< Oktober 2010 > | ||||||
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Auch mitten in der Nacht plärrten die Lautsprecher einfach unvermittelt los, wie mir später berichtet wurde. Zum Glück höre ich nichts, wenn ich schlafe. Früh am Morgen waren alle außer mir wach. Ich kam erst kurz vor Abfahrt hinzu. Almut unterhielt sich mit einer Hotelangestellten, Heike und Didi spülten bzw. trockneten ab und ich packte das Zelt zusammen. "Wann sollen wir fahren?", fragte ich. "Wir warten bis um halb acht, dann fahren wir, ob sie da sind oder nicht", sagte Didi. Gut. Es war bald halb acht. Wir warteten noch ein bißchen, die Motoren wurden angelassen und liefen warm, wir verschwanden nach und nach in den Autos und fuhren umständlich und gemütlich los. Wir hatten am Tag zuvor extra beide rückwärts geparkt, damit wir im Zweifelsfalle nicht erst noch rangieren mußten, recht blöd. Wir fuhren los. Die Polizei weiß ja, wo sie uns findet: entweder hier, an der Grenze oder auf dem Weg dahin. "Los geht's!"
Um 8:30 Uhr kamen wir an der Grenze an, aber die hatte noch zu. Die LKW stauten sich kilometerweit, doch wir fuhren an ihnen vorbei und standen dann etwa hundert Meter vom Tor entfernt und warteten darauf, daß es sich öffnete. Währenddessen unterhielten wir uns mit den Leuten, die da standen. Didi unterhielt sich mit einem Iraner, ich unterhielt mich mit einem Mitarbeiter des pakistanischen Konsulats in Zahedan, der auch auf dem Weg nach Pakistan war, Almut traf die Hotelangestellte wieder und so merkten wir gar nicht, wie rasch uns die Zeit verlief. Den Angestellten des Konsulats fragte ich, ob er die Strecke schon öfter gefahren sei. Sei er nur einmal. Normalerweise fliegt er nach Lahore, aber das sei zur Zeit nicht möglich. Warum das nicht möglich war, das blieb allerdings sein Geheimnis. Er versuchte zwar, es zu erklären, aber das, was ich davon verstand ergab für mich überhaupt keinen Sinn. Wieso sollte Fliegen gefährlicher sein, als zu fahren, wo jeder hier schreit, daß Belutschistan so gefährlich sei. Die Pakis, die Iraner, und natürlich die Krautfresser, alle schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie Belutschistan hören, dann soll es aber wieder sicherer sein, durchzufahren, als darüber hinwegzufliegen? Das geht über meinen Kopf und ich fragte auch nicht weiter nach in der Richtung. Vielmehr interessierte mich der Straßenzustand. "Stell Dir diese Straße hier vor", sagte er, auf die Straße deutend, auf der wir standen, "Auch zweispurig, aber nur halb so breit. Und mehr Schlaglöcher. Zumindest war sie so, als ich sie zuletzt fuhr." Ach Du grüne Neun! "Wie lange bis Quetta?", fragte ich. "Schwierig zu sagen. Ich empfehle auf keinen Fall nachts zu fahren. Rechne damit, morgen irgendwann dort zu sein." "Morgen?", fragte ich nach, "Morgen? Wieviel Kilometer sind es denn bis Quetta?" Das wußte er nicht. Sicherlich nicht so viele, aber die Straße und die Berge, da ginge nicht immer alles reibungslos und schon gar nicht schnell.
Bislang war der Daimler der einzige Motor, der zu hören war, aber nun fielen auch andere Stimmen ein. Bald kam Bewegung in die Reihen und die Autos postierten sich vor dem Tor. Als es aufging, gab es kein Halten mehr, alles drängelte und drängte sich durch das entstandene Nadelöhr in den Grenzkomplex hinein. Gleich hinter dem Tor der Zoll. Der Typ hieß uns rechts hinanfahren, Didi und ich stiegen aus und gingen in die Barracke hinein. Didi war nach etwa 10 Minuten fertig. Es wurden nur die Daten aus seinem Carnet abgeschrieben und er durfte weiter. Ich hatte kein Carnet, sondern nur den Stapel Blätter, den sie mir bei der Einreise mit den Worten "Customs Mir Javeh" übergeben hatten. Und ich hatte die Befürchtung, daß das nicht der einzige Grund sein würde, warum unsere Ausreise sich verzögern würde. Immerhin hatten wir das 15-Tage-Visum und 15 Tage verlängert. Diesmal aber, im Gegensatz zu 2006, habe ich bewußt darauf verzichtet, den Zoll davon zu unterrichten. Ich ließ es darauf ankommen. Entweder es gibt Ärger, oder es gibt keinen. Wenn es aber Ärger gibt, dann an der Grenze bei der Ausreise und nicht schon während des Aufenthaltes im Iran. Da reichte schon die Drecks-Kraut-Botschaft, die uns über alle Maßen auf die Nerven ging. Da braucht es nicht noch den iranischen Zoll, der uns dann erzählt, wir müßten in 48 Stunden ausreisen. Dann lieber auf blöd umschalten und von nichts gewußt haben wollen. Und das würde sich nun zeigen, ob es schlau war oder eher dumm. Didi war schon zum Auto