< Oktober 2010 >
Mo Di Mi Do Fr Sa So
        1 2 3
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

Pakistan 2010
Montag, der 4. Oktober

Ich stand zeitig auf, bestellte ein Frühstück und ließ mir Zeit. Der Plan stand fest, und da er nicht von mir war, fand ich ihn gut. Erste Anlaufsstelle Fritz-Botschaft. Über das Frühstück verpennte ich aber dennoch die Öffnungszeiten dieser fragwürdigen Einrichtung. Ich ließ mir von Seiedi ein Taxi bestellen und der Fahrer war kurze Zeit später da. Es war nicht der Trottel von neulich, sondern ein alter Mann. Meine Befürchtung, daß ich zu Fuß schneller wäre erwiesen sich jedoch als Vorurteil. Der Typ fuhr wie ein Idiot, aber mir kam der Verdacht, daß der in seinem Leben nie etwas anderes getan hatte, als Autozufahren. Der zog wild seine Zacken, aber die waren koordiniert. Es nötigte mir sogar einen gewissen Respekt ab, wie er die Unberechenbarkeit der autofahrenden Perser in seine Manöver miteinberechnete. Nach nichteinmal fünf Minuten war ich an der Fritz-Botschaft. Ich gab ihm ein Extra-Trinkgeld, das hatte er sich redlich verdient. Auf in den Kampf. Doch besagte Einrichtung macht um 8:00 auf, nicht um 7:30, wie ich dachte. Hätte ich in meinen eigenen Berichten gelesen, hätte ich es besser gewußt. Ich war also gar nicht zu spät und es blieb noch Zeit für eine Kippe. "Bisch Du Deutsch, odda?", fragte mich einer, der da gerade stand. "Ja, leider. Wieso?" "Weil Du hier stehst." "Wo soll ich denn sonst stehen?", fragte ich recht naßforsch, "Ich deutsch, Botschaft Deutsch. Wo soll ich sonst hin?" Er erklärte sich: "Aber wenn Du Deutsch bisch, kannsch doch glei nei, Alta!" "Nein, ich glaub, das Gegenteil ist der Fall." "Na, Alta, klopf da und sag, Du musch nei." Warum eigentlich nicht? Ich klopfte an einem Tor, und es kam tatsächlich ein Typ, der akzentvoll sprach und meinte, ich solle warten, bis die aufmachen. Ich sah auf die Uhr, es war 08:04 Uhr. "Ist heute Feiertag?", fragte ich ihn dann. "Nein, nicht hier, gleich machen sie auf." Ich ging wieder zurück zu dem Typen, der mich angesprochen hatte. Der war Iraner, hatte irgendwo im Schwäbischen einen Laden am Laufen. Ich erklärte ihm die Situation, und was ich hier eigentlich wollte. "Geh glei nei, wenn sie aufmachen." Aber es standen lauter Leute schon vor mir da. Darauf machte ich ihn aufmerksam, indem ich sagte: "Was wollen eigentlich diese Idioten in Deutschland? Ich bin froh, wenn ich da nicht sein muß..." Er lachte. "Die wollen irgendwas anerkannt oder beglaubigt haben, aber wenn Du willsch nur den Paß von Deinem Sohn abholen, geh einfach nei..." Warum nicht? Als sich ein Weißhemd am Eingang zeigte, ging ich hinein. Er fragte, was ich wollte, und ich sagte, "ich muß nur so ein Trum