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Pakistan 2010
Samstag, der 25. September

Das Frühstück verpaßte ich dank der Sonne heute nicht. Fluchend nahm ich am Tisch platz und beförderte erstmal die halbe Packung Frühstücks-Cerealien auf den Boden. "Na, der Tag fängt ja gut an. Scheißdreck!" Was obenauflag kam wieder in die Schüssel, der Rest blieb liegen, bis ich auf die Idee kam, es als Fischfutter zu verwenden. Das schmeckt bestimmt besser als Wasch- und Spülmittel. Bei jedem Wurf verwandelte sich das friedlich plätschernde Rinnsal in eine Miniaturausgabe eines Haifischneckens und das Wasser brodelte von Fischen, die versuchten die Smacks zu ergattern. Hinterher war der Boden sauber, die Fische noch nicht satt und ich versuchte, weiteres Fischfutter aufzutreiben, allerdings nicht auf Kosten unserer Vorratskammern. Hier gab es Hornissen. Große Viecher, fast so groß wie die brasilianischen "Marimbondos". Als sie mir einmal zu nahe kamen, schlug ich mit der elektrischen Fliegenpatsche zurück. Was die Viecher aber tötete war nicht der elektroschock, sondern die Wucht des Schlages. Was will man auch von einer elektrischen Fliegenpatsche erwarten, die in Deutschland vertrieben werden darf? Das ist ähnlich wie mit dem Insektenspray. Diese Dinge muß man hier kaufen. Das Insektenspray ist eine Giftige Substanz in einer Sprühdose, die dem Zweck dient, Insekten zu töten. In Deutschland versteht man unter Insektenspray eine sicherheitsgeprüfte multifunktionale Substanz, die man unter anderem dazu verwenden, seinem Baby damit den Popo einsuschmieren. Die Insekten sterben auch, allerdings meist an Altersschwäche. So ist es auch mit der elektrischen Fligenpatsche. Ich war damit beschäftigt, mich der Hornissen, die immer mehr wurden, zu erwehren, da kam Didi vorbei und meinte in seinem breiten Schwäbisch: "Was machst Du da? Der Tanz vor der Palme?" "Ich mach die Hornissen kaputt!" Didi nahm die Fliegenpatsche und stellte fest: "Da steht ja 'CE' drauf." Bei den Hornissen, jedenfalls, war der Effekt der gleiche, ob ich nach ihnen Patschte, oder ob ich mit Papiertaschentüchern nach ihnen warf. Man schlug auf sie ein und sie flogen zurück, drehten in der Luft um und flogen wieder her. Und die Größe von Tennisbällen hatten sie auch fast. "Garmeh Open, Alter..." Da war nicht weit von uns im Boden ein ganzes Nest. Und die Fische wollten keine Hornissen. So hatte das keinen Sinn.

Unser Nachtplatz am nächsten Morgen bei Aufbruch.

Durch diese Betätigungen, über deren Sinnhaftigkeit man streiten kannumging ich das zweifellos sinnvollere Umfüllen des Diesels aus den Kanistern in den Tank. Außerdem war mir das zuviel Streß. Sobald ich nämlich den letzten Kanister aufmache, sprudelt das Diesel hervor und schon ist die Sauerei wieder angerichtet. Ich riskierte es einfach zur nächsten Tanke. In einem Land, das hauptsächlich vom Erdölexport lebt und das Diesel praktisch umsonst ist, kann die nächste Tankstelle nicht weit sein. Aber ich machte die Scheiben der beiden Autos sauber, um zumindest so auszusehen, als könnte ich gelegentlich auch etwas Nützliches tun. Danach fuhren wir los, Mazis Empfehlung folgend nach Chackchack.

