< August 2010 > | ||||||
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Um 10:45 Uhr wurde ich vom Zimmertelephon geweckt und die von der Rezeption fragte, ob wir noch einen Tag bleiben würden. „Nein, glaub nicht.“ Was waren denn das für Fragen um diese Uhrzeit? Checkout sei um 12:00 Uhr, meinte sie dann und legte auf. Was interessiert mich Euer Check-out? Ich schlief weiter. Dann kam Almut ins Zimmer und der Kleine fing an zu randalieren. Ich patschte ihm auf den Hinterkopf und wollte weiterschlafen, aber er ließ sich davon gar nicht beeindrucken. „Na, gut. Steh ich halt auf…“ Fertigmachen! Angeblich soll es noch Frühstück geben. Ich beeilte mich, herauszufinden, was an diesem Gerücht dran war. Es stimmte und so wurde extra für mich wieder aufgedeckt und ich aß gemütlich mein Frühstück. Irgendwann hatten wir dann die Rechnung beglichen, die Wäsche abgeholt, die Vorräte ergänzt und es konnte losgehen.
Blick auf Tiflis.
Almut hatte sich den „Military Highway“ herausgesucht. Der geht nördlich von Tiflis los bis an die russische Grenze. Wir fuhren los, immer den Fluß entlang in Richtung Norden. Nicht lange, und wir waren an einem Stausee angekommen. Weiter ging es und kurz darauf war da ein Kloster. Das wollte Almut sich ansehen. Was so interessant ist an einem Haufen seltsam gekleideter Männer, die mit Frauen nichts anzufangen wissen, das bleibt mir schleierhaft. Die errichten sich irgendwelche prunkvollen Klöster am Arsch der Welt, damit sie keiner bei ihren Sauforgien stört. Und finanziert wird alles von dem Geld, das sie den Bauern abzocken, die sowieso nichts haben und ihrer kranken Litanei glauben schenken. Es ist nicht mal folkloristisch wertvoll. Und mit den Gebäuden ist es ähnlich: Hat man einen Allah (so nannte zu meiner Schulzeit Kirchen, Pfaffen, Religionslehrer, Jesus, Gott und das ganze Gedöns) gesehen, kennt man alle. Ob nun der Jesus auf dem Fingerfarbenmosaik hier so aussieht und drei Länder weiter so, das ist ungefähr so interessant wie der berühmte Reissack, der gestern oder heute in China umgefallen ist.
Das weitaus interessantere Bauwerk ist dieser Damm hier...
Endlich war sie wieder am Auto und es konnte weitergehen in Richtung Norden. „Also, viel Militär habe ich hier noch nicht gesehen“, sagte ich. „Der heißt ja nicht deshalb ‘Militäry Highway’ weil hier viel Militär unterwegs ist, sondern weil er für das Militär angelegt wurde“, erklärte mir Almut. Wir fuhren weiter an der Grenze zu Süd-Oßezien, erklärte sie mir darüberhinaus. „Südost was?“ Südossetien ist praktisch eine Provinz Georgiens, die aber gerne nach Norossetien gehören möchte. Dieser Staat ist anerkannt von Rußland, Venezuela, Nicaragua und von einem Staat im Pazifik, dessen Namen ich heute in meinem Leben zum ersten Mal gehört hatte, und den ich auch schon wieder vergessen habe. Nord-Ossetien gehört zu Rußland und Rußland unterstützt daher die Bemühung Süd-Ossetiens nach Nord-Ossetien gehören zu wollen. Ist ja klar. Georgien findet allerdings nicht gut und hat 2008 Panzer hier hiergeschickt, woraufhin die Russen ihrerseits noch mehr Panzer hierherschickten, um die Süd-Ossetier zu unterstützen. Nun sieht es so aus, daß hier wohl eine Grenze verläuft. Ob da allerdings georgische und süd-ossetische Posten stehen oder nur süd-ossetische, das konnten wir nicht herausfinden. Wir fuhren weiter in die Berge. Hier kam uns, an einem Aussichtspunkt ein Italiener auf dem Motorrad entgegen. Das war der erste Tourist den wir bisher sahen. Die letzte Stadt in Georgien ist Stepankadinska oder so ähnlich (wer kann sich schon so bescheuerte Namen merken?) nächste größere Stadt auf russischer Seite ist Vladikaukas.