abholen, bin gleich wieder weg, paßt schon, oder?", und bevor er was sagen konnte, war ich durch. Ich ging direkt zum Schalter zu der Perserin und sagte: "Ich bin der, mit dem Sie neulich telephoniert haben. Ich wollte bloß den Paß von diesem dummen Kind abholen." "Sind Sie der Herr Besold?", fragte sie. "Ja". Sie griff unter den Tresen und holte den Paß hervor. "Geben Sie mir den alten Paß", forderte sie mich auf. "Nein, den brauch ich noch", sagte ich und spürte, wie mir die Galle stieg. "ja, sie kriegen ihn ja auch wieder, ich will nur überprüfen, ob die Angaben stimmen. Wäre es eine Deutsche gewesen, hätte ich ihn nur an die Panzerglasscheibe gehalten, so aber fragte ich sie, ob sie ihn auch nicht einbehält. "Nein", sagte sie und lachte. "Kein Trick?", fragte ich. "Nein, Sie kriegen beide Pässe." Ich riechte ihr den Paß. Sie verglich die beiden Pässe, gab mir auch nach wenigen Sekunden den alten Paß zurück, nahm den neuen und verließ den Schalter mit der Angabe, sie müsse nur noch eine Photokopie machen. Scheint ja hinzuhauen. Mir kam es vor wie Stunden, aber nach etwa fünf Minuten kam sie zurück und legte Paß und Kopien vor sich hin. "Und Sie brauchen kein Schreiben von uns für die iranischen Behörden?", fragte sie. Alte, jetzt tu den scheiß Paß her! "Nein, kein Bedarf. Ich brauche nur den Paß da, dann bin ich schon zufrieden und bin weg", sagte ich, auf den Paß hinter dem Panzerglas deutend. Sie reichte ihn mir. Als ich ihn fest im Griff hatte, sagte ich im Hinausrennen noch "Dankeschön" und war schneller auf iranischem Boden als sie schauen konnte. Da stand immer noch der Typ am Trottoir, ich nahm Siegerpose ein, hielt beide Pässe in die Höhe und schrie "Yes!". Dann riß ich mich wieder zusammen und besann mich auf meinen nächsten Auftrag: Indische Botschaft. Doch zufällig fiel mein Blick auf den Bundesaasgeier, der über der Aufschrift "Botschaft der Bundesrepublik Deutschland" prangte, genau an der Säule, die zwischen Schalter Drei und dem Tor war, an dem ich vorhin geklopft hatte. Der Wachposten war grad mit Schlafen beschäftigt. Ich sammelte allen mir verfügbaren Schleim aus Stirn und Rachen zusammen und ihn genau da hin. "Nichts für ungut, war nur symbolisch gemeint", erklärte ich meinem Ratgeber von vorhin, der sich vor Lachen kaum mehr einkriegte, hielt dann ein Taxi ein und stieg ein. Der schwierigste Teil war geschafft. Der Taxifahrer gab mir zu verstehen, daß es ihm gewaltig entgegenkäme, wenn ich ihm sagte, wo ich eigentlich hinwollte. "Ah, ja, der Auftrag. Safurat India." Er tuckerte los. SMS an Didi: "Achieved 50% so far. Und ich hab einen grünen Platschari genau auf den deutschen Adler gesetzt. Sozusagen als schönen Gruß aus Kerman von uns allen. Jetzt India"

