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Pakistan 2010
Dienstag, der 14. September

Um halb weckte mich Almut. Treffpunkt war um halb Neun unten in der Lobby. Sieben Minuten später kam ich dazu und die anderen Dreieinhalb waren schon abmarschbereit. Die Rezeption bestellte uns ein Taxi und wir fuhren zur pakistanischen Botschaft. Der Taxler fuhr wie erwartet wie ein Idiot. Das Auto hatte fünf Gänge, aber er benutzte immer nur den 1. und den 2. Wenn er mal das Auto verkauft kann er dazuschreiben, daß die Gänge 3 bis 5 noch neuwertig sind. Auf der Karte hatte es so nah ausgesehen, aber der Taxler kurvte ewig hin und her. "Modir, Pakistan Embassy - not Pakistan!", sagte ich.

Kurz abgestellt...Er schaffte es aber doch, uns vor das Tor der Botschaft zu fahren. Wir stiegen aus, der Fahrpreis blieb der gleiche. Er versuchte nicht, uns mehr abzuknöpfen. Wir klingelten bei der Botschaft und eine Stimme meinte, wir sollten ums Eck gehen, da würden Visa-Angelegenheiten erledigt. Da standen auch schon einige Leute vor dem grünen Tor, vor dem wir ausgestiegen waren, und das mit einem Vorhängeschloß abgesichert war, und ich stellte mich ganz vorn an, wo ein Mullah stand, und mit den Worten "Der soll da jetzt mal abhauen" drängelte ich mich vor - so, wie alle anderen halt auch. Aber meine Orangutanarme erwiesen sich ausnahmsweise mal als nützlich und der Typ hinter dem Tor ergriff unsere Pässe. Ich nahm die Pässe von Heike und Didi auch gleich und drückte sie ihm in die Hand. Er sah sich die Pässe an und sagte dann in diesem typischen retroflexen Hindi-Dialekt und Singsang: "My brother, Visa werden seit Mai nur noch in dem Land ausgestellt in dem Du wohnst, oder von dem Du Bürger bist." "Sie wollen mich jetzt ernsthaft nach Deutschland zurückschicken und ich soll dort ein Visum beantragen?", fragte ich ungläubig. "Sie können auch vom pakistanischen Innenministerium eine Empfehlung erwirken, und wenn wir die haben, dann stellen wir Ihnen ein Visum aus. Normale Bearbeitungszeit ist etwa einen Monat." Das haut mich nun um. Einen ganzen verdammten Monat? Das ist ja sehr schnell, wir haben noch zehn Tage. Wir setzten uns ins Taxi und fuhren zum Hotel zurück. So ein Spaziergang, wie ich dachte, würde es nun doch nicht werden. Im Taxi überschlugen wir die Alternativen: Wir hatten einige Kontakte in Pakistan. Die könnten vielleicht das mit dem Innenministerium erledigen. Das hieß aber, Visum verlängern, was ich als ganz furchtbares Gezeter in Erinnerung hatte und dann noch die Autopapiere verlängern, was die Visaverlängerung wie einen Kindergeburtstag bei McDonald's aussehen läßt. Wir schicken die Pässe per DHL nach Berlin zu unserer Trauzeugin und die macht das mit den Visa. Diese Lösung schien praktikabel und realistisch.

Das Taxi wurde umgeleitet zum Imam-Khomeni-Platz, denn der liegt genau zwischen Hotel und deutscher Botschaft. Wir teilten uns auf. Almut und Heike gingen zum Hotel. Heike und Didi waren bestens ausgestattet, hatten einen Drucker dabei und wollten sich schon mal um die Visaanträge kümmern, damit wir noch heute die Pässe abschicken konnten. Jeder von uns hatte zwei Pässe. Wir würden also die Pässe ohne Iran-Visum nach Deutschland schicken und die mit Iranvisum verlängern. Aber da kam schon das erste Problem auf: Arnie hatte nur einen Paß. "Verdammt nochmal, wieso hat dem keiner einen zweiten Paß besorgt? Schafsscheiße!". Didi und ich gingen zur Botschaft, um dort nachzufragen, wo die DHL-Niederlassung in Teheran ist. Wie wir von der letzten Reise wissen, verschicken die Botschaftsangestellten ihr Zeug mit DHL, und nicht per Botschaftspost, weil selbst die Schneckenpost schneller ist als die Beamtenpost. Almuts Paß, mit Botschaftspost verschickt, brauchte weit über einen Monat, beim letzten Mal. Da konnten wir dann auch gleich nach einem zweiten Paß für Arnie fragen.

