatten. Was sie verstanden hatten?: Keine Ahnung - ich versteh es ja selbst nicht. An der Kreuzung angekommen, kaufte ich Gemüse, machte ein paar Kopien von der NOC für den Fall, daß ein besonders Schlauer Paki das Original behalten wollte, kaufte ein paar "Mountain Dew" und entdeckte, daß sie ein wohl chinesisches Plagiat namens "Fountain Dew" hatten. Das kaufte ich auch. Ebenso Kippen und einen seltsam dicken Pfannkuchen, den ein Paki auf einer heißen Platte herstellte. Er schmeckte sogar. Dannn latschte ich zurück zur Polizeistation.

Ein Posten an der Polizeistation.

Ich verteilte Kopien an alle Anwesenden, an die Franzosen und an Didi und fragte, ob es denn bald weitergehen will. Das wußte keiner. So, jetzt aber mal Schluß hier mit dem Theater. Ich schnappte mir ein Kopie, ging herum und fragte nach dem "Boss". Ich wurde erwartungsgemäß immer weitergereicht. "Sind Sie der Boss von dem Laden hier?" Und immer hieß es "nein". Als ich an der Stelle angelangt war, an der man nicht an eine andere Person verweisen konnte, fragte ich wieder: "Sind sie der Boss?" Da kam zur Antwort: "Eigentlich nicht, der Boss macht gerade Mittagspause." "Also sind sie der Stellvertretende Boss?" "Nein", sagte er, "nicht wirklich." Da wurde ich dann ein wenig bestimmter und ich muß zugeben, es war früher Morgen, und ich war auf Krawall gebürstet. "Ok, wenn es keinen Boss gibt, dann können wir ja weiterfahren, oder?" Natürlich war die Antwort: "Nein, das geht nicht." "Sagt wer? Sie? Also sind Sie der Boss." "Nein, das bin ich nicht. Der Polizeichef muß die NOC sehen. "Guter Mann, das interessiert mich einen Scheißdreck, wer hier was sehen will. Wir wollen weiter und ihre habt keinen Plan über Eure eigene Scheiße, so sieht es aus. Ich will jetzt sofort den Clown sprechen, der uns an der Weiterfahrt hindert, oder ich rufe jetzt sofort in Islamabad bei der französischen Botschaft an. Es sind alle Formalitäten erfüllt und wenn Sie meinen, sie könnten hier einfach willkürlich fünfzehn Touristen festhalten, und es drauf ankommen lassen wollen, wir sind bereit. Bring it on!" Er sagte, er werde uns augenblicklich zum Polizeichef schicken. Ich solle draußen warten. "Nein, das werd ich nicht. Entweder das geht jetzt sofort, oder ich hole die ganze Truppe von schnatternden Franzosen hier das Büro." Wir zogen mit einem Polizisten los, über die Straße, durch irgendwelche versifften Hinterhöfe und kamen dann vor ein Gebäude. Zwei der Franzosen waren hinterhergekommen und wollten auch mit. Die kann ich eigentlich gar nicht gebrauchen. Nach einer Weile wurden wir in das Büro des Polizeichefs gelassen. Und wer saß da? Der Behinderte, der neulich im Nachthemd durch die Stadt spaziert war, und der gemeint hat, wir sollen nach Quetta zurück. Ich lachte und begrüßte ihn per Handschlag. So sieht man sich wieder. Er wisse, daß wir nun die NOC hatten und erklärte, es sei nur zu unserer eigenen Sicherheit. Dann fragte er, ob ich mit ihm einen Tee trinken wollte. Klar wollte ich das. Hier ist es wieder blöd auf Konfrontation zu gehen. Die beiden Franzosen, die auch in den Raum gekommen waren, obwohl der Polizist draußen gemeint hatte, sie sollten draußen warten, saßen nun neben mir. Der eine war der Älteste der Gruppe, über 70 Jahre alt und ziemlich wütend. Auch er wurde gefragt, ob er einen Tee wollte. "Nein, ich will endlich weiterfahren!", sagte er, ziemlich ungehalten auf Französisch. Ich übersetzte etwas gemäßigt: "Der Mann ist 70 und ist ziemlich genervt von der Warterei", sagte ich. Der Polizeichef antwortete, daß die NOC zu unserer eigenen Sicherheit sei. "Gewiß", setzte ich an, "aber..." Er unterbrach: "Wenn ihr keine NOC habt, lassen die Euch in Punjab nicht weiter, dann müßt Ihr den ganzen Weg zurück. Also war es doch gut, daß ihr nur das kurze Stück nach Quetta zurückgefahren seid." Der Idiot hatte nicht einmal kapiert, daß wir nicht in Quetta gewesen sind, sondern das Teil per Fax ankam. "Das war wirklich ein kurzes Stück", bestätigte ich. Der diener kam mit dem Teetablett hinein. "Was machen Sie denn beruflich?", fragte er mich. "Ich teste Computerspiele in London." Er sei auch einmal in London gewesen. Und auf unserer weiteren Strecke empfehle er uns Fort Munroe. Auch noch von den Engländern. Sehr schön sei es dort. Dann fragte er die Franzosen, was ihr Beruf sei. "Was sagt er?", fragte der Alte. "Tu Proffession", sagte ich, also irgendwie "Du, Beruf". "Nothing. Finish! Can I go?", gab er bissig zur Antwort. "Yes, you can go", sagte der Polizeichef. Der Franzose stand auf und ging aus dem Raum. Der andere erklärte noch, daß er Photograph gewesen sei, nun aber in Rente. Auch er ging bald. Nun saß nur noch ich da und der senile und recht depperte Polizeichef, der überhaupt nicht verstand, warum die anderen so aufgebracht waren. Irgendwann ging auch ich. Es war elf Uhr. "Los geht's, aufsitzen", sagte ich, "wir fahren." Nun ging es los. Wir schafften es tatsächlich über die Stadtgrenze. Die Straße wurde beschissen. Kaum mehr belag. Die Stücke, die asphaltiert waren, wurden immer kürzer. Meist bewegte man sich auch Schotter, der wenig bis gar nicht gewartet war...

