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Pakistan 2010
Freitag, der 20. August

Die Abfahrt war auf neun Uhr angesetzt, obgleich jedem von Vornherein klar war, daß es mindestens Mittag werden würde. Es wurde Nachmittag. Und eigentlich ist es auch egal, ob wir heute fuhren oder morgen. Einzig die Visa für Pakistan ermahnten uns, die unnötigen Aufenthalte zu überdenken. Die erlauben die Einreise eben nur bis zum 4. September, und das Problem, das ich auf uns zukommen sah, war, daß wir irgendwo weit hinter Teheran, und ebenso weit von der Pakistanischen Grenze entfernt feststellen, daß wir es zeitlich nicht hinbekommen würden. Das hieß dann den ganzen Weg wieder zurückfahren und in Teheran neue Visa zu beantragen. Das sollte nach Möglichkeit vermieden werden, denn ich kann mich noch dunkel erinnern, daß die Visabeschaffung für Pakistan beim letzten Mal mit gewissen Schwierigkeiten verbnunden war, die mich damals davon abhielten, es zu beantragen. Allerdings war unser Ziel damals Teheran, und das hatten wir erreicht, daher war jede zusätzliche Mühe unvernünftig. Diesmal hieß das Ziel aber Peschawar und wir würden alles versuchen müssen, die Visa zu bekommen. Aber warum uns darüber jetzt schon den Kopf zerbrechen? Dazu würden wir noch genug Gelegenheit haben, wenn der Fall erst eingetraten sein wird.

Abschied von Belgrad. Es geht weiter.

Um dreiviertel zwei verließen wir Belgrad. Ich möcht noch gern bleiben und schauen, aber der Wagen, der rollt... Es ging weiter nach Süden, zu der Adria schimmernden Fluten und zum blauen Ägäischen Meer. Zweimal dürfte es an der Grenze noch interessant werden. Wir fuhren allerdings nicht den direkten weg, sondern wir hatten beschlossen an der Donau entlang zu fahren. Soll schön sein, da.

Gegen drei Uhr nachmittags überholte uns ein weinroter BMW mit Ausfuhrkennzeichen aus DO, fuhr auf den Standstreifen und gab ein Zeichen zum Anhalten. Ich dachte erst an ein Problem mit dem Auto. Ziehen wir etwa eine Rauchfahne? Aber schon beim Aussteigen dachte ich mir, daß ich falsch lag. Es stieg ein kleinwüchsiger Herr aus, klassischer Zigeuner. Die Echzähne waren aus Gold, er hielt mir eine kaputte EC-Karte hin und erklärte mir, seine Kinder hätten sie kaputtgemacht. Er gab mir eine Visitenkarte und gleich im Anschluß fünf Goldringe. "Deposit", sagte er. Ich solle ihm 100€ geben und er würde mir das Geld überweisen. "Jaja, fett..." dachte ich. Ich gab ihm alles zurück und meinte, ich würde nie mit Bargeld reisen. Nur Kreditkarte. "Zu lange in Deutschland gewesen, Alter? Die Zukunft spricht VISA!" Ich habe keinen Pfennig Bargeld, nichts. Ich zeigte ihm sogar meinen Geldbeutel. Nur Kleingeld und Karten. Ich schlug ihm vor, er solle sich beeilen, zur nächsten großen Bank gehen mit kaputter Karte und Ausweis. "Hast Du Kinder?" "Ja, leider", sagte ich und zeigte auf die Rückbank, wo Almut mit dem Kleinen saß. "Dann warum Du nicht helfen? Sehr heiß, alle Hunger..." Wenn es heiß ist, hat man gewöhnlich keinen Hunger, und Kinder als Ausrede vorzuschieben soll er bei jemandem versuchen, der das nicht selbst ständig macht. Der kleine Arnie wird schließlich gerade auf der Reise ständig als Ausrede mißbraucht. Das ist unser Grenzbeschleuniger, unser Schlangenkürzer. Aber die Kinder dieses Typen waren mindestens fünfzehn, und außerdem brauchte er gar kein Geld für Benzin oder zum Essen. Das war irgendein schattiges Schema. Was die nur immer mit ihren Goldringen haben? Ich würde das gerne kapieren. Entweder es ist angepinseltes wertloses Metall. Oder sie holen hinterher die Bullen und behaupten man hätte sie überfallen.

Ein vollbeladener 123er unterwegs. Der hätte unsere alten Federn gut brauchen können...