In Bayazeh, den wir durchfuhren hielt ich an und kaufte eine Cola. Leider hatten die nur das Plagiat, aber besser als Wasser. Nun mußte noch das Auto mit Kraftstoff versorgt werden. Wir fuhren weiter und suchten nach einer Tankstelle. Es war eine angekündigt, allerdings weit und breit nicht zu sehen. Kurz vor Ortsende kamen wir an einer Baustelle vorbei. Irgendein reicher Iraner ließ sich gerade eine Villa in die Landschaft. Ich fuhr auf den Hof und fragte nach "Gasoil". Sie zeigten zurück in Richtung Dorf. Ich hatte aber keine Tankstelle gesehen und versuchte, ihnen das klarzumachen. Der Traktorfahrer meinte aber, ich solle ihm hinterherfahren. Das tat ich. Er fuhr keinen Kikometer, bog dann links ab in einen Hof und zeigte auf ein Gebäude. Mir wuchsen einige Fragezeichen über dem Kopf, und um das deutlich zu machen, stieg ich aus und zuckte mit den Schultern. Er zeigte in das Gebäude hinein. Tatsächlich standen im Gebäude Zapfsäulen. Ja, so einen Blödsinn habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Außerdem war der Laden zu. Er gab mir ein Zeichen zu warten.

Seltsame Tankstelle in Bayazeh.

Nach einigen Minuten kam dann tatsächlich von irgendwo ein Herr und schloß die Tür auf. So funktioniert das also. Der Traktor tankte voll. Ich hatte ja keine Karte, und die Wahrscheinlichkeit, daß da ein LKW vorbeikam war eher gering, also ging ich zum Traktorfahrer und fragte ihn, ob ich auf seine Karte tanken konnte. Er war gerade fertig mit Tanken. Das konnte ich deutlich daran erkennen, daß sich der Diesel über die Motorhaube ergoß. Ich nahm einen Fetzen, der vor dem Armaturenbrett lag und hlaf beim Aufwischen. Er nahm mir den Fetzen aus der Hand und meinte "Noooo!". Erst dann wurde mir klar, daß das sein Kopftuch war, mit dem ich das Diesel da aufzuwischen begonnen hatte. "Oh, hehe, sorry!" - mehr fiel mir dazu in dem Moment nicht ein. Über dieses Mißgeschick vergaß ich dann zu fragen, er fuhr los und ich stand da ohne Diesel, dafür mit leerem Tank. Keine gute Figur. Nun mußte ich versuchen, den Tankwart zu überreden. Aber wie, wenn man kein Persisch kann? Mir kam ein anderer Autofahrer zu Hilfe und die beiden einigten sich auf 30. 3000 Rial? Das wären 18 Liter. Aber damit käme ich zum nächsten Ort. Besser als nichts. Ich nahm die Zapfpistole also und machte los. Bei 3000 wollte ich sie zurückstecken, aber er meinte 30 Liter. Noch besser, also füllte ich den Rest noch auf. Didi konnte umpumpen und verzichtete auf seinen Anteil. Geld wollte keiner haben und wir durften weiter. Iran ist ein schönes Reiseland.

Bei der nächsten Tankstelle, die in der nächsten Ortschaft etwa zweihundert Kilometer weiter lag, lagen die Dieseltanks trocken. Man zeigte auf hinter die Moschee. Die LKW warteten auf die nächste Lieferung. Wir hatten noch genug im Tank und wollten nicht warten. Wieder zeigte man auf hinter die Moschee. Jetzt wollte ich es aber wissen. "Hinter der Moschee muß etwas furchtbar Spannendes sein. Das muß ich mir mal ansehen", sagte ich und ging hin. Aber ich fand nichts, außer einem Laden. Und wo ich schon mal da war, kaufte ich eine ZamZam-Cola. Besseres oder gar echtes Cola hatten sie nicht. Und weiter durch die Wüste.

Durch die Wüste. Links eines dieser Kühlhäuser.

Endlich, im nächsten Kaff schafften wir es, beide Fahrzeuge vollzutanken für ein paar Cent. Irgendwie will hier nur jede zweite LKW-Fahrer Geld. Der Rest geht auf Führers Kreditkarte. Nun konnten wir ruhigen Gewissens in die Wüste fahren, denn für Kraftstoff war erstmal gesorgt. Der Verkehr nahm stark ab und irgendwann befanden wir uns an einer Gabelung. Wohin, war die große Frage. Wir fuhren erst weiter, sahen dann aber ein Schild auf der Gegenfahrbahn, das nach rechts zeigte und dort stand deutlich in lateinischen Lettern "Chackchack". Also umdrehen und rechtsw abbiegen. Nach einigen Kilometern fanden wir links der Straße eine Piste, einen Wegweiser aber nicht zugleich. Wir fuhren also auf die Piste, die erst an den Berg hinführte und dann auf den Berg hoch. Da standen wir nun vor einem Seltsamen Gebäude, das genau an einer Schlucht gebaut wurde, einen Brunnen und sonst nichts. Kein Schild, kein Mensch, nichts.