Ein Photo von Didi: Belutschischer Alltag.

Aber wenigstens fuhren wir kontinuierlich. Teilweise fehlte auch der Schotter, dann ging es über Weichsand. Der G ging dann immer auf Abstand, um nicht die volle Staubwirkung abzukriegen. Die Eskorte verabschiedete sich irgendwann und wir bekamen einen Levie. Es gab nur zwei Autos, die einen Mann aufnehmen konnten: Der blaue Benz und der weiße LandRover. Er kam zu uns und wir fuhren weiter. Ich hatte gern so einen Typen im Auto, weil der immer eine Kalaschnikow dabeihatte. Und auch heute wurde wieder abgewechselt. Der eine kam, blieb ein paar Kilometer, dann ging er wieder und wurde durch einen anderen ersetzt.

Wir bekamen einen alten Mann zugeteilt. Der war so, wie man sich einen Belutschen vorstellt: Die Waffe in der Hand, und alles scheißegal. Der saß auf dem Beifahrersitz und spielte ab und zu mit Arnie, meldete ansonsten nicht viel. Wenn Arnie gerade auf dem Rücksitz war, zündeten wir uns eine Kippe an. Es ging langsam aber stetig dahin. Die Franzosen fuhren voran, wir hinterher. Außer uns hatte wohl niemand mit der Straße zu kämpfen. Aber wir schlugen uns durch. Es war nicht so, daß wir es alleine nicht geschafft hätten, aber es war ein beschissener Belag - wenn er überhaupt vorhanden war. Irgendwann bemerkten wir, daß die Franzosen abgedreht waren. Die hatten sich auf einen Plateau unterhalb der Chaussee eingefunden. Wir standen nun alle auf einer NOC und drehten daher um und fuhren auch zu dem Plateau hinunter. "Was war los?", fragten wir. Erstens sei es Mittagszeit, zweitens gäbe es Probleme mit einem der Fahrzeuge, so erfuhren wir. Nun, gut, was sollten wir machen? Didi wußte die Lösung: Er fährt seinen Sonnenschutz aus, der an der Backbordseite angebracht ist, und wir machen halt ebenfalls Mittagspause. Es gab Käse und Gemüse und solche Sachen. Auch unser Wächter wurde zu unserer Mittagstafel eingeladen. Tee gab es selbstverständlich auch.