Dazwischen sind Berge und in die kamen wir nun langsam. Bis auf 2.400 Meter ging es hinauf und die Landschaft konnte einiges. Ein klassisches Bruchschollengebirge, wie ich mittlerweile weiß. Mich erinnerte diese Strecke stark an die Strecke zwischen Naszca und Cuszco in Peru. Es war sozusagen die Miniaturausgabe davon. Die Straße wurde irgendwann zur Schotterpiste und es gab immer wieder Tunnels neben der Straße. Ich mag Tunnels eigentlich, aber diese sahen so vertrauenserweckend aus wie der Schlund einer großen Schlange. Keine Beleuchtung, keine Markierung, kein Asphalt. Nur die Tunneldecke und man sah in ein großes finsteres Loch. Wir fuhren außen auf der Piste entlang. Eines dieser Tunnel mußten wir nehmen. Ich fuhr trotz Fernlicht sehr langsam, immer in der Erwartung, auf eine Absperrung oder ein Loch oder eine Mauer oder sowas zu treffen. Man sah auch kein Licht am Ende des Tunnels, obgleich man von außen gesehen hatte, daß es nicht besonders lang war. Wenn man das Licht ausmachte war es stockduster, man sieht absolut nichts. Als wäre man ganz tief unter der Erde in einer lichtundurchlässigen Kiste. Seltsames Gefühl.
Wir durchfuhren dieses Kaff Namens Stepanskaja oder wie es hieß und durch in Richtung Grenze. Noch einmal wurde die Straße schlecht. Wir fuhren bis ganz vor. Ob die Grenze nun offen war oder nicht, das konnten wir nicht herausfinden. Für uns sowieso, da wir kein Visum hatten. In der Schlange sah man ausschließlich russische Kennzeichen. Im Hintergrund die georgische Grenzstation. Nigelnagelneu, wie es aussah. Beim Eingang zu dieser Grenzstation saß ein Posten, links und rechts ein Maschendrahtzaun und über dem ein bißchen Stacheldraht. Nach fünf Metern war ihnen dafür allerdings offenbar das Geld ausgegangen und sie hatten beides ersetzt durch das gelbe Band, mit der die amerikanische Polizei Verbrechensschauplätze absperrt. Die schwarze Aufschrift konnte man deutlich lesen: „Police line – Do not cross“ Wie das wohl hierherkommt?
Wieder eine russische Grenze über die wir nicht kommen - diesmal nicht.
Nun waren wir wieder einmal an einer russischen Grenze, wie 1997 in Norwegen. Und wie damals hieß es auch hier umdrehen. Wir fuhren zurück zum Dorf Stepanow oder so. Ich hatte wieder Hunger und so suchten wir uns ein Lokal. Beim ersten hieß es, es sei geschlossen. Nun gut. Beim zweiten war kein Platz frei. Beim nächsten hatten sie einen Grill draußen stehen und es roch nach gegrilltem Fleisch. Da gingen wir hinein und nahmen Platz und warteten auf die Bedienung. Die aber kam nicht. „Da muß man wohl hineingehen zum Bestellen“, meinte Almut. Also ging ich los und stellte mich an den Tresen. Aber niemand interessierte sich für mich. Ich ging wieder hinaus. „Und?“ „Nichts. Hat die nicht sonderlich interessiert, daß ich was bestellen will.“ „Das ist russische Lahmarschigkeit. Wenn Du was willst, mußt Du ihnen auf die Füße treten.“ Nun gut. Ich ging wieder los. Wieder das selbe. Der Typ vom Grill kam hinein mit vier Spießen. „Ich will das da“, sagte ich, aber er ging einfach weiter, als wäre ich Luft. „He!“, sagte ich und trat ihm auf den Absatz, daß ihm der Schuh vom Fuß abging. Wenn ich was nicht leiden kann, dann sowas. Er sagte irgendwas auf Georgisch und zeigte auf einen Fettsack, der im Eck hockte. Ich zeigte auf den Spieß und machte eine zwei, dann auf das Brot und machte eine eins. „Coca-Cola“ und nochmal eine Eins gemacht. Er schreibt alles auf, stellt dann hinterher fest, daß er gar kein Coca-Cola hat. Nur Limonade. Auch gut. Nur konnte man nicht ohne weiteres feststellen, was Bier und was Limonade war. Das eine sah aus wie das andere und alles stand in diesen dämlichen georgischen Lettern drauf. Es kam ein Pole vom Nachbartisch hereinspaziert. „So good to have someone healthy to talk to“, sagte ich und fragte ob er mir sagen könnte ob das Limo sei. Er frage nach auf russisch und meinte das sei Bier. Ich nahm die nächste Flasche heraus und wiederholte das so lange bis ich meine Limo hatte. Das Wasser erkannte ich selbst. Die Georgier trinken salziges Mineralwasser – vielleicht hat das etwas mit der Verhaltensstörugen zu tun, die man ab und an beobachten kann? Ich ging hinaus. Etwa eine Stunde dauerte es, bis uns das Brot serviert wurde. Man kam nochmals hinaus und fragte, ob wir Tomaten und Zwiebeln zum Schaschlik haben wollen und vieviele Schaschlik-Spieße es sein sollen. Meine Antort wieder: „Dwa!“ – zwei. Wieder geraume Zeit später gehe ich zum Grill um nachzusehen, ob das nun heute noch etwas wird oder nicht. Auf dem Rückweg sagt sie mir irgendwas mit „Schaschlik njet“. Wie? „Und was ist das auf dem Grill?“, fragte ich auf Englisch. Sie zeigt auf einen anderen Tisch und meinte, das sei für die. Es ist nicht so, daß kein Fleisch mehr da gewesen wäre. In der Küche lag es kiloweise umher. Vielleicht hatten sie nur fünf Spieße? Oder vielleicht waren sie auch einfach nur dumm. Das schien mir die schlüssigste Erklärung zu sein. Achzig Jahre Bolschewismus gehen eben nicht spurlos vorbei. Die Marktwirtschaft ist hier noch lange nicht angekommen. Die Tische der Gäste, die bereits vor geraumer Zeit gegangen waren, standen immer noch unabgeräumt da, während in der Küche etliche Leute waren, von denen aber nur eine alte Omma arbeitete. Alle anderen waren damit beschäftigt, ein schlaues Gesicht zu machen. Ich zahlte und wir gingen.