Währenddessen in Kerman...

Didi hatte mir eingeschäft, unbedingt um 8:30 Uhr dazusein. Es war nach meiner Uhr 8:39 Uhr, was man in diesen Breiten als überpünktlich bezeichnen kann. Es standen einige Leute vor dem Stahltor, aber da ich nur die Visa abholen wollte, klingelte ich am Haupteingang. Es meldete sich auch einer an der InterCom und fragte, was mein Anliegen sei. "Ich bin für 08:30 Uhr herbestellt, um zwei Visa abzuholen, aber keine Tür geht auf." Die Tür würde um Neun aufgehen, ich solle mich, wie alle anderen dort anstellen und eine Nummer ziehen. Warum bestellt man mich dann für halb Neun her? Ich stellte mich ans Tor und da geschah es: Es blieb alles ruhig. Es schien, als wäre ich dazu verurteilt, vor einem sich nicht bewegendem Tor zu stehen...

Erst sieben Minuten nach der offiziellen Öffnungszeit ging das Tor auf, und alle wartenden stürmten hinein. Zwar war ich einer der ersten am Nummern-Automaten, aber das nützte mir nicht viel, denn der funktionierte nicht. Man konnte auf den Knopf drücken, es piepste auch bestätigend, aber mehr geschah nicht. Ich ging zu einem Schalter. Die Inder sitzen nicht hinter Panzerglas, sondern hinter einer Mauer. Man sieht nicht, wer dahinter ist und kommt sich vor, als würde man mit der Wand reden. "Ich wurde hierherbestellt, um zwei Visa abzuholen", sagte ich zu der Frau hinterm Schalter. Ich solle eine Nummer ziehen und dann wieder kommen. "Ich würde sehr gerne eine Nummer ziehen, aber der Automat funktioniert halt nicht. Aber er schaut immerhin genauso aus wie ein Automat. Das hier sieht übrigens auch fast aus wie eine Botschaft." Kaum war der Satz draußen fiel mir ein, daß ich doch besser einen Gang zurückschalten sollte, schließlich wollte ich ja hier etwas. Aber wenn man von einer Affenstaatsbotschaft zur nächsten weitergereicht wird, da muß einem irgendwann der Kragen platzen, das ist mathematische Gewißheit. Ich ging wieder zurück zum Automaten, an dem sich gerade hundert Leute zu schaffen machten. Einer war da, von dem ich nun nicht wußte, ob er hier arbeitete, oder ob er nur so tat. Als der Automat dann aber doch seine Tätigkeit aufgenommen hatte war es dieser Typ, der die Zettel verteilte. Ich stellte mich auch an, um einen zu erhalten, als das nichts half, ließ ich meinen rechten Arm über die Menge hinweg möglichst nahe an die Hand des Typen wandern, doch der verteilte munter seine Zettel weiter, ohne mich weiter zu beachten. Genau vor mir stend eine Fledermaus, die ihren Zettel in Empfang nehmen wollte. Gerade als sie ihn nehmen wollte da kam meine rechte Hand aus der Deckung ihres Kopftuches, griff sich den Zettel. Die schaute erbost und da sah ich erst, daß sie eigentlich sehr hübsch war. Hätte ich das vorher gesehen, hätte ich ganz bestimmt eine auf Gentleman gemacht. Und ich hätte es früher gesehen, wenn sie sich nicht angezogen hätte wie eine Nonne, also selbst schuld. Die Freude über meine Eroberung wurde noch weiter geschmälert, als ich feststellen mußte, daß vor mir 18 Nummern lagen. Diese ewige Warterei. SMS an Didi: "Grrrrrrr. Glaub die nehmen nur das Geld und machen dann nichts mehr, weil die wissen, daß man als Tourist nicht ewig Zeit hat. Wird schon so ein Kackland sein."

Mir kam dabei der Gedanke, daß all diese vielen Anschläge auf Botschaften einen wesentlich banaleren Grund haben könnten. Vielleicht sind es gar keine Terroristen, sondern nur genervte Antragsteller. Und es wird deshalb den Terroristen in die Schuhe geschoben, weil man einen Grund braucht, irgendein Land anzugreifen, sonst funktioniert das nicht. Ist zumindest eine Arbeitsthese... Eine dreiviertel Stunde später war ich dran. Wieder am gleichen Schalter. "So, jetzt bin ich wieder da und möchte immer noch die zwei Visa abholen." Sie gab mir einen Zettel, in den ich die Namen der Visaantragssteller aufschreiben sollte, was ich auch sogleich tat, ohne dabei den Schalter zu räumen. Sie nahm die Zettel und ging weg. Ich wartete. Nach etwa zehn Minuten kam sie wieder und erklärte, daß die Botschaft noch keine Antwort erhalten hätte. "Entschuldigen Sie bitte, aber ich sagte bereits zweimal, daß ich um 08:30 Uhr hierherbestellt wurde, um zwei Visa abzuholen. Jetzt ist es gleich zehn Uhr." Sier erklärte erneut, daß noch keine Antwort eingetroffen sei. "Das interessiert mich einen Scheiß. Irgendwer aus Micky-Maus-Botschaft hat gestern angerufen und gesagt, die Visa seien heute um acht Uhr dreißig fertig und ich solle sie abholen." Man könne mir kein Visum ausstellen, wenn keine Antwort da sei. "Dann sollen mich die Pappnasen nicht herbestellen. Wenn eine Antwort für die Erteilung des Visums erforderlich ist, und diese noch nicht da ist, dann war die Antwort zuvor auch nicht da, warum sagt man uns dann, das Visum sei zur Abholung fertig? Und wenn sie mir nicht weiterhelfen können, dann will ich jetzt jemanden sprechen, der für die Sauerei verantwortlich ist. Glauben Sie, ich fliege hier quer durch das Land aus Spaß an der Freude? Ich will jetzt mit dem Verantwortlichen reden, ansonsten wird hier umgebaut." Und, wider Erwarten, sagte sie mir, ich könnte einen Termin mit dem Council haben. Es würde allerdings einige Zeit dauern. Da es jetzt sowieso schon egal war, willigte ich ein.