Einige der Franzosen tüftelten am weißen Land Rover herum. Wir gingen hin und fragte, was los sei. Das war der Landy, der in der Türkei umgekippt war. Scheinbar sei die Dieselpumpe, die sich britischerweise im Tank befindet, trocken gelaufen, und nun hatte der Motor Aussetzer und die Karre fuhr nicht mehr so wie sie sollte. Das konnte man hören. Wenn einer den Motor hochdrehen ließ, dann fing er an zu stottern. Wir waren uns alle einig darüber, daß das hier ein schlechter Streckenabschnitt für solche Spasseteln war. Was tun? Wir gingen alle hin und fragten ihn, was er nun vorhatte. Er wollte zurück nach Makhtar, das Auto auf einen LKW laden, zurück in den Iran und von dort aus die Versicherung benachrichtigen. "Was ist das denn für ein Scheißplan? Der könnte glatt von mir sein. Wir fahren mit einem kaputten Auto über Bangladesh nach Polen und verschiffen von dort zur Fähre nach Ägypten, oder was?" "Ja, das versteh ich jetzt auch nicht", sagte Didi. Mit Heike und Almut bewaffnet, versuchten wir zu vermitteln, daß es doch ein viel besserer Plan sei, das Auto nach Iniden zu schleppen, und dort einen Rover Dealer aufzusuchen. Didi erklärte sich sogar bereit, ihn bis nach Lahore zu ziehen. Er hat auch schon ganz andere quer durch die Sahara gezogen, das sollte nicht das Problem sein. Aber er ließ sich nicht überreden. So fuhren zwei der Franzosen los, zurück nach Makhtar.

Didi kriegte sich nun gar nicht mehr ein. "Was ist denn das für ein Dreck? Wo ist denn da der Sinn, in einer Gruppe zu fahren?" Der Nachteil, in der Gruppe zu fahren, ist, daß immer der Langsamste das Tempo bestimmt, daß man Kompromisse schließen muß, daß man aufeinander eingehen muß. Aber es gibt auch einen Vorteil: Wenn solche Probleme auftreten, dann hat man die Sicherheit der Gruppe - im Normalfall. Doch nehmen wir die Franzosen: Fünf Fahrzeuge, eines fällt aus. Jetzt kann der Typ nach Makhtar zurück und sich von dort aus alleine durchschlagen. Und es scheint ja bei denen zur Philosophie zu gehören, denn wir haben ihm ja angeboten, sich uns anzuschließen. Er lehnte ab. Auf so eine Gruppe kann man versichten. Da ist man als schneller Einzelfahrer besser bedient...

Während die beiden Franzosenfahrzeuge also loszogen, lagen wir im Schatten und frönten der Warterei. "Warum haben die Französischen Alleen so viele Bäume?" Antwort: Damit sich die Deutschen Soldaten bei einer Invasion im Schatten ausruhen können, während die Franzosen weglaufen. "Französisches Gewehr aus dem zweiten Weltkrieg abzugeben. Sogut wie neu (nur einmal fallengelassen). Ach, diese Franzosen! Man muß sich einfach über sie lustig machen, sonst muß man ganz viel weinen...

Der alte Mann, unser "Guard" saß da und beobachtete uns lächelnd, besonders Arnie. Ich sagte zu Didi: "Alter, geh weiter, Du kannst doch so gute Bilder schießen. Mach mal..." Ich ging zum "Guard und bat ihn um seine Kalaschnikow, die er mir auch ohne Umschweife überreichte. Dann begab ich mich damit zum Auto und gab Didi den Feuerbefehl.

Irgendwer hat mal behauptet, es gäbe keine guten Bilder von mir...

Es dauerte eine Weile, bis die Franzosen wieder da waren. Und als die kamen, fuhren die Franzosen los. Wir mußten noch zusammenpacken. Von Leuten, die ihre eigenen Leute mitten in Belutschistan aussetzen dürfen wir natürlich nicht erwarten, daß sie auf uns warten. Uns störte es nicht, aber es brachte ihnen auch nichts. Wir standen alle auf einer NOC, der Posten saß in unserem Auto. Das bedeutete schlicht und einfach: Am nächsten Posten sehen wir uns wieder.