weitergegangen, ich stand noch da und keiner wollte meine Papiere. Irgendwann sah er sich die Papiere dann doch an, griff zum Telephon und redete mit jemandem an der anderen Leitung. Ich weiß nicht, was gesagt wurde, aber da er dabei in meinen Papieren blätterte konnte es nur um eben diese Papiere gehen. Aber ich konnte nicht herauslesen, ob sie es gecheckt hatten oder nicht. Er meinte ich solle warten. Schlaumeier. Was sollte ich denn sonst auch tun? Nun, ich konnte ihm sagen, daß wir zu zweit waren, und in der Gruppe bleiben mußten und er sich deshalb beeilen sollte. Kann sein, daß er sich dann beeilt, und es kann sein, daß er dadurch das Datum übersieht und dadurch davon absieht uns eine harte Zeit zu geben. Es kam ein anderer Mensch in den Raum, der keine Uniform trug. Der hatte ein Buch im A3-Format unterm Arm, nahm dem Uniformierten meine Papiere ab und begab sich dann hinter einen schalterartigen Arbeitstisch. Er trug alles in das Buch ein, was er dort eintragen mußte, gab mir dann einen Teil der Papiere zurück und meinte, ich könne gehen. "Wohin?", fragte ich recht dumm. Er deutete die Straße hinunter und ich ging los. Mittlerweile war Didi schon weitergefahren und der Blaue stand immer noch neben der Straße auf dem harten Sand, jedoch hatten sich mittlerweile große Laster an den Straßenrand geparkt. Tolle Idee, die Karre von der Straße zu steuern, und wie soll ich da jetzt raus? Ich hoffte, irgendwo zwischen zwei LKW eine Lücke zu finden, die erstens breit genug zum Durchfahren war, und die zweitens, auch noch dort war, wo ich über die Böschung fahren konnte, denn das war nicht überall der Fall. Doch auch das klappte. Irgendwie läuft hier alles seltsam glatt. Ich stellte mich auf das dicke Ende ein. Ich schloß auf zu Didi. Als nächstes mußten wir zur Immigration. Aber die war nicht ausgeschildert. Dafür fand ich etwas anderes. "Ha! Da ist doch Didis Duty-Free-Shop von dem er schon seit Wochen redet", sagte ich und fuhr drauf zu. Didi hatte immer wieder gemeint, daß es am Duty-Free-Shop an der iranisch-pakistanischen Grenze Bier in Rauhen Mengen gab. "Woher weißt Du das?", fragte ich. "Das weiß ich nicht, ich hoffe es." Und seitdem hofften wir einfach mit. Vielleicht materialisiert sich ja ein Duty-Free-Shop hier, wenn man ganz oft davon redet. Aber ich sah schon bald ein, daß das nicht funktionierte. Es war kein Duty-Free-Shop, es war einfach nur ein Schmarren. Ein paar Kaftanträger, die mit uns absolut nichts anfangen konnten. Wir mußten weiter, irgendwo die Immigration suchen. Didi ging mit und in einer riesigen Halle fanden wir dann auch einen besetzten Schalter. Wir stellten uns an. Dumm. Hier stellt man sich nicht an, hier drängelt man und wer die längeren Arme hat, der gewinnt. Weit und breit war keiner, der armlängenmäßig mit mir mithalten konnte. Aber irgendwas machte ich dann doch falsch, denn an mir vorbei marschierten vier Omas, legten ihre Pässe hin, die sofort bearbeitet wurden. "Hast Du Dich jetzt grad von diesen vier Ommas anlinken lassen? Hab ich das jetzt richtig gesehen?", hörte ich Didi, dem dieser Vauxpas nicht entgangen war. "Ich bin halt Kavalier", versuchte ich mich herauszureden. "Von wegen! Abgelinkt haben sie Dich!" "Nein, ih! Da! Die hat einen Aussatz! Der fehlt die halbe Fresse! Vielleicht ist es ja ansteckend deshalb hab ich sie vorbeigelassen!" Die eine hatte tatsächlich ein Lepra, aber das war mir erst jetzt aufgefallen. "Der große Macho läßt sich von vier Omas ablinken..." Als die abgefertigt waren, schob ich unsere Pässe dem Immigration-Officer genau vor die Nase, so, daß auch er nun nicht anders konnte, als sie anzunehmen. Die peinliche Aktion von grad eben mußte ich ja irgendwie wieder wettmachen. Er hatte nun fünf Pässe in der Hand, doch vor ihm standen nur zwei Typen. Wir sollten den Rest antrappen lassen. Didi sprang los und holte die anderen. Heike und Almut kamen bald darauf. "Hab gehört, Du hast Dich von vier Ommas ablinken lassen!", begrüßte mich Heike. "Nein, das war in Wirklichkeit ganz anders! Aber das erkläre ich Dir, wenn Du mal älter bist... Da!", schrie ich zum Officer hinunter und zeigte auf die beiden, dann nahm ich Arnie und hob ihn so hin, daß er ihn sehen konnte. Dann wurden die beiden wieder entlassen und gingen zu den Autos zurück. Als nächstes sollten wir zum Zoll. Schon wieder? Da waren wir doch schon. Aber der hatte anscheinend nur die Daten erfaßt, nun sollten die Fahrzeuge selbst kontrolliert werden. Ich wußte doch, daß das dicke Ende noch kommt...
