< September 2010 > | ||||||
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Wieder 17 Tote in Pakistan wegen Autobombe. Gestern Autobombe in Rußland und im Irak. Drei Vertreter ETA haben sich als Tick, Trick und Track zu Wort gemeldet und einen Waffenstillstand angekündigt. Was wollen diese Kasperle eigentlich? Unabhängigkeit? In einem vereinten Europa? Super Idee! Wieso machen die Spanier das nicht einfach? Wieso geben sie ihnen nicht einfach die Unabhängigkeit? Grenze drumherum, Visa-Pflicht. Nach 15 Tagen hätten die Basken keinen Bock mehr, würden die ETA zum Teufel jagen und würden wieder zurückwollen. Und dann sollten die Spanier Eintritt verlangen.
Und wieder Friedensverhandlungen im Mittleren Osten. Die Komiker von Nazareth. Das ist der Running Gag seit 1948. Aber wenigstens relativ unterhaltsam. Da sitzt also so eine palästinensische Lehrerin da, gibt ein Interview über irgendeinen Stuß und plötzlich hört man im Hintergrund ein Geräusch, das sie dann mit einem Lächeln erläutert. "Das war eine Kassam." Wieder das Geräusch und sie wieder: "Das war nochmal eine." Die Wahrscheinlichkeit, damit irgendwas zu treffen geht gegen Null. Wenn sie Glück haben geht sie auf einem Trümmerfeld auf eigenem Gebiet los. Wenn sie Pech haben, schafft es die Rakete auf israelischen Boden und detoniert da. Mit ganz viel Glück im Unglück richtet sie auch einen Flurschaden an, und mit der Wahrscheinlichkeit eines Lottotreffers, sogar einen Personenschaden. Was sollen die Palästinenser auch machen? Sollen sie sich das von Israel gefallen lassen? Israels Antwort dauert nur Sekunden. Für den Flurschaden muß schließlich jemand bezahlen und schon kommt eine Drohne angeflogen und feuert zwei Raketen ab, die im Gegensatz zu den Kassam ihr Ziel aber finden – sie sind schließlich auch ein paar Dollar teurer. Was sollen die Israelis machen? Sollen sie sich das von den Palästinensern bieten lassen? Jetzt ist der Lehrerin das Grinsen vergangen, weil die Detonationen in der Gegend sitzen, in der sie wohnt. Und sie telephoniert aufgeregt, bis sie feststellt, daß aus ihrer Familie niemand getroffen ist. Aber dafür ein 23-jähriger Nachbarsjunge, der den Feuerwerkskörper Made in Iran vorhin noch zum Feind hinübergeschossen hatte. Und dann ist das Geheule wieder groß im Staate Israel – nur, daß es die Palästinenser sind, die heulen. Die scheinen relativ lernresistent zu sein, ansonsten müßte das Grinsen bereits beim Abschußgeräusch der eigenen Raketen aufhören. Selbst der dümmste Straßenköter sucht jetzt das weite, oder geht schon mal in Deckung, weil er genau weiß, was als nächstes kommt. Aber der Palästinenser bleibt stehen, wohl in der Hoffnung, daß die Israelis nichts gemerkt haben - was bei Kassam-Raketen ja durchaus möglich ist, aber warum feuert man sie dann überhaupt ab? Lauter Deppen da unten. Und dann stellt sich dem unbefangenen Beobachter auch gleich die nächste Frage: Was wollen die Palästinenser denn eigentlich? Unabhängigkeit? Einen eigenen Staat? Und dann? Macht sich dann jeder Palästinenser selbständig? Ich seh schon die selbstgemalten Firmenschilder: "Mohammed & Söhne - Export von Schlaglöchern und Bauschutt en gros" – nach drei Monaten machen sie dann mangels Nachfrage zu, fliehen über die Grenze nach Israel und leben dort dann als illegale Einwanderer. Sehr durchdachter Plan. Könnte auch von mir sein.