Die Straße führte weiter nach Kingri. Und sie wurde nicht, wie erhofft, besser, sondern immer schlechter und immer staubiger. Eine Stelle bestand praktisch aus feinstem Sand und nur die Tatsache, daß wir nicht darin versanken bewies, daß doch irgendwo noch Kies sein mußte. Anfangs sah man im Augenwinkel aus den Seitenfenster den Sand, etwa so wie Wasser, wenn man mit 30 durch eine Pfütze fährt. Doch bald schon schoß der Sand links und rechts vom Auto steil in die Höhe, wie das Wasser einer Pfütze, die man mit höheren Geschwindigkeiten durchfährt. Das Dumme war nur, daß der Sand nicht ebensoschnell zu Boden fiel wie das Wasser. Der bliebt lange in der Luft hängen. Und mit einem Mal war es, als hätte einer das Licht ausgeknipst. Alle Scheiben waren einfach nur zu mit Sand. "Uaaaaah!", erschrak ich und drückte reflexartig den "Multifunktionshebel" in Richtung Lenkradmitte. Hier erwies es sich als Glück im Unglück, daß der Behälter der Wischwaschanlage im Iran inkontinent geworden war. Nicht auszudenken, was das für ein Geschmier gegeben hätte, wenn sich Wasser auf die Scheibe ergossen hätte. So schoben die Wischer lediglich den Staub zur Seite und aus Schwarz wurde weiß, denn zunächst sah man durch die nun freie Scheibe nichts als den Staub, der in der Luft war. Ich würde zwar gerne beahupten, daß Können und Erfahrung der Grund dafür waren, daß wir nicht in eine Mulde, gegen einen Stein oder ein anderes Fahrzeug gefahren sind. Aber es war einfach nur schieres Glück und sonst gar nichts.

Außen und Innenaufnahme einer solchen Passage...

Wir fuhren weiter in der Hoffnung, daß es bald besser werden würde. Hoffen kann man ja mal, aber irgendwie sah es nicht danach aus, als wäre diese Hoffnung begründet. Ich mochte gar nicht daran denken, wie der Luftfilter mittlerweile aussehen mochte. Allein der Innenraum war schon hellgrau geworden. Alles war mit einer feinen, gleichmäßigen grauen Feinstaubschicht überzogen. Selbst das Lenkrad fühlte sich ganz pelzig an, weil alles von Staub bedeckt war. Die Dichtung der achteren Steuerbordtür war auch nicht mehr die Beste, dort drang der Staub in dichten Schwaden in den Innenraum, begleitet von Unmutsäußerungen von der zweiten Reihe. Ich konnte es nicht ändern. Es muß weitergehen. Staub wird uns nicht umbringen. Das Problem war hier nur die niedrige Geschwindigkeit mit der wir uns fortbewegten, denn dadurch waren wir praktisch ständig in eine Staubwolke gehüllt. Wäre die Geschwindigkeit nur 40 km/h höher gewesen, würde sich die Staubwolke stets hinter uns befinden. Da macht es erst richtig Spaß - zumindest mir. Heike und Didi würden das bestimmt anders sehen. Die Franzosen hatten wir längst aus dem Auge verloren. Die waren mit ihren Hunderttausend-Euro-Geländewägen längst davongefahren. Doch irgendwo würden wir sie schon wieder einholen, denn nun standen wir auf der selben NOC und die Posten würden sie solange aufhalten, bis wir ankamen. Heike und Didi hatten kein Problem mit unserer niedrigen Geschwindigkeit, denn sie waren auf Reisen und nicht auf einer Rallye. Zweihundert Kilometer am Tag war ihre Geschwindigkeit, und die hatten wir bestimmt bereits hinter uns.