Aber es scheint als ob der Trick funktioniert, denn solche Gestalten treffe ich ja nicht zum ersten mal. Und es sind immer Zigeuner – in Spanien, in Norwegen und jetzt hier - und es ist immer die gleiche Geschichte: Ihnen ist gerade im Moment irgendein blöder Scheiß widerfahren. Dann drücken sie einem Goldringe oder -ketten in die Hand und wollen Geld – verhältnismäßig wenig wenn es sich um echtes Geld handelt. Ob nun wie hier als Pfand, oder wie in Spanien "weil es die Ringe vom Chef sind. Ich wüßte zu gerne, was es mit diesem Trick auf sich hat. Wie kann man damit Geld verdienen? Wer ist so bescheuert und gibt denen Geld? Vielleicht ist das englische Kennzeichen doch besser? Zumindest bis man wieder in der islamischen Welt ist. Wie dem auch sei: Falschen Typen erwischt – nicht nach dem Kennzeichen gehen. Solche Tricks habe ich beim spielen in der Grundschule gelernt, allerdings wäre selbst mir, dem Meister der dummen Ausreden, etwas Intelligenteres eingefallen als "Kinder haben dar Kart g'macht kaputt". Wenn mein Kind mit zehn Jahren eine Karte kaputtmacht, dann streich ich ihm eine auf, daß er einen Purzelbaum schlägt. Nicht, daß er es nicht auch draufhätte, mit einer besseren Geschichte daherzukommen, aber es zeigt, für wie blöd er die Deutschen halten muß. Man kann es ihm nicht verübeln. Die Deutschen sind in der Welt dafür bekannt, sehr gebildet, aber nicht dafür, besonders schlau zu sein. Selbst die Japaner, unbestritten ein altes und kultiviertes Volk, haben eine Mafia. Die Deutschen sind dafür zu doof. Das darf man ja nicht, also läßt man es bleiben und gibt sich dem mittelalterlichen Glauben hin, daß wenn man nur malocht wie ein blöder, der Himmelpapa das später mit viel Manna vergelten wird. Ist nur eine Vermutung von mir, denn ich kann es nicht nachvollziehen. Als Self-Made-Man made in the USA hätte ich ihm gesagt: "Come on, give me a good story and I give you the money – you can keep your rings." Aber leider bin ich kein Self-Made-Man – noch nicht. Sobald ich wieder zuhause bin werde ich mich an dieses Projekt machen, und diesmal mit röcksächtsloser Härte... Aber nun stand erst mal Pakistan auf dem Plan.

Eine Burg an der Donau.

Die für den Donaulauf vorgesehene Ausfahrt am AutoPut verpaßten wir allerdings recht proffessionel wieder mal und so fuhren wir erst 50 Kilometer zu spät ab, um dann auf Landstraßen wieder nach Norden zu fahren. Bei der Ausfahrt muß man zahlen und als es hinter uns hupte überraschte es mich nichtDie Straßen waren aber gut und wir waren erstaunt über die Häuser, die hier überall herumstanden. Teilweise Kaliber, die ich sonst nur aus Berverly Hills kannte, in der stattlichen Einfahrt neueste S-Klassen mit Wiener Kennzeichen oder ähnliches. Die Fenster waren allerdings nicht amerikanische Puppenhausfenster, sondern deutscher Standard der gehobenen Klasse. Nicht schlecht.

Wir fuhren weiter. Als wir durch Nis fuhren war es bereist dunkel. Wir wollten irgendwo eine Bleibe suchen, aber ich war noch fit und spendierte daher nicht zuviel Anstrengung darauf. Almut und der Kleine schliefen friedlich und so fuhr ich weiter. Ich hatte irgendwo eine CD ausgegraben auf der die Geschichte Europas war. Die hörte ich nun zum x-ten Mal auf dieser Fahrt. "Ein Gewaltmarsch durch die Geschichte", wie Almut es bezeichnete. Aber ich war eigentlich nur an den Eckdaten interessiert. Die Interpretation bleibt jedem selbst überlassen. Das ist immer so in der Geschichte. Die ist Auslegungssache. Anhand der Daten kann man zum Schluß X kommen, aber genauso zum gegenteiligen Schluß. Man kann daraus die Aussage basteln, daß Demokratie gut ist, aber auch, daß sie ein Dreck ist. Man kann sich darüberhinaus auch fragen, ob das was man nun hat eine Demokratie ist oder nicht. Und man kann sich darüber streiten. Darin ist der Mensch ja wirklich gut.

Die Donau zwischen Belgrad in Nis.

Wir fuhren weiter und als ich auf dem GPS die graue Linie sah, die die Grenze zwischen Serbien und Makedonien bezeichnete, wurde mir klar, daß ich noch keine Kippen gekauft hatte. Die kosteten hier 1,50 €. Ich hätte sie in Belgrad in dem Laden 30 m Luftlinie von Milicias Wohnung kaufen können, aber nein. Ich Neger schiebe immer alles vor mir her, bis dann ein eigentlich unnötiger Aufwand nötig wird, um drei Stangen Kippen in den Kofferraum zu befördern. Drei Personen, also drei Stangen. Ganz legal. Ist ja klar, daß Arnie nicht zählt, wenn es darum geht, Übernachtungen irgendwo zu buchen. Der ist ja noch so klein. Aber wenn es darum geht, an die erlaubte Menge einzuführender Cigarretten geht, dann zählt er schon. Er ist schließlich schon sehr groß für sein Alter, also ist für ihn eine Stange drin und auch für Almut, die strikte Nichtraucherin ist. Da gibt es höchstens an der Grenze mal eine Diskussion, die wohl damit beginnt, daß ich dem Zöllner die Frage stelle, ob er sagen will, daß Arnie keine Person ist. Aber soweit waren wir noch nicht. Vor der Grenze mußte ich nämlich erst mal umdrehen, um zur letzten Tankstelle zu fahren. Ich kaufte drei Stangen Kippen, tankte voll und damit waren wir auch das letzte serbische Geld los. Dinar hieß es. Wie in Libyen. Lauter Blödsinn. Nach meinem Konzept sollte es als weltweite Währung nur den Dollar geben, dann kann man sich das ganze Kasperletheater sparen.



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