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Pakistan 2010
Donnerstag, der 16. September

Gefühlt war es mitten in der Nacht, als wir um 9:30 Uhr zum Berg Touchal aufbrachen. Soll schön sein, da. Und das beste war, daß man mit der Gondel hochfahren konnte und nicht hinauflaufen mußte. Und zur Gondel hin konnte man mit dem Taxi, welches man bequem per U-Bahn erreichen kann. Ich ließ mich also überreden und wir stiefelten zum Imam-Khomeini-Platz, wo wir in die U-Bahn gingen.
"Besser als die Londoner U-Bahn ist sie allemal!"
"Das ist ja auch nicht schwer."
"Dafür ist die Londoner U-Bahn die älteste der Welt"
"So schaut sie auch aus."
"Die ist ja auch eigentlich für die Pygmäenweiber von Obervolta ausgelegt, aber die haben sich in China eine bestellt, und jetzt müssen die Engländer mit ihrem Murks selber rumfahren. Naja..."
Wir stiegen ein - diesmal nicht aus Versehen ins Weiberabteil, wie beim letzten Mal - und fuhren in irgendeine Richtung. Ich vertraue bei solchen Gelegenheiten immer darauf, daß die anderen es schon richtig machen werden. Nicht einmal die Himmelsrichtung in die wir fuhren war mir bekannt. Aber auf die anderen war verlaß. Wir stiegen auf der U-Bahn aus und waren an einem Taxistand angelangt. Mit dem Taxi ging es weiter zum Touchal. Natürlich hatte ich keine Anhnung, und dachte immer, das sei der Damawand. Das Taxi hielt dann an einer Schranke und weiter ging es zu Fuß. "Daß wir laufen müssen war nicht ausgemacht", protestierte ich. "Da geht auch ein Bus", hieß es daraufhin. "Wann?" Das wußte keiner. Und wir mußten vor elf Uhr die Tickets für die Gondel kaufen, weil man nach elf nicht mehr bis zum Gipfel fahren darf. "Was ist denn das für eine Schwachsinnige Regelung? Zwischen 11 und 16 Uhr liegen satte fünf Stunden, in der Zeit kann man ja hinunterlaufen", sagte ich. Almut fetzte voraus und besetzte schon mal einen Platz am Schalter, um im Notfall die Karten kaufen zu können. Wir sagten wir wollten zum Gipfel und er gab uns die Karten dafür. Dann gingen wir zur Schlange. "Jetzt weißt Du, warum der Kartenverkauf nur bis um elf geht", sagte Didi und zeigte auf die Schlange. Und die bewegte sich nicht. alle paar Minuten kam einmal eine Gondel vorbei. Es war schon ein bißchen wie in einem Ski-Gebiet in der Ostmark, nur fehlte der Schnee, bzw. das Grün. Endlich kamen wir dann auch dran und teilten uns zu viert eine dieser Sechsergondeln. Die hatten halter für Skier.an der Seite angebracht. Eigentlich fehlte nur der Schnee. Wir fuhren auf 1.900 m ü.NN los. Die Pfosten der Gondel waren nicht ans Gelände angepaßt, sondern sie hatten eine Einheitsgröße. Das bedeutet in der Praxis, daß man nicht stetig bergauf fährt, sondern daß die Gondel etwa zwischen 10 und 15 Meter über dem Grund schwebt. Wenn man auf dem Weg zum Gipfel ein Tal durchquert, dann fährt die Gondel dieses Tal praktisch aus. Wir passierten eine Station und dachten, es sei die zweite von sieben.

Auf und nieder, immer wieder...