Kurze Pause auf der Suche nach Chackchack.

Ob das wohl dieses Chackchack war? Wir hatten ernsthafte Zweifel. Das konnte es nicht sein. Wir fuhren wieder zurück auf die Straße, und rechts wieder zur Gabelung, dort dann links bis wir an eine undefinierbare Bude kamen, vor der zwei Leute saßen. Wir fragten nach Chackchack und sie schickten uns wieder zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. So ein Kasperletheater! Also wieder zurück und diesmal nicht auf die Piste, sondern geradeaus weiter. Wieder ging es auf die Berge zu, dann endete der Asphalt an einer Gabelung. Links und rechts hatte man zur Auswahl, beide Male Piste. Aber Didi sah oben auf dem Berg ein Gebäude. Das mußte es sein. Wir fuhren die steile Serpentinenpiste hoch. Bei der Gelegenheit setzte ich hinten links auf. Mehr als "Scheiße!" fiel mir nun hierzu nicht ein. Ich fuhr weiter und stellte das Auto auf dem Parkplatz ab. Es standen ein paar alte Paycans da, aber sonst nicht viel. Beim Abstellen des Motors klopfte der Aupuff an die Karosse. Ich sah nach. Es fehlte ein Auspuffgummi. Der war wohl bei dem Aufsetzer gerissen... "Das ist nicht schlimm. Ich hab Ersatz. Hab ich extra gekauft, weil die immer reißen bei sowas", erklärte ich. "Dann ist ja gut", sagte Didi. "Die liegen in Augsburg in der Garage", ergänzte ich. "Warum wundert mich das nicht?", beschloß Didi das Gespräch.

Weiter ging es per pedes auf einer Treppe. Ich nahm Arnie auf die Schultern und ging mit den anderen die Stufen hoch. Arnies Linke Hand krallte sich an meinem Ohr oder an den Haaren oder am Bart fest und die andere Hand machte abwechselnd kreisende Bewegungen in der Luft oder klopfte und patschte auf meinen Schädel, während er vergnügt "iehiehieh" schrie und auf und ab sprang. Die Fliegenpatsche behielt allerdings ich in der Hand. Es reicht, wenn man sich fühlt wie ein Esel, man muß nicht auch noch so aussehen - das eine Ohr war gefühlt auch schon einen Meter länger. Als wir oben ankamen ließ ich mich auf die Stufen nieder. Ein Laden! "Kalte Cola!", brachte ich noch raus. Aber es gab nur Wassermelonen, also fraß ich die. Als meine Kräfte zurückkamen machte ich mich ans Fliegentöten. Noch eine Treppe hoch und wir standen vor einer dicken Messingtür. Dahinter war eine Moschee, in der ein Feuer brannte und ein Wasser, das von der Decke tropfte. Deswegen die ganze Anstrengung? Die anderen hörten sich die Ausführungen der Leute an. Zarathustra, Moses, Jesus, Mohammed. Chackchack heißt das hier, weil das Wasser von der Decke tropft und "Chack-Chack" dabei macht. Der Rest der Erklärung war mir schon wieder zu kompliziert. Ich sah durch das Fenster auf die Wüste hinunter und träumte mich schon auf der Piste dort unten.

Blick von Chackchack auf die Piste. Von rechts waren wir gekommen.