Ich wurde in das Nebenzimmer geleitet und durfte erst mal platznehmen. Und dann geschah es wieder: Ich saß da, langweite mich und schickte SMSen nach Kerman: "Seid Ihr sicher, daß Ihr nach Indien wollt? Wenn das Land genausogut funktioniert wie die Botschaft kommt Ihr keine zwei Kilometer weit." Doch ich saß weiter im Warteraum. Ein kleiner unbedeutender und völlig lächerlicher Inder schlüpfte hier in die Rolle des Zerberus. Der hielt mich und andere immer wieder dazu an, das Mobiltelephon nicht in dem Raum zu benutzen, aber wir alle waren uns unabgesprochenerweise einig, ihn einfach nicht ernstzunehmen. Irgendwann kam er und meinte, ich solle beim Council vorsprechen, geleitete mich durch die Tür in den Aufzug, fuhr mir mir in den zweiten Stock und ging vor eine Tür. Die, aber, war verschlossen und öffnete sich trotz Klopfens nicht. Da entschuldigte er sich vielmals, erklärte, daß der Council eigentlich dasein müßte, aber nun mal nicht da ist, und, daß ich wieder hinuntergehen müßte und weiterhin zu warten hätte. Ich tat, wie mir geheißen.

Mittlerweile war zwölf Uhr Mittag verstrichen. Das nervte mich, denn ich hatte gedacht, ich könnte die indische Botschaft im Handstreich nehmen und anschließend zu den Pakis fahren, um das Visum für das Kind abzuholen. Abtreibung ist ein Segen für die Menschheit, warum erkennen das nur so wenige? Wieder setzte ich mich auf den harten Sitz und SMSte vor mich hin. Natürlich an Didi: "Scheiß Inder. Jetzt haben die Pakis zu. Kannst Du nochmal bei den Turbantrotteln anrufen? Und sag ich sitz im Wartezimmer wie bestellt seit 08:30." Didi tat dies, er wird wohl auch etwas deutlich geworden sein, denn kurz nach der SMS kam der nichternstzunehmende Zwerg wieder und meinte, der Council sie jetzt bereit, mich zu empfangen und ich solle ihm bitte folgen. Diesmal war der Clowncil auch da. Aber es war noch ein Hilfs-Clown da, also nahm ich nicht am Schreibtisch platz, sondern am Empfangstisch. Doret wartete ich darauf, daß er den Hilfs-Clown endlich entläßt. Nach einer Weile tat er das auch und bat mich an den Schreibtisch. Ich nahm Platz und bemühte mich extra, keine blöden Ansagen zu landen. Den folgenden Dialog gebe ich im Original, also in Englisch wider:

Unglaublich: Fahrschulen in Teheran.