Danach eine Weitere, von der wir dachten, es sei die dritte von sieben. Bei jeder Station ging die Tür auf, man kontrollierte die Billets, knipste ein Loch hinein, und gab sie uns wieder. Bei der nächsten, die auf etwa 2.900 m ü. NN lag mußten wir hinaus. Lauf Schild war das die fünfte Station. Das ist zwar Bullshit, weil wir auf dem Weg hierher insgesamt nur zwei Passiert hatten, aber außer uns schien das niemanden zu interessieren. Auch, daß die sechste Station, die Luftlinie etwa fünf Meter von der "fünften" lag, und die wegen Wartungsarbeiten geschlossen war, störte niemanden. "Next week" soll die Seilbahn wieder bis zum Gipfel fahren. Sah aber eher danach aus, als ob sie es erst mal nur etwas zerlegen. Ob sie es hinterher wieder zusammenbauen ist mehr als fraglich und alles deutet darauf hin, daß die Seilbahn fortan eben aus den vier Stationen "1 - 5" besteht... Was Didi und ich davon hielten zum Gipfel zu laufen, taten wir bereits vor der Abfahrt im Hotel kund: "Vergiß es!" Und zu dem Zeitpunkt ging es nur darum, von der siebenten Station zum Gipfel zu laufen. Wir waren erst bei der fünften. Keine Chance. Aber wir gingen bis zu einem Grat, um zu sehen, wie es unten aussah. Man hatten einen schönen Blick auf Teheran und es ist leicht, sich das hier als Wintersportgebiet vorzustellen. Hier gibt es auch nicht dieses schwule getue wegen Naturschutz. Wo nichts wächst, muß man auch nichts schützen. Hier gibt es keine Wiesen, keine Weiden und keine Wälder. Nur Geröll und Felsen. Die Station ist sehr abendländisch gehalten und könnte auch in der Schweiz oder in der Ostmark stehen. Der Verdacht liegt auch nahe, daß sie von einer Firma aus Deutschland oder der Schweiz gebaut wurde. Alles aus Holz. Das einzige, was den Ski-Spaß ein wenig trüben würde ist dem Islam zu verdanken: Statt einer schönen Stube, in der man sich mit einer Williamsbirne oder einem Glühwein stärken kann, gibt es einen Gebetsraum, in dem man den Glauben an den Allah verstärken kann - wenn man denn will. Aber ein Ski-Urlaub in Teheran hätte den entscheidenden Vorteil, daß man einen Ski-Urlaub bekommt, statt einen Am-Lift-Ansteh-Urlaub, wie man ihn von Zuhause kennt. Und das zu einem Preis, der ungefähr bei dem von zwei Fahrten auf dem Baby-Hang im Unterjoch im Allgäu liegt.