Didi und ich gingen vor zu einem kleinen Schalterhäuschen, in dem der Zoll saß. Wir gingen hinein, Didi mit seinem Carnet, ich mit dem Rest meiner Papiere. Diesen seltsamen rosaroten Zettel ließen wir dezent im Auto. Der sollte möglichst gar nicht zur Sprache kommen. Die anderen hatten kein Interesse dran, weil sie sonst vermutlich nachzahlen mußten, denn sie hatten bei der Einreise angegeben, sie würden lediglich bis Tabris fahren. Und wir hatten kein Interesse daran, diesen Zettel zu erwähnen, weil wir gar keinen gekriegt hatten. Am Ende müssen wir dann noch draufzahlen, wie der Typ mit dem Overlander, dem sie 1.000 € abgeknüpft hatten. Nein, das wollten wir nicht. Diese Zöllner hier waren ein fröhlicher Haufen. Sie lachten, scherzten, aßen und bearbeiteten nebenbei die Papiere. Dann sagte einer zu uns wir sollen mit den Fahrzeugen vorfahren, damit er die Fahrgestellnummer kontrollieren könnte. Auch das taten wir. Das Telephon klingelte. Didi war dran und fragte, ob es was Neues gibt. "Hä?" "Ja, das Guthaben muß ja schließlich weg", meinte er. So ein Schmarren! Wir stellten die Autos ab und ließen sie durch- und untersuchen. Didis Auto wurde wie immer etwas gründlicher untersucht als unseres. Dann durften wir weiter zum "final check", wie sie es nannten. Diese letzte Untersuchung fand hinter dem Schalter statt, wenige Meter dahinter war schon Pakistan. Aber die Idee, das Guthaben aufzubrauchen war schon nicht schlecht, nur konnte man das auch irgendwie sinnvoller gestalten: Ich gab Almut das Handy, damit sie beim Herrn Diplomaten in Teheran anrief, um sich nochmal in unser aller Namen zu bedanken.
Während also Almut telephonierte, wurde die Enduntersuchung durchgeführt. Hierbei wurden auch die Pässe und die Visa kontrolliert. Weiß der Teufel, was da für eine Idiotie dahintersteckt. Wollen sie jetzt nachschauen, ob wir illegal im Iran waren? Natürlich stellte er fest, daß mein Visum abgelaufen war. Aber das lag nicht nur daran, daß er sich das falsche Visum ansah, denn zu diesem Zeitpunkt waren alle Iran-Visa in diesem Paß abgelaufen. Ich nahm ihm den Paß ab, blätterte das richtige Visum her und gab ihm den Paß zurück. Nun paßte es. Und selbst wenn nicht, was hätte er denn machen sollen? Feststellen, daß jeder daherkommen kann und mit einem abgelaufenen Visum einen Monat völlig unbehelligt durchs Land spazieren kann? Das dürfte die Jungs von der anderen Feldpostnummer brennend interessieren...
Das war's jedenfalls mit Iran für diesmal. Vielleicht bis Januar, vielleicht bis in vielen Jahren. Um das sagen zu können, hätte ich wissen müssen, auf welchem Wege wir nach Europa zurückfahren. Über Indien mit den anderen? Über Saudi-Arabien? Vielleicht über Afghanistan? Vielleicht gar nicht? Hier und jetzt war es jedenfalls 11:30 Uhr und wir waren offiziell aus dem Iran ausgereist, diesmal nach Osten.