Jetzt paßte es wieder:
www.BRAUNER-benz.de

Der grobe Schotter übernahm langsam wieder und wich dann langsam gutem Asphalt. Ich beschleunigte auf 60 km/h und sah im Rückspiegel nur Staub. Es war der Staub, der sich erst bei höheren Geschwindigkeiten löste. Dann wurde die Straße wieder schlecht. Aber nicht lange. Die Asphaltstücke häuften sich und wurden länger. Immer wieder löste sich Staub vom Auto, wenn wir die höchste erreichte Geschwindigkeit überschritten. 90 km/h, Srtaubfahne. Die verlor sich dann. Doch es ging auf einmal bergab und sobald die Geschwindigkeit höher wurde, setzte die Staubfahne wieder ein. Das war auch neu für mich. Fröhlich fuhren wir weiter. "Weit vor uns wirbelnd auf staubiger Straß', immer nur hurtig und munter. Ob uns der eigene Bruder vergaß - uns geht die Sonne nicht unter!" So geht das Lied, es entsprach zwar der Stimmung an Bord, aber leider nicht den Tatsachen. Denn die Sonne schert sich nicht um die Schätze deutschen Liedguts und geht doch präzise zur vorgesehenen Zeit unter. Doch die Straße blieb nun gut. Immerhin. Als es bereits dunkel war erreichten wir einen Kontrollposten, an dem einige Fahrzeuge bereits standen. Die Franzosen. Bestimmt sind die beleidigt, weil sie so lange auf uns warten mußten. Aber das war ihr Problem. Ich konnte nichts dafür, daß unser Auto nicht schneller fährt und ich konnte ebensowenig dafür, daß man uns nur eine NOC gegeben hatte. Doch nun war es dunkel und wir wollten eine Unterkunft. Ich zog los, um zu eroieren, was Sache war. Ich war richtigerweise davon ausgegangen, daß die Franzosen das nicht wußten, denn die können sich außerhalb der frankophonen Welt schlecht bis gar nicht verständigen. Bis Fort Munroe waren es laut GPS noch 38 km. Dort wollten wir hin. Wir bedeutete hier 200D und G. Was die Franzosen wollten, das wußten wir nicht, wollte es auch nicht wissen. Doch da es dunkel war, wollten sie für heute schlußmachen. Warum also nicht in Fort Munroe? Das gab ich am Posten zu verstehen. Sie nickten, schrieben es auf und machten sich an die Arbeit.

Zwei von den Polizisten beschäftigten sich damit, die Speicherkarten ihrer Mobiltelephone mit Arnie-Bildern vollzumachen. "Ui! Ein blondes Kind!" Irgendwann ging es los. Ein Toyota Hilux fuhr voran, einer machte das Schlußlicht. Es ging ins Gebirge. Wir fuhren hinterher, ab und zu hielt das Führungsfahrzeug der Polizei an, um den Konvoi zusammenzuhalten. Wir schlossen auf und es ging weiter. "Sollten wir nicht längst in Fort Munroe sein?", warf Almut irgendwann ein. Ich hatte natürlich nicht aufgepaßt, wie immer. Ich checkte den Kilometerstand. Wir waren bereits weiter als 38 km gefahren, aber nicht viel. "Paßt schoo!", erwiderte ich. Doch dann kam es mir doch verdächtig vor, zumal ein Eskortenwechsel vorgenommen wurde.

Truck Art Pakistan

Wozu, wenn wir doch schon so nahe waren? Aber vielleicht war es die örtliche Polizei, wer weiß? Wir fuhren weiter, und als es stetig bergab ging, war klar, daß wir an Fort Munroe vorbeigefahren waren. Wo fahren die uns hin? Es blieb nichts anderes übrig, als weiterzufahren. Es war eine sehr "szenische" Strecke. Die leidlich gute Straße führte durch gewaltige Felsüberhänge. Millionen Tonnen Fels hingen über unseren Köpfen, wenn da ein Steinschlag kommt, können sie uns höchstens noch als Postkarten verwenden. Das ist eine Strecke, die man tagsüber fahren muß. Meiner Meinung nach war das hier landschaftlich so ziemlich das spektakulärste, was ich bisher gesehen haben könnte. Aber es war nacht, und alles was man sah war das Licht der vielen Scheinwerfern, das über diese Felskolosse glitt und alles in ein gespenstisches Licht tunkten. Die Landschaft schien sich zu bewegen. Die Schatten, die teilweise geworfen wurden, könnten als Stars in Horrorfilmen auftreten.