Almut wollte noch Brot und wir hatten ein Haus gesehen, da stand auf der rechten Seit ganz groß in georgisch und russisch „Café“, auf der anderen in beiden Sprachen „Brot“. Aber auch ohne das zu lesen, sah man, daß es sich um eine Bäckerei handelt. Almut ging hinein, ich sah sie mit der Frau reden, dann kam sie lachend zum Auto zurück. „Was los?“, wollte ich wissen. „Sie kann mir kein Brot verkaufen, weil sie acht Kinder hat.“ Muß ich das jetzt verstehen? Nein, mußte ich nicht. Almut verstand es selber nicht. Das war eine Bäckerei mit Tresen und es lagen auch mindestens fünf Brote da. Almut wollte ja auch dafür bezahlen, mit dem Geld hätte die gute Frau dann vielleicht Wurst oder zumindest Butter kaufen können und ihre behinderten Kinder (normal können die nicht sein, wenn sie hier aufwachsen) damit füttern. Wir fuhren wieder in Richtung Süden. Wenn der georgische Staatspräsident sich einmal hierher verirren sollte, wird es das Gebiet sicherlich freiwillig an die Russen verschenken. Eine sehr schöne Strecke. Landschaftlich kann sie alles, aber das Dorf kann man sich getrost sparen.
Wir fuhren also wieder zurück, diesmal nahm ich ein paar Tunnel. Da diese kaum befahren sind war der Belag nicht gar so malträtiert wie außen. Ich fragte mich aber, was das mit den Tunnels überhaupt soll. Vielleicht die Winterstrecke, wenn hier alles verschneit ist, aber wie soll das funktionieren? Die Tunnel sind dann ja unzugänglich. Aber warscheinlich stammt auch dieses Konzept von einem der Einwohner von Stepangorod oder so. Nicht drüber Nachdenken. Die Leute hier tun das offensichtlich auch nicht, warum soll ich mir ihren Kopf zerbrechen.
Vor einem dieser seltsam sinnlosen Tunnel.
Ich fuhr die gleiche Strecke zurück, auf der wir gekommen waren, nur anstatt nach Typhilis zu fahren, drehte ich nach Osten ab in Richtung Gori. Da soll Pappa Stalin geboren sein und laut Reiseführer gibt es da ein Stalin-Haus, einen Stalin-Platz, ein Stalin-Museum, eine Stalin-Avenue und viele andere schöne Sachen. Wenn wir schon mal hier sind, dann müssen wir uns das auf jeden Fall ansehen. Besser als irgendwelche langweiligen Kirchen ist das allemal. Wir waren auf dem Hinweg nach Typhilis hier bereits vorbeigefahren, nun passierte es mir schon wieder. „Scheiß! Fuck! Vorbeigefahren!“ Almut lotste mich dann in die Stadt. Nichts. Von Stalin weit und breit keine Spur. Nach langer Irrfahrt kamen wir aber auf die Stalin-Avenue und fanden uns dann doch zurecht. Das im Reiseführer beschriebene „Intourist Hotel“ gab es tatsächlich und erinnerte mehr an ein Museum als an ein Hotel. Lediglich die Klimaanlage fehlte, ansonsten war alles perfekt – und das für wenig Geld. Gori soll eine Vorzeigestadt sein. Wir lassen uns überraschen. Einchecken im Hotel 22:30, bei 324.127 km.