Aber was interessieren mich die Probleme der Welt? Mit gehört sie ja nicht. Frühstück heute normal. Gestern vegetarisch. Bedeutete für mich nur, daß ich heute ein Doppelfrühstück hatte. Almut mußte sich mit Brot begnügen, während der Kleine drinnen die Hoteldamen unterhielt. Wir besprachen derweil die weitere Strecke. Ich hatte einen griechischen Tempel entdeckt und wollte den sehen. Dann gibt es da noch im Nordosten einen schönen See, an dem wiederum irgendwelche Klöster stehen. Langsam kann ich die ganze Tour als Christen-Rallye verkaufen.
Die Armenier möchten so gerne in die EU. Um mithalten zu können müssen sie sich allerdings allerdings mehr Mühe geben und noch ein paar Moscheen hinpflastern, sonst wird das nichts. Mit nur einer Moschee brauchen sie gar nicht antanzen. Das hätte einen weiteren Vorteil. Moscheen sind billiger als Straßen, aber die würde im Falle eines EU-Beitritts ja die EU, sprich Deutschland, Frankreich und Benelux finanzieren.
Es dauerte eine Weile bis wir loskamen. Almut breitete die Pakistan-Karte aus und erläuterte einiges dazu. Pakistan besteht aus sechs Provinzen, wenn ich recht erinnere und wir brauchen langsam einen Plan, was die Strecke angeht. Dabei erfuhr ich zum Beispiel, daß ich schon mal in Belutschistan war. Ich wußte gar nicht, daß es dieses Gebiet wirklich gibt, dachte immer, das sei ein frei erfundenes Wort, das auf "-an" endet, und das man dann benutzt, wenn einem der Name eines dieser Gebiete nicht einfällt Kasachstan, Kirgistan, Azerbaidschan, Tatschikistan, Yunnanistan, und, weil das alles so kompliziert ist, so dachte ich, kann man zu jedem beliebigen Istan einfach Beluschistan sagen, so wie man zu Landeswährungen, deren Namen man sich nicht merken kann, einfach Micky Maus sagen kann und jeder versteht was gemeint ist. Aber nein, dieses Belutschistan gibt es tatsächlich. Und ich war sogar schon da. Das liegt zum Teil im Iran und zum Teil in Pakistan – und sie möchten gerne unabhängig sein. Wundert mich nicht. Aber worin solche Bestrebungen meist enden, darüber schrieb ich bereits. Jedenfalls hat sich die Zahl der Anschläge erhöht, gerade in Zahedan. Das hatte ich als verschlafenes Wüstennest in Erinnerung, in dem das Diesel noch billiger ist als im Rest des Landes, also statt 0,03 € nur 0,02 € oder so um den Dreh. Es geht noch weiter: Einige dieser Provinzen sind Stammesgebiet, da kommt man nicht hin. Die Straße kann man nur mit Militärkonvoi befahren, die andere ist entweder weggeschwemmt oder unter Wasser und die Straße von der Grenze nach Karachi können wir vielleicht gar nicht nehmen, weil wir bei der Visaerteilung Mirjaveh angegeben haben und nicht den Grenzübergang weiter im Süden. Wir müßten also im Norden hinein, dann aber nicht nach Quetta weiter – Quetta ist schlechte Nachrichten, auch wenn ich jetzt gar nicht mehr weiß warum. Wir müßten dann erst auf die Straße und dann durch die Wüste auf die südliche Verbindung. Ein Blick auf die Karte verrät, daß das wieder abenteuerlich werden könnte. Und diesmal haben wir keinen Göttler dabei, der so schöne Pistenbeschreibungen schreibt. Es wurde mir zuviel zum Nachdenken und plötzlich war Pakistan ganz weit weg, da wollte ich jetzt keine Energie hineinstecken. Als guter Amerikaner sage ich mir in solchen Fällen immer: "Let's worry about that later..."
Ich versuchte noch, Gas für die Klima zu besorgen, aber das klappte nicht. Entweder war der Meister nicht da, oder das Gas war nicht da. Dann ließ ich es wieder gut sein und fuhr zum Hotel zurück. Das Navi wollte nicht anspringen. Ich schloß es am Rechner an, und plötzlich ging es wieder, als wäre nichts gewesen. Elektronik... Ich weiß schon, warum ich sie nicht mag.