Nur wenige Schritte weiter war die pakistanische Grenzanlage. Sofort beim übertreten der Grenze merkt man, daß man nun in einer anderen Welt ist. Alles ist heruntergekommen und fertig, die Gebäude scheinen nur noch von der verblassten farbe zusammengehalten zu werden, überall liegen Müll und Menschen friedliche nebeneinander. "Ja, wir sind in Pakistan", stellte einer fest. "Carnet, passport, no carnet, no problem!", sagte einer, der in seinem Nachthemd daherkam. "Jaja, paßt schon", sagte ich. Didi und ich nahmen die Carnets, die Pässe und wir gingen hinein in diese unsägliche Barracke. Es war eine bessere Wellblechhütte in der sich Milliarden Menschen tummelten. Es war unerträglich heiß. Ein Typ gab uns Zettel zum Ausfüllen. Ich nahm ein paar Zettel und ging wieder hinaus. Wo ich hinwollte, fragte Didi. "Alter, ich hock mich nicht in diesen widerlichen Scheißdreck hier rein! Ich füll das am Auto aus und komm dann wieder..." "...wenn Du so einfach wieder reinkommst..." Nun, darüber hatte ich vor, mir später Gedanken zu machen. Ich stand am Auto und füllte die Zettel aus, und da kam schon wieder der Nachthemdmensch daher. Ich solle in dieses Gewusel da drin zurückgehen. "He, Typ, ich weiß, wie eine Grenze funktioniert, ich brauche Deine Hilfe nicht, wir haben sowieso kein pakistanisches Geld und auch kein iranisches, also bekommst Du von uns auch kein Geld. Und jetzt wäre ich Dir sehr verbunden, wenn Du jemand anderen belästigen würdest, ok?" "Kein Geld, kein Problem, ich kann wechseln, Rial, Dollar, Euro, kein Problem." "Ja, vielleicht später, wenn Du mich jetzt in Ruhe läßt!" Er ging weiter. Da kam aber auch schon gleich der nächste. Es war der Typ, der vorhin die Zettel verteilt hatte, und der wollte seinen Zettelblock samt Unterlage wieder haben, die ich wohl aus Versehen alle mitgenommen hatte. Blöd! Alles, was ich zu meiner Entschuldigung vorzubringen hatte war: "Oh!" Ich gab ihm die meisten Zettel wieder und behielt lediglich die drei, die ich schon zum größten Teil ausgefüllt hatte. Zurück ging es in den Kabuff, immer schön dem Typen hinterher. Almut sollte mit dem Kleinen draußenbleiben. "Ich pfeif, wenn Du kommen sollst", sagte ich zu ihr. Da kam schon wieder der Typ daher, der seine Zettel haben wollte, vorhin und machte mich darauf aufmerksam, daß wir alle beide die Ausreisezettel ausgefüllt hatten. Er hielt uns die Einreisezettel hin. "Du Trottel!", sagte ich und gab ihm seine Einreisezettel wieder, strich auf den bereits ausgefüllten das Wort "Exit" durch und schrieb "Entry" darüber. Aber das ginge nicht, weil die Fragen andere sind, als die auf dem Ausreiseformular. "Dann gib halt her, den Scheiß da", sagte ich genervt und nahm ihm die Einreisezettel aus der Hand, "Depp!" Ich setzte mich hin und füllte die Zettel also erneut aus. Heike und Didi waren schon weiter zur eigentlichen Immigration vorgedrungen. "Wo Dein Frau?", fragte man mich. "Draußen. Keine Lust, das Baby durch diesen Dreck hier zu schleifen", sagte ich und zeigte auf das Menschen-Müll-Gemisch um uns herum. "Sie muß kommen wegen Bild machen", meinte er aber. "Na, gut", sagte ich, nahm Zeigefinger und Daumen in den Mund und tat so, als wollte ich pfeifen. Dann ließ ich es und sagte "Spaß, Alter!", aber er meinte, ich sollte doch pfeifen. Da ließ ich mich nicht zweimal bitten. "Na gut, wenn Du das sagst", und ich pfiff los und in dem Raum muß ich es gut erwischt haben, denn nun pfiff mein Ohr, und scheinbar auch die Ohren aller Anwesenden im Raum, denn mit einem Schlag war eine Totenstille eingetreten. Man hörte nur einen Drucker rattern und den Zetteltypen lachen. Abgesehen von ihm starrte mich alles an. "What problem?", hinter dem Tisch im Nebenraum erhob sich ein Uniformierter und schrie mich an. "Hab nur meine Frau gerufen", sagte ich. Er nahm wieder verärgert Platz, und einen Augenblick später stand auch Almut schon mit dem Kleinen im Raum. Wir gingen an das andere Ende des Raumes und machten die Einreiseprozedur. Es wurden Bilder gemacht und ich konnte den Typen überzeugen, daß er erst das Kind abfertigt, dann die Mutter, und zwar alles noch bevor es zappelig und unruhig und laut und unangenehm wird. Den Rest kann er ja hinterher machen.
Ich verließ den Raum als Letzter - natürlich, als was sonst? Das Carnet hatten sie nun angeschaut, aber nichts damit gemacht. Immerhin waren wir schon mal eingereist. Auf dem Weg zum Auto kam nochmal der Geldwechsler. Abermals sagte ich zu ihm, daß ich nicht vorhätte zu wechseln, daß aber hier bald fünf Franzosen mit viel Geld vorbeikämen, die ihm sicherlich weiterhelfen können. "Bis Quetta gibt es keine Tankstelle, keine Bank, gar nichts", betonte er. "Was soll ich also mit dem Geld, guter Mann?" Unsere Tanks und die Tanks unseres "Versorgungslasters" waren voll bis zur Halskrause und die nicht vorhandenen Vorratskammern platzten aus allen Nähten...
Als nächstes ging es zu einem getrennten Raum, in dem wiederum fünf oder sechs Uniformierte saßen, diesmal allerdings nicht mehr braun, sondern dunkelblau. "Levies" war die Aufschrift auf dem Emblem an der Nahtstelle zwischen Schulter und Oberarm. Hier mußten wir uns in ein Buch eintragen, was ich übernahm, dann schickte man uns zum Zoll. Dorthin mußten wir fahren und einer der Polizisten kam mit uns mit.