Wir fuhren wieder hinunter und wollten etwas essen. Das stellte sich auch als nicht ganz einfach heraus. Wir kamen an einen Laden, der Pizza, Hot-Dog und Burger versprach. Natürlich wußte ich, daß das, was die Bilder versprechen, nie eingehalten wird. Der Iran ist das Land mit der größten Diskrepanz zwischen dem Bild und dem tatsächlich servierten Essen. Das hatten die anderen mittlerweile auch schon festgestellt. Der abgebildete Burger, den der Kenner sofort als den weltberühmten und allseits geschätzten BigMac erkennt, sieht dann auf dem Teller traurig aus: Kleingeschnittenes Hackfleisch auf einer Art Baguette, dazu fritierte Tomatenhälften, die nicht kleingeschnitten sind und nur grob geschnittene Essiggurken. Käse? Salat? Vergiß es. Den Käse kann man haben, wenn man einen "Chess Burger" bestellt, allerdings handelt es sich dabei um weißen Ziegenkäse mit hohem Säuregehalt. Uter Hotdog versteht man im Iran kleingeschnipselte und fritierte Sojawurst mit Zwiebeln und fritierten Tomatenhälften auf Weißbrot. Bei der Pizza ist es verheerend: Die Abbildung zeigt eine Pepperoni-Pizza von Pizza-Hut. Wer aber hier eine Salami-Pizza mit extra viel Käse erwartet wird bitter enttäuscht, denn was man bekommt ist ein dünner, oft nicht fertiggebackener Boden, darauf tonnenweise Sojawurst, und darüber ein wenig Käse. Mein Magen war ursprünglich für eine Hyäne gedacht, schätze ich, und er wurde durch einen Verwaltungsfehler bei mir eingebaut. Aber selbst bei dem waren bei den hierzulande angebotenen Pizzen oft die Grenzen überschritten und er verweigerte schlichtweg die Aufnahme. Erst mußte ich die Wurst von der Pizza kratzen, den traurigen Rest durfte ich dann essen. Doch bei diesen speziellen Restaurant war es damit noch nicht getan. Hier konnte man überhaupt nichts bestellen. Da waren drei Keller und ein Koch, und sie behaupteten, daß das Restaurant erst um fünf aufmacht. Dann um sieben. Was soll der Quatsch nun? Das Personal ist da, die Gäste auch, wo ist das Problem? Das Problem war, daß die anders funktionieren. Erstmal stellten wir fest, daß wir im falschen Restaurant saßen. Die Kellner des Restaurants in das wir wollten, hatten uns aufgefordert, uns zu setzen. Sie hatten allerdings mit keinem Wort erwähnt, daß der Platz, an dem sie uns platzzunehmen baten, überhaupt nicht mehr zu ihrem Restaurant gehörte. Dann die Ansage, daß das Restaurant geschlossen war. Wir bestellten also einen Tee und ein paar Gäste, die uns willkommen geheißen hatten, gaben uns eine große Box mit iranischen Süßigkeiten. Es roch nach Essen, und es kam aus der Restaurantküche. "Der mampft da irgendwas vor sich hin", stellte Heike fest. Eine böse Absicht war nicht zu erkennen. Arnie bekam sogar ein Überraschungsei geschenkt, das ich ihm wegfraß, aber mit Essen für uns war nichts zu machen. Und man braucht auch nicht nach einer Erklärung suchen, denn man wird sie nicht finden. Zahlungswillige Gäste, eine vollbesetzte Küche, das notwendige Material, alles da. Aber man kann nichts bestellen. Dann eben nicht.

Blick auf Teheran.

Wir gingen weiter und zurück dahin, wo uns das Taxi herausgelassen hatte. Almut und Heike gingen vor, Didi und ich schlenderten gemütlich den Berg hinunter. Auf der anderen Straßenseite hielt ein SUV mit zwei Damen am Steuer. Die begrüßten uns mit gebrochenem Englisch und fragten, wo wir denn hinwollten. Ich zeigte ihnen die Visitenkarte vom Hotel und sie boten an, uns mitzunehmen. "Geht nicht", sagte ich und zeigte auf Almut und Heike. Die waren schon zu weit vorgegangen und hörten uns nicht mehr. Normalerweise ein klarer Fall von "Ich wollte es Dir ja sagen, aber Du hast mich nicht pfeifen gehört, also bin ich eingestiegen." Im Iran muß man aber mit solchen Geschichten immer ein wenig aufpassen. Man will ja nicht im Knast landen. Und dadurch, daß die alle in ihrem albernen Fledermauskostüm herumlaufen ist man ja auch buchstäblich gezwungen die Katze im Sack zu kaufen. "Laß fahren, dahin, laß fahren", dachte ich mir. Das ist immer das Problem: Da, wo man darf, passiert sowas nicht, und da, wo sowas passiert, da darf man nicht. Da, wo man Vollgas fahren darf, da kann man nicht, da wo man kann, da darf man nicht.

Wir nahmen ein Taxi, das uns zur U-Bahn brachte. Die anderen stiegen früher aus, denn die wollten noch etwas anschauen. Sie hatten vor unserer Abfahrt ihre Empfehlungsschreiben bei der Botschaft abgeholt und hatten es nun in den Händen. Auch sehr gut als Vorlage für weitere Empfehlungsschreiben, sollte man welche brauchen. Zurück am Hotel versuchte ich noch, an unseren Möglichkeiten herumzudoktern. Wir brauchten ein Carnet und wir würden versuchen, es von hier aus anzuleiern. Vielleicht bringt es ja was. Und vielleicht könnte man jemanden in Pakistan mobilisieren, der der Schlampenwirtschaft in den Arsch tritt, damit da mal was vorangeht.

