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Pakistan 2010
Freitag, der 10. September

In der Früh, sprich am frühen Nachmittag, zogen wir los. Ich baute den Filter aus und ging von einem Geschäft zum nächsten und fragte, ob die sowas hatten, indem ich ihnen den Filter hinhielt. Gleich nach den ersten paar hundert Metern war schon einer da, der Englisch konnte. Es sammelten sich einige Leute an, und plötzlich - ich wußte gar nicht, was los war, hatte ich einen Hengst-Filter in der Hand. "Erstausrüsterqualität". Das war ja einfach. 20.000 MickyMaus sollte er kosten. "Das ist ja billig", dachte ich mir und gab ihm einen 20.000-Schein, umgerechnet 2 US$. Er lachte und sagte nochmal "Twenty!" Da fiel mir dann ein, daß da was war. Das soganannte Geld hier hieß "Rial", aber die Leute rechnen in "Tuman", weil das eine Null weniger hat. Der Preis war also 200.000 Rial, also etwa 20 US$. Das war schon in Ordnung, viel billiger ist der in Schweinefresserland auch nicht. Ich warf den alten im hohen Bogen in die Tonne, die daneben stand, nahm den neuen Filter und baute ihn ein. Wo ich schon mal dabeiwar, konnte ich gleich den Vorfilter noch wechseln. Ich baute den aus und ging wieder los. Der Typ ging mit mir zum einen oder anderen Laden, aber er meinte, es sei Freitag, was im Iran unserem Sonntag entspräche, und daher hätte alles zu. Aber ich möchte doch morgen gegen zehn Uhr früh zu seinem Laden gehen, dann würden wir das schon hinkriegen.

Es trat schon wieder jenes seltsame Phänomen ein, das wir schon beim letzten Mal hatten, und das ich irrtümlicherweise mit Libyen verknüpfte. Das Handy ging nicht. Aber das konnte gar nicht sein, wenn man logisch darüber nachdachte. In Libyen hatte ich 1999 gar kein Handy dabei, und 2009 hatte ich dort eine eigene SIM-Card besorgt. Also war es doch im Iran: Das Handy funktioniert ganz normal, und irgendwann hat es keine Netze mehr. Nichts. Der Bildschirm bleibt leer. Das ist ja mal stupid, denn entweder geht ein Handy, oder es geht nicht. Aber ich habe es noch nie erlebt, daß man in ein Land einreist, und noch für hunderte von Kilometern Empfang hat und plötzlich, auf einmal, reißt er ab und dann geht nichts mehr. Und das sowohl auf dem amerikanischen, als auch auf dem englischen Handy - auf dem deutschen sowieso.

Almut rief bei ihrem Bekannten an und wir verabredeten uns für sechs Uhr nachmittags. Bis dahin hatte ich genügend Zeit, mich mit der iranischen Internetzensur herumzuärgern. Ich probierte und dokterte umeinander, bis ich schließlich mit meinem Latein am Ende war. Ich hasse Zensuren, ich habe sie schon immer gehaßt, und ich werde sie weiterhin hassen. Zensur ist das Eingeständnis, daß man Unrecht hat. Für den Zensor ist es nicht nur ein Armutszeugnis, sondern es ist das Eingeständnis darüber, im Unrecht zu sein. Man muß sich ja die Kandidaten nur mal genauer ansehen: Die sogenannten "Internet Black Holes", wie die "Most heavily censored nations" in der englischen Version des Artikels genannt werden. Mit Ausnahme von China und Nordkorea handelt es sich ausschließlich um islamische Länder. Was für ein Zufall, was? Nur die Europäer sind noch so bescheuert und leisten dieser Volksverblödung auch noch Vorschub. Es hat Jahrhunderte und Hunderttausende von Toten gekostet, das Christentum mit der Fackel der Vernunft soweit zurückzudrängen, daß es keinen Schaden mehr anrichtet, jetzt holen sich diese Trottel den Islam ins Haus, der noch im finsteren Mittelalter steckt. Sowas geistig Zurückgebliebenes!

Ich mußte mich weiterhin mit dieser Dreckssperre herumärgern. Seit Januar haben die Allah-Anbeter hier auch Twitter und Gesichtsbuch unzugänglich gemacht. Wohl wegen der Unruhen damals bei der Präsidentschaftswahl. Das letzte was ich gehört habe, war, daß einer einen Sprenkörper auf den Präsidenten geworfen haben soll. Offizielle Version: Er warf den Feuerwerkskörper aus lauter Freude darüber, daß er den Präsidenten aus der Nähe sehen durfte. Mal sehen, wie lange sich das noch so hält.

Um kurz nach sechs kam dann Almuts Bekannter. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie das Hotel fanden. Es ist auch gut versteckt, muß man zugeben. Er fragte dann, was wir uns ansehen wollten und sagte gleich dazu: "Also, wenn wir in Deutschland wären und Ihr würdet mich fragen, was ich anschauen möchte, dann würde ich sagen: 'Einen Ort, an dem es gutes Bier gibt'. Aber darauf müssen wir in diesem Land leider verzichten." Aber dafür hatten sie gutes Essen, und ich sagte: "Na, gut, wenn kein Bier, dann halt Kabob." Da es aber noch früh war und niemand hunger hatte, fuhren wir erst los und sahen uns ein paar historische Gebäude an - zum Glück keine Kirchen oder Moscheen, sondern interessante Gebäude.

Ich wußte nicht, was das erste Gebäude nun genau war. Es hieß Potal von Bagh Melli Was es gerade für ein Amt behauste war auch völlig nebensächlich, denn das ändert sich eh ständig. Aber links und rechts neben dem Eingangsportals, etwa auf halber Höhe, mitten in einem Blümchen-Mosaik etwas, das nicht ganz ins Bild paßte, nämlich ein Mosaik eines MG 08/15.

Das sah vielleicht schräg aus...

"Das da, das ist ein deutsches Maschinengewehr aus dem ersten Weltkrieg, was hat das da zu suchen?", wollte ich wissen. "Ach, ja, es kann sein, daß die Deutschen das Gebäude gebaut haben", erklärte man mir. Und tatsächlich, auf dem Schild stand nachzulesen, daß das Gebäude vor dem Krieg tatsächlich mit Hilfe der Deutschen gebaut worden ist. Heute gehört es zu den Nationalen Monumenten des Landes. In dieser Gegend soll es viele Gebáude geben, die von den deutschen Gebaut worden sind. Wir kamen am Außenministerium vorbei, und es erinnerte stark an das Reichsluftfahrtsministerium in Berlin, heute besser bekannt als Bundesfinanzministerium. So sehr man versucht hat, es zu orientalisieren, der Baustil der Volksgenossen schlägt durch. Was nicht schlimm ist. Im Gegensatz zu den demokratischen Eintagsfliegen von heutzutage hatten sie wenigstens sowas wie einen Stil. Heute geht es ja nur noch darum, daß sich irgendwelche Architektinnen verwirklichen. Ihre Gebäude kann man - wenn sie in 70 Jahren überhaupt noch stehen - höchstens noch als Mülldeponie benutzen.

Wir gingen danach in ein Museum, das kurz vorm Schließen war. Darinnen waren Exponate aus den letzten 3.000 Jahren zu sehen. Aber sie machten auf mich oft den Eindruck, als wären sie nur wenige hundert Jahre alt, auch wenn daneben auf dem Schild "3. Mill. B. C." stand. Mal ganz abgesehen davon, daß es komisch ist, wenn im Gottesstaat "3 Jahrtausend vor Christus" auf dem Schild steht. Nun, meine archäologischen Kenntnisse sind aber auch nicht besser, als meine Kenntnisse in Quantenphysik, und es kann sein, daß ich mich irre. Passiert mir sowieso ständig.

Weiter ging es zu einem anderen Ministerium. Eigentlich hätten wir da gar nicht hineingedurft, aber zufälligerweise war der Hausmeister aus der iranischen Botschaft in der Türkei nun hier der Oberpförtner und traf seit Jahren unseren Gastgeber zum ersten Mal wieder, daher durften wir nun doch hinein. Auf den ersten Blick erinnerte es an irgendeinen Platz in London. Überall diese blauen Halbkugeln, hinter denen sich Kameras verbargen. CCTV - Closed Circuit TeleVision. Jeder Brite haßt diese Teile. In Deutschland hat man dieses Problem eleganter gelöst: Statt Geld für Kameras auszugeben, hat man 80 Millionen Polizeispitzeln und Denunzianten im Land postiert. Die Kameras sind mir persönlich sympathischer.

Noch ein "Einschüchterungsbau aus der Nazi-Zeit."

Auch dieses Ministerium wurde von deutschen Architekten in den 40ern gebaut. Statt griechischer Statuen in heroischen Posen, waren hier die Reliefs von König Dareios mit Löwenrumpf unter dem Dach eingebaut, die Kapitelle der Säulen bildeten die Pferdchen, die man auch in Persepolis überall bewundern kann, und das ganze etwas morgenländischer gestaltet als in Berlin, aber man merkt eindeutig, wes Geistes Kind der Bau ist.

Nachdem wir auch das besichtigt hatten, fuhren wir in den Norden der Stadt zu einem Restaurant. Auf dem Weg dorthin piepste das Handy und es trudelten die SMSen von gestern und heute ein. Seltsam. Hier hat man plötzlich wieder vollen Ausschlag. Das versteh wer will. Der Kabob war vorzüglich und der Reis noch besser als erwartet. Morgen waren wir auch wieder zum Essen eingeladen. Wir wurden danach beim Hotel abgeladen und verabredeten uns für morgen Abend.


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© by Markus Besold