Die Straße hörte auf, wir fuhren auf Pisten zu einer Runinenansammlung und hielten vor einem weißen Tor, das durch Ketten in Position gehalten wurde. Wir gingen hinein, bald aber schon wieder hinaus, denn anscheinend hatten wir das falsche Gebäude erwischt. Vielleicht auch nicht, jedenfalls fuhren wir wieder ohne irgendetwas hier getan zu haben. Als nächstes fuhren wir auf einen riesigen Hof, auf dem nur LKW zu sehen waren, viele davon recht bunt angemalt. Das Gelände war eingezäunt, und bestimmt zwei Kilometer lang und einen breit. Wir fuhren durch das Tor, dann gleich links bis zum Ende des Geländes und parkten vor einer Halle. das sah nun schon eher nach Grenzabfertigungshalle aus. Didi und ich gingen hinein und nahmen Platz. Wir waren alleine, abgesehen von den Leuten hinter dem Schalter und dem Polizisten, der uns hierhergelotst hatte. Der hatte seine Kalaschnikow neben sich gelegt und döste auf einer Bank vor sich hin.
Hier wurden nun die Carnets bearbeitet. Der Zöllner kannte wohl die Prozedur und schrieb seinen Stiefel herunter, wärend er und erzählte, wie gut Deutschland sei, und was für ein großer Mann doch unser Führer war. Didi war schon lange genug unterwegs, um zu wissen, daß es mehr Schaden bringt als Nutzen, wenn man nicht zustimmt, womöglich auch noch Widerworte gibt. Und ich selbst hab mit sowas ja schon von Haus aus kein Problem. Doch was mich im Moment mehr interessierte war ein kaltes Cola und ich ging hinaus, um zu erkunden, wie es damit aussah. Heike hatte schon alles vorbeireitet, aber Didi fehlte noch. Er wollte aber erst das Carnet fertiggemacht wissen. Natürlich war von dem kalten Cola nicht mehr viel übrig, als wir fertig endlich waren, weil ich schon fast alles in Etappen weggesoffen hatte. Unser Polizist kam auch wieder mit uns mit. Er war unsere persönliche Eskorte, so sagte er. Didi und ich schüttelten ihm die Hand, auf der zwischen Daumen und Zeigefinger ein Hakenkreuz tätowiert war. Ich zeigte drauf, lachte und machte Daumen oben. Er stellte sich vor als "Abdul Malik". Das ist also der berühmte Abdul Malik. "Sie sind also der Herr Feind!", stellte ich fest. Aber da wir nun die Grenze hinter uns hatten traf das nicht mehr zu. Endlich treffen wir ihn mal persönlich. "Schon viel von Dir gehört!", sagte ich. Dann ging ich zum Auto, holte die Fliegenpatsche und ging wieder zu ihm. Er konnte nicht viel Englisch, also half ich mir mit Zeichensprache weiter. Ich gab ihm die Fliegenpatsche, zeigte dann auf seine AK-47 und gab ihm ein Zeichen, daß er sie mir geben solle, im Tausch gegen die Fliegenpatsche. Er ließ sich nicht drauf ein. "Blöd! Muß mir einen besseren Trick einfallen lassen." Ich lud ihn symbolisch ein, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Viel Englisch konnte er nicht, aber die Stimmung an Bord war ausgelassen und heiter. Er mußte mich einige Male daran erinnern, daß hier wieder Linksverkehr ist. Klar, wie sollte es auch anders sein. Das Schlangestehen, das haben sie sich nicht von den Briten abgeguckt. Aber diesen dummen, schwachsinnigen Linksverkehr, den haben sie übernommen. "Still using the trash, the British left behind, eh?", bemerkte ich. Diesen Spruch habe ich mir in Amerika angeeignet und fleißig benutzt. Er soll mir lieber sagen, wo hier überhaupt die Straße sein soll, dann kann ich auch auf der linken Seite davon fahren. Aber das mit den Straßen, das scheinen sie auch nicht von den Briten übernommen zu haben - wäre ja was Gutes. Also holperten wir weiter über die Piste, hinein nach Pakistan.