Abends saßen wir hinter dem G-Modell, schlürften Cola und regten uns über diese Papp-Nasen-Staaten auf. Mich regt es besonders dann auf, wenn die einfachste und schnellste Lösung durch sinnlose Scheiße verhindert wird. Die Pakis machen Probleme - das ist nichts Neues, denn das tun die schon seit ihrer Staatsgründung. Nun kann man aber nicht die einfache Lösung wählen und die Pässe einfach nach Berlin schicken, weil die Mullahs im Iran verfügt haben, daß keine Pässe verschickt werden dürfen - einfach so. Dieses völlig unsinnige und unnötige Hindernis, das da überhaupt nicht sein bräuchte, muß jetzt nämlich umschifft werden. Und genau solcher sinnlose Dreck, den irgendein krankes Hirn willkürlich in Kraft setzt, kostet Nerven, Zeit und Geld. Mit Nerven kann ich dienen, ich kann auch selber nerven und Nerven kosten, aber mit den letzten beiden Dingen, Zeit und Geld, sieht es nicht gerade rosig aus.

Die Besatzung des G hatte ja, wie erwähnt, nebenbei die Möglichkeit in Betracht gezogen, um "Kackistan" drumherum direkt nach Indien zu verschiffen. Bevor wir in der Früh zum Berg losgefahren sind, waren sie bei der Fritz-Botschaft gewesen und hatten sich ihre Empfehlungsschreiben abgeholt. Als er es in der Hand hatte, fragte er nocheinmal wegen des letzten Satzes nach ("Dieses Zertifikat berechtigt nur zur Einreise auf dem Luftweg, nicht auf dem Landweg."): "Es gibt aber nun vielleicht die Möglichkeit, auf dem Schiff mitzufahren. Aber hier steht nichts von Seeweg." Die Antwort lautete es sei vollkommen egal und dieser Satz hätte nichts zu bedeuten, da es keine spezifischen Visa für Luft-, See- oder Landwege gibt. Das sei nur zur eigenen Absicherung. Wäre es nicht weitaus sinnvoller, eine Reisewarnung vom Antragsteller unterschreiben zu lassen und ihm dann einfach das Schreiben auszudrucken? Das wäre auch eine Absicherung, eine viel bessere sogar. Aber das geht ja nicht, denn der Deutsche soll und will bevormundet werden.

Die Möglichkeit der Verschiffung fiel für uns aus. Dafür hatten wir andere Möglichkeiten. Da wir sowieso nur hierhergefahren sind, weil die Almut in die Gebiete muß, in denen Paschtu gesprochen wird, könnten wir genausogut Kackistan annullieren und stattdessen nach Afghanistan fahren. Dort wird viel mehr Paschtu gesprochen, und wir würden ein Visum bekommen. Meinetwegen kann der verseuchte Müllhaufen von Pakistan auch gleich ganz absaufen. Gehört ja jetzt schon zu meinen Favoriten, wie alle Länder, die einem schon massiven Ärger bereiten, bevor man auch nur in die Nähe gekommen ist. Und weil die sich so blöd anstellen, kommt man automatisch im Iran in jene Gefilde, um die man als Tourist immer einen schönen Bogen macht: Polizei, Immigration, Visums-Verlängerung, dann darf man keine Pässe verschicken. Man bekommt durch solche Geschichten mehr Einblick in das Land als man eigentlich möchte. Iran ist ein wunderschönes Land, und es ist alles sehr einfach und unkompliziert - solange man nicht vom Plan abweicht. Morgen wird gen Süden gefahren, also lieber mal früh ins Bett und ausschlafen - wer weiß, wann man wieder ein weiches Federbett hat.


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© by Markus Besold