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Pakistan 2010
Dienstag, der 3. August

Wie ausgemacht fuhr ich gegen Mittag zur Werkstatt. Der Blaue war nirgendwo zu sehen. Ich ging hinein und fragte, ob er beim Supureinstellen sei. “Nein”, sagte der Werkstattmeister, “der steht hinter dem Gebäude. Ich konnte nichts daran machen, weil ich die dafür nötige Presse nicht hab, um die Traggelenke einzupressen.” Das wußte er gestern doch auch schon, da hätte er das Auto gar nicht annehmen brauchen. Und warum ruft er nicht an, um mir mitzuteilen, daß er keine Presse hat? Afrika ist eben näher als man denkt. Jetzt war es mir aber zu blöd. Wenn diese blonden Neger hier zu scheiße  sind, dann müssen eben die Osteuropäer ran. Das ist immer mehr so… Sajus!

Ich bekam eine SMS von Ingrid, daß sie in Augsburg sein würde. Sie war ein paar Wochen in Deutschland zu Besuch, flog dann am Tag meiner Abfahrt nach London und war heute zurückgekommen. Wir wollten uns im Biergarten treffen. Biergarten war eigentlich etwas, das immer ging. Aber auch das funktioniert nicht mehr. Alle Biergätren sind leer, einer nach dem anderen macht zu. Da ich nicht wußte, wann ich wieder die Chance haben würde in den Biergarten zu gehen, fuhr ich mit dem Fahrrad. Meine Frau und die Frau von meinem Schwager, sprich meine Schwester haben exakt das gleiche Fahrrad und auch die gleiche Fahrradkette. Erst wollte ich mit Almuts Fahrrad fahren, dann enschied ich mich aber für das von der Fetten, weil da Lenker und Sattel etwas höher sind. Ich fuhr los zum Biergarten und kettete mangels Laterne das Fahrrad an das von Günther, das ich daran erkannte, daß es als einziges eine normale Gliederkette mit Vorhängeschloß hatte. Es war ein netter Nachmittag im Biergarten. Als wir dann gehen wollten stellte ich fest, daß ich nun Das Fahrrad von meiner Schwester hatte, aber die Kette von Almut, dazu allerdings den Schlüssel meines Vaters, der identisch ist mit dem meiner Schwester. Die Kette ging nicht auf. Da standen wir wie zwei Deppen und konnten nicht losfahren, weil die Fahrräder aneinander gekettet waren. Wir gingen also zu Fuß. Günther nach Göggingen und ich zum Fischertor. Auf dem Weg rief ich dann meine Schwester an und erklärte ihr das Mißgeschick. Sie sagte, sie müsse erst was essen, dann könnte sie mir den Schlüssel vorbeibringen.

Bis dahin schlürfte ich mein Bier und diskutierte mit einem Amerikaner, den ich ums verrecken nicht verstand. Was zum Geier wollte er hier in der beschissensten Stadt in diesem beschissenen Drecksland? Er hatte doch seinen blauen Paß, seine Eintrittskarte in die Freiheit. „Welcome home, Sir!“ – das war es, was er im Gegensatz zu mir an der Grenze zu hören bekäme. Und was macht er? Er sitzt hier in Arschburg. Bestimmt macht er das mit Absicht um mich zu ärgern. „Es gibt auf der Welt nur ganz wenige Menschen auf der Welt, die ich nicht töten würde, wenn ich dafür so einen Paß bekäme. Aber Du gehörst nicht dazu. Prost! To America and Freedom!“

Die hitzige Diskussion wurde unterbrochen durch einen Anruf meiner Schwester. Sie sei vor der Tür und ich solle den Schlüssel abholen. Ich ging hinaus, nahm den Schlüssel und stellte fest, daß es sich um die Kopie desjenigen Schlüssel handelt, den ich in der Hosentasche hatte, und der nicht zu der Kette am Fahrrad paßte. “Diese Information solltest Du mir halt geben”, sagte meine Schwester, und fuhr fort “Ich dachte, Du hättest nur die Räder verwechselt.” “Hab ich ja auch.” “Na, also, dann hast ja jetzt meinen Schlüssel, der muß doch dann passen.” “Nein, ich hab Dein Fahrrad, aber die Kette von der Almut.” “Die Ketten sind immer an den entsprechenden Rädern dran, die macht man erst runter, wenn man das Fahrrad irgendwo ankettet. Wie hast denn des schon wieder geschafft? Wieso nimmst Du von dem einen Rad die Kette, sperrst sie auf, tust sie ans andere, nimmst dann den falschen Schlüssel mit und wunderst Dich dann, warum der nicht paßt. Wie bescheuert ist das denn?” Nun hatte ich selbst schon zuviel Bier im Kopf, um da noch durchzublicken. Sie fuhr mich heim, ich holte den Schlüssel von der Almut, ließ mich dann wieder in die Stadt fahren und bestellte ein neues Bier. So was bescheuertes. Was mach ich hier eigentlich, ich muß hier weg!


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© by Markus Besold