Doch, tatsächlich, kaum einige Kilometer von der Grenze wurde die Straße richtig gut. "Gut" ist vielleicht übertrieben, denn wenn man gerade aus dem Iran einreist, ist man straßenmäßig mehr als verwöhnt. Aber die Straße hier war recht passabel, muß man zugestehen. Breit und kaum Schlaglöcher. Und das ist schon mehr als man erwarten kann. Es war 13:45 Uhr, Kilometerstand 331.850 und die Einreise nach Pakistan war offiziell abgeschlossen. Wir waren am Ziel dieser Reise angelangt - rein formell. Aber eigentlich geht hier die Reise ja erst los. Blöd nur, daß sich hier unsere Wege von dem der anderen beiden trennen wird. Ich hatte es also gar nicht eilig, in Lahore anzukommen. Außerdem gefiel es mir hier schon jetzt, auf den schwülen Osten des Landes hatte ich wenig Lust. Wir fuhren durch die Wüste, der Kleine machte Rabatz, saß abwechselnd auf dem Fußraum, auf Almuts schoß, oder er arbeitete sich zu Abdul vor und zupfte ihn am Bart oder spielte an der Kalaschnikow herum. Kaum hatte ich den Autopiloten eingeschaltet, hieß es, wir müssen anhalten. Da war ein Check-Point, wie man sie aus vielen Ländern kennt. Eine kleine Hütte am Straßenrand, eine Schranke und natürlich durfte der "Bump" nicht fehlen, also dieser künstlich in die Straße gebaute Buckel, der einen dazu zwingt, langsam zu fahren. Ich hasse diese Teile, besonders nachts, und wenn sie dann auch noch ungekennzeichnet sind. So hielten wir vor dem Häuschen an. was sollten wir auch anderes machen? Ein Polizist kam ans Auto, begrüßte mich per Handschlag, und redete mit Abdul. Dann ging er wieder weg. "Alter, laß mal sehen", sagte ich zu ihm und zeigte auf die AK. Er reichte sie mir herüber und ich inspizierte sie. Den Abzug erkannte ich mit meinem fachmännischen Blick sofort. Und was ist das? Ah! Da kann man das Magazin lösen. Hier kann man durchladen... Aber wo ist die Sicherung? Ich hörte von draußen eine Stimme irgendwas sagen und sah hinaus. Seltsam, weit und breit kein Mensch. Ich wandte mich wieder diesem legendären Sturmgewehr zu. Wieder eine Stimme von draußen. "Wer stört?", dachte ich mir, und sah erneut hinaus. Und wieder die Stimme. Ich sah nach oben und genau in der Verlängerung des Laufs, den ich aus dem Fenster hob, war ein Kopf, der grinsend irgendwas auf Landessprache in meine Richtung sagte. Der MG-Posten, offensichtlich, denn neben ihm starrte der Lauf eines mir irgendwie nicht ganz unbekannten Maschinengewehrs in die Richtung, aus der wir gekommen waren. "Oh! Da sitzt ja einer! Den hab ich gar nicht gesehen." "Du bist so doof", lachte Almut. Ich gab Abdul seine Wumme wieder und wollte aussteigen und fragen, ob ich mir das MG mal anschauen darf, aber da kam schon der Polizist von vorhin an mit einem viel zu großen Buch, in das wir uns wohl eintragen sollten. Wird nicht das letzte MG sein, das wir hier sehen. Ich trug alle Insassen der beiden Autos in das Buch ein. Den Paß wollte keiner sehen. Im Prinzip kann man eintragen, was man gerne möchte. Dann ging es weiter.
Am nächsten Posten, an dem wir diese Prozedur abermals wiederholen mußten stieg Abdul aus und wurde durch einen anderen Posten abgelöst. Ich stieg aus, um mich zu verabschieden. Der war witzig. Mal sehen, ob der andere mithalten kann. Wir fuhren weiter. Nach einer Weile überholte uns ein weißes Auto, nahm Fahrt heraus und fuhr an den linken Straßenrand, so daß ich ausweichen mußte. "Was war das denn für eine Idiotenaktion?", dachte ich, und fuhr weiter. Das Auto nahm wieder Fahrt auf, und wiederholte den Vorgang, diesmal mit Zeichen zum Anhalten. Der neue Malik gab mir jedoch ein Zeichen zum Weiterfahren, also tat ich das. "Police?", fragte ich ihn, denn ich hatte beim zweiten Überholvorgang ein grünes Käppi in dem Auto gesehen. Er aber sagte "No". Ich zeigte nach hinten, denn das weiße Auto hatte erneut zum überholen angesetzt. Er nahm seine Kalaschnikow, lud durch und hielt sie bereit, während er den rechten Außenspiegel beobachtete. "Hey! Easy with the hardware!", sagte ich. Das weiße Auto kam näher und fuhr auf gleicher Höhe mit uns mit. Das Fenster war offen, und der Kopf mit dem grünen Barett brüllte irgendwas zu uns herüber. Der nach oben gerichtete Lauf seiner Waffe war auch zu sehen. Er hatte eine Uniform an, und hinten auf dem Sitz saß ein hellhäutiger und mit rotem Polohemd gekleideter Mann mittleren Alters. Der neue Abdul brüllte irgendwas zum anderen Auto und es schien sich ein Gespräch zu entwickeln. Dann machte er das Fenster zu, legte die Waffe wieder weg und wir fuhren weiter. "Was geht?" "No problem", sagte er. Soviel hatte selbst verstanden gehabt. Aber wenigstens wußte ich nun, wo der Sicherungshebel ist.