Council: "What can I do for you?"
Ich: "Oh, just give me the visas, that would be OK with me."
Council: "Visas for what?"
Ich: "Well, visas for India, I guess..."
Council: "Are you going to India?"
Ich: "No, I'm not. But my firends here", ich holte den Umschlag mit den Papieren hervor, "they're going to India, and I'm the one who's supposed to pick up their visas."
Council: "Why don't they come to pick up the visas?"
Ich: "Because they are in Kerman. You know, we are travelling by car and we're not able to just pop up in some random town whenever councils request us to do so. They called this embassy and asked if it is OK to send someone with an authorisation letter and they were told it is OK, so here I am, I came here from Kerman to sort out a couple of problems, such as the India-Visas for those two guys. Can I get the visas now? I've got other stuff to do."
Council: "Let me see you papers."
Ich händigte ihm den Umschlag aus, er sah sich alles durch. Adresse von der Indischen Botschaft, Quittung von der deutschen Botschaft, einfach alles. Dann ging die Befragung weiter:
"Warum kommen sie nicht selbst, um die Visa abzuholen?"
"Wie ich bereits sagte: Ich bin zurückgekommen, weil ich mit der deutschen Botschaft massive Probleme habe, und ich mußte persönlich erscheinen, also fragten wir nach, ob es in Ordnung ist, daß jemand anderer diese Visa abholt und es hieß seitens dieser Botschaft hier, es sei kein Problem. Wo ist nun das Problem?"
"Es ist kein Problem, ich wollte nur wissen, warum Sie hiersind, um die Visa abzuholen und nicht die Antragsteller."
"Das wissen sie ja nun. What about the visas?"
"Well, we did not get an answer from your country."
"Look: I don't care about answers from my country. The fact of the matter is that the guy who applied for the visa talked to someone from this embassy two days ago and he was told that the visas are ready to be picked up today at 0830 hours. Now it is past noon. Someone is not doing his job."
Er griff zum Telephon und laberte irgendwas in vermutlich Hindi in die Sprechmuschel hinein. Dann legte er auf und ließ mich am Wartetisch platznehmen. Währenddessen überlegte ich mir, ob ich wiedereinmal überreagiert hatte, oder ob ich nicht noch viel mehr hineingehauen hätte wenn es um meine ureigensten Interessen gegagen wäre. Natürlich war es für mich persönlich wichtig, daß Heike und Didi möglichst lange mit uns weiterfuhren, andererseits wollten die beiden einfach nach Indien. Ich kam zu dem Schluß, daß ich noch viel weiter gegangen wäre hätte ich selbst nach Indien gewollt. Es kam die Sachbearbeiterin in den Raum, die ich schon vom Schalter kannte und holte sich ihren Anschiß ab, was ich als gutes Zeichen wertete. Der Council nahm den Stapel Papiere und ging ihn durch.
"Are you also going to India?", fragte er mich. Wahrheitsgemäß antwortete ich mit "No", und dachte mir dabei "Frag jetzt nur nicht, warum ich nicht nach Indien will", denn ich war mir ziemlich sicher, daß ich auch hier wahrheitsgemäß geantwortet hätte und zwar ungefähr so: "Warum? Weil wenn die Botschaft schon nichts auf die Reihe kriegt, wie muß dann erst das Land sein?" Aber er fragte mich nicht warum. Er fragte nur erneut, warum die beiden nicht selbst kommen, um das Visum abzuholen. Diese Frage hatte ich nun bereits mehrfach beantwortet. Wir reisen, das bedeutet, wir wollen und das Land ansehen, nicht die Behörden. Wir haben nachgefragt, ob man die Visa persönlich abholen muß und man erklärte uns, es sei vollkommen ausreichend, wenn einer mit einer Vollmacht daherkäme. Ich bin hier mit einer Vollmacht und mit den Originalpässen. "Und wo ist das Flugticket?", fragte er. Ich stand auf, ging zu den Unterlagen und zeigte ihm die Flugreservierung. "Hier", sagte ich und zeigte mit dem Finger drauf. "Der Flug ist ja für den 25.", sagt er. "Ja, das ist eine Reservierung. Keiner kauft einen Flug ohne Visum." Er schaut mich an und sagt nur: "Wieso? Einen Flug kriegt man immer, ob mit oder ohne Visum..." Schon klar", sage ich, "aber wir sind mit dem Auto unterwegs. Die werden grad so blöd sein, das Auto in einen Container nach Indien zu stecken und dann hier kein Visum kriegen, und was dann? Zahlen Sie die Rückverschiffungskosten? Erst Visum, dann Verschiffung, andersrum geht's nicht." Daraufhin wußte er anscheinend nichts zu sagen und verwies mich auf die indische Vertretung in Zahedan Einmalig! Die nächste SMS an Didi: "In Islamabad ist eine kindische Vertretung. Diese Idioten. Auf Flug bestehen aber Carnet verlangen. Dann dürften sie Carnets auch nur in Häfen bearbeiten." Ist ja klar. Wie soll sonst einer, der über Land mit dem Auto einreist, gleichzeitig mit dem Flugzeug einreisen?