Nicht weit von Yerevan ist der "Garni Tempel", laut örtlichem Reiseprospekt "das einzige überlebende hellenistische Gebäude in Armenien". Er ist einem gewissen Mithra gewidmet und dieser Gott soll für die Sonne zuständig gewesen sein. Ich dachte zwar immer, der hieße Ra, aber vielleicht ist das ja nur der Nachname und er heißt mit ganzem Namen eben Mith Ra. Ist aber nur meine Theorie. Ist aber auch gar nicht wichtig, denn wenn man in der weiterführenden Literatur nachliest, erfährt man, daß der damalige König aus dieser Gegend hier sich taufen ließ und christlich wurde, den Tempel also nicht mehr brauchte und ihn kurzerhand zu seiner Sommerresidenz gemacht hat. So bekam dieser Tempel also eine Funktion, bis er im Lauf der Jahrhunderte verfiel und irgendwann im 20. Jahrhundert wieder aufgebaut wurde. Sieht schön aus, man wird von Lautsprechern beschallt, aus denen sowohl armenische Volksmusik als auch Celine Dion mit einheimischen Instrumenten erklingt. Und in ein paar hundert Jahren kann man sicherlich die neuen von den alten Steinen mit bloßem Auge kaum noch unterscheiden. Noch sieht man aber, daß sie maschinell verarbeitet wurden.
Der Tempel ist nur 30 km von Yerevan entfernt, aber wir brauchten dennoch gute zwei Stunden. Diesmal nicht wegen des Straßenzustandes, sondern wegen der fehlenden Karte im GPS. Also nach alter Manier drauf losfahren und an jeder Tanke nach der Richtung fragen. Das nervt. Die Karten auf dem GPS gehen erst wieder im Iran los. So ein GPS ist – wenn es geht und Karten vorhanden sind – schon eine feine Sache. Zwei Stunden verfahren sind 200 km, die man auf der Autobahn oder Landstraße in Richtung Tagesziel einfach verliert. Und da der eigentliche Plan vorsah, durchzupflügen durch Südosteuropa, Türkei, Iran bis Pakistan, habe ich mich auch nur um Karten für diese drei Länder bemüht, und diese auch bekommen. Gesamtkosten 37 Pfund. Das Internet hat alles, man braucht nur Zeit um es zu finden. Für einen alten deutschen Fahrzeugschein und ein Carnet de Passage müßte ich wahrscheinlich ein paar Jahrzehnte einkalkulieren, aber sicher findet man selbst das.
Nicht viel weiter, etwa 10 km war zur Abwechslung mal ein Kloster. Es ändern sich nur die Namen. Dieses hier hieß Geghard. Die schauen schon seit Georgien alle gleich aus, nur daß sich hier die Leute nicht bei jedem dritten Schritt bekreuzigen und die Frauen auch ohne Kopftuch in der Kirche willkommen sind. Bei diesem hier wurde gerade ein Mädchen getauft. Hinter der Kirche wurde gleichzeitig einem frischgeschlachtetem Schaf das Fell über den Hals gezogen – die Ohren und der dazugehörige Kopf lagen in der Ecke. Dann kam der Vater mit dem Mädchen an, steckte den Finger in den offenen Hals des Schafes und malte seiner Tochter zwei Kreuze ins Gesicht. Bestimmt hat sich das Mädchen danach gleich viel besser gefühlt.
Da diese beiden Sehenswürdigkeiten auf einer Stichstraße lagen, fuhren wir diese wieder zurück zur Hauptstraße und dann auf dieser weiter in Richtung Nordosten nach Sevan zum Sevan-See. Das ist so eine Art Titicacasee für reiche ex-KGB-Bonzen. Steht zwar so nicht wörtlich im Reiseführer, aber es muß wohl so sein. Hier ist ja auch die oder eine der Residenzen des hiesigen Staatsoberhauptes. Man erkennt sie an den Hubschrauberlandeplätzen und an der groszügig angelegten Zufahrt. Auch hier gab es eines der sehr seltenen Klöster. Daß niemand auf die Idee kommt, hier eine Rolltreppe hinzubauen. Stattdessen muß ich alter Mann meinen Sohn auf den Schulter da hinauftragen, während er sich an meinen Haaren oder Ohren festhält und mir mit der anderen Hand von oben auf die Fresse patscht, wie man es bei einem Gaul macht, der schneller laufen soll. Wie schafft es Almut, mit 10 kg plus Gepäck stundenlang quietschvergnügt zu spazieren? Ich gehe nach 200 m schon in die Knie. Kann man da nicht einen Henkel dranschweißen?