Am nächsten Posten bei einem Kaff Namens Kundi, stand der weiße Wagen auch wieder da. Wir stiegen aus. Der Typ im roten Polo kam auch zu uns. Er war Türke und im Auftrag des türkischen Halbmonds, oder wie das Islamische Rote Kreuz eben heißt. Er will zu seinem Zug. In der Tat hatten wir kurz nach der Grenze einen Zug ohne Lokomotive recht unmotiviert in der Gegend herumstehen sehen. Der bestand aus Containern, die alle diese Flaggen hatten, die wir auf dem Weg durch den Iran immer an den türkischen Lastern gesehen hatten. Alles, was ich mir dabei gedacht hatte war: "Den wird halt irgendwer vergessen haben". Aber scheinbar nicht. Nach dem Eintrag im Buch fuhren wir weiter, diesmal zusammen mit dem weißen Auto und mit einem älteren Herrn als Begleitung. Nach einer Weile war das weiße Auto weg. Wir waren denen wohl zu langsam mit unseren alten Dieselmotoren. Arnie hatte man mangels Klima einen feuchten Lappen gewickelt. In dieser Gegend funktioniert das, weil die Luftfeuchtigkeit sehr niedrig ist. Aber das gefiel unserem Begleiter nicht und der meinte, das sei für das Kind nicht gut. Er selbst hatte mehrere von diesen Teilen und mußte es wohl wisse. Ich nahm ihm den Lappen weg und tat ihn mir selbst auf den Kopf, darüber dann die Mütze. Sehr angenehm. Arnie fand auch die Kalaschnikow interessanter als die Gangschaltung, mit der er sonst immer herumspielt, wenn er vorne sitzt. So ist's recht, kleiner Mann! Früh übt sich, was ein Meister werden will.
Almut fragte mich, ob es nicht einfacher wäre, einfach auf dem Zug mitzufahren, statt ihm mit dem Auto hinterherzufahren. Keine Ahnung, das hatte ich ihn nicht gefragt. Erstens war mir dieser Unsinn überhaupt nicht aufgefallen, und zweitens weiß ich nun doch aus langer Erfahung, daß wenn man in solchen Gegenden irgendeinen Unsinn zu ergründen versucht, in der Regel nur unsinnige Antworten bekommt. "Keep it simple". Doch sie hatte gleich beim nächsten Polizeiposten, an dem wir das Auto erneut trafen, Gelegenheit ihre Neugier zu befriedigen... Also, auf dem Zug kann er nicht mitfahren, weil es zu lange dauert. Und der Zug steckt fest, weil man hier in Pakistan wohl das britische System benutzt und das taugt nichts. Nun, das hätte man sich auch denken können. "Britisch" und "System" sind schon zwei Worte, die einander zumindest unsympathisch sein müssen.
Als wir dann, nach mehreren Polizeiposten, teilweise mit Wachwechsel, das Dorf Dalbandi erreichten war es bereits dunkel. Den letzten Posten hätte ich gar nicht gesehen, wenn nicht unser Begleiter mich darauf aufmerksam gemacht hätte. "Willst Du sterben, Alter?", begrüßte ich den Posten, den mir die Nacht plötzlich vor die Füße gespuckt zu haben schien. "Mach mal Licht an, sonst gibt's am Schluß noch einen LKW zum Abendessen!" Die haben ja ein sonniges Gemüt... Da es dunkel war, konnten wir nicht weiterfahren und man erklärte uns, während ich die Fahrzeuge in das Buch eintrug, daß wir in Dalbandi übernachten müßten. "Kein Problem". Mir soll es recht sein. Wir fuhren zu einer Polizeistation. Vor dem Tor kam jemand und überreichte mir die Visitenkarten eines Hotels. Die Visitenkarte war sehr schick, Hartplastik, durchsichtig, versteht sich, also kein abgerissener, handgeschriebener Zettel, sondern richtig durchdacht. Ich fragte nach, ob wir ins Hotel wollten, oder auf der Station übernachten. "Im Hotel gibt's keine Kalaschnikows", sagte ich und legte damit meine Präferenzen fest. Almut war es wie immer egal und Heike und Didi auch. Die hatten alles was sie brauchten. "Müßt Ihr wissen, wir ham unser kuscheliges Bett dabei". Wir blieben auf der Polizeistation. Das Tor ging auf, wir fuhren auf den Hof und wurden auf unsere Parkplätze gewiesen. Inmitten von Schrottautos, baute ich das Zelt auf, in das sich Almut mit dem Kleinen zurückzog. "Wieso haben die auf der Polizeistation einen Schrottplatz?", fragte ich. Didi meinte, das seien wohl eher beschlagnahmte Autos. Teilweise sogar noch gut.