Aber Argumente waren hier nicht an der Reihe. Ich bekam die Visa einfach nicht. Und ich geriet in Erklärungsnot. Auf keinen Fall wollte ich, daß es so aussähe, als hätte ich es absichtlich verbockt. Hab ich auch nicht. Es waren die dummen Inder. Ich ließ mir den Namen des Typen geben und ging dann. Immerhin hatte er mir zugesichert, sie würden das Visum kriegen, sobald das mit dem Flugticket geklärt wäre. Aber es gibt nichts zu klären mit dem verdammten Flugticket. Es gibt kein Flugticket, es wird gefahren, kann man das diesen Pennern nicht klarmachen? Ich ließ ihn noch von seinem Dienstapparat auf meinen Handy anrufen, so daß ich die Nummer hatte. Ich fragte nach seinem Namen und speicherte die Nummer dann auch ab.

Ich wartete gezwungenermaßen noch eine Weile im Warteraum, denn die Tür war von innen verschlossen. Dabei telephonierte ich mit Didi. Kaum hatte ich aufgelegt, kam der zwergwüchsige Trottel daher und fuhr mich an, ich solle hier nicht telephonieren. Ich ging auf ihn zu und sah ihn von senkrecht oben an und sagte, zwar um einen höflichen Ton bemüht, aber dafür umso bestimmter: "Ich würde auch lieber draußen telephonieren, aber die verschissene Dreckstür ist nun mal von innen verriegelt!" Ich stand zwischen ihm und der Tür, blieb aber stehen, so daß er um mich herumgehen mußte um die Tür aufzumachen. Ich ging durch die Tür, ging auf die Knie, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein und sagte: "Dankeschön. Darf ich jetzt telephonieren, Majestät?", und ging, ohne eine Antwort abzuwarten. Warum sind eigentlich in unserer Zivilisation immer Typen geschützt, die in freier Wildbahn nicht existenzberechtigt wären?

Leider hatte ich von diese Aufklebern keinen dabei. Hätte sich gut und passend anbringen lassen...

Unzufrieden und unverrichteter Dinge ging ich hinaus vor die Botschaft. Didi hatte mir mittlerweile die Adresse und die Nummer der Paki-Botschaft geschickt. Ich rief dort an und die sagten mit, es sei "Holiday" und die Botschaft deswegen geschlossen. Es war zwar Holiday im Iran, aber vielleicht hatten die mich ja falsch verstanden, oder ich sie. Ich hielt ein Taxi an. Ein älterer Herr saß drin und ich sagte ihm, er solle zur Paki-Botschaft fahren. Er sagte mir, daß die geschlossen sei, weil ja Holiday sei, aber ich bestand darauf, daß er mich hinfuhr. Dort angekommen, mußte ich mir abermals sage lassen, die Botschaft sei zu.

Ich ließ mich wieder in die Gegend des Hotels fahren. Auch hier mußte ich feststellen, daß dieser Taxler nicht annähernd so idiotisch fuhr wie seine sonstigen Landsleute. Mit dem Alter kommt die Wesheit, so sagt man. In meinem Fall mußte ich feststellen, daß das Alter ganz unbegleitet kam. Jedenfalls steig ich am Imam-Platz aus und stellte fest, daß für mich heute nichts mehr zu tun war. Wie gut, daß wir den Rückflug für morgen gebucht hatten. Ich schlenderte zurück zum Hotel und zog die Einkaufsliste hinaus, um möglichst viel davon zu erledigen. Besser heute als morgen.