Wieder hinunter und ins nächste Restaurant. Es hatte eine Terrasse mit Blick auf den See. Pommes, Cola, Kebap mit Reis bestellt, und schon sah die ganze Welt viel freundlicher aus, zumindest solange, bis ich mich wieder fühlte wie eine schwangere Auster. Zum Kotzen. Der Kleine wurde – wie immer – vom Kellner übernommen, der mit ihm über das Gelände spazierenging. "Ah... Diese Ruhe..." Doch der kam schon wieder viel zu früh zurück mit dem Kleinen und bald darauf mit dem Essen. Nach Sonnenuntergang fragte wir nach, ob sie auch Zimmer hatten. Hatten sie. Ich legte meinen Paß hin. Der Kellner sah ihn an. "Markus?" "Da." Er stellte sich vor: "Arnold." "Schöner Name – hab ja auch ich ausgesucht. Der Schreier da drüben heißt auch Arnold." Er ging hin, und fragte nach, ob das auch stimmte und daraufhin drehten beide Arnolds wieder eine Runde im Restaurant. Wir sahen uns das Zimmer an. Es erinnerte stark an einen 40-Fuß-Container. Es stand auch im Lonely Planet, daß hier Container als Zimmer vermietet werden, nur wir fanden sie nicht. So kamen wir also doch noch zu unserem Container.
Das Auto konnte man praktischerweise genau vor dem Zimmer parken und wir mußten das Zeug nur wenige Meter tragen. Als alles installiert war, die Mücken terminiert und +1.5 bettfertig waren, zog ich mit dem LapTop los. Der Zimmernachbar fragte mich, wo ich her sei, ob aus England. "Deutschland, Auto England." Wie wir gefahren sind, wollte er wissen. Ich zählte auf. "And after?" "Iran, Pakistan." "Iran? Schreib auf Nummer mein." Ich solle mich melden, wenn ich in Teheran sei. Ich speicherte die Nummer im Handy. Sowas ist immer praktisch. Der war da mit Auto und Freundin und einer 0,75-Liter-Bierdose und hatte wohl auch keinen Bock auf diesen Ramadan, bei dem man nach Außen besonders religiös tun muß. Beim letzten Mal hat es sich mehr als nur bewährt, Ali in Maku einen Besuch abzustatten. Ohne ihn hätten wir wohl länger als fünf Tage festgesessen.
Auf der Fahrt hierher lief im Auto Volker Pispers "History of USA and Terrorism". An einer Stelle meinte Almut, daß der Schah an sich gar nicht so schlimm war. Er hätte nur die Verwestlichung zu schnell vorantreiben wollen und hat, wie Attatürk in der Türkei die Kopftücher verboten und solche Sachen gemacht. Das Volk war dazu nicht bereit und hatte deswegen den Khomeni geholt. "Da ist sympathisch nicht gerade das Wort der Wahl." Da hat wohl jeder seine Sichtweise. Was nun im Nachhinein feststeht ist, daß der auch nicht viel besser war und jetzt keiner mehr Bock auf diesen religiösen Müll hat. Zumindest hatte ich diesen Eindruck als ich dort war. Das erste was in die Ecke fliegt, sobald die Haustür hinter der Frau ins Schloß fliegt, ist die Fledermausverkleidung. Aber auch unter Polizisten habe ich kein Wort der Sympathie für das System herausfiltern können. Vielleicht hätten sie ja jetzt gerne den Scheich wieder. Ich werde mal bei Gelegenheit nachfragen. Aber da der ja damals "zu seinen Kumpels in die USA abgehauen" ist, dürften die Chancen schlecht stehen. Keiner der es dort auch nur zu irgendwas gebracht hat geht freiwillig zurück. Und der Schah hatte es ja bereits vorher zu irgendwas gebracht, und so wird er, wenn er noch lebt, auch dort bleiben. Das ist auch wieder nur meine Einschätzung. Ich persönlich bin eher gespannt, ob wir ohne weiteres in den Iran einreisen werden dürfen. Ob da nicht doch noch irgendeine Akte rumfliegt? Morgen soll es langsam in Richtung Grenze gehen.