Ich ging noch in eine Kabuff, um uns einzutragen. Der Türke war auch da, bestand aber auf Weiterfahrt. Der Minister für Dies und Das hätte ihm zugesichert, daß er heute nacht in Quetta ankommen würde. Wir blieben jedenfalls hier. Nachts verpaßt man ja alles von der Landschaft. Wieder zurück an unserem Nachtplatz, stellte ich fest, daß Heike und Didi schon mit den Vorbereitungen für das Abendessen begonnen hatten. Wir setzten uns und tranken iranischen Bier. Da kam ein Levies zu uns an den Tisch, der mehr aussah wie ein italienischer Pizzabäcker, denn wie ein Paschtune. Er hatte einen Schnurrbart, der ihm quer über das ganze Gesicht ging und war allem Anschein nach von Natur aus sehr fröhlich. Er salutierte, rieb sich die Hände, freute sich recht sehr und rannte weg, als der Muezzin zum Allah einlud. "Was war jetzt das?" Wir machten weiter im Programm. Nach einer Weile stand der Levies wieder da, diesmal ohne Uniform und ohne Waffe, aber immer noch recht heiter. Er grinste hinter seinem Schnurrbart und zeigte auf das Bier. "You want?", fragten wir. Er nahm Haltung an und nickte. Ist ja kein Problem. Ist iranisches Bier. Garantiert ohne Alkohol. Wir konnten nicht herausfinden, ob er das verstanden hatte oder nicht. Er trank es jedenfalls im Zeitraffer und war dann wieder weg. Wir aßen zu abend, übertrugen dann Bilder und Karten auf die Festplatten und spülten ab. Das Wasser hierfür mußte aus dem Brunnen geholt werden, der nebenan war. "So, ich geh jetzt und besorg eine Kalaschnikow", sagte ich und zog los, währen die anderen das geschirr wieder einräumten. Ich ging in das Häuschen, in dem ich uns zuvor in das Buch eingetragen hatte. Da war eine im Eck gestanden. Aber das Häuschen war nun unbesetzt und vor dem Häuschen schlief ein Polizist auf einem bett im Freien. Den wollte ich nicht wecken, also ging ich hinein. Dabei fiel mir aus, daß mein Kugelschreiber weg war. Den muß ich bei irgendeinem Posten verschusselt haben. So ein Dreck aber auch. Da kamen auch schon zwei Leute in das Häuschen, ob ich Hilfe bräuchte. "Nein. Ich suche meinen Kugelschreiber", sagte ich. Wir durchsuchten gemeinsam den Schreibtisch, fanden aber nichts. "Aber warum ich eigentlich hier bin... K ann ich die haben?", fragte ich und zeigte auf die Kalaschnikow. "Wie?" "Ja, haben wollen. Wieviel kostet die denn?" "Die ist nicht zum Verkauf. Die gehört dem Chef", sagte einer und zeigte auf den Typen draußen im Bett. "Ach, der hat bestimmt ganz viele, ich hab gar keine. Mach mir guten Preis. Ich zahle bar." Mist! Da fiel mir auf, daß wir ja kein pakistanisches Geld hatten. Keiner von uns. "Dollar, Euro, no problem." Ich nahm sie, sah sie mir an. "Fifty!" "No for sale!", sagte der andere und beide lachten. "Ok, dann tauschen. Ich geb Dir meine Kamera", sagte ich. Aber er konnte sie mir nicht geben, weil sie nicht ihm, sondern seinem Chef gehörte." Aber mit der Kamera herumzuspielen, das ließ er sich nicht nehmen. "Dann mach wenigstens ein Bild von mir. Für meine Mamma!" Darauf ließen sie sich bereitwilig ein. Ich nahm die Kamera wieder an mich und sagte: "Ok, then no business", und wollte schon hinausgehen. Er sah mich an und zeigte grinsend auf das Gewehr, das nach wie vor an meiner Schulter hing. "Ah! Ich dachte, Du merkst es vielleicht nicht", sagte ich und stellte es wieder zurück. Blöd. Der Versuch hat schon mal nicht geklappt. Aber ich gab noch eine Runde Kippen aus und ich ging wieder unverrichteter Dinge.
"Und? Hasch etz Dei Kalaschnikow?", empfing mich Didi. "Nein, hat nicht funktioniert", sagte ich. "Ach, was!? Wirklich? Aber ich hab dafür immerhin schon mal herausgefunden, was so eine kostet", sagte er. "Wie das?" "Der Typ hat uns zum Tee eingeladen. Der hat da gleich drei von denen drinstehen." "Und? Was kostet eine?" "Umgerechnet 130 Euro." Das ist ja ein Spottpreis. Dafür kriegt man in Europa noch nicht mal ein Luftgewehr. Aber was nützt es, wenn sie billig sind, aber man niemanden findet, der sie einem verkauft?
Wir gingen nochmal zu dem Typen, der uns zum Tee eingeladen hatte. Das Zimmer war bescheiden eingerichtet. Zwei Betten, ein Regal, und eine Lampe. Er meinte, daß der Strom bald abgestellt würde und zündete schon mal die Kerzen an. Dann saßen wir da und tranken Tee. Bald ging die Lampe wirklich aus, und im Kerzenschein fielen mir erst die vielen Einschußlöcher in der Wand auf. Genau neben mir standen an der Wand drei Kalaschnikows - worauf mich erst Didi aufmerksam machen mußte, denn mir waren sie erst gar nicht aufgefallen. Ob ich davon eine haben könnte, fragte ich. Nein. "Ach, Mann! Nie krieg ich 'ne Kalaschnikow... Immer nur alle anderen! Scheiß! Ich will auch sowas!" Kurz nachdem der Strom weg war, lag auch schon alles in tiefster Nachtruhe da. Kaum mehr ein Laut war zu vernehmen. Es kommt einem dadurch später vor als es wirklich ist.