Ich ließ den Taxler am Imam-Platz anhalten und schlenderte von dort zum Hotel zurück. Auf dem Weg dorthin traf ich Mohammed, der sich derade am Scheinwerfer eines Auto zu schaffen machte. "Was los? Du schaust total beschissen aus, Alter." Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und meinte, er hätte bis um vier in der Früh gepartyt. "Zuviel gesoffen?", fragte ich. "Ja." "Ihr Islams, Ihr vertragt das Zeug nicht. Trink lieber einen Tee." "Fuck Islam", sagte er, "Heute ist schon wieder Feierteg." Irgendwie scheint er gegen Feiertage allergisch zu sein. "Ich weiß nicht ob Du weißt, was ein Imam ist. Iran ist ein schiitisches Land, und die Schiiten glauben", sagte er, legte den Schraubenschlüssel kurz weg, rieb sich die Augen und ich setzte fort: "Ja, Imams, das sind so wichtige Islams und der letzte von denen, den habt ihr irgendwie verschmissen." Er fing an zu lachen. "Ja, genau, verschmissen haben sie ihn. Und heute ist deswegen Feiertag - can you believe it?", fragte er mich, als sei das der größte Unsinn. "Doch. Glaub ich. Glaubst denn Du, das ist in den christlichen Ländern anders?", sagte ich, aber er glaubte mir nicht. "Jetzt komm, Ihr bleibt doch nicht ernsthaft von der Arbeit zuhause, bloß weil behauptet wird, irgendeine Person, von der niemand weiß, ob es sie überhaupt tatsächlich gab, dies und jenes getan haben soll, oder weil dieser Person dies oder jenes widerfahren sein soll!" "Doch, klar. Als die Maria, also die Mutter vom Jesus, in den Himmel gefahren ist, und auf diese Weise verschwand, fanden das die Leute so beeindruckend, daß sie es heute noch feiern. Auch bei uns im ach so aufgeklärten Westen. Sogar noch schlimmer. Schau, hier ist zwar Feiertag, aber Du arbeitest und eigentlich haben auch die meisten Läden offen, wenn man sich die Straße hier so ansieht. In Deutschland ist am Feiertag alles zu und Du dürftest gar nicht arbeiten. Es ist also eigentlich noch deutlich schwachsinniger als hier ", sagte ich. "Au, mein Schädel." "Na, gut", sagte ich, "arbeite Du hier mal weiter, ich werde ein paar Sachen suchen gehen, ansonsten triffst Du mich vermutlich im Hotel. Vielleicht bis später - inschallah!"

Ich suchte weiter nach Auspuffgummis, fand aber keine und ging wieder ins Hotel. Irgendwie hatte ich das Gefühl mitgebracht, nichts erledigt zu haben. Didi rief auch noch an und fragte nach dem Namen des Councils. "Scheiße, Alter!", sagte ich. Ich hab doch kein Namensgedächtnis. Aber ich hatte die Nummer gespeichert. "Wart, ich stelle es gleich fest und ruf Dich zurück." Ich legte auf und suchte die Nummer raus. Nur hatte ich nicht seinen echten Namen unter der Nummer gespeichert, sondern da stand "Indertrottel". Natürlich war jetzt wieder mal ich der einzige Trottel bei der Geschichte. Ich bei der Nummer an. "Hallo, ich bin der Typ, der vorhin das Visum für die beiden Deutschen abholen wollte. Ich habe leider ihren Namen vergessen. Können Sie mir den nochmal sagen? Danke!" Ich legte auf und Seiedi lachte mich gerade aus. "Hast Du jetzt angerufen, um nach dem Namen zu fragen?" "Ha, ja, wenn der so blöd heißt, daß sich keiner den Namen merken kann..." Ich rief Didi an. Es tutete. "Scheiße!", fluchte ich und legte wieder auf. "Ich glaub das nicht!", sagte ich und rief wieder beim Council an. "Hallo, nein, ich bin nicht behindert und es soll auch kein Witz sein. Ich habe nur ein sehr schlechtes Gedächtnis auf Namen und wollte nochmal nachfragen..." "Gangesch!", unterbrach er mich. "Danke!", sagte ich. "Bitte", sagte er und legte auf. "Gangesh!", sagte ich zu Seiedi. "Wie der Fluß nur mit sh! Merk's Dir." Nun änderte ich zunächst den Eintrag im Telephon von "Indertrottel" auf "Gangesh", rief dann Didi an und sagte "Gangesch! Das ist der Name. Gangesch, wie der Fluß, nur mit sh. Ganz einfach zu merken!" Er fragte, ob ich mir sicher sei. Sicher, ob das der Name ist, oder sicher, daß er einfach zu merken sei? Egal, die Antwort lautet auf beide Fragen "Ja".