Beim nächsten Halt äußerte ich meinen Unmut. "Was ist los? Wir wollten nach Fort Munroe! Und diese Strecke ist eine Strecke, die man Tagsüber fahren muß. Wir sind Touristen und wollen das Land anschauen!" Die Antwort leutete: "Fort Munroe verbotenes Gebiet für Ausländer. Ausländer nicht erlaubt!" Na, gut, kann man nichts machen. Die uniformen waren nun auch nicht mehr dunkelblau, sondern khaki. Wir waren in Punjab, erklärte Almut mir. Ich mußte uns in das Buch eintragen, wie wir es schon unzählige Male zuvor tun mußten. Ich kannte ja alle Paßdaten auswendig, also machte ich mich ans Ausfüllen. Der Polizist fragte mich, ob ich Franzose sei. "Bist Du Inder?", fragte ich im gegenzug. Einigermaßen beleidigt antwortete er, er sei Pakistani. "Siehste? Und ich bin Deutscher. Heil Hitler!", sagte ich bestätigend und reckte die bekugelschreiberte rechte Hand zum Gruß dem Himmel empor. "Hitler bad man!", antwortete er. Ich hielt inne, glaubte mich verhört zu haben und fragte nach: "Was?" "Immer nur Krieg!", antwortete er. Hat der was an der Birne? Seit tausenden von Kilometern ist Hitler der Star schlechthin, der Volksheld überhaupt, und nun erzählt mir dieser Depp, daß Hitler ein schlechter Mensch ist. Ich war so perplex, daß ich nichts zu antworten wußte und schrieb weiter unsere Daten in das Buch. Es kam ein weiterer Soldat hinzu. Der hatte keine Kalaschnikow umhängen und ich deutete darauf. "MP5?", fragte ich. "MP5", sagte er. "Gib mal her", sagte ich und streckte ihm beide Hände hin. Er ging einen Schritt zurück, sah mich an, als ob ich bescheuert wäre und fragte "Warum?" "Weil ich sie anschauen will", antwortete ich, und sah nun ihn an, als ob er bescheuert wäre. Er sah den Typen an, der Hitler nicht mochte, der nickte und sagte etwas, woraufhin der Soldat das Magazin herausnahm und mir die Waffe hinhielt. Ich griff danach, er zog sie zurück. Was war das denn? "Anschauen, nicht anfassen", sagte er. Also, die haben doch wirklich was an der Birne hier. Anschauen kann ich sie auch, wenn er sie umgehängt hat... Ich gab auf und füllte weiter das überdimensionierte Buch aus.

Kurz darauf ging es weiter. Doch schon bald standen wir am nächsten Kontrollposten. Nun waren die Uniformen weiß. Ich stieg aus und man legte mir ein Buch hin. Englisch konnten sie keines, und sie versuchten, aus dem Paß etwas herauszulesen. das klappte nicht so ganz, also machte ich dem sitzenden Polizisten eine Geste, daß er aufstehen und es mich einfach ausfüllen lassen solle. Ich machte mich daran, wie gewohnt, alles auszufüllen. Es fehlten allerdings die Vorgaben ganz oben, als die Spaltenbezeichnungen wie "Name", "Father Name", "Passport Number" usw. Ich trug also die Sache ein, wobei mir immer zwei Polizisten verrieten, was ich eintragen sollte. "Name", sagten sie, nach eingehender Beratung. "Ach, nee! Echt?", und ich trug Namen ein. Doch dann wurde die Sache immer ungewöhnlicher. "Stadt in Deutschland", wollten sie wissen. Keiner hat je danach gefragt. Ist auch völlig unwichtig. Fahrgestellnummer wollten sie auch wissen. "Soll ich die Schuhgröße europäisch oder amerikanisch eintragen?", fragte ich. Doch sie verstanden die Anspielung nicht. Paß- und Visa-Nummer wollten sie aber nicht wissen. "Finish!", sagte sie, als ich Namen, Vornamen, Einreisedatum, Kennzeichen und Fahrgestellnummer eingetragen und das ganze unterschrieben hatte. Dann ging ich zu den Autos, forderte mit einer Scheibenwischergeste einen der Franzosen auf, die Daten seiner Landsleute einzutragen und sich nicht über die idiotische Fragestellung zu wundern.