"Ach, Du Scheiße!", sagte ich und zeigte auf den Eingang der Botschaft, der nur so von Leuten wimmelte. "Leute, Deutschland ist Scheiße, geht doch woanders hin!" Wir stellten uns im Gedränge an. Diesmal halfen die Orangutanarme nichts, und das Orangutanhirn war auch eher hinderlich. Als wir uns nämlich vorgedrängelt hatten und uns schon am Ziel wähnten, sahen wir erst die Absperrkette. Also noch mal zurückdrängeln und in der Schlange hinten anstellen. Didi wunderte sich über die riesige Anlage. "Ja, das zahlt alles Ihr Deppen mit Eurem Steuergeld." Wieder warten und endlich kamen wir an die Reihe unser Anliegen vorzutragen. Er hörte es sich an und schickte uns zum nächsten Gebäude, Schalter 3. Wir gingen hin, und da war wieder ein Pulk von Menschen. Ich kam an und trat erst mal einer Fledermaus auf den Fuß. "Oh, die geht ja da unten noch weiter", stellte ich halblaut fest. "Paß fei auf, daß sie Dich nicht festnehmen, wegen unsittlicher Berührung von fremdem Eigentum", meinte Didi. Natürlich war die Tür zu. Aber da kam eine Iranerin mit rosa Kopftuch, lief einfach an der Menge vorbei, schob die Tür auf und ging hinein. "Na, komm, da gehen wir auch rein", sagte Didi. Wir gingen hinein. Am Schalter 3 stand niemand an und wir gleich hin. Dort sagte man uns, wir möchten doch Platz nehmen. Es dauerte allerdings nicht lange, da kamen wir dran. Keiner sagte was. "Mach Du", sagte Didi. "Nein", sagte ich. "Doch", bestand er drauf. "Aber wenn ich doch so schüchtern bin..." Er fing an und schilderte das Problem. Diese Regelung der pakistanischen Botschaft war neu. Hier auf der deutschen Botschaft lautete die Information, daß wir ein Empfehlungsschreiben von der deutschen Botschaft brauchten. Da ist die deutsche Botschaft nicht ganz auf dem neuesten Stand. Nach der alten Regelung wäre aber hier der offizielle Dienstweg bereits zu Ende gewesen, weil die Deutsche Botschaft keine Empfehlungsschreiben ausgibt, seit es für Belutschistan eine Reisewarnung gibt. Didi hakte nach: "Aber wenn ich die Verantwortung übernehme und unterschreibe?" "Auch dann nicht", lautete die Antwort, "Sie können auf eigene Verantwortung hinunterfahren, aber wir unterstützen das nicht, und deshalb geben wir auch keine Empfehlungsschreiben aus."

Ich fragte nach, ob sie wüßten, ob man in Kabul ein pakistanisches Visum bekommen könnte. Das wußten sie nicht, aber auch hier gilt das gleiche: Für Afghanistan gibt es ebenfalls eine Reisewarnung, und daher werden auch für die Afghanistan-Visa keine Empfehlungsschreiben ausgegeben. Aber vielleicht verlangen die Afghanen ja gar kein Empfehlungsschreiben. Wir fragten noch nach der Adresse von DHL, und die gaben sie uns. Ich fragte anschließend, ob wir für den Kleinen einen zweiten Paß bekommen könnten. Das ging, allerdings muß die Mutter dabeisein, und beide Erziehungsberechtigte müssen unterschreiben. Ob das Kind in Deutschland gemeldet sei. "Das weiß ich nicht, aber ich denke schon. Wüßte nicht, wo es sonst gemeldet sein könnte", sagte ich. "Aber es ist schon ihr gemeinsames Kind, oder?", fragte sie. "Ja, glaub schon. Es lacht, wenn sich andere Leute wehtun, also muß ich wohl was damit zu tun haben." Den Paß können sie hier sofort ausstellen, sobald die Unterschriften geleistet sind. Immerhin. Die deutsche Botschaft ist aber dennoch unterm Strich, wie immer nicht besonders hilfreich. "Eine Frage noch: Wissen Sie zufällig, wo sich die englische Botschaft befindet?", fragte ich. "Genau gegenüber", hieß es. Von vier Fragen zwei positive Antworten. Aber dann zum Schluß kam doch noch eine Aussage, die die Billanz wieder schlechter aussehen ließ: Man darf vom und zum Iran keine Pässe versenden. Die werden beschlagnahmt. Über die Botschaft, die ja schließlich Pässe verschicken muß, geht gar nichts, und selbst wenn das ginge, würde es garantiert länger dauern, als wenn wir gleich den offiziellen Weg gehen und uns die Visa über das Innenministerium von Pakistan besorgen.

Reifentransporter in Teheran.

Die Engländer waren schon immer nicht nur schlauer als die Deutschen, sondern sie sind auch was Vorschriften angeht viel lockerer und auch phatasievoller bei Lösungsvorschlägen. Zumindest hatte ich bei englischen Behörden bisher immer zumindest die Bemühung verspürt, ein vorgetragenes Problem lösen zu wollen, während deutsche Behörden mehr oder weniger zu sagen scheinen: "Dies sind unsere Vorschriften, und der Rest interessiert uns nicht und ist schließlich Ihr Problem." Vielleicht können uns die Tommies ja weiterhelfen - zumindest habe ich das positive Grundgefühl, daß sie es tun, wenn sie können. Hinzu kommt, daß Pakistan ja englisch war und die beiden Kolonialmächte England und Frankreich haben in Bezug auf ihre ehemaligen Kolonien immer noch einen gewissen Sonderstatus. Ein Beispiel, auch wenn es mit unserem Problem nun direkt nichts zu tun hat: Südafrikaner brauchen für Großbrittannien kein Visum, für Festland-Europa aber schon. Aber zuerst zu DHL, um zu sehen, was an dem Gerücht dran ist. Vielleicht ist die deutsche Botschaft ja einfach wieder mal falsch informiert und die Regelung gibt es gar nicht mehr..

Ich hielt ein Taxi an, hielt ihm die Adresse von DHL hin und fragte nach dem Preis. Er hatte kaum "50.000" gesagt, da kam ein Iraner mit Aktenkoffer und sagte, wir sollen vorsichtig sein. Er redete mit dem Taxifahrer, erklärte ihm scheinbar den Weg, und sagte dann zu uns, wir sollen ihm auf keinen Fall mehr als 40.000 Micky Maus geben. Wir stiegen ein und fuhren los. Didi ärgerte sich über die Hansel in der Botschaft. Nicht nur, daß sie nicht helfen, sie werfen einem auch noch Steine in den Weg. Und wenn wirklich was ist, dann sind die Deutschen auch noch so blöd und zahlen Lösegeld - wie neulich irgendwo in Südostasien. Das ist das dümmste, was man machen kann, denn damit gefährde man alle. Wir kamen wieder auf die Anekdote mit Hansa Stavanger und Maersk Alabama zu sprechen. Stars and Stripes don't run, Motherfuckers! Entführt lieber deutsche Schiffe. Die Zahlen nicht nur das Lösegeld, sondern sie bieten auch noch eine Comedy für zwanzig Millionen Euro. Wahrscheinlich war damals der Plan der Bundesregierung, daß sich die Piraten totlachen. Hat leider nicht funktioniert.

Als wir endlich bei DHL ankamen, stand da ein Plakat, von dem ich ausschließlich DHL lesen konnte. Alles andere war auf Persisch. Der Taxifahrer schrieb die neue Adresse auf den Zettel von der Botschaft und fuhr weiter. ine Weile später waren wir am Service-Punkt von DHL angekommen und zogen eine Nummer. Dann war warten angesagt, aber wenigstens mußte man nicht lange warten. Wir wurden an den Schalter gerufen, nur um dort die Bestätigung zu bekommen, daß Pässe nicht versendet werden. Das ist vielleicht eine Scheiße! Die einfachste Lösung wäre gewesen, die Pässe nach Berlin zu Doreen zu schicken, die hätte in zwei Tagen alle Visa und in fünf Tagen hätten wir die Pässe wieder. Scheiß Mullahs! Und scheiß Pakis! Warum müssen immer die größten Kackländer immer so einen Streß machen? "Wovor haben die Angst, daß Milllionen von Armutsflüchtlingen aus Europa in ihr beschissenes Land kommen und den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen? Da will doch eh keiner auf Dauer hin." Aber da können sie sich mal wichtigmachen. Ganz East-London besteht nur aus Pakis, und es werden immer mehr und dann sprengen sie da Züge in die Luft. Wenn man aber als Tourist in ihr Kackland will, dann muß man zurück nach Drecksdeutschland, um dort ein beschissenes Visum zu kriegen. So einfach, wie ich mir das mit meinem kindlichen Verstand vorgestellt hatte geht es nun doch nicht. Jetzt müssen wir uns was anderes überlegen. Irgendwer muß nach Berlin fliegen. Didi und ich können nicht. Wir sind an die Autos gebunden. Ohne die Autos können wir das Land nicht verlassen. Bleiben Almut und Heike. Almut muß den Kleinen mitnehmen, und der braucht, wenn es blöd läuft, ein Ticket. Ein Ticket kostet Geld. Bei meiner letzten Recherche, als ich nach Flügen suchte von Teheran nach München, lagen die Preise bei 700 €. Bleibt eigentlich nur Heike.

Was gab es noch für Alternativen? Weder in Yerevan noch in Tiflis gibt es eine Paki-Botschaft. Zurück in die Türkei und in Ankara die Visa beantragen. Dann brauchen wir allerdings auch neue Iran-Visa und müssen an der Grenze wieder 200€ bzw. 290€ zahlen. Da sind wir schon bei 490€. Dann die neuen Visa für den Iran, die pro Stück 80€ kosten, insgesamt also 400€. Damit wären wir schon bei 890€. Hinzu käme noch der Sprit. Und wenn uns die Pakis in der Türkei mit der gleichen Information abspeisen, haben wir das Problem immer noch und sind ein paar Tausend Kilometer in die falsche Richtung gefahren. Zwar kriegt man ein Iran-Visum an der Grenze, aber das gilt nur für sieben Tage, dann hat man das Gerödel mit der Verlängerung, wenn die bei dieser Art Visa überhaupt möglich ist.

Wir fuhren zum Hotel zurück und richteten in der Lobby einen Krisenstab ein. Als wir ankamen hatten die beiden Damen schon alles vorbereitet und warteten nur auf den Startschuß. Die Formulare waren ausgedruckt und ausgefüllt, das Hotel würde die Pässe annehmen und Doreen würde die Visa beschaffen. Alles hat wunderbar geklappt. Normalerweise müßten wir jetzt nur die Pässe nehmen, an der Botschaft vorbei, einen Zettel unterschreiben, weiter zu DHL und den ganzen Müll abschicken. Doch der Startschuß fiel nicht. Die Müllas haben verfügt, daß keine Pässe verschickt werden dürfen, und daher war alle Mühe vergebens. Wir stellten unseren Plan C vor: Heike wird zur Sonderbotschafterin gemacht und nach Berlin geschickt, um die Visa zu holen. Besonders begeistert war sie von diesem Plan nicht - aus verständlichen Gründen: Trennen auf Reisen ist nie gut. Nicht nur, weil es Unglück bringen soll, sondern weil - gerade auf solchen Reisen - wie wir gerade wieder erleben müssen immer irgendwas dazwischenkommt. Was, wenn die Iraner ihr kein Visum geben? Was, wenn es in Berlin länger dauert? Was, wenn das Sieben-Tage-Visum nicht verlängert wird? Die beiden hatten noch 32 Tage im Land, wir hingegen noch knappe sieben.

Nach Indien verschiffen? Zu zweit einen 40-ft-Container, dann nach Bombay. Viel weiß ich nicht über Indien, aber meine letzte Information stammt von den Australiern in Santos, die über Brasilien sagten, es sei schlimmer als Indien. Und wenn Indien nur halb so scheiße ist wie Brasilien, dann ist es so scheiße, daß man sich eine Verschiffung dorthin mindestens achzig Mal überlegen sollte. Heike war für die erste Idee, nämlich die Leute in Pakistan zu fragen, ob sie vom Innenministerium eine Empfehlung bekämen. Angesichts der Tatsache, daß wir sowieso nur noch sieben Tage hatten und um eine Verlängerung ohnehin nicht umhin kommen würden, schien diese Lösung gar nicht mehr so schlimm. Almut meinte jedoch, sie wäre bereit, nach Berlin zu fliegen. Die Kosten würden wir durch zwei Teilen. Die Flugpreise lagen bei etwa 750€, also 375 € für jeden. Das geht. Almut sollte erst ihre Kontakte aktivieren, damit wir wissen was geht und was nicht. Wir hatten Fernsprechverbindung nach Deutschland und Pakistan. Immerhin etwas.

Ich suchte weiter nach Alternativen. Erstmal eine gescheite Mappe her, ich muß wissen, welche Länder uns umgeben, um nach Alternativen zu suchen. Es gab nicht viele Alternativen. Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan. Dann war Schluß, denn zwischen Pakistan und Tadschikistan liegt ein dünner Landstreifen, der noch zu Afghanistan gehört. Höchstens, wenn wir über China fahren. Aber China wird ein Problem, mit einem Diesel sowieso. Bleibt noch Afghanistan. Didi und Heike waren von der Idee recht unbegeistert. Ich ging ins Zimmer hoch und klärte Almut über die Alternativen auf: Afghanistan. Wenn wir hier ein Visum für Afghanistan, und in Kabul ein Visum für Pakistan bekommen, dann könnte es klappen. "Ja", sagte sie, "die Strecke ist militärisch sicherlich interessant". Das wertete ich als grünes Licht. Ich ging wieder hinunter. Die anderen beiden hielten es für keine gute Idee. Didi erzählte, daß erst vor ein paar Wochen ein NATO-Konvoy mit 150 Fahrzeugen angegriffen wurde. "Dann ist es ja gut, daß wir kein NATO-Konvoy sind." Nun war telephonieren angesagt. Erst mal die afghanische Botschaft in Teheran. Mal sehen, was die zu sagen haben. Die Rezeption rief an und fragte nach, ob Englisch gesprochen würde. Als der Typ bejahte, legte sie das Gespr"ch auf eine der zwei Telephonkabinen neben der Rezeption um und ich ging ran. Visum ginge ohne weiteres, man bräuchte nur ein Empfehlungsschreiben von der deutschen Botschaft. Nun beißt sich die Katze in den Schwanz, weil die Krauts da nicht mitspielen. Ich ging wieder hoch ins Zimmer und fragte Almut, ob sie niemanden von der Fritz-Embassy kennt. "Nicht mehr, der ist vor ein paar Jahren rausgeflogen". Großes Tennis! Aber selsbt wenn er noch dawäre, so sagte sie, würde er uns kein Empfehlungsschreiben ausstellen, weil er spätestens dann raugeflogen wäre. Typish Deustch. Keinen Funken Phantasie. Der braucht uns doch kein Schreiben ausstellen, das kann ich schließlich selbst, er braucht nur den Stempel mal kurz aus den Augen lassen, den Rest erledige ich. Aber diese Möglichkeit fälllt auch weg. Wieder hinunter in die Lobby zu den anderen.

Daß unsere Probleme und die Probleme von Heike und Didi nicht gleich, sondern nur ähnlich waren, half auch nicht weiter. Sie hatten noch Zeit im Iran, dafür aber kein Visum. Wir hatten ein abgelaufenes Visum, aber keine Zeit mehr im Iran. Sie wollten nach Indien und Pakistan war nur ein lästiges Hindernis auf dem Weg. Wir müssen nach Pakistan. Almut gefiel die möglichkeit am besten, schlichtweg das Datum im Visum zu ändern: Aus "05/06/10 - 04/09/10" könnte man z.B. "25/06/10 - 24/09/10" machen. Dazu bräuchte ich allerdings den gleichen Kugelschreiber, ein Mikroskop. Die Rasierklinge ließe sich auftreiben. Risiko: Wenn die Gültigkeit in der EDV abgespeichert ist - und das war es vermutlich - dann gibt es Unpäßlichkeiten. Oder wir stellen uns einfach blöd, fahren los, reisen aus dem Iran aus und tun so, als hätten wir nicht gemerkt, daß das Visum abgelaufen ist. Vielleicht merkt es ja keiner, oder vielleicht ergibt sich da eine Möglichkeit und irgendein Obermufti drückt ein Auge zu und unsere Einreise durch. Risiko: Wenn sie es checken, dann sitzen wir im Niemandsland fest und können weder in den Iran noch nach Pakistan. Das könnte dann interessant werden.

Der bereits erwähnte Overlander hatte für einen Teil der Besatzung, ca. 10 Leute, Visa für Pakistan bekommen. Der andere Teil, ca. 30, mußte vom Iran aus direkt nach Indien fliegen. Vielleicht sollte man es doch noch mal auf der Paki-Botschaft probieren. Ich rief beim Paki-Konsulat in Zahedan an. Dort konnte keiner Englisch, aber in einer halben Stunde wäre einer da, der Englisch kann. In der Zwischenzeit rief ich halt bei der Paki-Botschaft in Berlin an, wo vorhin besetzt war. "Grüß Gott! Ich habe da eine Situation: Ich sitze in Teheran, meine Zeit läuft ab und die pakistanische Botschaft hier weigert sich, mir ein Visum auszustellen." Man erklärte mir, daß ich das Visum in Deutschland hätte beantragen müssen. Ich hatte das erst unter den Tisch fallen lassen, da wir ja auch zwei ganz neue Visa brauchten. "Das habe ich doch, aber die sind mittlerweile abgelaufen." Dann solle ich in Berlin neue beantragen. Die Regelung gilt für alle Botschaften. Auch würden in Berlin beispielsweise für Italiener nur Visa ausgestellt, wenn diese schon mindestens ein halbes Jahr in Deutschland wohnen oder für eine deutsche Firma arbeiten. Ansonsten müssen auch die EU-Bürger die Visa in ihren Heimatländern beantragen. "Ich bin mit dem Auto unterwegs, soll ich jetzt nach Berlin zurückfahren? Wie sieht es in Kabul aus?" Dort könne ich es probieren, es halten sich schließlich nicht alle an diese Regelung. Das war immerhin eine halbwegs brauchbare Information. Auschreiben, zur Auswertung hinterher, sonst vergesse ich das alles.

War wohl früher mal eine Wechselstube. Jetzt ist es ein Restaurant.

Dann rief ich erneut in Zahedan an. Nun hatte ich jemanden an der Strippe, der Englisch konnte. Visa würden die überhaupt nicht ausstellen, und ich solle mich an die Botschaft in Teheran wenden. "Die haben mich nach Berlin geschickt, aber das geht nicht, da kann ich nicht hin. Können Sie nicht vielleicht eine Ausnahme machen?" Sie könnten keine Visa ausstellen. Ein Schwachsinn! Die haben schon mal einem ein Visum ausgestellt. Gehen tut es, nur wie bringt man sie dazu? Ich probierte es in Mashhad. Aber da klingtelte das Telephon ewig, ohne, daß einer ranging. Dann fiel mir ein, daß ich Trottel vergessen hatte, bei den Briten auf der Botschaft vorbeizuschauen. Ein Blick auf die Uhr: 14:38 Uhr. Dreck. Die haben bestimmt schon zu. Ich suchte die Nummer im Intenet heraus und rief dort an: "Die Botschaft ist geschlossen, die Öffnungszeiten sind von Sonntag bis Donnerstag von 07:30 bis 14:30 Uhr. Die Öffnungszeiten der Fritz-Botschaft sind von Sonntag bis Donnerstag von 08:00 bis 12:00 Uhr. Deutschland ist und bleibt halt ein Beamtenparadies. Nun wußte ich jedenfalls, was ich morgen zu tun hatte. Und spätestens Übermorgen ist Visaverlängerung an der Reihe. Die Deadline ist soweit der 22. September, andernfalls wird es wieder einen tagelangen Aufenthalt an der Grenze geben, wie wir ihn 2006 hatten. Aber diesmal hatten wir keinen Helfer, wie damals. Der ist außerdem seit Monaten verschollen. Ich schickte eine SMS an unseren Anwalt, mit dem wir neulich Essen waren. Der hatte ausdrücklich gesagt, wir sollen uns melden, wenn es Probleme gibt. Nun hatten wir eines.

Mit leerem Magen kann man nicht denken. Selbst mit vollem Magen fällt mir das immer schon so schwer, also zogen wir los. Wir aßen etwas, wechselten Geld und schlenderten dann zum Hotel zurück. Auf dem Weg dahin fand ich einen dieser Saftläden und steuerte drauf zu. Ich ging hinein und bestellte eine Bananenmilch. "Du drehst Filme über den Metzger. Das eben hätte man filmen sollen und es Dir dann vorspielen. Dein Kommentar wäre wahrscheinlich 'Was ist denn das für ein Idiot?'", sagte Almut. Ich wußte nicht, worum es geht, aber sie erklärte es mir ausführlich: "Da ist ein idyllisches Saftlädchen irgendwo in Teheran. Der Verkäufer kümmert sich liebevoll um seine Säfte, ein kleiner Kunde steht am Tresen und möchte bezahlen, da zerreißt der Klang von Marschtritt die Stille, ein brauner Wisch zischt zwischen dem Kunden und dem Verkäufer durch. Als höfliche, wohlerzogene Perser ohne Auto sagen sie natürlich nichts, aber sie kämen auch gar nicht dazu, denn kaum sthest Du still, zeigst Du auf die Bananen und schreist: 'Eins!' - und das dann auch noch auf Arabisch!" Sehr interessan zu erfahren, wie einen seine Frau wahrnimmt. Von innen sah es aus wie eine ganz normale Saftbestellung. Da stand wirklich ein Typ mit Münzen in der Hand, aber ich dachte, der steht halt da und spielt damit. Kann ich doch nicht wissen, daß der zahlen will.

Ich überlegte wieder unsere Möglichkeiten durch. Aber es funktionierte. Der Bananesaft hat wohl die zwei Gehirnzellen aktiviert! Wieso bin ich da nicht gleich draufgekommen? Mann, was bin ich behindert! Neue Alternative: Wir richten die Klima, holen hier auf der Fritz-Botschaft den Paß für den Kleinen, reisen dann über Bazargan in die Türkei aus. Wir hatten zwar Mirjave angegeben, was zwar ein Problem wird, wenn wir in Bazargan, aber eines, das nicht zu schwerwiegend sein dürfte. Die Pässe von Heike und Didi nehmen wir mit, fahren zur nächsten DHL-Filiale, die laut DHL-Homepage in Trabzon am Schwarzen Meer liegt. Dort werden die Pässe nach Berlin geschickt, und wir fahren gleich weiter nach Erzurum oder Dogubayazit, um die Iran-Visa zu beantragen. Dann wieder zurück nach Trabzon, die Pässe abholen und wieder in den Iran zurück. Klingt nach einem Plan. Mittlerweile Plan J oder so, aber zumindest ein realisierbarer und erfolgversprechender Plan. Selbst wenn wir das Iran-Visum nicht bekommen, können die anderen ihre Pässe an der Grenze abholen kommen. Risiko: Die Idee ist von mir.


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© by Markus Besold