Danach zog ich wie geplant los in Richtung Imam-Platz, wo ich hergekommen war, mit dem Vorsatz, mindestens einen Punkt der Liste abzuhaken. Mit dem Auto kann man die Sachen schleifenlassen - mach ich's heut nicht, mach ich's eben morgen. Das Auto stand aber nun in Kerman und ich hatte einen Rückflug, der zu einer bestimmten Zeit ging - ob nun exakt zu diesem Zeitpunkt oder Stunden später, das spielt gar keine Rolle. Fakt ist, daß die Zeit über mich verfügt und nicht wie gewohnt, ich über die Zeit. Die Zeit diktiert mir, ich muß jetzt auf die Straße um etwas zu erledigen. Mit Auto gehe ich dann auf die Straße, um etwas zu erledigen, wenn mir danach ist - oder ich lasse es eben ganz bleiben. Das geht ja nun nicht und ich zog widerwillen los. Auf dem Imam-Platz sah ich eine Fliegenpatsche - Tennisschlägerförmig, wie die meine, nur viel größer und dicker. Das war das erste gute Zeichen. Ich sah sie mir genauer an. Made in China, alles auf Chinesisch. Das war das zweite gute Zeichen. Ich suchte aber nach dem CE-Zeichen, und als ich es nicht fand, deutete ich das als das dritte gute Zeichen und kaufte sie. Immerhin war ein Punkt der Liste nun erledigt und ich konnte guten Gewissens zurück ins Hotel. Als ich schon fast dort war, sah ich einen Laden, der Zelte verkaufte. Keine Fjällräven "Made in China", wie ich gehofft hatte. Ich glaube zwar nicht, daß ein Fjällräven "Made in China" genausogut ist wie ein echtes Fjällräven "Made in Sweden", aber es ist definitiv besser als ein Zelt, das ohne Vorlage in China hergestellt wurde. Doch sie hatten nur solche, also mußte ich mich eben damit zufriedengeben. Umgerechnet 18 Euro kostete das minderwertige Zeug. Ich dachte an dieses Roßmann-Zelt für 10 Euro. Das wäre sicherlich qualitativ um Welten besser gewesen.

So, nun war jedenfalls ein weiterer Punkt erledigt, und ich zog wieder ins Hotel zurück. Vielleicht kam ja Mohammed doch noch vorbei, und wir könnten ja irgendwohingehen. Hübsche Iranerinnen ohne Kopftuch, Bier mit Alkohol, sowas in der Richtung. Aber die Chancen standen schlecht, so wie er vorhin ausgesehen hatte. Ich baute den Rechner im Restaurant auf, legte die neuerworbene Fliegenklatsche daneben und bemerkte, daß ich weder etwas zu essen noch zu trinken hatte. Ich ließ den Rechner hochfahren, ging hinaus über die Straße und bestellte dort in einem Laden einen Kabob mit Reis und ein großes Parsi-Cola, zahlte, und ging damit wieder zum Hotel zurück. So. Nun konnte ich halbwegs arbeiten und wurde nur durch ein paar Mücken gestört. Aber auf die Weise konnte ich meinen Neuerwerb testen und ich war begeistert. Jedesmal, wenn sich eine Mücke darin verfing gab es einige Funken und Stromschläge und auf der anderen Seite der Patsche fielen die Bestandteile des Insekts zu Boden. Good quality "Made in China". Das gibt's nämlich. Das Vorurteil, daß alles was mit einem "Made in China" versehen ist, automatisch minderwertige Qualität ist, ist nicht zutreffend. Der Eindruck entsteht dadurch, daß man nur das minderwertige Zeug aus China nach Europa importieren darf.


[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold