< September 2010 > | ||||||
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Es war noch dunkel, als ich wach wurde, weil Almut einen Fuchs meldete. Keine Zeit, um den Reißverschluß aufzumachen, ich stand mit Schlafsack auf und starrte in die Nacht. Etwa fünf Meter entfernt war tatsächlich ein Fuchs und starrte mich seinerseits an. Ich griff nach dem nächsten Stein und warf nach dem Fuchs. Weit gefehlt, und der Fuchs zog sich zurück bis vor den nächsten Kieshaufen. Mittlerweile war auch Didi wachgeworden. Während er untersuchte, ob etwas fehlte, nahm ich den nächsten Stein und warf ihn in Richtung Fuchs. Man hörte, wie das Geschoß durch die Luft schnitt und irgendwo im Kies einschlug. Der Fuchs verschwand nun auf den Kieshaufen und ließ sich durch weitere Steinwürfe nicht mehr beeindrucken, die alle zu kurz saßen. Einer meiner Stiefel fehlte. Normalerweise stelle ich die immer auf den Gepäckträger. Das macht man so, habe ich mir sagen lassen, damit man keine bösen überraschungen erlebt, die dadurch entstehen können, daß ein Skorpion hineinkrabbelt, weil es da schön warm ist. Ich hielt diese Skorpionsgeschichten immer für Märchen aus Abenteuerbüchern, bis ich 2006 hier im Iran ein Exemplar unter meinem Kopfkissen vorfand. Skorpionsstiche sind zwar nicht gleich tödlich, aber das gilt nur für Erwachsene. Bei einem neunmonatigen Kind kann ein Skorpionsstich aber duchaus eine ausgeprägte Leichenstarre hervorrufen. Vielleicht wäre so ein Zelt gar nicht verkehrt gewesen. Almut hatte beim Roßmann eines für 10 Euro gefunden und mich gefragt, ob sie es kaufen soll. Ich meinte sie solle es bleiben lassen, weil ich ja ein gutes Zelt besitze. Daß das allerdings im Kofferraum des Braunen in L.A. flackt, das hatte ich nicht bedacht. Ständig predige ich der Frau, sie soll nicht immer auf jeden dahergelaufenen Idioten hören, aber auf mich hört sie einfach nicht. Ich holte meinen Stiefel zurück und stellte diesmal beide auf den Gepäckträger. Didi stellte fest, daß ein Heike-Schuh fehlte und Almut, daß Müll- und Brottüte fehlten. Weiterschlafen.
Ein paar Stunden später erhob ich mich fluchend aus dem "Bett", weil die Sonne brannte und mich nicht weiterschlafen ließ. Nun war ich wach, zwar nicht bester Laune, aber wach. Wenigstens verpaßte ich das Frühstück nicht. Almut hatte auf ihrem Morgenspaziergang den fehlenden Schuh von Heike wiedergefunden. Der wies nun allerdings starke fuchskieferbedingte Beschädigungen auf. Der Plan war, weiter nach Moalleman zu fahren und dort einige Vorräte zu besorgen, vor allem kaltes Cola. Coca-Cola, nicht Zam-Zam oder ein sonstiges Plagiat. Auf dem Weg zurück zum Asphalt besichtigten wir noch ein verlassenes Dorf, das in keinem Reiseführer erwähnt wird. Die interessanten Sachen stehen da oft nicht drin.
In Moalleman angekommen mußten wir feststellen, daß es in diesem Geisterdorf am Freitag scheinbar nicht mal Wasser gab. Vielleicht sind ja alle Dörfer in dieser Gegend verlassen. Es blieb nichts anderes übrig, als weiterzufahren mit Kurs nach Süden in Richtung Yazd mit Ziel Khor oder Khoor - die Beschilderung ließ beide Varianten gelten. Es wurde sehr heiß und auch eine schlechte Klima erwies sich besser als gar keine. Wir legten an einer Tankstelle eine Pause ein.
Danach ging es weiter in Richtung Garmeh. Dort soll eine Piste hinführen. Didi fand den Einstieg und wir bretterten die Piste entlang. Er hielt einmal an an einem Wadi. Ich wollte schlauerweise danebenfahren und fragen, was los sei, aber ich hatte mein Maul noch nicht ganz offen, da sackte das Heck ein und wir steckten fest. Didi bemerkte, daß der Untergrund etwas weich war -"Ach?"- und sagte, ich solle im großen Bogen ausholen. Das tat ich auch, nachdem die anderen drei den Daimler rückwärts wieder aus dem Sandfeld geschoben hatten. Nur, als ich wieder nach links einschlug, um auf die Piste zurück zu kommen, merkte ich, wie das Heck wieder zu versacken drohte. Vollgas, Halbkupplung, und der Daimler erreichte die rettende Piste. Sie war ab da gut zu befahren mit bis zu 60 km/h. Nach kaum zehn Kilometern kamen wir in Garmeh an sahen schon von Weitem das nagelneue schwarze Asphaltband, das durch den Ort führte und das die Fortsetzung der Straße bildete, die wir verlassen hatten, um die Piste zu nehmen, wir Deppen. Wir fragten uns durch bis zu dem im Lonely Planet beschriebenen "Guesthouse". Der Weg dahin war von einem Pick-Up blockiert, von dem gerade Zementsäcke entladen wurden. Wir hatten es nicht eilig und warteten solange, dann fuhren wir das letzte Stück und standen vor dem Guesthouse. Das sah uns recht verlassen aus, aber die Eingangstüre war offen und wir gingen hinein. Ich stolperte die Treppen hinauf und stand in einem nach oben offenen Saal. Irgendwie eine mischung zwischen Wohnzimmer und Innenhof. Ganz hinten war eine "Fledermaus", die den Anschein erweckte, gerade damit beschäftigt zu sein, zum Allah zu beten. Ich ging wieder hinaus und erstattete Bericht. Da mußten nun die Frauen ran. Die erreichten aber auch nichts, denn sie fanden besagte Fledermaus nicht mehr.
Wieder eine Weile später fanden wir dann doch noch Leben in der Bude. Ein Riesenkerl mit einem Vollbart und Bärenpranken erschien und stellte sich als Besitzer vor. Sein Name war Maziar. Der Preis für die Übernachtung war realtiv hoch und nicht in unserem Budget. Aber wir wurden zum Tee eingeladen. Wir nahmen dankend an und der Chef erzählte uns über die Gegend und versuchte währenddesen, Arnie das Gehen beizubringen. Der fand es aber interessanter, ihm den Bart auszureißen zu versuchen. Beiden blieb der Erfolg aus. Es gab hier die Oase, und etwa 30 km weiter war auch noch eine. Wir beschlossen, zur anderen Oase zu fahren, um diese zu begutachten, ob sie denn als Nachtplatz in Frage käme. Es würde bald dunkel werden, wir hatten noch anderthalb, maximal zwei Stunden Tageslicht. Als wir zahlen und gehen wollten, gab er uns seine Telephonnummer, falls wir fragen hätten, und einen Laib Brot mit, falls wir Hunger bekämen. Der Deutsche Botschafter sei hier auch ab und an zu Gast, erzählte er. Ich sagte ihm, er solle mich mal anfunken, wenn das der Fall sei. Ich würde mich mit dem werten Herren gerne mal unterhalten, und zwar ohne störendes Panzerglas. Aber da erklärte die Zimmerpreise. Wenn hier Botschafter absteigen, dann ist es nun mal teuer.
Wir fuhren los zur beschriebenen zweiten Oase. Den Namen konnte ich mir nicht merken und nannte es daher "Thermopylen", weil es sich um heiße Quellen handelte. Der Ort hieß auch auf Persisch "Heiße Quellen". Nach der Ortschaft ging die Asphaltstraße weiter, und nach einigen Kilometern bog Didi auf eine Piste ab. Ich fragte den Fahrer eines schwarzen Peugeot Pars, ob es denn auf dieser Piste zu den "Wie heißt das? Abadan?" Almut korrigierte mich schnell und ich haute das Wort raus. Er zeigte auf die Straße. Ich bedankte mich und nahm dennoch die Piste, um Didi zu sagen, daß er sich auf dem falschen Weg befand. Aber schon allein der Versuch, mit einem 200D auf einer Piste ein G-Modell einholen zu wollen war nur dumm und sonst gar nichts. Und da die Piste gut zu befahren war, fuhr ich einfach weiter. Irgendwo würde sie schon hinführen, und wer weiß, vielleicht gab es auch hier schöne Nachtplätze. Doch sie führte nur wieder zurück auf die Asphaltstraße. Auf der fuhren wir dann nach rechts und weiter bis zur nächsten Ortschaft. Die Reserveleuchte begann nun langsam daran zu erinnern, daß bald getankt werden sollte. Die bestand aus einer Hütte und einer Moschee. Dort sollten angeblich die Heißen Quellen sein, aber wir sahen weit und breit nichts. Die Sonne würde bald hinter dem Horizont verschwinden, wir mußten uns also beeilen. Almut fragte nach den Quellen, während ich zwei Sattelschlepper beobachtete, die entgegengesetzt zu unserer Fahrtrichtung von der Piste auf die Straße fuhren. Die LKW sah ich erst auf den zweiten Blick. Was mir aufgefallen war, war die riesige Staubfahne.
Almut kam zurück und meinte, das hier seien laut Auskunft die Quellen. Von einer Quelle war weit und breit nichts zu sehen. "Also, gut, fahren wir zur Oase zurück", wurde kurzum beschlossen. "Diesmal aber über die Straße!" Eine halbe Stunde später waren wir wieder dort, wo wir auf die Piste abgebogen waren und kurz darauf an der Oase. Wir stellten die Autos neben der Quelle ab. Die Quelle war im Felsen, der Felsen war durch ein steinernes Tor verziert Der Wasserlauf, in dem tausende von Fischen schwammen war kanalisiert und das Wasser war warm. Wir stellten die Autos V-förmig auf und richteten uns für die Nacht ein.
Als es dunkel war n:aherten sich drei Gestalten. Erst als sie ganz nahe waren erkannten wir unter ihnen Maziar. "Habt Ihr kein Feuer?", fragte er. "Nein. Zu viel Arbeit", erwiderte ich. Sie gingen wieder. Wenige Minuten später waren sie wieder da mit Feuerholz, Reisig und trockenen Palmblättern und in wenigen Sekunden hatten sie an der Quelle ein Feuer entzündet, das den ganzen Berg beleuchtete. Wir setzten uns dazu und unterhielten uns. Nur Mazi konnte Englisch. Er ist mit einer Französin verheiratet, die in Teheran als Lehererin arbeitet. Er kommt auch öfter nach Frankreich. Letztens war er in Spanien in Barcelona und wollte mal in eine Disko gehen, aber an allen Läden wurde er von den Türstehern weggeschickt. Vermutlich, weil ihn der Bart eindeutig als Terrorist verrät. Ist ja logisch. Wahrscheinlich alles ehemalige Verfassungsschützer. Vor einigen Jahren hatte es hier im Winter -20° und es seien 6.000 Palmen abgestorben. Das Tor zur Quelle werde auf 4.000 v. Chr. datiert und wegen Skorpionen soll man sich keine Gedanken machen. Die gelben sind sowieso kein Problem und auch die schwarzen nur dann, wenn man dagegen algerisch sei. Auch Schlangen seien ungefährlich. Der letzte Tourist, der an einem Schlangenbiß starb, ist fünfzehn Jahre her. Schakale soll es in der Gegend auch geben, aber die täten nur Ziegen was. Und wir sollen nach Chackchack fahren. Dort sei es schön. Nach etwa einer Stunde verabschiedete er sich und meinte, wir sollten uns melden, wenn wir etwas bräuchten. Wo er zu finden sei, das wüßten wir ja. Das ist ein Terrorist, was?
Zum Abendessen gab es Nudeln mit Tomaten und Ei. Die verderblichen Vorräte mußten sinnvoll vernichtet werden. Almut bezog sich einen Anschiß dafür, daß sie mir mein letztes Cola wegsoff. "Sauf Dein scheiß Wasser - davon ist genug da - und laß mir gefälligst mein Cola!" Geduscht und Wäsche gewaschen wurde in der Quelle und Didi überspielte seine Tracks auf vom GPS auf die Festplatte. Es benutzte auch MapSource. Warum bin ich eigentlich nicht schon längst auf diese Idee gekommen? Das Pogrom hatte ich auch auf dem Rechner installiert. Aber statt das Gerät anzuschließen und die Daten zu übertragen, nutzte ich die Zeit bisher lieber dafür, darüber zu fluchen, daß der Track der ganzen Reise automatisch gelöscht wird, wenn der Speicher voll ist. Nachdem alle Punkte dieser Reise bis Teheran also nicht mehr existent waren, begann ich erst damit, sie zu speichern. Bei der Gelegenheit überspielte ich auch gleich noch die Bilder, was mir gerade noch gelang, bevor die Batterie des Rechners leer war. Danach ging ich schlafen.