Wir fragten, wohin die Piste führte, die von dem letzten Abzweig nach rechts führte. Man erklärte uns, daß die wieder auf die Asphaltstraße führt, aber daß man doch gleich besser auf der Asphaltstraße bleiben soll. Es seien nur 30 km mehr und viel bequemer zu fahren. "Das ist das falsche Argument", sagte ich, "Wenn wir Asphaltstraßen fahren möchten, brauchen wir nicht extra in den Iran zu fahren. Wir wollen in die Wüste. Das verstanden nun die Iraner nicht. Aber müssen sie auch nicht, ich bin es gewohnt, daß mich keiner versteht...

Als ich wieder hinausging, lag meine Fliegenpatsche auf dem Ast eines Baumes. Der Priester hatte sie wohl versteckt, allerdings übersehen, daß der Ast auf meiner Augenhöhe war. Ich solle keine Fliegen kaputtmachen, denn europäische Wissenschaftler hätten festgestellt, daß die gut für die Wundheilung seien. "Müssen wohl italienische Wissenschaftler gewesen sein", sagte ich. Außerdem hat hier keiner eine Wunde, die geheilt werden muß, und selbst wenn, glaube ich nicht, daß diese Fliegen viel dazu beitragen könnten. Die müßte man nämlich dazu im Labor züchten und nicht auf dem Scheißhaus. Ein Teil der Uni in Oxford, so erzählte ein anderer, sei übrigens ein Nachbau der Uni in Teheran. Sie konnten es nicht fassen, daß ich wenige Kilometer von Oxford wohne, mir aber die Uni nie angesehen hätte. Und sie wiederum, würden nie eine Piste fahren, wenn daneben eine Asphaltstraße ist. So ist es eben überall. Das, was einem am nächsten ist, ist meist recht uninteressant.

Wir fuhren die Serpentinen wieder hinunter und nahmen die Piste. Generalkurs war Yazd. Gleich nach wenigen Kilometern kamen wir an einem verlassenen Dorf vorbei. Eigentlich ein guter Nachtplatz. Mitten in der Wüste, und die einzige Straße im Umkreis von 20 Kilometern war nicht befahren. Aber es war noch zu früh für Nachtplatzsuche. Die Piste war gut zu befahren, teilweise sogar mit 100 km/h Der G war ziemlich bald nicht mehr auszumachen, das einzige was man im Rückspiegel noch sah war eine dunkelweiße Staubwolke und sonst nichts mehr. Die Piste war leicht ausgefahren und bei der Geschwindigkeit hat man Mühe, das Fahrzeug am rechten oder linken Pistenrand zu halten. Eine Seite fährt immer auf dem Kieshügel in der Mitte der Piste und man droht ständig abzurutschen und in die Fahrrille zu kommen. Den G stört sowas nicht, aber bei unserer geringen Bodenfreiheit mußte ich eben versetzt fahren. Da erweist sich die Lenkhilfe als besonders Hilfreich. Die Vorderräder hüpfen nur noch über das Kies und wenn man merkt, daß sie sich in die eine oder andere Richtung verselbständigen wollen muß man schnell gegenlenken, aber nur kurz, sonst rutscht man zur anderen Seite ab. Nun ist der Kieshaufen in der Mitte ja nicht gerade mit dem Lineal gezogen und auch die beiden Häufen am Pistenrand nicht.

Auf der Piste Richtung Yazd.

Wenn eine Vertiefung kommt, muß man schnell in ihre Richtung lenken, so daß sich das Auto in die andere Richtung neigt. So kriegt man am wenigsten davon mit und das Auto federt nicht und schwingt nicht durch. Aber nicht zu lang, sonst fährt man einen leichten Bogen und fällt vom Kies ab in die Fahrspur. Wenn die Piste weitgehend eben war, dann hatte man Wellblech. Aber ab einer gewissen Geschwindigkeit kriegt man auch davon nur ein leichtes Vibrieren mit. Gebremst wird indem man einfach im Kies vom Gas geht. Dann neigt sich das Auto nach vorne und die Vorderräder tauchen ein und verzögern. Würde man die Bremse berühren, grübe man sich schnell ein und man befände sich mitten in der eigenen Staubfahne. Auch wenn man fährt und das Auto das Gewicht nach vorne verlagert, spritzt der Kies und es hört und fühlt sich an wie ein Schiff das durch schwere See stampft. Als nach zwanzig Kilometern sich die Asphaltstraße näherte ging ich vom Gas und ließ das Auto auslaufen. Das Rattern des Wellblechs, ein ekelhaftes Geräusch, wurde immer lauter und hörte bald auf, als der Wagen nur noch Schrittempo fuhr. Wir standen. Ich stieg aus, nahm das Fernglas und versuchte die anderen auszumachen, als sich der Staub ein wenig verzogen hatte. Hinen am Horizont schlängelte sich eine Staubfahne wie eine riesige Schlange durch die Wüste. Da waren sie. Ich setzte mich auf den Gepäckträger und wartete ein paar Minuten bis sie herandwaren. "Ich wollte ein Bild machen, wie ihr staubt, aber ihr wart so schnell weg und alles war nur noch Staub, also haben wir einen Abstand gelassen."

Der G im Anmarsch, durch das Fernglas aufgenommen.

Ich hatte keine Ahnung, ob wir nun links oder rechts mußten. "Rechts natürlich!" "Natürlich!" Ich setzte mich ins Auto und wir fuhren auf Asphalt wieter. Nun mußten wir aber doch schon hinaus, einen Nachtplatz suchen, denn wir wollten nicht zu nahe an die Stadt heran. Die macht mit ihrem hellen Licht immer die Aussicht kaputt. Links war Hammada, rechts war Hammada. Ich hielt schon nach wenigen Kilometern an. "Wie schaut's aus da hinten?", fragte ich, und zeigte auf die Hügel am Horizont. Wir verließen die Straße und fuhren auf die Hügel zu. Vorgefühlt und nochmal angehalten. "Wir kommen da schon hin", meinte Didi, "aber wie sieht es bei Euch aus?", lautete die Gegenfrage. "Versuchen wir's", beschloß ich. Ich hörte ein Zischen. Das war mir noch aus Libyen in schmerzhafter Erinnerung. "Alter!", rief ich, "Da zischt irgendein Reifen." Ich stieg aus und suchte herauszufinden, wo das herkam. Nicht schon wieder einen Platten, die Reifen sind nagelneu. Aber das Zischen kam vom linken Hinterrad des G. Die von der Straße aus brettebene Hammada war, bei näherem Hinsehen, von Bodenwellen durchzogen, die durch Wasser entstehen, das Gelegentlich auf den Bergen geflossen kommt. Für den G kein Problem. Der G fuhr voran, ich hinterher. Dann legte er ein seltsames Manöver ein, indem er kurz nach rechts ausscherte. "Warum fährt er nicht hier lang? Hier kann er doch schön fahren", sagte ich zu Almut und fuhr geradeaus weiter, "Oder sieht das nur für mein naives Auge so aus als wäre der Untergrund hart und gut befahr..."

"Klonk", machte es, und der Benz war bis zur Achse im Sand.

"Scheiße!" Die anderen waren schon wieter, drehten wieder um. "Grad sag ich noch zur Almut, daß man da doch eigentlich fahren kann", erklärte ich. "Da doch nicht, da ist es weich. Das ist eine Senke." Jetzt, wo er es sagt... "Wart, wir ziehen Dich geschwind raus, bevor wir da jetzt mit Blechen anfangen. Es wird schon gleich dunkel", sagte Didi und packte das Abschleppseil aus seinem Ersazradkasten. Heike hängte das Seil am Abschlepphaken an und Didi fuhr langsam an, bis das Seil gespannt war. Kurzes Hupen und der G zog an. Der Daimler war wieder frei. Wir fuhren hinter den ersten Hügel und stellten uns an eine möglichst gerade stelle.Almut stellte fest, daß sie den Becher vom Kleinen in Chackchack vergessen hatte. Und ich stellte fest, daß wir Tausende von Fliegen aus Chackchack hierhergebracht hatten. Nun schwirrten sie überall herum und nervten mich. Ich nahm das Übernachtungszeug aus dem Kofferraum, bereitete das Nachtlager, sagte Almut, sie solle alles herausnehmen, was sie braucht, weil ich den Innenraum ausgasen wollte.

Nicht so einfach, ein Nachtlager aus Decken zusammenzubauen, wenn der Wind die Decken immer wieder wegweht. Die Steine, die wir erst vom Untergrund entfernt hatten, die nahmen wir nun wieder um die Decken zu beschweren. Irgendwann lag das Nachtlager. Nun holte ich das Insektenspray aus dem Kofferraum, machte die Fahrertür auf und leuchtete satt hinein - genau in dem Augenblick, als Almut mit dem Kleinen auf dem Arm die Beifahrertür aufmachte, um etwas aus ihrer Tasche zu holen. Das war nicht sehr geistreich. Der zweite Versuch klappte dann. Ich setzte mich zu den anderen, während Almut den kleinen ins Bett brachte. Die hatten mittlerweile den G geschient: Sandblech unter das Auto, Bock darunter, damit der Reifen nicht zu sehr leidet. So blieb er für die nacht stehen. Sie mußten also in der Früh zum Reifenhändler und ich zurück nach Chackchack um den Becher zu holen. Wir wollten uns dann in der nächsten Ortschaft treffen. Doch nun gab es zunächst Abendessen, über das wie und wann können sich die anderen morgen beim Frühstück Gedanken machen.

Unser windiger Nachtplatz. Abendessen im Windschutz des G.

Ich fragte Didi, warum er neulich mit dem Bild so abging. "Ha ja, steigt aus im militärischen Sperrgebiet und macht Bilder!", sagt er. "Nicht gut?" "Nein, nicht gut", sagte er. "Ich hab jedenfalls keine Lust, wegen Spionage in einem iranischen Gefängnis zu landen", sagte Heike. "Ach, was. Die werden uns schon nicht wegsperren", sagte ich. "Ist ja erst passiert. Haben ein paar US-Soldaten erwischt." Das sei ja wohl ganz etwas anderes, außerdem wird dort Raumforschung betrieben. "Von wegen Raumforschung", meinte Didi. "Lach nicht, ich hab erst in Esfahan ein Magazin gesehen, da waren drei Leute im Raumanzug. Vielleicht machen die ja tatsächlich was in der Richtung", erklärte ich. Er glaubte aber eher, daß die sogenannte Raumforschung eher was mit Kassam-Raketen zu tun habe. "Mit denen werden sie nicht reich. Oder vielleicht doch. Die Palästinenser kaufen doch den Müll immer und versuchen Israel damit zu treffen. Die richten damit bei den anderen höchstens einen Flurschaden an und dafür gehen auf der eigenen Seite ein paar Wohnblocks hops. Was für Deppen! Hihi...", machte ich mich witzig. Heike führte fort: "...sagt ausgerechnet der, der mit dem Spaten auf einen Kanister eindrischt, weil er sich wehgetan hat, sich dabei womöglich nochmal wehtut und wieder dem Kanister die Schuld gibt. Hihi!"

Ich ging mit Didi noch auf den Hügel, der zwischen Nachtplatz und Straße lag. Ich hatte meinen langen Lodenmaltel an, der laut im Wind flatterte. Heute schlief ich alleine draußen und Almut mit dem Kleinen wieder mal im Auto. Zu windig und er war sowieso sehr quengelig heute. Wahrscheinlich war er beleidigt, weil er jetzt keinen Becher mehr hat, den er mir um die Ohren hauen kann. Des einen Freud, des anderen Leid. Als die andern sich in ihr Dachzelt begaben, nahm ich die Stühle, klappte sie zusammen und stellte sie auf der Windluvseite des Daimlers auf, um wenigstens einigermaßen vor diesem ekelhaften Wind geschützt zu sein. Ich rauchte noch eine Kippe in der hohlen Hand, sah zu, daß der Wind nicht die Glut wegblies, putzte die Zähne, wobei das Zahnputzwasser nur teilweise wie vorgesehen auf dem Boden landete, zum größten Teil aber auf meinen Stiefeln und der Hose. Dann lullte ich mich in den Schlafsack und als ich endlich zurechtlag, mußte ich feststellen, daß es mit einem Schlag völlig windstill geworden war.


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© by Markus Besold