Blick nach oben.

Ich stand bei Didi am Auto, als ein Polizist daherkam und mich fragte, ob ich ein Visum für Pakistan hätte. "Nein, ich bin aus Europa entflohen, und illegal nach Pakistan, um hier von der Sozialhilfe zu leben", erklärte ich ihm. Er verstand nur das "No", alles andere ging an ihm vorbei. "Kein Visum?", fragte er überrascht. "Natürlich hab ich ein Visum, aber danach hat ja keiner gefragt. Ist wohl Dein erster Tag heute?", sagte ich und zeigte ihm das Visum. Er sah es sich genau an und man merkte, daß er Mühe hatte, die lateinischen buchstaben zu entziffern. Er las mit dem Finger halblaut. dann entdeckte er einen weißen Zettel, den die Pakis von der teheraner Botschaft bei der Vergabe des Visums hineingetackert hatte. Darauf steht wörtlich: "NOTICE: During your visit to Pakistan you are advised not to enter any Cantonment / Prohibited or restricted area without prior permission of the Ministry of Interior, Islamabad OR the Home Department of the Province." Das selbe steht darunter in arabischen Lettern - schätzungsweise Urdu. Das bedeutet: "HINWEIS: Während Ihres Aufenthalts in Pakistan ist es Ihnen nicht erlaubt Cantonments / Verbotene Gebiete zu betreten ohne vorherige Genehmigung durch das Innenministerium Islamabad ODER durch das Home Department der (entsprechenden) Provinz." Er las den Zettel vor - mit Finger und ganz langsam: "Während Ihres Aufenthalts in Pakistan ist es Ihnen nicht erlaubt Cantonments / Verbotene Gebiete zu betreten...", dann sah er mich vorwurfsvoll an. "Lies weiter", sagte ich, "Du schaffst es!" Er schaffte es nicht, also las ich den Rest laut vor. Dann zog ich die NOC aus der Westentasche und hielt sie ihm hin. "Soll ich vorlesen, oder geht es auch so?" Er sah sie sich an und ging weg, der vollkommen verblödete Idiot. Nicht nur war es sein erster Tag, sonder er war wahrscheinlich nur bei der Polizei, weil Vater von Bruder Onkel vollkrass Polizeichef von Ahmadi Kuhdorf ist - das war zumindest meine Einschätzung. Irgendwann kam er zurück und meinte, man würde uns nach Multan geleiten. Da flippte der alte Franzose aus: "Müllton no! Too far!" Und er hatte recht. "Wir fahren nicht heute noch bis Multan", sagte ich. "Ihr müßt bis Multan", erwiderte der Idiot. "Wir fahren nicht nach Multan. Das ist keine Materie von Diskussion, sondern eine Tatsachenfeststellung", erklärte ich, obwohl mir bewußt war, daß ich es genausogut einem Feuerlöscher erzählen hätte können. "Ihr müßt doch irgendwo übernachten", sagte er. "Ja, dann bringt uns einfach auf die nächste Polizeistation. Sollte kein Problem sein". "Doch", sagte er, "ist Problem." "Problem für Dich, nicht für uns. Wir fahren nicht nach Multan und fertig." Er ging wieder weg. "Na, gut, hieß es, dann aber bis zur nächsten Stadt ins Hotel", sagte er. "Wie weit?", fragte ich, und er sagte "10 Kilometer." "Kein Problem", erwiderte ich wiederum. Die Polizei fuhr los, ich wollte mich gleich dahinterhängen. Als langsamstes Auto konnten wir ja den Ton angeben. Aber der alte Franzose schob seinen Karren dazwischen, ich mußte abbremsen, um eine Kollision zu vermeiden. "Arsch!" Nun war die Anordnung des Konvois durcheinander, denn nun führte ein Franzose, dann wir zwei Deutschen, dann noch die verbliebenen drei Franzosenfahrzeuge.


[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold