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Pakistan 2010
Donnerstag, der 23. September

"Aufstehen, aufstehen! Wir müssen los!" Jaja, ist ja schon Recht... Ich machte mich fertig und wir gingen los. Heike und Didi waren schon auf und machten den G startklar. Almut und ich gingen w:ahrend dessen zur Post. Die war nicht weit. Nur die Straße runter in Richtung Khomeini-Platz und dann die erste große links. Ein riesiges Gebäude, nicht zu übersehen. Wir gingen hinein und - tatsächlich - stand da DHL und TNT. Im Iran ist es recht gut, wenn man nachfragt, ob das auch wirklich stimmt, denn hier darf sich jeder Hans Wurst mit Markennamen schmücken, mit denen er nicht das geringste zu tun hat. Patentrecht ist hier nicht. Eine weitere Parallele zu Brasilien. Aber es stimmte. DHL war hier und die würden in spätestens 4 Tagen ausliefern. Ich packte die Papiere in ein spezielles Couvert, Schrieb die Adresse des ADAC drauf. Natürlich hatte ich die verdammte Visitenkarte des Hotels vergessen und fing an zu fluchen, solange bis die Kassiererin meinte, es sei kein Problem wenn man nur Hotel Khayyam, Amir Kabir, Tehran, Iran draufschreibt. Almut machte mich drauf aufmerksam, daß ich manchmal besonders pingelig sei, was ich den Krautfressern gerne vorwerfe - allerdings nur dann, wenn es nicht drauf ankommt. "Glaube nicht, daß DHL es sich leisten kann, irgendwas nicht auszuliefern mit der Ausrede, sie hätten die Adresse nicht gefunden", so gesehen stimmte das schon. DHL ist nicht Iran, das wird immer wieder betont. In der Hoffnung, alles richtig gemacht zu haben, ging ich mit Almut wieder zurück zum Hotel. Ich mußte meine Sachen noch packen, Almut wollte noch Brot für alle holen.

Als ich zurück am Hotel war, fragte mich Didi nach einem Spanngurt. Sein Haubenverschluß sei hinüber und müsse geschweißt werden. Aber das könne unterwegs erledigt werden. Er brauchte nur den Gurt, damit ihm die Haube nicht gegen den Windschirm fliegt. Ich gab ihm einen. Davon sind schließlich genug da. Ich trug meine Sachen hinunter, Almut kam und wir fuhren los in Richtung Samnan. Diesmal lotste uns das Navi nicht so elegant auf der Stadt wie beim letzten Mal. Fast eine Stunde fuhren wir einfach in die komplett falsche Richtung, bis es Didi irgendwann zu blöd wurde und er den richtigen Weg einschlug - genau an einer Kreuzung, an der es so chaotisch zuging, daß ich so fasziniert und mit Bildermachen beschäftigt war, daß ich glatt falsch abgebogen wäre, wenn mich Heike nicht aus dem G brüllend darauf aufmerksam gemacht hätte, wo die eigentliche Straße verläuft. Über eine Stunde später waren wir aus Teheran draußen auf der Autobahn. Hier konnte man wieder halbwegs vernünftig arbeiten.

Die Klima funktionierte nicht gescheit, das Kind brüllte - ich glaube fast deswegen, weil es über 40 Grad hatte und Almut unfähig ist, das verdammte Fenster aufzumachen. Ich hielt an, stieg aus, kurbelte das Fenster auf und zog den Griff ab. Erst viel später merkte sie das und machte einen Hühneraufstand. Manchmal muß man Frauen eben behandeln wie kleine Kinder. "Mir fliegt hier die ganze Scheiße um die Ohren." Dann soll sie das Zeug eben so verstauen, daß es nicht fliegen kann. Das ist zwar schwierig, wenn man nur einen Arm zur Verfügung hat, aber man kann es ja als Herausforderung betrachten - das tut sie ja so gerne - und außerdem: Da hätte sie vorher daran denken sollen. Ich habe das getan und habe eigens deswegen gesagt: Keine Kinder. Also selber schuld.

Wir hielten an einer Tankstelle. Wieder das übliche Prozedere: Hoffen, daß LKW da sind, die einem etwas abgeben. An LKW mangelt es an Tankstellen für gewöhnlich nicht. Ich fuhr an die Tankstelle und wartete auf die anderen, die wir unterwegs irgendwo verloren hatten. Währenddessen machte ich den Tank schon mal auf und ich dachte, es sei eine gute Gelegenheit, endlich mal diese Kanister da auf dem Dach vollzumachen. Sind ja eigentlich reine Dekoration. Es sieht blöd aus, wenn man nur Sandbleche dabeihat. Das ist Libyenausrüstung, für Asien eigentlich schon Overkill, denn selbst wenn es auch hier Pisten gibt, es gibt dazu keine Beschreibungen. Ich fuhr an die Zapfsäule, machte den Tank voll und die Kanister schon mal auf. Dabei klemmte ich mir am Bajonettverschluß den Finger ein und die rote Soße lief darauf hervor. Die Kanister konnten erst mit dem nächsten LKW vollgemacht werden und ich mußte kurz von der Säule weg, damit der LKW, der mir den Tank vollgelassen hatte, weiterfahren konnte. Bei der Gelegenheit nahm ich den Spaten aus der Halterung und zog ihn dem Kanister über, der mir den Finger aufgeschlitzt hatte. "Drecksau! Hast jetzt davon!", sagte ich. "Glaub nicht, daß es den Kanister interessiert", bemerkte Heike. Der Tankwart rief mich an die Säule zurück und ich fuhr rückwärts hin, legte die Decke aus und begann, die Kanister vollzumachen. Seltsamerweise sprudelte der Diesel jedesmal aus den Kanistern, wenn diese vollwaren. Hinterher war auch die Decke getränkt und hieß von nun an "Dieseldecke". Dieseldicht war sie aber nicht, was dazu führte, daß auch das Dach, die Heckscheibe und der Kofferraum dieses Präfix verdient hätten. Als Didi an der Reihe war mit Tanken, mußten die Zusatztanks auch vollgemacht werden. Er hatte umgepumpt in den Haupttank. Die Einfüllstutzen für die Zusatzkanister waren in den hinteren Radkästen. Der Tankwart verwechselte sie allerdings mit dem Holm und ließ zunächst ein paar Liter Diesel in den Holm, die natürlich eins zu eins auf der anderen Seite auf den Boden schossen. "Nicht da!", schrie ich lachend, und zeigte auf den Einfüllstutzen.

Unsere Tankaktion.

Diesel und Sonne sind für Fensterdichtungen nicht gut. Das fiel mir ein, als wir bereits weitergefahren waren. Ich hielt nochmal an, um mit Spülmittel und Wasser das Diesel zumindest von der Dichtung zu entfernen. Wenige Minuten später hielt ich nochmal an, um das mittlerweile kreisförmig verschmierte Diesel von der Heckscheibe zu entfernen, durch die ich nichts mehr sehen konnte. Schließlich schaffte ich es, daß wir länger als ein paar Minuten fahren konnten und war zufrieden. Nur das dumme Leck am kleinen Finger der rechten Hand sabberte weiter.

Um 15:50 Uhr kamen wir in Samnan an. In den Außenbezirken - die irgendwie immer gleich aussehen: Läden und Werkstätten links und rechts - hielten wir bei einer Werkstatt, um den Haubenverschluß des G reparieren zu lassen. Eigentlich übernahm Didi die Reparatur. Lediglich das Schweißen überließ er demjenigen, den ich spontan als Lehrling bezeichnet hätte. Von Schweißen hab ich keine Ahnung, aber Didi meinte, der macht das ganz gut. Das war nach etwa fünfzehn Minuten erledigt und wir fuhren weiter zum Einkaufen. Am Ortseingang war eine Fregatte aufgebaut, ein Modell in der Größe eines Fischerbootes. Daneben wieder Läden. Wir hielten an und füllten die Vorräte auf.

Die Fregatte von Samnan.

Zu sehen gab es hier außer der Fregatte aber nichts und wir fuhren weiter mit Ziel Moalleman. Didi fuhr voran bis zu einer Sackgasse vor einem Bahnhof. War wohl nichts. "Bei mir wird die Karte von diesem Kaff hier angezeigt", sagte ich, und Didi meinte, ich solle vorausfahren zu der Straße, die nach Süden abgeht. Das tat ich dann auch. Schon wenige Kilometer nach der Ortschaft verschwand der orangene Strich, der die Straße anzeigt, vom Bildschirm, aber nicht von der Landschaft. Auf bestem Asphalt ging es weiter in Richtung Süden. Wir bogen noch einmal ab, da unser Kurs nicht mit dem auf der analogen Karte übereinstimmte. Didi fuhr wieder voraus. Bald gab es interessante Schilder zu sehen. Ich hielt einmal an, damit Almut sie lesen und übersetzen konnte. "Irgendwas mit Weltraumforschung. Und das da ist das Zeichen vom Kriegsministerium." Didi hatte ein paar hundert Meter weiter angehalten und fuchtelte sich mit einem LKW-Fahrer. Wir schlossen auf, und wir standen vor diesem seltsamen Schild:

"Örtlich Militärisch, Eingang Verschlossen Kör Per illegel" - versteh ich nicht. Weiter...

Mit der Auskunft des LKW-Fahrers konnten wir nichts anfangen. Vielleicht hatte er gemeint, daß wir nicht weiterfahren sollten. Vielleicht aber auch, daß wir nicht weiterfahren brauchen, weil es sich aus irgendeinem Grunde nicht lohnt. Wir wußten es nicht. "Was sollen wir machen?", fragte Didi. Na, was denn? Verstehst Du das? Ich auch nicht. Aber wenn wir nicht weiterfahren, finden wir es auch nicht heraus. Wir fuhren also weiter. Einmal hielten die anderen an. Ich merkte es nicht und fuhr an ihnen vorbei und weiter, bis mir das Bild etwas seltsam vorkam, weil es zu wenig Blau enthielt. "Wo sind denn die anderen?" - ein Blick in den Rückspiegel brachte die Antwort. Ich blieb stehen und fuhr zurück. "Hab doch gewußt, irgendwas stimmt nicht", sagte ich, als ich rückwärts bis zum G zurückgefahren war. Wir besprachen das weitere Vorgehen. "Vorwärts die Blicke, niemals zurücke geht unser Marsch an die Front..." - mit anderen Worten: Wir fuhren weiter. Seltsam leer, diese Strecke. Es kamen uns vielleicht drei Fahrzeuge entgegen, wir selbst überholten nur einen Kleinlaster. Aber langweilig war uns nicht, denn wir konnten Rätseln, was denn der Iran mit Weltraumforschung zu tun hat. Vielleicht werden hier die Kassams getestet. Da muß dringend an der Treffgenauigkeit gearbeitet werden, den bislang erzielt man mit chinesischen Feuerwerkskörpern eine bessere Trefferquote. Oder vielleicht tun sie doch tatsächlich irgendwas ins Weltall schießen. Ich sah neulich in Esfahan eine Zeitschrift, auf deren Cover drei oder vier Astronauten abgebildet waren. Ich persönlich denke, daß die Cover-Story von der Zeitschrift nur eine Cover Story ist. Beim nächsten Schild war klar, daß wir es nicht erfahren würden - zumindest nicht mit dem Auto:

"Military Area. No Entrance."

Gut, das war nun eindeutig und ließ wenig Raum für Ausreden - besonders in unserem Fall mit der englischen Zulassung. Aber ich machte ein Bild. "Genau, mach ein Bild. Super Idee. Du forderst es wirklich heraus", meinte Didi, während er auf ein Auto zuging, das gerade auf eine Piste abgebogen war und angehalten hatte. Didi fragte nach Moalleman, der Fahrer des Wagens zeigte auf sich, dann nach vorne und es war klar, daß er selbst auf dem Weg nach Moalleman war. Wir bogen ebenfalls nach Norden auf die Piste ab und fuhren in Richtung Moalleman. Die Piste war nicht lang und wir erreichten bald wieder eine Asphaltstraße, die aussah, als sei sie erst nächste Woche fertig. Ganz schwarzer Teer, der umso schwärzer wirkte in der fast weißen Umgebung. Wir folgten der Straße, von der wir dann abbogen auf eine Piste. Die Sonne war eben untergegangen, in einigen Minuten ist es hier stockduster. Wir fuhren an einigen Pfannen vorbei. Die waren zwar künstlich, boten aber Sicht- und Windschutz. Wir mußten an den Nachtplatz in Argentinien bei den Pinguinen denken. Da sah es ähnlich aus, nur war es dort etwas kälter. Aber auch an den damals bei Yalu in Libyen, weil Sonnenuntergang und Mondaufgang auch dort zusammenfielen. Aber wir fuhren weiter auf der Piste, bis sie sich verzweigte. Auf der Piste wollten wir eigentlich nciht übernachten und weiterfahren schien auch Blödsinn, weil es bereits so dunkel war, daß gute Plätze nur noch mit Mühe zu erkennen waren. Wir beschlossen, zur Pfanne zurückzufahren. Erst spielte ich noch mit dem Gedanken, Almut bei den anderen zu lassen und alleine kurz noch auf Erkundungstour zu gehen. Vielleicht gab es doch irgendwo einen besseren Platz. Doch bis ich die Decken und die Schlafsäcke herausgekramt hatte war die Welt nur noch vom Silberschein des Mondes beleuchtet, also ließ ich es bleiben. Ich kriege es noch fertig und fahre mich irgendwo fest, oder ich verfahre mich. Wahrscheinlich beides. Kein Empfang hier draußen. Bis Moalleman waren es noch 20 km. Heike und Didi packten ihr Campingzeug aus. Darunter befanden sich auch zwei Klapphocker für uns. Almut hatte mir auf dem Weg noch erzählt, daß sie Campingstühle gesehen hätte in Teheran. "Verdammt, warum habe ich die eigentlich nicht gekauft? Hm." Weil das Geld ganz unten in der Tasche war, der Kline geschlafen hat, und sie mit Tüten vollbeladen war. Deswegen. Aber Heike hatte das übernommen und wir brauchten nicht am Boden zu sitzen. Sehr gut! Als nächstes wurde der Coleman-Benzinkocher ausgepackt und angeworfen. Es gab richtiges, anständiges Essen - nicht auf dem Camping oder in der Stadt. Das hatten wir schon ewig nicht mehr. Südamerika, wenn ich mich nicht täusche, und das ist mittlerweile acht Jahre her. Jetzt - und erst jetzt - fühlte sich das Unterwegssein wieder richtig an. Hier unter dem Sternenhimmel, der schon von Anfang an vom Mond gestört war, in der Stille der Wüste. So muß Reisen sein - "wie ein junger Abend, irgendwo im Norden Afrikas".

Unser Nachtlager.

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© by Markus Besold